Bingo mit Zora

Was ich heute schreiben will, geht eigentlich ganz schnell:

Meine wunderbare Nichte und meine ebenso wunderbare Tochter haben gemeinsam ein illustriertes Buch über das Leben mit einem Autismus Assistenzhund geschrieben.

Es ist im ersten Jahr der Pandemie entstanden und hatte einen weiten Weg zurück zu legen, bis es endlich im Buchhandel erhältlich ist. Das Vorwort dazu hat freundlicherweise Daniela Schreiter, alias Fuchskind (Schattenspringer) geschrieben.

Jetzt endlich ist es soweit:

Bingo mit Zora ist in dieser Woche im Buchhandel.

Darum gehts :

( Beschreibung des Buchfink Verlags)

Kiyas Kopf ist manchmal die reinste Bingotrommel. Alles rollt wild durcheinander und wenn sie nicht aufpasst, kullert der Ball mit ihren aktuellen Gedanken einfach zurück ins Gedankenbällebad und Kiya findet ihn nicht mehr. Zum Glück hat sie seit ein paar Jahren eine Begleitung an ihrer Seite, die Bälle liebt und ihr unermüdlich beim Suchen hilft: Assistenzhündin Zora. Seitdem ist deutlich mehr Ordnung in ihrem Kopf. Aber das war nicht immer so.

In BINGO MIT ZORA erzählt die junge Autistin Kiya Götze ihre Lebensgeschichte, berichtet von den Schwierigkeiten, auf die sie immer wieder stößt, und wie sie schließlich mithilfe ihrer Assistenzhündin die Freude am Leben wiederentdeckt hat. Ein großartiges Informationsbuch, das Betroffenen, Angehörigen und allen, die sich mit dem Thema Assistenzhund und Autismusbegleithund befassen möchten, Mut macht. Herausragend umgesetzt und illustriert von Kiyas Cousine Charlotte Götze.

»Ich fühle mit Kiya mit, werde wütend, wenn sie wütend ist, und freue mich mit ihr über ihre tolle Assistenzhündin. Zu erleben, wie Kiya mit Zora zusammen aufblüht, wie die beiden die wilden Abenteuer des Alltags meistern, das alles berührt so sehr!«
(aus dem Vorwort von Daniela Schreiter alias Fuchskind)

Ich muss wohl nicht erwähnen, wie sehr ich mich über dieses Projekt freue und wie stolz ich auf die beiden bin. Und dankbar gegenüber allen, die sich für die Verwirklichung und Umsetzung eingesetzt haben. Ich bewundere den Mut meiner Tochter. Damit reiht sie sich ein in die Reihe der vielen engagierten neurodivergenten Menschen und Aktivsten der Behinderten-Bewegung, die sich für eine diskriminierungsfreie Gesellschaft und ihr Recht auf Teilhabe stark machen.

Konstant im Wechsel

Wer meinen Blog schon ein wenig länger liest weiß, dass es bei uns über die Jahre viel Veränderung und Entwicklung gegeben hat.
Größte Konstante in meinem Leben ist Neurodiversität, konfrontiert damit seit meiner Kindheit in mehrfacher Hinsicht.

Wir erleben und bewerten alle großen und kleinen Ereignisse des Lebens auf unsere besondere Weise. Immer wieder versuchen wir für unser Erleben ein passendes, uns nicht schädigendes Verhalten zu finden und dabei in Verbindung der neurotypischen Umwelt zu bleiben. Manches Mal ein Spagat.
Das gilt umso mehr, wenn die äußeren Rahmenbedingungen in schneller Folge wechseln. In meinem Blog war es so ruhig, weil es im real life ganz und gar nicht so war:

  • Meine notwendige längere Auszeit vom Job
  • Das Team Twen und Locke bestehen die Gehorsamkeitsprüfung und den Eignungstest zum Assistenzhund
  • Hundekind Kringel zieht ein
  • Twen und Locke ziehen Mitte 2019 in ihre erste kleine Wohnung
  • Twen trainiert nicht nur ihren Assistenzhund in spe, sondern ist Chefin eines menschlichen Assistenzteams
  • Der obligatorische Nervkram diverser Behörden
  • Aufgabe der Familienwohnung und Umzug einfädeln
  • Umzug während des 1. Lockdows
  • Das erste Mal in meinem Leben alleine wohnen, von Kringel abgesehen
  • Twen und Locke bestehen die Abschlussprüfung zum Assistenzhund- Team
  • Eintritt in den Un-Ruhestand
  • Ausbau Freiberuflichkeit
  • Kringel wird ein ASB-Besuchshund und ASB-Lesehund

Konzentration auf diese persönlichen Dinge war nötig.

Wir haben sicherlich einige unkonventionelle Entscheidungen getroffen. Und sind bislang zufrieden damit.

Beziehungen gestalten

Im Rückblick scheint das eine weitere große Konstante, vielleicht sogar die schwierigste, zu sein.

60+

“ Alt werden ist nichts für Feiglinge“ – stimmt.

Neben den körperlichen Veränderungen sorgt auch eine andere Sichtweise auf mein eigenes (er)Leben, mein Umfeld, die desaströsen gesellschaftlichen Entwicklungen ( Pandemie, Klimakrise, Krieg – nicht „nur“ganz weit weg- , Rechtsradikalismus) einerseits für ein für mich artgerechteres Alltagsleben, andererseits aber weiterhin für eine gewisse Grundalarmierung.

Das Ringen um Balance bleibt Thema.

Schwerhörig?

Mit über 60 Jahren durfte ich kürzlich zum ersten Mal erleben, wie die Welt nach der Einnahme eines ADHS- Medikaments ist: ich dachte zuerst, ich sei schwerhörig.

Ich wusste nicht, dass die Welt so angenehm, so weniger laut und schrill ist, als ich sie bisher erlebt habe. Ich hatte keine Ahnung davon, dass man verärgert sein kann, ohne über Stunden/Tage zu implodieren (falls man nicht explodiert).

Mir war nicht klar, welch enorme Anstrengungsleistung ich täglich aufbrachte, um mich einigermaßen sozialverträglich zu verhalten ( das wusste ich natürlich theoretisch, was nicht dasselbe ist).

Und mir ist jetzt klar, warum auch ich schriller, lauter, heftiger, undifferenzierter sein musste, als für mich und meine mir nahenstehenden Mitmenschen gut war.

Es betrübt mich, dass ich das alles erst jetzt erleben darf. So manche Weiche in meinem Leben wäre sicher anders eingestellt gewesen…

Bitte

Deshalb, liebe Eltern:
gönnt euren Kindern eine gute Ferienzeit/Wochenenden und nehmt ihnen dann bitte nicht ihre Medis, wenn es nicht wirklich medizinisch geboten ist.
Ich weiß, ihr meint es gut und in den Ferien/Wochenenden ist ja auch nicht so viel Stress und Leistungsdruck …. hey, es geht doch um so viel mehr!

Weiter gehts

In Zukunft wieder mehr hier. Überlegungen, den Blog einzustellen, habe ich verworfen. Er wird immer noch oft aufgerufen und manches Mal von vorn bis hinten gelesen.

Liebe Leserinnen und Leser, bleibt mir gewogen.
Über Kommentare freue ich mich immer.

Eure LW

Ein y für Greta

Zuerst dachte ich: was für ein Medienrummel für eine ganz normale Sache. Denn das ist es doch, wenn sich Jugendliche gesellschaftspolitisch stark engagieren. Und dabei auch zu ungewöhnlichen Maßnahmen greifen.

Ich dachte auch: da wird jetzt wieder so eine Jugendliche vermarktet, weil die Eltern groß rauskommen wollen oder weil das eben so ist in unserer Gesellschaft. Berühmt werden und ein Star zu sein scheint für viele junge Menschen das Beste vom Besten zu sein. Und für die Eltern, die daran verdienen, ebenfalls. Naja, das ist für viele Jugendliche und ihre Familien mittlerweile auch die einzige Möglichkeit zum sozialen Aufstieg. Irgendwo verständlich, wenn auch nicht toll.

Nun habe ich mich ein wenig mehr mit Greta und der berechtigten  Protestwelle befasst.

Greta hat ein gutes Händchen dafür, wie man Menschen anspricht. Sie bringt die Dinge auf den Punkt, bei denen andere Leute herum eiern. Sie scheut sich nicht, dorthin zu gehen, wo die größten Umwelt-Ignorant*innen sitzen. Damit setzt sie sich massiver Kritik aus.

Es wäre doch viel schöner, wenn sie ihre Fundamentalkritik im stillen Kämmerlein,  meinetwegen auch in einer  Jugendorganisation von sich geben würde. Damit kann man gut umgehen. Dafür sind die Jugendgruppen doch da. Alles grundsätzlich infrage stellen, bis man erwachsen ist. Dann vernünftig werden, einer anständigen Arbeit nachgehen und die Träume von früher vergessen.

Politker*innen würde am besten gefallen, wenn sie das in ihrer parteilichen „Junge- XYZ -Organisation“ tun würde. Dann könnte die jeweilige Partei sie ein bisschen hypen und wenn es gut läuft, damit Wähler*innen-Stimmen holen.

Greta macht sich auch deshalb angreifbar, weil sie zu ihrem Autismus steht. Das hat die Welt noch nicht gesehen: eine junge AutistIN schafft es, unsere „normalen“ Jugendlichen zum Engagement inklusive Regelverstöße zu bewegen.

Irritierend

Also da ist jemand Leitfigur, der normalerweise von der Mehrheitsgesellschaft ausgeschlossen wird. Das ist doch der Hammer. Da kann doch etwas nicht stimmen. So funktioniert unsere Welt doch gar nicht. Ja liebe Leute, ist schwer zu verstehen in einer Welt, die es so gut geschafft hat, Menschen die anders sind als die meisten, zu separieren.

Und dann ist ja dann noch diese eine Kleinigkeit. Greta fehlt das, was die Mehrheitsgesellschaft  mit diesem Phänomen noch versöhnen könnte.

Wenn schon autistische Fähigkeiten, dann bitte getragen von Männlichkeit. Damit könnten wir noch leben:

  • Ein zerstreuter Junior-Professor (Autist, männlich, hochbegabt)
  • Ein erfolgreicher Jungunternehmer ( Autist , männlich, hochbegabt)
  • Ein kreativer Künstler ( Autist, männlich, hochbegabt)
  • Ein leidenschaftlicher Revoluzzer ( Autist, männlich, hochbegabt)

Das alles passt irgendwie in unser Schema. Wir sagen Einstein Autismus nach, ebenso Steve Jobs, Bill Gates, Mozart und Andy Warhole. Von Steven Spielberg und Vernon L. Smith und Karl Lagerfeld wissen wir es.

Aber wer kennt Dr. Prof. Temple Grandin?  Und die vielen anderen autistischen Frauen mit ihren herausragenden Fähigkeiten?

Provokation

Wir können einen Nelson Mandela toll finden, einen Barak Obama, einen Rudi Dutschke…aber wir schaffen es nicht, herausragende Frauen zu bejubeln. Das passt einfach nicht, wenn es um ernsthafte Themen geht. Mode, Lifestyle, Familie – da sind Frauen die vermeintlichen Expertinnen und erhalten dafür  eine „milde“ Wertschätzung. Mischen sich Frauen in die harten Themen ein, so ist Ihnen eines sicher: Man nimmt ihre (jedem Menschen innewohnende) Widersprüchlichkeit in einer Art und Weise auseinander, wie es keinem im Rampenlicht stehenden Mann dieser Welt bisher widerfahren ist. Alice Schwarzer, Sarah Wagenknecht,  Bundeskanzlerin Merkel ( besonders in ihren ersten Politikerin- Jahren) und Hilary Clinton sind gute Beispiele dafür. Schauen wir etwas weiter zurück, so konnte das auch in unseren Breitengraden lebensverkürzend sein.

Ich bräuchte diesen ganzen Personenkult nicht. Für andere Menschen scheint es wichtig zu sein. Aber dafür kann Greta nichts. Und dass sie sich das für ihre Sache zu Nutze macht, kann ihr ja wohl keiner vorwerfen.  Müsste sie ja nicht, wenn andere Menschen von selbst den Arsch hochkriegen würden.

Gretas unangepasstes Äußeres, Ihre Redegewandtheit, ihr gutes Englisch, ihr Intellekt, ihre Bereitschaft, persönliche Unbequemlichkeiten in Kauf zu nehmen – das alles sind reine Provokationen. Und natürlich auch ihre autistische Disposition.

Wäre Greta ein Gretus, so würde vielleicht auch an der Aktionsform herum kritisiert werden. Die ach so vernünftige Eltern-Generation legt großen Wert darauf, dass ihre Schulkinder keinen einzigen Schultag verpassen ( außer wg. Fernreisen mit der Familie). Könnte ja das 1ser-Abitur in 4 Jahren gefährden.

Gretus würde trotz Schulschwänzerei eine brillante Zukunft vorausgesagt werden. Mit Sicherheit hätten ihn einige Headhunter schon im Visier.

Die pubertierenden Bengelchen würden mit den Worten beim chillen gestört werden: nimm dir mal ein Beispiel an Gretus, der macht was aus seinem Leben.

Weil die Akzeptanz von Gretus zwar einiges in Frage stellen würde, aber eines nicht: dass Macht und Einfluss männlich sind. Die Sache mit der Behinderung würde man schon irgendwie kaschieren können. Schäuble fährt ja auch unbehelligt im Geld-und Polit- Adel herum.

Zukunftsweisend

Viele Jugendliche scheinen es begriffen zu haben: dass es nicht darauf ankommt, welches Geschlecht man hat. Dass es nicht darauf ankommt, ob man behindert ist oder nicht. Ob man einen deutschen Pass hat. Hier sind offensichtlich Grenzen, die für die Erwachsenen-Generation noch unüberwindbar sind, aufgeweicht. Na klar, viele machen da mit, weil sie keinen Bock auf Schule haben. Das eine schließt aber das andere nicht aus. Jedoch zum Schuleschwänzen braucht man keine Streiks und keine Demos.

Und werft ihnen nicht immer ihr  Konsumverhalten vor. Von wem haben Sie es denn gelernt? Nase fassen, wie man so schön sagt.

Viele Autisten*innen sind längst nicht mehr bereit, im Hinterhof der Gesellschaft zu leben. Andere Menschen mit Behinderung auch nicht. Gewöhnt euch dran.

Übrigens: eine männliche Form des Namens „Greta“ gibt es nicht.

2018 over

2018 war hier meistes Sendepause. Dabei gab es genug Themen, zu denen ich hätte bloggen können. Mehr als genug. Rheumi gab mir 2017 Gelegenheit, mir Gedanken über grundsätzliches zu machen und konkretes zu planen. Im denken und planen bin ich gut und das mündet in (oft) grandiosen Plänen, deren Umsetzung etwas schwieriger als deren Entstehung ist und hängt leider nicht nur von mir allein ab.

Weichen stellen

Pläne lassen sich nicht verwirklichen, wenn man nicht bereit ist, Entscheidungen zu treffen. Manchmal sind es nur Nuancen, die angepasst werden, manchmal reißt man das Ruder rum, um einen anderen Weg einzuschlagen. 

Ohne Moos nix los

Beruflich hätte ich gern letzteres getan, aber von irgendwas muss ich leben und deshalb reichte es nur zu minimalen Anpassungen. Immerhin habe ich meine relative Gesundheit erhalten und aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Neben dem, was nach fast 30 Dienstjahren nicht mehr ganz so spannend und inspirierend ist, konnte ich in diesem Jahr wieder meinen Lieblingsworkshop durchführen und politisch engagierten Menschen zu mehr „Stimme“ verhelfen. Nein, keine Rhetorik- es geht um den Einsatz und Training unserer Sprechwerkzeuge, und jeder Workshop ist voller aha-Momente auch für geübte Redner_innen. Außerdem lachen wir uns über uns selbst schlapp, wenn Verhaspler, Kickser und Koordinationsschwierigkeiten mal überhand nehmen.
Bitte mehr davon in Zukunft.
Soviel sei verraten: ich stricke an einem Konzept für junge Autist_innen, die mehr Sicherheit in Gesprächen erlangen wollen. Darauf bin ich sehr gespannt.

Verdummt euch doch selber

Im Frühjahr war das Maß voll.
Lieber keine Maßnahmen von welchem Sozialträger auch immer als solche, in der Würde, Selbstbestimmung und Entwicklung nichts als leere Worthülsen sind.
Auch keine Begleitung von Therapeut_innen, die es nicht ertragen können, dass es nicht um Heilung bei Autismus geht. Die soziale Anpassung
(Maskierung) dafür halten, um sich selbst erfolgreich zu fühlen.
Seitdem Twen nicht mehr von sogenannten Fachleuten in die Selbstverleugnung, Unselbständigkeit und Depression getrieben wird, geht es ihr zunehmend besser.
Wir trauten uns kaum, diesen krassen Schritt zu gehen, weil ja Nichts-(erwerbsmäßiges)- Tun das vermeintlich Schlimmste überhaupt in unserer Leistungsgesellschaft ist. Und weil es doch für jede_n eine passendende Maßnahme gäbe.
Für Twen und auch für mich als Begleiterin ist es richtig wie es jetzt ist. Andere Jugendliche bekommen 1 Jahr Ausland gesponsert. Und ich soll mich schlecht fühlen, wenn ich meinem Kind 1 Jahr Auszeit von institutioneller Diskriminierung, Bevormundung und Demütigung schenke? Wenn Twen später evtl. einen miesen Job machen muss, dann wenigstens gegen Entgelt und nicht nur für Taschengeld weit unter Mindestlohn. Aber soweit ist sie noch nicht. Kommt Zeit, kommt Rat. Und mit etwas Glück: Tat.

Durchgeboxt

Einfach teilhaben–  so heißt eine Broschüre des BMAS, in der die Möglichkeit von Teilhabe-Leistungen als persönliches  Budget (PB) erklärt wird. Wer das PB bekommt, kann sich seine Assistenzleistungen mit dem ihm zur Verfügung gestellten Geld selbst einkaufen. Das heißt, die Assistent_innen selbst aussuchen und tritt als Arbeitgeber_in auf, nicht als Teilnehmer_in irgendeiner Maßnahme. Ein großer Schritt in Richtung Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderungen.
„Einfach“ zu haben ist das aber nicht.
Zumindest in der Stadt der Pfeffersäcke bevorzugen die Sozialbehörden pauschale Leistungen an große Maßnahmeträger, in deren Konzept sich die Menschen mit Behinderungen dann mit (oder entgegen?) ihren Bedürfnissen einzufügen haben.

Obstinat

Schon meine Oma sagte immer zu mir: sei doch nicht so obstinat!
Doch, bin ich. Besonders bei Behörden und wenn es um Twen geht. 
Deshalb kann Twen jetzt selbst bestimmen, wer sie unterstützt, natürlich in dem Rahmen, in dem ihr vom Amt Unterstützungsbedarf zugestanden wird. Dafür bekommt sie ein monatliches Budget, mit dem sie ihre Leute bezahlen kann.
Das Ganze war für uns sehr anstrengend und eine, wenn auch unfreiwillige Bildungsmaßnahme zugleich.
Nun freue ich mich darauf, dass ich mein durch diesen Höllenritt erworbenes Wissen 2019 weitergeben darf als Referentin in diversen Autismus -Selbsthilfegruppen und Vereinen.

Dreamteam 

Unser Fell-Peer Locke ist das Beste, was sich dieses Jahr in unser Leben gewuselt, getobt und geschmust hat. Twen und sie sind ein Dreamteam. Seit September sind die beiden  ein Azubi-Team in der Assistenzhundeschule. Sie machen beide ihre Sache bestens.IMG_1896 Im kommenden Frühjahr legen beide ihre erste Prüfung ab und bis dahin wird noch fleißig geübt. Dann gibt es auch eine Erwachsenen-Kenndecke 🙂
Das Verhalten von Kaniden und Pferden -und ihre Bindung zu Menschen – ist u.a. schon lange Twens Spezialthema und ich staune immer wieder, wie einfach und tiefgreifend die Verständigung zwischen ihr und Tieren ist. Und wie leicht sie im Umgang mit Tieren ihr theoretisches Wissen umsetzt.
Twen bekommt nun endlich eine konkrete Vorstellung davon, was Teilhabe heißen kann: so viele freundliche und wertschätzende Kontakte zu anderen Menschen hatte sie noch nie. 

Zur Kasse bitte und draußen bleiben

Schlecht ist leider die Rechtslage in Deutschland, was die Anerkennung von Assistenzhunden als Hilfsmittel angeht. Das heißt, Anschaffung und Ausbildungskosten trägt der Hundehalter.
Damit sich das ändert, wird Pfotenpiloten e.V. im kommenden Jahr eine
 Zutrittskampagene, unterstützt vom BMAS, durchführen. Achtet mal drauf.  Ausgebildete Assistenzhunde sollen überall willkommen sein, wo Menschen sich in Straßenkleidung aufhalten dürfen. In anderen Ländern schon längst kein Problem mehr. Dort gibt es Standards für die Ausbildung und klare Rechte auch für Assistenzhunde, die nicht Blindenführhunde sind.

Platz da

Mit einem heldenhaften Einsatz hat die weltbeste aller Nichten mich vom Chaos meiner langjährig gehorteten Bürokratie befreit. Sie staunte nicht schlecht, was für Kram man im Leben alles ansammeln kann, welche absurden Schriftwechsel geführt werden und verdammt noch mal: so viele Behörden gibt es? Fortan heißt es, wehret den Anfängen, was leichter gesagt als getan ist. Ablage ist noch schlimmer als abwaschen als Wassergymnastik..
Kleiner Tipp: Tapeziertische sind multifunktional.

Engagement

Es ist toll, wenn man Ideen verwirklichen kann. Wenn man Mitstreiter*innen hat, die mit einem gemeinsam Dinge voran bringen.

Trampelpfade

  • Netzwerk

2018 war ein Jahr, in dem uns das mehrfach gelungen ist. Aufgrund einer großen Veranstaltung 2017 zum Thema Arbeit und Beruf für Autistinnen ist ein Netzwerk der norddeutschen  Berufsbildungswerke entstanden, in dem konkret personenzentrierte Maßnahmen entwickeln werden. Das Schöne dabei: das Eltern-Know-How wird abgefragt  und auch Betroffene sind einbezogen.

  • Fachtag

Mit einem Fachtag „Wege entstehen, indem man sie geht“- im Herbst zum selben Thema erreichten wir 160 Menschen. Fachkräfte der Maßnahmeträger, Verantwortliche der Kostenträger und Verbände sowie Arbeitgeber_innen.  Die Resonanz war sehr positiv: erstmals hatten wir es vor Ort geschafft, dass sowohl NTs als auch ATs referierten oder Workshops leiteten. Auf Augenhöhe. 

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Dr. Riedel, Universität Tübingen

Deutlich wurde, wie viel Unwissen es noch immer über das Autismus Spektrum gibt und wie hartnäckig sich Vorurteile über Möglichkeiten der Berufsausübung halten. Etwas aufgeräumt damit  hat ein Arbeitgeber, der mit der Beschäftigung einiger Autist_innen, darunter auch ein  Rettungssanitäter,  gute Erfahrungen gemacht hat.

Muss ich noch erwähnen, dass das Team Twen-Locke dabei war und in vielen Einzelgesprächen Aufklärungsarbeit geleistet hat?

Einfach Meer erleben

Die größte Schnapsidee des Jahres war unsere Urlaubsreise an die Steilküste der Ostsee mit uns zuvor nicht bekannten jungen Autistinnen. 

Ich ärgere mich schon so lange darüber, dass es für junge Autistinnen keine guten Reiseangebote gibt. Also habe ich kurzerhand gemeinsam mit Twen und Locke eines entwickelt. Mein Job war im Wesentlichen die Organisation dieser abenteuerlichen Expedition von 6 Frauen und 3 Hunden und die Koordination vor Ort.

Vieles habe ich dazu gelernt, z.B. was besser ganz klar im Vorfeld abgeklärt werden sollte. Sagen wir mal so: wäre es eine NT-Reisegruppe (oder Seminar) gewesen, so hätten spätestens am ersten Abend die wechselseitigen Ausgrenzungsmaßnahmen begonnen. Wir aber waren ALLE daran interessiert, trotz unserer Unterschiedlichkeiten einige erholsame Tage miteinander zu haben und die gegenseitige Toleranz war entsprechend hoch.IMG_1931
Das ist Motivation für weitere Reisen dieser Art. 
Im Gegensatz zu herkömmlichen Angeboten wird es weder pädagogische, noch therapeutische Begleitung geben, sondern nur eine organisatorische Klammer. 

 

Wohn-Idee

Kleine Wohnungen für junge Autist_innen. Dafür sorgt unser kleiner Verein, der mit einer Wohnungsbaugenossenschaft eine Kooperation eingegangen ist. Alleine wohnen, ohne zu vereinsamen. Das ist die Idee. Da stecke ich gerne Energie rein. Nicht ganz uneigennützig.

Die Weltlage 

Krieg, Flucht, Rassismus, Diskriminierung,  Ausbeutung, Umweltzerstörung. Zu viele Menschen, denen das bestenfalls egal ist. Zu wenige, die sich für einen Gegenentwurf engagieren.
Soviel dazu.

Musik, Freunde und Kultur

… kamen 2017 zu kurz. Das Cello glotzt mich vorwurfsvoll an. Für 2019 habe ich Besserung gelobt. Einige Tickets sind schon geordert. Im Chor wird zunehmend nicht nur gesungen, sondern auch gefeiert. Das wurde mir oft zu viel. Der Auftritt in der Elphie und unser Jahreskonzert waren toll.  Ein Doppelkonzert habe ich geschwänzt und auch unsere Studioaufnahme. Mein Agreement deshalb mit dem Chor für die Zukunft: singen ja, Smalltalk in Großgruppen eher nein. 

6 Jahrzehnte Gurkenbekannte *

Ich bin ein Kind der Dunkelheit, wenn man von der Rundum-Festbeleuchtung der weihnachtlich geschmückten Umgebung absieht. Noch bevor das Hosianna am heiligen Abend in den Kirchen erklingt, gibt es für mich jährlich ein Geburtstagsständchen. Diesmal etwas lauter angesichts meines ehrwürdigen Jahrestages. 

Meine lieben mehr oder weniger speziellen Freund_innen, Bekannten und Kolleg_innen waren geladen und sogar erschienen. Da der kleinste gemeinsame Nenner der meisten von ihnen Zerstreutheit ist, wurde immer wieder vergessen, wann es denn losgeht und wann endet. Das war jedoch nicht weiter schlimm. Fast alle hatten eine längere Anreise, es fand eh´ vor den Stadttoren statt und so kamen einige bereits am Freitag in der Unterkunft an, andere blieben bis Montag. Dank meiner geduldigen Erinnerungs-Nachrichten klappte es dann doch mit einer gemeinsamen Feier ALLER Gäste. Für Twen, Locke und mich war es jedoch ein 4-Tage-Feier-Marathon.
Schmerzlich vermisst  habe ich meine beiden Schwestern und meine Mutter, die mich vor 4 Jahren vom Mitglied eines Weiberclans zur geschlechterparitätisch besetzten Hälfte einer Restfamilie – zumindest wenn man die Nachkommen außer Betracht lässt – gemacht haben.
Erfreut war ich hingegen über einen großen Tisch mit politisch interessierten und engagierten Youngstern der Familie.

Knobeln und Hibbeln

Puzzlespiele und Holzkreisel  auf den Tischen ersetzten die mir empfohlene anfängliche Schnitzeljagd zum Kennenlernen der anderen Gäste
(allgemeine Erleichterung),  Twen führte Interviews mit ausgewählten Gästen durch ( Erhellung und Erheiterung ) , es gab die erste widersynnige Gurkenpreisverleihung an die schrägsten meiner  Lieben
(Spaß und wohlwollende Verwunderung ) und ordentlich Speis und Trank.

Satz mit X

Ja, das gab es auch in diesem Jahr. Missglückte Versuche, unrealistische Pläne, die üblichen Fahrplanabweichungen des Lebens. So what…

Tempo raus

Gefühlt  hatten wir in diesem Jahr Veränderungen im viertel-Stunden-Takt. Und dabei ist doch gar nicht so viel passiert. Alleine die Abwesenheit diverser Energiefresser hat  viel Lebensqualität gebracht. Und dann noch dieser Sommer. Seit langem eine positive Bilanz.  Twen schaut bei aller materiellen Unsicherheit zuversichtlich in die Zukunft. Dennoch – nach diesem ereignisreichen Jahr darf es ruhig wieder etwas ruhiger werden.  Neue Verbindungen und Veränderung, ja. 
Aber alternsgerecht, wenn ich bitten darf.
Dann bleibt auch wieder mehr Zeit für meine Freund_innen.
Wir sind bereit für 2019.

Euch, liebe Blogger_innen und Leser_innen…

… möchte ich weiterhin nicht missen, weder aktiv noch passiv. Über Kommentare freue ich mich immer und auch wenn in diesem Jahr hier weniger blogs zu lesen waren, so habe ich dennoch viele von euch gelesen. So manches Mal habe ich überlegt, ob ich diesen Blog weiterführen will. Zu viel Privatkram? Oft schon habe ich eure schlauen Gedanken bei der Bewältigung meines Alltags aufgegriffen. Dafür vielen Dank. Ich schreibe weiter, vielleicht kann ich ja was zurückgeben damit.

Euch allen frohe Festtage und einen guten Start in ein engagiertes 2019.

Eure LEIDENSCHAFTLICHWIDERSYNNIG

* Teenies pubertäre Bezeichnung für meine wunderbaren  neurodiversen Freund_innen

 

 

50 ways to be satisfied

Der Hamburger Flughafen war am Wochenende gesperrt. Nichts ging mehr, tausende Fluggäste mussten zwischenübernachten, warten, auf Klappbetten in einer Halle schlafen. Die Medien überschlugen sich mit Berichten über Fluggastrechte. Experten gaben ihr Wissen darüber, wie es zu dem generellen Stromausfall kommen konnte zum Besten und der Flughafenbetreiber gelobte Besserung.

Im Focus aller Berichte: ausschließlich das Schreckensszenario, was ist, wenn nicht alles 100%ig funktioniert, der Zeitplan nicht eingehalten wird, Unannehmlichkeiten entstehen und man umdisponieren muss. Dass so etwas, das nicht sein darf in unserer durchorganisierten Lebenswelt, doch passiert.
Und wir entsprechend – nämlich kaum – darauf vorbereitet sind.
Ja, die betroffenen Reisenden hatten jede Menge Stress und Reisende mit Special needs noch mehr.

Gäbe es genug Rückzugsräume im Flughafen für z.B. sehr reizempfindliche, behinderte oder alte Menschen, so wäre zumindest diesen schon einmal etwas geholfen. Es mangelt auch an geschulten Servicekräften für diesen Personenkreis um mit Unterstützung bei der Bewältigung dieser außergewöhnlichen Situation zur Seite zu stehen.

Das Beste draus machen

Kein  kritischer Blick der Berichterstattung auf unser streng durch getaktetes Leben. Auf unseren durch organisierten Alltag, der nur den Blick auf die negativen Seiten eines solchen Erlebnisses  zu erlauben scheint.

Ich stelle mir vor, wie aus anfänglichem Ärger Gelassenheit gegenüber der Situation wird. Man mit Menschen ins Gespräch kommt, mit denen man sonst nie ein Gespräch geführt hätte. Sich erst Anekdoten über andere Beförderungs-Pannen erzählt und später dann bei Politik oder einem eher persönlichen Austausch landet. Vielleicht sogar von der einen oder anderen Sorge oder besonderen Freude erzählt oder hört.
Es kann nervig sein, mit belegten Brötchen und Dosengetränken die Zeit in einer unbequemen Flughafenhalle tot zu schlagen. Stressig, mit Kind und Kegel eine spontan-Übernachtung in einer ohnehin von Touristen überfüllten Stadt zu finden.
Oder etwas besonderes im Alltags-Trott.
Für den, der es schafft, das Beste aus dieser Situation zu machen, ist es vielleicht eines seiner eindringlichsten Urlaubserlebnisse, an das er sich noch Jahre später positiv erinnern wird.
Und alle, die dienstlich unterwegs waren, werden sehen, dass ihr Unternehmen nicht an ihrer Verspätung  zugrunde gegangen ist bzw. ihre Arbeit geduldig auf sie gewartet hat.

Szenenwechsel

Du weißt aber, dass du da eine langjährige Verpflichtung eingehst, oder?
Damit bist du dann aber nicht flexibel.
Musst du dir das auch noch antun?
Und was, wenn Twen später beruflich durchstartet?

Alles Bedenken und Ermahnungen, die sich auf unseren Familienzuwachs auf 4 Beinen beziehen. Ich zucke mit den Schultern und denke: steht „blöd“ auf meiner Stirn oder was?
Nur wer uns wirklich gut kennt, findet unsere Idee, eng zusammen mit einem tierischen Freund zu leben und dafür auch Zeit, Nerven, Geduld und Geld aufzubringen, gut. Die meisten Menschen haben nur den Blick auf die möglichen Einschränkungen unserer Funktionalität und Flexibilität im Alltag. Wie armselig.

Dabei könnte der Zeitpunkt, einen Fell-Peer für Twen aufzunehmen, nicht besser sein:
Twen wird der Zugang zur Arbeitswelt hartnäckig verweigert. Gleichzeitig weigert sie sich zu Recht, das never-come-back Ticket in das Behindertenghetto anzunehmen. Nach nun 14 Jahren Zwangsnormalisierung durch Schule und diverse Maßnahmen ist sie reif für eine längere Pause, in der sie Zeit hat, sich positiv zu definieren und sich persönlich weiter zu entwickeln, ohne jeden Tag ihr vermeintliches Unvermögen vorgehalten zu bekommen.
Ich hingegen bewege mich perspektivisch hinaus aus der Arbeitswelt. Innerlich schon länger; nun versuche ich peu à peu , mich dem Treiben der Hochleistungswelt auch zeitlich und räumlich zu entziehen und Alternativen dazu zu entwickeln. Die nächsten Jahre werden eine Zeit des Übergangs für Twen und mich sein. Die eine kommt, die andere geht.

Lebensqualität hat viele Gesichter

Schon jetzt ist deutlich, wie gut diese Entscheidung war.  Auszeiten musste Twen ja schon immer notgedrungen zwischen den Maßnahmen hinnehmen. Aber die waren selten erholsam, denn am Ende der Pause lauerte meist ein noch unpassenderes Angebot der Bundesagentur für Arbeit.
Nun lauert: erst mal nichts.
Und das ist vorerst gut.

Twen, seit 2 Wochen -von einigen Tagen abgesehen- quasi alleinerziehende Welpen-Mama, kann nun endlich ihrem Spezialinteresse an Hundehaltung, -Training und Hundeverhalten auch praktisch nachgehen. Darauf hat sie über 10 Jahre gewartet. Einfach ist das nicht. Sich den ganzen Tag und auch zum Teil nachts auf ein anderes Wesen einstellen. Eines, das eigene Bedürfnisse und Regeln mitbringt und sie zwingt, ihre eigenen Routinen und Vorlieben anzupassen. Wege zu finden, damit dennoch alles klappt. Gleichzeitig gut für das Tier und für sich zu sorgen. Das ganz alleine schaffen.
Es strengt sie auf wohltuende Weise an, weil es nicht nur Energie nimmt, sondern auch spendet. Sie Bestätigung dadurch erhält, dass das kleine Wesen ihr vertraut.

Ich habe mich schon lange nicht mehr so bekräftigt gefühlt in einer Entscheidung.
Zu  lange schon habe ich ihr glückliches und zufriedenes Lächeln vermisst. War dazu verdonnert, zuzuschauen,  wie sie immer kleiner gemacht wurde. Ihr nichts zugetraut wurde. Sie sich selbst immer weniger zugetraut hat. Da immer wieder gegen zu halten wurde ( auch für mich ) immer schwerer.

Allein in den letzten Wochen, seit sie keinen Kontakt zu Sozialklempnern, Pädagogen oder Therapeuten hat, ist sie aufgeblüht. Ein anderes Wort dafür fällt mir nicht ein. Zeit für sich, kein Anpassungsdruck und der Ausblick auf den tierischen Freund haben ein kleines Wunder bewirkt. Sie ist mit so vielen Menschen positiv in Kontakt gekommen, wie nie zuvor. Erstaunlich, dass das auch auf mich ausstrahlt? Sicher nicht.

Ich bin glücklich, Twen das ermöglichen zu können.
Ihre neue Aufgabe steht im Gegensatz zu den verordneten Maßnahmen der BA,  zu diesem „besser als nichts“. An diesem Herzensprojekt wird sie wachsen (und nicht zerbrechen wie durch die Maßnahmen zuvor). Für sich selbst hat sie es geschafft, von den Vergleichen mit anderen jungen Erwachsenen ein Stück weg zu kommen. Diese machen z.B. work and Travel in Neuseeland. Sie nimmt eben eine Hunde-Erziehungszeit. Ein gutes Zeichen der Selbstakzeptanz. Endlich fragt sie sich wieder selbst, wohin ihr Lebensweg gehen soll und folgt nicht einem aufgedrängten Ziel und Erwartungen Dritter.

Mich macht es froh zu sehen, wie ihr Potenzial wieder zum Vorschein kommt.
Wer weiß, auf welche Weise sie es einmal nutzen wird. Denn dass sie das tun wird, davon bin ich überzeugt. Möge sie sich ein wenig innere Distanz zum oben beschriebenen Leistungswahn bewahren.

Ist das etwa verrückt oder unverantwortlich?

Mir egal, ich schau jetzt Welpen-TV 🙂

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1. Nachtrag DSGVO

Arno von Rosen

War doch klar, oder? Gestern wurde mir vom SPD Büro ein neuer Link zur Verfügung gestellt, der wieder zur Entspannung beiträgt, aber damit ihr nicht alles lesen müsst, was ich schreibe, hier mal eine Minizusammenfassung.

Es gibt im Gesetz einen Paragraphen, der verbietet, dass Seiten- oder Blogeigentümer wettbewerbsrechtlich Abgemahnt werden können. Das heißt, es wird keine Abmahnwelle wegen der neuen Datenschutzgrundverordung geben, weshalb auch niemand vor spezialisierten Kanzleien Angst haben muss. Zudem kommen immer wieder Gerüchte auf, ein Impressum wäre zwingend für jeden erforderlich, was so nicht stimmt, denn rein privat betriebene Blogs und Seiten, die weder auf kommerzielle Seiten verlinken, noch selber Dinge verkaufen, auf eigene Produkte hinweisen oder allgemein eine Gewinnabsicht haben, indem diese bewußte Werbung schalten (ACHTUNG, hier sind nicht die Werbebanner der Plattformbetreiber gemeint), benötigen kein Impressum.

Warum sind da viele Anwälte unterschiedlicher Meinung? Weil es denen ums Geschäft geht und auch eine Beratung…

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Naiv

Der Blick von außen

Solange man sich noch irgendwie in der Welt, die sich als normal versteht, bewegt, erkennt man oft gar nicht, wie groß die Kluft zwischen den diversen Parallelwelten in unserer Gesellschaft wirklich noch ist.

Ich erinnere mich an meine querschnittsgelähmte Klassenkameradin, mit der ich die Oberstufe einer Gesamtschule besuchte. Die einzige behinderte Klassenkameradin übrigens während meines insgesamt 15 Jahre andauernden Schulbesuches, die ich hatte. Obwohl ich mit ihr befreundet war, hatte ich kein Bewusstsein davon, was für eine Ausnahme ich hier vor mir hatte.

Mein Studium finanzierte ich zum Teil durch die Ferien-Begleitung von Jugendlichen, organsiert vom örtlichen Spastiker-Verein. Viele Jugendliche waren schwer mehrfachbehindert und hätten eine 1:1 Betreuung gebraucht, andere waren lediglich körperbehindert und waren dort irgendwie für mein Empfinden fehl am Platze. Ich bekam eine Ahnung davon, was es heißt, als Gruppe im Eiscafé unwillkommen zu sein. Oder in der Disco. Das angestarrt werden. Ich empfand eine diffuse Abneigung gegen  diese Separierung , sah gleichzeitig die Erschöpfung der Eltern, spürte die eigene Überlastung, wenn ich versuchte bei 16-Stunden Schichten dennoch freundlich und zugewandt zu bleiben. Die Dimension des Daseins in der Parallelwelt behinderter Menschen wurde mir dennoch nicht wirklich deutlich. Es fühlte sich falsch an aber ich hatte keine Idee, wie es anders sein könnte. „Inklusion“ hätte ich damals für einen mir entfallenen Begriff aus dem verhassten Chemieunterricht gehalten.

Selber dran

Eine kleine Ahnung von der Tiefe der Gräben, die durch unsere Gesellschaft verlaufen, bekam ich, als ich einen Lebensgefährten hatte, dessen Vorfahren den Sklavenhändlern vergangener Tage durch die Lappen gingen und der somit keine westliche Sozialisation  zu bieten hatte. Auch wenn viele Freunde aufgeschossen waren, wir waren dennoch eine Ausnahme in meinem Freundeskreis, denn niemand sonst  hatte eine binationale Partnerschaft mit jemandem außerhalb unseres Kulturkreises. Noch nicht mal einfach nur gute Freunde. Außer vllt. den einen oder anderen Wissenschaftler, aber niemals jemanden, der hier einen von den miesen Jobs, die wir für Migranten bereit halten, machen muss. Mehr und mehr wechselte mein Umfeld. Meine alten Freunde besuchte ich meist allein.

Der nächste Bruch kam mit der Elternschaft. Das erleben wohl alle Eltern: auf einmal passt der alte Freundeskreis nicht mehr, man schließt sich anderen Familien mit Kindern an. Nach einiger Zeit passte für mich dann die Untergruppe „Alleinerziehend“.
Erst die letzte Gruppe basierte nicht nur auf kulturellen Gewohnheiten, sondern vor allem auf den unterschiedlichen Ressourcen, die uns zur Verfügung standen.

Einen weitaus größeren break aber brachte die unterschiedliche Entwicklung meines Kindes im Vergleich zu anderen Kindern. Noch lange nicht war von Behinderung die Rede, aber es passte so vieles nicht, wir mussten so viele Sonderlocken fahren. Die Menschen in unserem Freundeskreis, die ein ähnliches Leben wie wir hatten, wurden immer weniger. Aber noch war Regelschule angesagt und auch ich schaffte noch immer meinen normalen Arbeitsalltag. Irgendwie zumindest. Nur langsam deutete sich an, dass mit Diagnosen auch ein bestimmter Status verbunden ist, welcher über deine  Möglichkeiten zur Entwicklung und deine materiellen Ressourcen entscheidet. Ungefähr so groß und festgefahren wie zwischen Beamten und prekär Beschäftigten.

Entweder oder

Das Ende der Schulzeit bedeutete endlich das Ende von Mobbing und tägliche Reglementierung zum Normmenschen und noch wussten wir nicht, dass ein weit größeres Monster auf uns wartete: die Bundesagentur für Arbeit nebst Handlanger, die Maßnahmen für Menschen mit Behinderungen bereit halten.
Entweder, du bringst dann dort den Beweis, dass du für den ersten Arbeitsmarkt taugst (und zwar egal ob dir der aufgestülpte Beruf auch liegt oder nicht), oder du bist raus. Aus der Statistik und aus der Unterstützung. Jeder, der sich da nicht problemlos einordnet, landet in der Werkstatt für Behinderte Menschen. Andere Behörde, anderes Budget. Mit never-come-back-Garantie.
Wenn du an diesem Graben stehst, kannst du dich nur noch entscheiden: keine Unterstützung und irgendwie allein klar kommen, auch wenn das im konkreten Fall bedeutet gar nichts zu machen oder als abeitnehmerähnlicher Beschäftigter für ein kleines Taschengeld langweilige Tätigkeiten unter Bevormundung auszuführen: zum Wohle der immer größer werdenden Wohlfahrtsunternehmen.

Unerwähnt soll hier nicht bleiben, dass einer der größten Gräben, der durch unsere Gesellschaft verläuft, die Spaltung zwischen Arm und Reich, sich auch hier niederschlägt. Mit einer vermögenden Familie im Rücken hat man auch als behinderter Mensch eher  Zugang zu guten Unterstützungsmöglichkeiten und wird vor allem nicht der demütigenden Behördenwillkür ausgesetzt.

Schön geredet

Ich dachte früher so wie die meisten Menschen: da muss es doch irgend etwas passendes geben. Im Sozialstaat. Mit den vielfältigen Anbietern sozialer Leistungen. Den vielen Konzepten. Und ja, auch engagierten Menschen, die wirklich unterstützen wollen. Ich kann es niemandem verübeln, wenn er denkt, wir hätten uns einfach nur nicht genug informiert, noch nicht genug ausprobiert. Auch wenn es nervt und manchmal auch verletzt.
Auch ich hätte niemals gedacht, wie einfach sich unser Staat das macht, das Aussortieren. Da hat sich nicht besonders viel getan in den letzten 40 Jahren. Nur, dass es jetzt netter verpackt daher kommt: es ist die Rede von Rechten statt Fürsorge, von Inklusion statt Aussonderung und von Selbst-statt Fremdbestimmung.  Auch wenn Heimeinweisung heute Wohnen im stationären Bereich heißt, die Krücke Gehhilfe, Menschen wie Autisten zu Personen mit besonderen Fähigkeiten werden, Gehörlose zu Experten für Gebärdensprache usw. Schaut man genau hin, halten diese angeblichen Veränderungen der Realität nicht stand. Noch immer wird für Menschen mit Behinderungen gegen ihren Willen entschieden, müssen sie ihre Rechte immer wieder in langwierigen Verfahren  mühselig  durchsetzen. Greenwashing im sozialen Bereich ist angesagt: verbale politisch korrekte Schönrednerei.

Sogar als Betroffene bin ich immer wieder erstaunt, wie undurchdringlich und gerade die Linie ist, die zwischen voll arbeitsfähig und nicht arbeitsfähig gezogen wird. Es nichts dazwischen gibt. Weiterbildung für nicht voll arbeitsfähige junge Menschen z:B. nicht angeboten wird. Wozu auch ? Raus ist raus. Egal ob jung oder alt.

Zweierlei Maß : Hilfsmittel Teil I

Man kann geteilter Meinung darüber sein, welche technischen Hilfsmittel in unserem Leben sinnvoll sind oder nicht. Wir nutzen sie alle mehr oder weniger, privat, beruflich und im öffentlichen Raum.

Auf den Kontext kommt es an

Die Nutzung des Navi beim Auto fahren, Apps für Fahrplan-Auskünfte und vieles mehr sind überwiegend akzeptiert und keiner kommt auf die Idee, Nutzer dieser Anwendungen für dumm zu halten. Bestenfalls für bequem.

Im unternehmerischen Kontext werden quasi alle Hilfsmittel positiv bewertet, welche die Produktivität steigern. Im gewerblichen Bereich haben sie vor allem für körperliche Entlastung gesorgt. Im Dienstleistungsbereich für Arbeitsverdichtung. Berufsbilder haben sich entsprechend verändert. Der Drang nach immer besseren technischen/digitalen Helfern entspricht der Gier nach immer mehr Profit. Nicht selten auf Kosten der Gesundheit der Beschäftigten und unserer Umwelt.

Wer sich z.B. in der Welt der Apps umschaut, kann auch sozial orientierte Entwicklungen entdecken. Zum Glück ist noch immer nicht ausschließlich Bereicherung Impuls und Ziel kreativen und innovativen Tuns. Dazu im Teil II mehr.

Sinnvoll hier…

Für die sogenannten „High-Performer“ , also Menschen (meist) mit akademischem Grad in (vermeintlich) verantwortungsvollen Positionen gibt es eine Vielzahl von digitalen Hilfsmitteln; sie alle dienen der Effizienzsteigerung und Optimierung der Arbeitsleistung. Selbstverständlich nicht nur im Büro, sondern  auch mobil und mit Reichweite in das Privatleben. Das Meeting dauert länger als geplant? Macht nichts, der Back Herd wird von unterwegs angeschaltet, ebenso die Heizung. Optimierungsziel ist nicht mehr nur die Teilleistung eines  Menschen, sondern sie erfolgt so umfassend wie möglich und durchzieht alle Lebensbereiche.
Jeder Herzschlag wird gezählt, gespeichert, ausgewertet. Zeit gespart, um mehr zu schaffen.
Wer on top sein will, macht mit.

Der Schriftsatz oder Arztbericht  muss noch fertig werden? Keine Panik. Auf der Heimfahrt vom Arbeitsplatz im Auto diktieren, danach das Diktat dank  Spracherkennungssoftware direkt vom PC in Text umwandeln lassen. Dann bleibt noch Zeit für Freizeit-Aktivitäten – damit die Work-Life-Balance stimmt.

Niemand würde auf die Idee kommen, dass beim Anwender dieser Hilfsmittel irgend ein  Defizit vorliegt, z.b. bei der Büro-Organisation oder gar eine Dyspraxie.
Es wird unterstellt, dass diese Menschen Wichtiges tun. Da ist es nur Recht und billig, dass sie digitale Hilfsmittel nutzen.

…unnötig da?

Es liegt auf der Hand, dass besonders Menschen mit einer behinderungsbedingten Einschränkung von der Entwicklung der digitalen Helfer profitieren können.

In den Bereichen Sehen, Hören und Körperbehinderung haben sich technische Hilfsmittel unterschiedliche Art etabliert. Sie bewilligt zu bekommen, ist dennoch nicht einfach.
Der Blindenführhund ist in Deutschland derzeit leider der einzige durch das SGB als Hilfsmittel anerkannte Assistenzhund. Eine begrüßenswerte Entschließung des Bundesrates will das ändern: hier

Aber zurück zur Technik: es gibt mittlerweile viele digitale Hilfsmittel, die Menschen mit Teilleistungsschwächen oder sensomotorischen Schwierigkeiten unterstützen könnten.

Nehmen wir mal die oben schon erwähnte Spracherkennung. Für Menschen, die nicht denken und tippen gleichzeitig können, die den Kopf so voller Ideen haben, dass sie ihre Gedanken nicht in die Tastatur hacken können, ehe der nächste Gedanke schon den Kopf füllt, die motorische Probleme haben, für Legastheniker oder die eine Lernbehinderung haben können damit Barrieren abgebaut werden. Und damit Teilhabe am gesellschaftlichen und beruflichen Leben ermöglicht werden. Sie sind auch für ADHSler und Autisten eine gute Hilfe bei entsprechendem Bedarf.

Weder reguläre Bildungsinstitutionen noch Bildungseinrichtungen für Menschen mit Behinderungen halten solche Software vor ( ausgenommen Spezialeinrichtungen für Sehbehinderte und Gehörlose). Es gibt dort kein Personal , dass ihre Teilnehmer entsprechend schulen kann. Volkshochschulen bieten Schulungen für diese Zielgruppe nicht an.
Dass Beratungsstellen oder gar Kostenträger einen  „Kunden“ auf unterstützende digitale Anwendungen hinweisen, habe ich noch nie gehört.
Ämter finanzieren das x-te Bewerbungs-oder Kommunikationstraining, obwohl die o.g. Einschränkungen möglicherweise besser durch technische/digitale Hilfsmittel kompensiert werden könnten.

Wer sich traut, diese Hilfsmittel zu beantragen, stößt zwar zum Teil auf wohlwollende Neugier ( aha, das ist ja interessant, dem gehen wir mal nach….und dann folgt: nichts),   viel häufiger aber wird darauf verwiesen, dass man doch lieber an der Überwindung der Defizite arbeiten soll. Also üben, trainieren, oder sich abfinden.
Oft wird vom pädagogischen Personal der Ausbildungseinrichtungen auch gar nicht verstanden, wo das Problem liegt:

Wer die Lösung einer Aufgabe nicht verschriftlichen kann, weiß die Lösung nicht ….!?

So die gängige und meist einzige – oft unzutreffende – Schlussfolgerung.

Eventuell ist die Kenntnis bei den Beratern der Integrationsfachdienste größer.
Aber wer den Status des arbeitnehmerähnlichen Beschäftigten hat ( oder noch nicht in einem Arbeitsverhältnis steht), fällt nicht unter dessen Zuständigkeit. Er darf sich mit den Sachbearbeitern der Sozialversicherungsträger herum ärgern.
Deren  Ahnungslosigkeit über die vielfältigen Möglichkeiten ist in Deutschland groß. Die Sinnhaftigkeit wird bestritten. Auf das Budget verwiesen. Investieren in Menschen, die dann doch nicht zu den Top-Leistern aufsteigen widerspricht dem hiesigen Verständnis von Wirtschaftlichkeit.
Wie so oft tragen betroffene Familien dann selbst die Kosten, wenn sie können.

Irgendwo habe ich neulich den Begriff „Leistungsrassismus“ aufgeschnappt.
Er ist polemisch, ungenau und  gefällt mir dennoch.
Es ist mittlerweile wieder zu selbstverständlich, dass Würde und Lebensqualität an Leistung  (im Sinne von Arbeitsleistung) gekoppelt wird. Das Ignorieren und Verweigern von Hilfsmitteln zur Kompensation behinderungsbedingter Einschränkungen ist ein bitteres Bespiel dafür.

Ich freue mich über Feedback, wie immer ohne Registrierung möglich.

What a year!

Vor 2 Wochen ist es geschehen: ich bin nur noch einen Jahresschritt von der Senioren-Bahncard entfernt. Ich dachte immer, je älter, desto weniger ereignisreich das Leben, desto ruhiger. Für mich selbst trifft das – verglichen mit meiner Sturm -und Drangzeit – ein wenig zu. Mit meinem erwachsenen Fohlen bei Fuß (RW) werde ich aber unweigerlich immer wieder in die Stürme der Jugend hineingezogen. Und die sind nicht zu knapp für eine junge Autistin.

Jahr des Wassers

Unser Jahr begann mit einem Wasserschaden im Januar und endet mit einem weiteren am Heiligen Abend. Nervig, aber eine der kleineren Widrigkeiten.
Mann des Jahres ist unangefochten deshalb unser Klempner.

Jahr der Unbeweglichkeit

Rheumi ist wirklich eine fiese Ratte. Es hat viel Kraft gekostet, ihr ein wenig Benimm beizubringen und ich muss immer am Ball bleiben, damit sie nicht wieder über die Stränge schlägt. Immerhin ist ihre Tarnung aufgeflogen. Ein ganzes Jahr hatte sie die Ärzte verarscht, ehe sie gefunden wurde. Nun, sie bleibt, aber sie muss sich fügen. Ich kann ja nicht wegen ihr nur noch zu Hause herumsitzen.
Meine medizinische Helferin des  Jahres ist ganz klar die Pharmaindustrie. Und die Ernährungsdocs aus der Glotze, aber die erst an zweiter Stelle.

Jahr des Mutes

Nach einer sehr belastenden Zeit in einer komplett unpassenden Maßnahme der Bundesagentur für Arbeit, dem Abbruch derselben, großer Verzweiflung und Ratlosigkeit hat Twen (!) es geschafft, sich auf eine weitere Maßnahme einzulassen. Mit all den Erfahrungen, die sie leider schon machen musste, geht sie nun sehr zielgerichtet dort hinein und lässt sich nicht in die für Behinderte so gern vorgesehenen Bereiche
“ Küche, Lager, Gartenbau“ abschieben. Diese entsprechen so gar nicht ihren Interessen und Fähigkeiten. Das macht sie zur unbequemen Klientin, fordert es doch von den sogenannten Experten, dass sie von ihrer geliebten Routine abweichen müssen. Stellt, euch vor, Twen erwartet doch wirklich, dass die nicht nur behaupten, sie hätten „Autismus-Kompetenz“ ( arghhhh…wenn ich dieses Wort schon höre !) sondern fordert ein, dass die sich wirklich diesbezüglich (fort)bilden.
Da lacht das Mama-Herz.

Noch immer verfolgt sie Ziele, die sie von Amts wegen gar nicht haben dürfte: einen weiteren Schulabschluss, doch noch eine Ausbildung machen …. und in der Zwischenzeit das Lernen nicht aufhören. Wenn nicht institutionell begleitet, dann eben autodidaktisch zu Hause. Wenn´s nicht ganz allein geht: frag Mutti 😉

Noch ist unklar, ob sie diese Maßnahme fortführen wird. Mehr als ein Taschengeld bekommt sie dafür sowieso nicht.

Als junger Mensch einer als Expertin gehandelten Therapeutin zu sagen, dass sie keine Ahnung von Autismus hat, wenn sie denkt, man könne sich diesen durch Verhaltenstraining „abgewöhnen“  , ist sicher nicht einfach. Und dann die entsprechende Konsequenz zu ziehen, Adieu zu sagen, sich eine Therapeutin zu suchen , die sie in ihrem So-Sein unterstützt und die Mühsal des Neubeginns auf sich zu nehmen, auch nicht. Twen hat das gepackt.  Chapeau.

Twen, eindeutig meine Heldin des Jahres.

Jahr der Einkehr

Durch Rheumi zum Stillstand gezwungen hatte ich hinreichend Gelegenheit, mich mit Dingen auseinanderzusetzen, die im Alltags-Wirbel regelmäßig untergehen.
Meine intensiven Studien über Kriegskinder, Nachkriegskinder und Kriegsenkel, waren mehr als heilsam für meine Seele.
Rheumi war es auch, die mir klar machte, dass ich nicht für alle Zukunft wie eine Duracell durch das Leben rauschen werde und deshalb gut daran tue, Alternativen zu der jetzigen Wohn-und Lebenssituation zu suchen. Dazu muss ich erst mal wissen was ich will und was ich mir leisten kann. Die Lösung muss jedoch kompatibel mit Twen sein. Denn es ist nun einmal so: nur ein Weg, der uns beiden gerecht wird, führt zur angestrebten Entlastung.

Absolut cooler Bewegungsausgleich: die Geschichte der Philosophie, mehrbändig, hintereinander weg gelesen. Für eine Halbgebildete wie mich ein ungeheurer Luxus. Wann hatte ich dafür schon mal Zeit?

Themen des Jahres waren deshalb transgenerationale Kriegstraumata, Wohnen 60plus, Teilhabe und Selbstfürsorge.

Jahr des Engagements

Humpelnd auf die Demo oder im sportiven Business-Dress zur Fortbildung für Beschäftigte der Berufsbildungswerke – in diesem Jahr haben wir so einiges bewegt.
Neue Handlungsfelder haben sich ergeben.
Mein Dank des Jahres geht an meine Mitstreiterinnen, die sich situationsangepasst auf mein reduziertes körperliches Tempo oder mein Turbohirn eingestellt haben und so Gemeinsamkeit ermöglicht haben.

Jahr der Bürokratie

Ich erspare euch die Aufzählung aller Ämter, Behörden und Beratungsstellen, mit denen ich Kontakt hatte. Die Anzahl der Anträge, Widersprüche, Anhörungen usw. weiß ich selbst nicht mehr.
Quasi ein Zweitjob, der meinem Erstjob zum Glück fachlich entspricht. Hätte Rheumi mich nicht vor dem Erstjob bewahrt, wäre garantiert das Gefühl von “ nie Feierabend haben“ aufgekommen. So war es nur das Gefühl von „nicht krank geschrieben sein“.
Ist das gut oder schlecht?

Zur Rechtsberaterin- und Vertreterin des Jahres küre ich mich deshalb selbst.

Jahr der digitalen Technik

Bei eingeschränkter Mobilität zeigt sich erst, welche Unterstützung man von digitalen Geräten haben kann. Ich habe die Technik nicht nur vielfältig genutzt, sondern auch viel dazu gelernt.
Die bei uns nicht religiös geprägten Weihnachtstage verbrachte ich nun mit diverser Installationssoftware und neuen Programmen. Murphys Gesetz schlug leider auch wieder zu und es mussten Neuanschaffungen getätigt werden, die das Budget belasten, es mir aber wert sind.

Online-Dienste, social Media, Apps, Rechner und mobile Geräte – meine Hilfsmittel des Jahres.

Jahr der Qualität

In Krisenzeiten zeigt sich, wer Freund ist und wer nicht.
Ich habe entsprechende Konsequenzen – auch schmerzliche – gezogen.
Beziehungsmäßig habe ich „gelindnert“: lieber keine Beziehung als eine, die über meine Kraft geht, mag der Gefährte auch noch so liebenswert sein.
Einige alte Freunde habe ich verloren, ehemalige tauchten wieder auf und es bahnen sich neue Verbindungen zaghaft an. 

Viel Lob und Dank gebührt meiner  besten Freundin und ihrer Familie.
Großes Dankeschön auch an die beste und liebste  Nichte aller Zeiten.
Nicht zu vergessen der hilfsbereite Lieblingsnachbar, mit dem sich eine wechselseitige  Alltags-Katastrophen- Rettung etabliert hat.

Erkenntnis des Jahres: ich muss nicht funktionieren, um geliebt/gemocht  zu werden.

Jahr der Musik

Wenig  Konserve, dafür mehr live und das u.a. mehrmals im örtlichen Skandalpalast.
Das Cello hat pausiert, was auf Rheumi´s  Rechnung geht. Zuweilen wankelmütig, war ich mehrmals davor, mein Engagement im Chor aufzugeben. Diese ganztägigen Proben und langen Auftritte sind doch sehr strapaziös. Nun bin ich immer noch dabei und wie immer mit dem Einstudieren der Texte vor dem nächsten Konzert unter Zeitdruck.

Damit wird die Musik zum Beständigkeitsfaktor des Jahres.

Jahr der vakanten Titel

Leider nicht vergeben werden konnten:

  • Steuerberater der Jahres
  • Haushaltshilfe des Jahres
  • Sachbearbeiter des Jahres
  • Wunder des Jahres

Fuck 2017

Die Bilanz ist leider eher negativ.
Vielleicht gehen einige Saatkörner, die wir dieses Jahr gestreut haben, im kommenden Jahr auf (RW). Das wünschen wir uns. Und das Ausbleiben von kleinen und großen Katastrophen.

Das wünsche ich auch euch, liebe Leser und Leserinnen. 

An dieser Stelle ein Willkommen an alle Leser und Leserinnen, die mir dieses Jahr neu beschert hat und ein Dankeschön an alle, die mich schon lange lesend und kommentierend  begleiten. 

Kommt gut rein ins Neue Jahr, 

Eure LW

 

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Teilhabe, die x-te

Seitdem ich für mich beschlossen habe, dass ich mich mit meinem nun in mehr als 2 Jahrzehnten (bewusst)   angesammeltem  Wissen über Neurodiversität nicht in mein stilles Kämmerlein zurückziehen werde ( wonach mir manchmal ist),  sondern auch weiterhin für Inklusion, Teilhabe und ein selbst bestimmtes Leben für alle Menschen aktiv sein möchte, besuche ich wieder öfter  Veranstaltungen zum Thema. Manchmal sind es Fachveranstaltungen, manchmal kulturelle Anlässe.

Schöne Konzepte

Im Rahmen der örtlich gerade stattgefundenen Inklusionswoche wählte ich zunächst die Veranstaltung einer gewerkschaftsnahen Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Betriebe darin zu unterstützen, schwerbehinderte Menschen weiter oder erstmals zu beschäftigen. Konkret ging es um den Einstieg in das Erwerbsleben nach der Schule. Ziel der Veranstaltung war, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie Inklusion auch in der Arbeitswelt umgesetzt werden kann. Es wurde ein Pilotprojekt der Berufsorientierung vorgestellt, dann erklärte die Bundesagentur für Arbeit, welche Maßnahmen und Fördermöglichkeiten es gibt.
Im Publikum: interessierte Profis von Maßnahme -Trägern, Berufsschule, Handwerkskammer, Betriebsräten, Schwerbehindertenvertretungen usw.
Ach ja, es gibt wirklich tolle Konzepte. Wie kommt es nur, dass bei den Betroffenen so wenig davon ankommt?
Wer absoluter Neuling auf diesem Gebiet war, hat sicherlich etwas  gelernt. Für alle anderen lag der Nutzen der Veranstaltung wohl eher in der Möglichkeit der Vernetzung. Ist ja schon mal was.

Im Pausengespräch merkbar: fast alle Teilnehmer, die sich hier engagierten, sind durch eigene Betroffenheit oder durch betroffene Familienangehörige zum Thema – auch der beruflichen Vertiefung damit- gekommen. So viel zur Verantwortung ALLER.

Knapp vorbei ist auch daneben

Um Armut und  Behinderung sollte es bei einer weiteren Veranstaltung, zu der eine Bürgerschaftsfraktion eingeladen hatte, gehen. Das Setting: die klassische Podiumsdiskussion. Immerhin waren hier 2 Vertreter von Schwerbehindertenverbänden geladen, ansonsten sich selbst als inklusive Einrichtungen verstehende Träger ( Integrationsfachdienst und Integrationsfirma) sowie ein Sozialverband, der Menschen unterstützt, deren Arbeitsfähigkeit unterhalb der für eine Werkstatt geforderten 3 Stunden täglich liegt. Um es vorweg zu nehmen: Der Vertreter dieser Gruppe war der einzige Podiumsteilnehmer,  der Selbstbestimmung und Würde unabhängig von individueller Leistungsfähigkeit einforderte. Wobei auch ihm klar war, wie utopisch sich so eine Forderung in unserer exklusiven Leistungsgesellschaft – ja, davon redete er- anhört

Zwar wurde in der Einführung zum Thema geschildert, dass Behinderung fast schon ein Garant für Armut ist bzw. zumindest meist die Gefährdung von Armut mit sich bringt. Aber auch dann wieder: Berichte über schöne Konzepte und Möglichkeiten. Kritisch zum Glück die Vertreter der Behindertenverbände, wenngleich sie überwiegend darstellten, dass der Behördendschungel eine der größten Barriere für Teilhabe darstellt und ansonsten die Besonderheiten ihrer jeweiligen Bedarfe schilderten ( Sehen und Hören ).

Auch auticon war mit einem Kurzbeitrag zugegen.

Das Publikum: Interessierte, Eltern, Werkstatt-Beschäftigte. Leider gab es immer nur wenig Zeit für den Austausch. Beschäftigte aus den WfbM kritisierten zu Recht, dass es dort noch nicht einmal den Mindestlohn gibt.

Die Moderation ( oder war es das Konzept?) ließ zu wünschen übrig, denn nach jeder Wortmeldung kam die penetrante Rückfrage, an welchen Podiumsteilnehmer sich die Frage denn richte – auch wenn es gar keine Frage war. Was ich kritisierte, denn ich hatte nicht nur Fragen, sondern Ideen, was denn unsere Landesregierung mal anfassen könne ( ich glaube, die Kernpunkte kann ich schon im Schlaf aufsagen, gebetsmühlenartig…..).

Peinlich: das Thema Armut kam fast gar nicht mehr vor in der Diskussion, falls man den Austausch überhaupt so nennen darf. Ich habe das Unwort trotzdem mehrmals genannt. Denn selbst, wenn ein Behinderter einen Job auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt findet, ist das oft ein Job, der im Niedriglohnsektor angesiedelt ist. Muss er dann vllt. Teilzeit arbeiten, muss er aufstocken. Wer in einer WfbM arbeitet, ist sowieso arm.

Kunst und Kultur

Ein Inklusionsfest sollte es sein. Zumindest gab es Kunst zu betrachten, entstanden von und mit Menschen mit Handicap: Malerei, Theater, Musik.
Bestimmt waren die Beiträge gut. Sicher hätte mir einiges Spaß gemacht.
Ausnahmsweise fehlten mir die Menschen ohne Behinderung. Ist ja sonst anders rum.

Die inklusive Welt war exklusiv für sich.
Ich hab es nicht ausgehalten, dort.

 

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