Ein y für Greta

Zuerst dachte ich: was für ein Medienrummel für eine ganz normale Sache. Denn das ist es doch, wenn sich Jugendliche gesellschaftspolitisch stark engagieren. Und dabei auch zu ungewöhnlichen Maßnahmen greifen.

Ich dachte auch: da wird jetzt wieder so eine Jugendliche vermarktet, weil die Eltern groß rauskommen wollen oder weil das eben so ist in unserer Gesellschaft. Berühmt werden und ein Star zu sein scheint für viele junge Menschen das Beste vom Besten zu sein. Und für die Eltern, die daran verdienen, ebenfalls. Naja, das ist für viele Jugendliche und ihre Familien mittlerweile auch die einzige Möglichkeit zum sozialen Aufstieg. Irgendwo verständlich, wenn auch nicht toll.

Nun habe ich mich ein wenig mehr mit Greta und der berechtigten  Protestwelle befasst.

Greta hat ein gutes Händchen dafür, wie man Menschen anspricht. Sie bringt die Dinge auf den Punkt, bei denen andere Leute herum eiern. Sie scheut sich nicht, dorthin zu gehen, wo die größten Umwelt-Ignorant*innen sitzen. Damit setzt sie sich massiver Kritik aus.

Es wäre doch viel schöner, wenn sie ihre Fundamentalkritik im stillen Kämmerlein,  meinetwegen auch in einer  Jugendorganisation von sich geben würde. Damit kann man gut umgehen. Dafür sind die Jugendgruppen doch da. Alles grundsätzlich infrage stellen, bis man erwachsen ist. Dann vernünftig werden, einer anständigen Arbeit nachgehen und die Träume von früher vergessen.

Politker*innen würde am besten gefallen, wenn sie das in ihrer parteilichen „Junge- XYZ -Organisation“ tun würde. Dann könnte die jeweilige Partei sie ein bisschen hypen und wenn es gut läuft, damit Wähler*innen-Stimmen holen.

Greta macht sich auch deshalb angreifbar, weil sie zu ihrem Autismus steht. Das hat die Welt noch nicht gesehen: eine junge AutistIN schafft es, unsere „normalen“ Jugendlichen zum Engagement inklusive Regelverstöße zu bewegen.

Irritierend

Also da ist jemand Leitfigur, der normalerweise von der Mehrheitsgesellschaft ausgeschlossen wird. Das ist doch der Hammer. Da kann doch etwas nicht stimmen. So funktioniert unsere Welt doch gar nicht. Ja liebe Leute, ist schwer zu verstehen in einer Welt, die es so gut geschafft hat, Menschen die anders sind als die meisten, zu separieren.

Und dann ist ja dann noch diese eine Kleinigkeit. Greta fehlt das, was die Mehrheitsgesellschaft  mit diesem Phänomen noch versöhnen könnte.

Wenn schon autistische Fähigkeiten, dann bitte getragen von Männlichkeit. Damit könnten wir noch leben:

  • Ein zerstreuter Junior-Professor (Autist, männlich, hochbegabt)
  • Ein erfolgreicher Jungunternehmer ( Autist , männlich, hochbegabt)
  • Ein kreativer Künstler ( Autist, männlich, hochbegabt)
  • Ein leidenschaftlicher Revoluzzer ( Autist, männlich, hochbegabt)

Das alles passt irgendwie in unser Schema. Wir sagen Einstein Autismus nach, ebenso Steve Jobs, Bill Gates, Mozart und Andy Warhole. Von Steven Spielberg und Vernon L. Smith und Karl Lagerfeld wissen wir es.

Aber wer kennt Dr. Prof. Temple Grandin?  Und die vielen anderen autistischen Frauen mit ihren herausragenden Fähigkeiten?

Provokation

Wir können einen Nelson Mandela toll finden, einen Barak Obama, einen Rudi Dutschke…aber wir schaffen es nicht, herausragende Frauen zu bejubeln. Das passt einfach nicht, wenn es um ernsthafte Themen geht. Mode, Lifestyle, Familie – da sind Frauen die vermeintlichen Expertinnen und erhalten dafür  eine „milde“ Wertschätzung. Mischen sich Frauen in die harten Themen ein, so ist Ihnen eines sicher: Man nimmt ihre (jedem Menschen innewohnende) Widersprüchlichkeit in einer Art und Weise auseinander, wie es keinem im Rampenlicht stehenden Mann dieser Welt bisher widerfahren ist. Alice Schwarzer, Sarah Wagenknecht,  Bundeskanzlerin Merkel ( besonders in ihren ersten Politikerin- Jahren) und Hilary Clinton sind gute Beispiele dafür. Schauen wir etwas weiter zurück, so konnte das auch in unseren Breitengraden lebensverkürzend sein.

Ich bräuchte diesen ganzen Personenkult nicht. Für andere Menschen scheint es wichtig zu sein. Aber dafür kann Greta nichts. Und dass sie sich das für ihre Sache zu Nutze macht, kann ihr ja wohl keiner vorwerfen.  Müsste sie ja nicht, wenn andere Menschen von selbst den Arsch hochkriegen würden.

Gretas unangepasstes Äußeres, Ihre Redegewandtheit, ihr gutes Englisch, ihr Intellekt, ihre Bereitschaft, persönliche Unbequemlichkeiten in Kauf zu nehmen – das alles sind reine Provokationen. Und natürlich auch ihre autistische Disposition.

Wäre Greta ein Gretus, so würde vielleicht auch an der Aktionsform herum kritisiert werden. Die ach so vernünftige Eltern-Generation legt großen Wert darauf, dass ihre Schulkinder keinen einzigen Schultag verpassen ( außer wg. Fernreisen mit der Familie). Könnte ja das 1ser-Abitur in 4 Jahren gefährden.

Gretus würde trotz Schulschwänzerei eine brillante Zukunft vorausgesagt werden. Mit Sicherheit hätten ihn einige Headhunter schon im Visier.

Die pubertierenden Bengelchen würden mit den Worten beim chillen gestört werden: nimm dir mal ein Beispiel an Gretus, der macht was aus seinem Leben.

Weil die Akzeptanz von Gretus zwar einiges in Frage stellen würde, aber eines nicht: dass Macht und Einfluss männlich sind. Die Sache mit der Behinderung würde man schon irgendwie kaschieren können. Schäuble fährt ja auch unbehelligt im Geld-und Polit- Adel herum.

Zukunftsweisend

Viele Jugendliche scheinen es begriffen zu haben: dass es nicht darauf ankommt, welches Geschlecht man hat. Dass es nicht darauf ankommt, ob man behindert ist oder nicht. Ob man einen deutschen Pass hat. Hier sind offensichtlich Grenzen, die für die Erwachsenen-Generation noch unüberwindbar sind, aufgeweicht. Na klar, viele machen da mit, weil sie keinen Bock auf Schule haben. Das eine schließt aber das andere nicht aus. Jedoch zum Schuleschwänzen braucht man keine Streiks und keine Demos.

Und werft ihnen nicht immer ihr  Konsumverhalten vor. Von wem haben Sie es denn gelernt? Nase fassen, wie man so schön sagt.

Viele Autisten*innen sind längst nicht mehr bereit, im Hinterhof der Gesellschaft zu leben. Andere Menschen mit Behinderung auch nicht. Gewöhnt euch dran.

Übrigens: eine männliche Form des Namens „Greta“ gibt es nicht.

2018 over

2018 war hier meistes Sendepause. Dabei gab es genug Themen, zu denen ich hätte bloggen können. Mehr als genug. Rheumi gab mir 2017 Gelegenheit, mir Gedanken über grundsätzliches zu machen und konkretes zu planen. Im denken und planen bin ich gut und das mündet in (oft) grandiosen Plänen, deren Umsetzung etwas schwieriger als deren Entstehung ist und hängt leider nicht nur von mir allein ab.

Weichen stellen

Pläne lassen sich nicht verwirklichen, wenn man nicht bereit ist, Entscheidungen zu treffen. Manchmal sind es nur Nuancen, die angepasst werden, manchmal reißt man das Ruder rum, um einen anderen Weg einzuschlagen. 

Ohne Moos nix los

Beruflich hätte ich gern letzteres getan, aber von irgendwas muss ich leben und deshalb reichte es nur zu minimalen Anpassungen. Immerhin habe ich meine relative Gesundheit erhalten und aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Neben dem, was nach fast 30 Dienstjahren nicht mehr ganz so spannend und inspirierend ist, konnte ich in diesem Jahr wieder meinen Lieblingsworkshop durchführen und politisch engagierten Menschen zu mehr „Stimme“ verhelfen. Nein, keine Rhetorik- es geht um den Einsatz und Training unserer Sprechwerkzeuge, und jeder Workshop ist voller aha-Momente auch für geübte Redner_innen. Außerdem lachen wir uns über uns selbst schlapp, wenn Verhaspler, Kickser und Koordinationsschwierigkeiten mal überhand nehmen.
Bitte mehr davon in Zukunft.
Soviel sei verraten: ich stricke an einem Konzept für junge Autist_innen, die mehr Sicherheit in Gesprächen erlangen wollen. Darauf bin ich sehr gespannt.

Verdummt euch doch selber

Im Frühjahr war das Maß voll.
Lieber keine Maßnahmen von welchem Sozialträger auch immer als solche, in der Würde, Selbstbestimmung und Entwicklung nichts als leere Worthülsen sind.
Auch keine Begleitung von Therapeut_innen, die es nicht ertragen können, dass es nicht um Heilung bei Autismus geht. Die soziale Anpassung
(Maskierung) dafür halten, um sich selbst erfolgreich zu fühlen.
Seitdem Twen nicht mehr von sogenannten Fachleuten in die Selbstverleugnung, Unselbständigkeit und Depression getrieben wird, geht es ihr zunehmend besser.
Wir trauten uns kaum, diesen krassen Schritt zu gehen, weil ja Nichts-(erwerbsmäßiges)- Tun das vermeintlich Schlimmste überhaupt in unserer Leistungsgesellschaft ist. Und weil es doch für jede_n eine passendende Maßnahme gäbe.
Für Twen und auch für mich als Begleiterin ist es richtig wie es jetzt ist. Andere Jugendliche bekommen 1 Jahr Ausland gesponsert. Und ich soll mich schlecht fühlen, wenn ich meinem Kind 1 Jahr Auszeit von institutioneller Diskriminierung, Bevormundung und Demütigung schenke? Wenn Twen später evtl. einen miesen Job machen muss, dann wenigstens gegen Entgelt und nicht nur für Taschengeld weit unter Mindestlohn. Aber soweit ist sie noch nicht. Kommt Zeit, kommt Rat. Und mit etwas Glück: Tat.

Durchgeboxt

Einfach teilhaben–  so heißt eine Broschüre des BMAS, in der die Möglichkeit von Teilhabe-Leistungen als persönliches  Budget (PB) erklärt wird. Wer das PB bekommt, kann sich seine Assistenzleistungen mit dem ihm zur Verfügung gestellten Geld selbst einkaufen. Das heißt, die Assistent_innen selbst aussuchen und tritt als Arbeitgeber_in auf, nicht als Teilnehmer_in irgendeiner Maßnahme. Ein großer Schritt in Richtung Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderungen.
„Einfach“ zu haben ist das aber nicht.
Zumindest in der Stadt der Pfeffersäcke bevorzugen die Sozialbehörden pauschale Leistungen an große Maßnahmeträger, in deren Konzept sich die Menschen mit Behinderungen dann mit (oder entgegen?) ihren Bedürfnissen einzufügen haben.

Obstinat

Schon meine Oma sagte immer zu mir: sei doch nicht so obstinat!
Doch, bin ich. Besonders bei Behörden und wenn es um Twen geht. 
Deshalb kann Twen jetzt selbst bestimmen, wer sie unterstützt, natürlich in dem Rahmen, in dem ihr vom Amt Unterstützungsbedarf zugestanden wird. Dafür bekommt sie ein monatliches Budget, mit dem sie ihre Leute bezahlen kann.
Das Ganze war für uns sehr anstrengend und eine, wenn auch unfreiwillige Bildungsmaßnahme zugleich.
Nun freue ich mich darauf, dass ich mein durch diesen Höllenritt erworbenes Wissen 2019 weitergeben darf als Referentin in diversen Autismus -Selbsthilfegruppen und Vereinen.

Dreamteam 

Unser Fell-Peer Locke ist das Beste, was sich dieses Jahr in unser Leben gewuselt, getobt und geschmust hat. Twen und sie sind ein Dreamteam. Seit September sind die beiden  ein Azubi-Team in der Assistenzhundeschule. Sie machen beide ihre Sache bestens.IMG_1896 Im kommenden Frühjahr legen beide ihre erste Prüfung ab und bis dahin wird noch fleißig geübt. Dann gibt es auch eine Erwachsenen-Kenndecke 🙂
Das Verhalten von Kaniden und Pferden -und ihre Bindung zu Menschen – ist u.a. schon lange Twens Spezialthema und ich staune immer wieder, wie einfach und tiefgreifend die Verständigung zwischen ihr und Tieren ist. Und wie leicht sie im Umgang mit Tieren ihr theoretisches Wissen umsetzt.
Twen bekommt nun endlich eine konkrete Vorstellung davon, was Teilhabe heißen kann: so viele freundliche und wertschätzende Kontakte zu anderen Menschen hatte sie noch nie. 

Zur Kasse bitte und draußen bleiben

Schlecht ist leider die Rechtslage in Deutschland, was die Anerkennung von Assistenzhunden als Hilfsmittel angeht. Das heißt, Anschaffung und Ausbildungskosten trägt der Hundehalter.
Damit sich das ändert, wird Pfotenpiloten e.V. im kommenden Jahr eine
 Zutrittskampagene, unterstützt vom BMAS, durchführen. Achtet mal drauf.  Ausgebildete Assistenzhunde sollen überall willkommen sein, wo Menschen sich in Straßenkleidung aufhalten dürfen. In anderen Ländern schon längst kein Problem mehr. Dort gibt es Standards für die Ausbildung und klare Rechte auch für Assistenzhunde, die nicht Blindenführhunde sind.

Platz da

Mit einem heldenhaften Einsatz hat die weltbeste aller Nichten mich vom Chaos meiner langjährig gehorteten Bürokratie befreit. Sie staunte nicht schlecht, was für Kram man im Leben alles ansammeln kann, welche absurden Schriftwechsel geführt werden und verdammt noch mal: so viele Behörden gibt es? Fortan heißt es, wehret den Anfängen, was leichter gesagt als getan ist. Ablage ist noch schlimmer als abwaschen als Wassergymnastik..
Kleiner Tipp: Tapeziertische sind multifunktional.

Engagement

Es ist toll, wenn man Ideen verwirklichen kann. Wenn man Mitstreiter*innen hat, die mit einem gemeinsam Dinge voran bringen.

Trampelpfade

  • Netzwerk

2018 war ein Jahr, in dem uns das mehrfach gelungen ist. Aufgrund einer großen Veranstaltung 2017 zum Thema Arbeit und Beruf für Autistinnen ist ein Netzwerk der norddeutschen  Berufsbildungswerke entstanden, in dem konkret personenzentrierte Maßnahmen entwickeln werden. Das Schöne dabei: das Eltern-Know-How wird abgefragt  und auch Betroffene sind einbezogen.

  • Fachtag

Mit einem Fachtag „Wege entstehen, indem man sie geht“- im Herbst zum selben Thema erreichten wir 160 Menschen. Fachkräfte der Maßnahmeträger, Verantwortliche der Kostenträger und Verbände sowie Arbeitgeber_innen.  Die Resonanz war sehr positiv: erstmals hatten wir es vor Ort geschafft, dass sowohl NTs als auch ATs referierten oder Workshops leiteten. Auf Augenhöhe. 

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Dr. Riedel, Universität Tübingen

Deutlich wurde, wie viel Unwissen es noch immer über das Autismus Spektrum gibt und wie hartnäckig sich Vorurteile über Möglichkeiten der Berufsausübung halten. Etwas aufgeräumt damit  hat ein Arbeitgeber, der mit der Beschäftigung einiger Autist_innen, darunter auch ein  Rettungssanitäter,  gute Erfahrungen gemacht hat.

Muss ich noch erwähnen, dass das Team Twen-Locke dabei war und in vielen Einzelgesprächen Aufklärungsarbeit geleistet hat?

Einfach Meer erleben

Die größte Schnapsidee des Jahres war unsere Urlaubsreise an die Steilküste der Ostsee mit uns zuvor nicht bekannten jungen Autistinnen. 

Ich ärgere mich schon so lange darüber, dass es für junge Autistinnen keine guten Reiseangebote gibt. Also habe ich kurzerhand gemeinsam mit Twen und Locke eines entwickelt. Mein Job war im Wesentlichen die Organisation dieser abenteuerlichen Expedition von 6 Frauen und 3 Hunden und die Koordination vor Ort.

Vieles habe ich dazu gelernt, z.B. was besser ganz klar im Vorfeld abgeklärt werden sollte. Sagen wir mal so: wäre es eine NT-Reisegruppe (oder Seminar) gewesen, so hätten spätestens am ersten Abend die wechselseitigen Ausgrenzungsmaßnahmen begonnen. Wir aber waren ALLE daran interessiert, trotz unserer Unterschiedlichkeiten einige erholsame Tage miteinander zu haben und die gegenseitige Toleranz war entsprechend hoch.IMG_1931
Das ist Motivation für weitere Reisen dieser Art. 
Im Gegensatz zu herkömmlichen Angeboten wird es weder pädagogische, noch therapeutische Begleitung geben, sondern nur eine organisatorische Klammer. 

 

Wohn-Idee

Kleine Wohnungen für junge Autist_innen. Dafür sorgt unser kleiner Verein, der mit einer Wohnungsbaugenossenschaft eine Kooperation eingegangen ist. Alleine wohnen, ohne zu vereinsamen. Das ist die Idee. Da stecke ich gerne Energie rein. Nicht ganz uneigennützig.

Die Weltlage 

Krieg, Flucht, Rassismus, Diskriminierung,  Ausbeutung, Umweltzerstörung. Zu viele Menschen, denen das bestenfalls egal ist. Zu wenige, die sich für einen Gegenentwurf engagieren.
Soviel dazu.

Musik, Freunde und Kultur

… kamen 2017 zu kurz. Das Cello glotzt mich vorwurfsvoll an. Für 2019 habe ich Besserung gelobt. Einige Tickets sind schon geordert. Im Chor wird zunehmend nicht nur gesungen, sondern auch gefeiert. Das wurde mir oft zu viel. Der Auftritt in der Elphie und unser Jahreskonzert waren toll.  Ein Doppelkonzert habe ich geschwänzt und auch unsere Studioaufnahme. Mein Agreement deshalb mit dem Chor für die Zukunft: singen ja, Smalltalk in Großgruppen eher nein. 

6 Jahrzehnte Gurkenbekannte *

Ich bin ein Kind der Dunkelheit, wenn man von der Rundum-Festbeleuchtung der weihnachtlich geschmückten Umgebung absieht. Noch bevor das Hosianna am heiligen Abend in den Kirchen erklingt, gibt es für mich jährlich ein Geburtstagsständchen. Diesmal etwas lauter angesichts meines ehrwürdigen Jahrestages. 

Meine lieben mehr oder weniger speziellen Freund_innen, Bekannten und Kolleg_innen waren geladen und sogar erschienen. Da der kleinste gemeinsame Nenner der meisten von ihnen Zerstreutheit ist, wurde immer wieder vergessen, wann es denn losgeht und wann endet. Das war jedoch nicht weiter schlimm. Fast alle hatten eine längere Anreise, es fand eh´ vor den Stadttoren statt und so kamen einige bereits am Freitag in der Unterkunft an, andere blieben bis Montag. Dank meiner geduldigen Erinnerungs-Nachrichten klappte es dann doch mit einer gemeinsamen Feier ALLER Gäste. Für Twen, Locke und mich war es jedoch ein 4-Tage-Feier-Marathon.
Schmerzlich vermisst  habe ich meine beiden Schwestern und meine Mutter, die mich vor 4 Jahren vom Mitglied eines Weiberclans zur geschlechterparitätisch besetzten Hälfte einer Restfamilie – zumindest wenn man die Nachkommen außer Betracht lässt – gemacht haben.
Erfreut war ich hingegen über einen großen Tisch mit politisch interessierten und engagierten Youngstern der Familie.

Knobeln und Hibbeln

Puzzlespiele und Holzkreisel  auf den Tischen ersetzten die mir empfohlene anfängliche Schnitzeljagd zum Kennenlernen der anderen Gäste
(allgemeine Erleichterung),  Twen führte Interviews mit ausgewählten Gästen durch ( Erhellung und Erheiterung ) , es gab die erste widersynnige Gurkenpreisverleihung an die schrägsten meiner  Lieben
(Spaß und wohlwollende Verwunderung ) und ordentlich Speis und Trank.

Satz mit X

Ja, das gab es auch in diesem Jahr. Missglückte Versuche, unrealistische Pläne, die üblichen Fahrplanabweichungen des Lebens. So what…

Tempo raus

Gefühlt  hatten wir in diesem Jahr Veränderungen im viertel-Stunden-Takt. Und dabei ist doch gar nicht so viel passiert. Alleine die Abwesenheit diverser Energiefresser hat  viel Lebensqualität gebracht. Und dann noch dieser Sommer. Seit langem eine positive Bilanz.  Twen schaut bei aller materiellen Unsicherheit zuversichtlich in die Zukunft. Dennoch – nach diesem ereignisreichen Jahr darf es ruhig wieder etwas ruhiger werden.  Neue Verbindungen und Veränderung, ja. 
Aber alternsgerecht, wenn ich bitten darf.
Dann bleibt auch wieder mehr Zeit für meine Freund_innen.
Wir sind bereit für 2019.

Euch, liebe Blogger_innen und Leser_innen…

… möchte ich weiterhin nicht missen, weder aktiv noch passiv. Über Kommentare freue ich mich immer und auch wenn in diesem Jahr hier weniger blogs zu lesen waren, so habe ich dennoch viele von euch gelesen. So manches Mal habe ich überlegt, ob ich diesen Blog weiterführen will. Zu viel Privatkram? Oft schon habe ich eure schlauen Gedanken bei der Bewältigung meines Alltags aufgegriffen. Dafür vielen Dank. Ich schreibe weiter, vielleicht kann ich ja was zurückgeben damit.

Euch allen frohe Festtage und einen guten Start in ein engagiertes 2019.

Eure LEIDENSCHAFTLICHWIDERSYNNIG

* Teenies pubertäre Bezeichnung für meine wunderbaren  neurodiversen Freund_innen

 

 

Zweierlei Maß : Hilfsmittel Teil I

Man kann geteilter Meinung darüber sein, welche technischen Hilfsmittel in unserem Leben sinnvoll sind oder nicht. Wir nutzen sie alle mehr oder weniger, privat, beruflich und im öffentlichen Raum.

Auf den Kontext kommt es an

Die Nutzung des Navi beim Auto fahren, Apps für Fahrplan-Auskünfte und vieles mehr sind überwiegend akzeptiert und keiner kommt auf die Idee, Nutzer dieser Anwendungen für dumm zu halten. Bestenfalls für bequem.

Im unternehmerischen Kontext werden quasi alle Hilfsmittel positiv bewertet, welche die Produktivität steigern. Im gewerblichen Bereich haben sie vor allem für körperliche Entlastung gesorgt. Im Dienstleistungsbereich für Arbeitsverdichtung. Berufsbilder haben sich entsprechend verändert. Der Drang nach immer besseren technischen/digitalen Helfern entspricht der Gier nach immer mehr Profit. Nicht selten auf Kosten der Gesundheit der Beschäftigten und unserer Umwelt.

Wer sich z.B. in der Welt der Apps umschaut, kann auch sozial orientierte Entwicklungen entdecken. Zum Glück ist noch immer nicht ausschließlich Bereicherung Impuls und Ziel kreativen und innovativen Tuns. Dazu im Teil II mehr.

Sinnvoll hier…

Für die sogenannten „High-Performer“ , also Menschen (meist) mit akademischem Grad in (vermeintlich) verantwortungsvollen Positionen gibt es eine Vielzahl von digitalen Hilfsmitteln; sie alle dienen der Effizienzsteigerung und Optimierung der Arbeitsleistung. Selbstverständlich nicht nur im Büro, sondern  auch mobil und mit Reichweite in das Privatleben. Das Meeting dauert länger als geplant? Macht nichts, der Back Herd wird von unterwegs angeschaltet, ebenso die Heizung. Optimierungsziel ist nicht mehr nur die Teilleistung eines  Menschen, sondern sie erfolgt so umfassend wie möglich und durchzieht alle Lebensbereiche.
Jeder Herzschlag wird gezählt, gespeichert, ausgewertet. Zeit gespart, um mehr zu schaffen.
Wer on top sein will, macht mit.

Der Schriftsatz oder Arztbericht  muss noch fertig werden? Keine Panik. Auf der Heimfahrt vom Arbeitsplatz im Auto diktieren, danach das Diktat dank  Spracherkennungssoftware direkt vom PC in Text umwandeln lassen. Dann bleibt noch Zeit für Freizeit-Aktivitäten – damit die Work-Life-Balance stimmt.

Niemand würde auf die Idee kommen, dass beim Anwender dieser Hilfsmittel irgend ein  Defizit vorliegt, z.b. bei der Büro-Organisation oder gar eine Dyspraxie.
Es wird unterstellt, dass diese Menschen Wichtiges tun. Da ist es nur Recht und billig, dass sie digitale Hilfsmittel nutzen.

…unnötig da?

Es liegt auf der Hand, dass besonders Menschen mit einer behinderungsbedingten Einschränkung von der Entwicklung der digitalen Helfer profitieren können.

In den Bereichen Sehen, Hören und Körperbehinderung haben sich technische Hilfsmittel unterschiedliche Art etabliert. Sie bewilligt zu bekommen, ist dennoch nicht einfach.
Der Blindenführhund ist in Deutschland derzeit leider der einzige durch das SGB als Hilfsmittel anerkannte Assistenzhund. Eine begrüßenswerte Entschließung des Bundesrates will das ändern: hier

Aber zurück zur Technik: es gibt mittlerweile viele digitale Hilfsmittel, die Menschen mit Teilleistungsschwächen oder sensomotorischen Schwierigkeiten unterstützen könnten.

Nehmen wir mal die oben schon erwähnte Spracherkennung. Für Menschen, die nicht denken und tippen gleichzeitig können, die den Kopf so voller Ideen haben, dass sie ihre Gedanken nicht in die Tastatur hacken können, ehe der nächste Gedanke schon den Kopf füllt, die motorische Probleme haben, für Legastheniker oder die eine Lernbehinderung haben können damit Barrieren abgebaut werden. Und damit Teilhabe am gesellschaftlichen und beruflichen Leben ermöglicht werden. Sie sind auch für ADHSler und Autisten eine gute Hilfe bei entsprechendem Bedarf.

Weder reguläre Bildungsinstitutionen noch Bildungseinrichtungen für Menschen mit Behinderungen halten solche Software vor ( ausgenommen Spezialeinrichtungen für Sehbehinderte und Gehörlose). Es gibt dort kein Personal , dass ihre Teilnehmer entsprechend schulen kann. Volkshochschulen bieten Schulungen für diese Zielgruppe nicht an.
Dass Beratungsstellen oder gar Kostenträger einen  „Kunden“ auf unterstützende digitale Anwendungen hinweisen, habe ich noch nie gehört.
Ämter finanzieren das x-te Bewerbungs-oder Kommunikationstraining, obwohl die o.g. Einschränkungen möglicherweise besser durch technische/digitale Hilfsmittel kompensiert werden könnten.

Wer sich traut, diese Hilfsmittel zu beantragen, stößt zwar zum Teil auf wohlwollende Neugier ( aha, das ist ja interessant, dem gehen wir mal nach….und dann folgt: nichts),   viel häufiger aber wird darauf verwiesen, dass man doch lieber an der Überwindung der Defizite arbeiten soll. Also üben, trainieren, oder sich abfinden.
Oft wird vom pädagogischen Personal der Ausbildungseinrichtungen auch gar nicht verstanden, wo das Problem liegt:

Wer die Lösung einer Aufgabe nicht verschriftlichen kann, weiß die Lösung nicht ….!?

So die gängige und meist einzige – oft unzutreffende – Schlussfolgerung.

Eventuell ist die Kenntnis bei den Beratern der Integrationsfachdienste größer.
Aber wer den Status des arbeitnehmerähnlichen Beschäftigten hat ( oder noch nicht in einem Arbeitsverhältnis steht), fällt nicht unter dessen Zuständigkeit. Er darf sich mit den Sachbearbeitern der Sozialversicherungsträger herum ärgern.
Deren  Ahnungslosigkeit über die vielfältigen Möglichkeiten ist in Deutschland groß. Die Sinnhaftigkeit wird bestritten. Auf das Budget verwiesen. Investieren in Menschen, die dann doch nicht zu den Top-Leistern aufsteigen widerspricht dem hiesigen Verständnis von Wirtschaftlichkeit.
Wie so oft tragen betroffene Familien dann selbst die Kosten, wenn sie können.

Irgendwo habe ich neulich den Begriff „Leistungsrassismus“ aufgeschnappt.
Er ist polemisch, ungenau und  gefällt mir dennoch.
Es ist mittlerweile wieder zu selbstverständlich, dass Würde und Lebensqualität an Leistung  (im Sinne von Arbeitsleistung) gekoppelt wird. Das Ignorieren und Verweigern von Hilfsmitteln zur Kompensation behinderungsbedingter Einschränkungen ist ein bitteres Bespiel dafür.

Ich freue mich über Feedback, wie immer ohne Registrierung möglich.

What a year!

Vor 2 Wochen ist es geschehen: ich bin nur noch einen Jahresschritt von der Senioren-Bahncard entfernt. Ich dachte immer, je älter, desto weniger ereignisreich das Leben, desto ruhiger. Für mich selbst trifft das – verglichen mit meiner Sturm -und Drangzeit – ein wenig zu. Mit meinem erwachsenen Fohlen bei Fuß (RW) werde ich aber unweigerlich immer wieder in die Stürme der Jugend hineingezogen. Und die sind nicht zu knapp für eine junge Autistin.

Jahr des Wassers

Unser Jahr begann mit einem Wasserschaden im Januar und endet mit einem weiteren am Heiligen Abend. Nervig, aber eine der kleineren Widrigkeiten.
Mann des Jahres ist unangefochten deshalb unser Klempner.

Jahr der Unbeweglichkeit

Rheumi ist wirklich eine fiese Ratte. Es hat viel Kraft gekostet, ihr ein wenig Benimm beizubringen und ich muss immer am Ball bleiben, damit sie nicht wieder über die Stränge schlägt. Immerhin ist ihre Tarnung aufgeflogen. Ein ganzes Jahr hatte sie die Ärzte verarscht, ehe sie gefunden wurde. Nun, sie bleibt, aber sie muss sich fügen. Ich kann ja nicht wegen ihr nur noch zu Hause herumsitzen.
Meine medizinische Helferin des  Jahres ist ganz klar die Pharmaindustrie. Und die Ernährungsdocs aus der Glotze, aber die erst an zweiter Stelle.

Jahr des Mutes

Nach einer sehr belastenden Zeit in einer komplett unpassenden Maßnahme der Bundesagentur für Arbeit, dem Abbruch derselben, großer Verzweiflung und Ratlosigkeit hat Twen (!) es geschafft, sich auf eine weitere Maßnahme einzulassen. Mit all den Erfahrungen, die sie leider schon machen musste, geht sie nun sehr zielgerichtet dort hinein und lässt sich nicht in die für Behinderte so gern vorgesehenen Bereiche
“ Küche, Lager, Gartenbau“ abschieben. Diese entsprechen so gar nicht ihren Interessen und Fähigkeiten. Das macht sie zur unbequemen Klientin, fordert es doch von den sogenannten Experten, dass sie von ihrer geliebten Routine abweichen müssen. Stellt, euch vor, Twen erwartet doch wirklich, dass die nicht nur behaupten, sie hätten „Autismus-Kompetenz“ ( arghhhh…wenn ich dieses Wort schon höre !) sondern fordert ein, dass die sich wirklich diesbezüglich (fort)bilden.
Da lacht das Mama-Herz.

Noch immer verfolgt sie Ziele, die sie von Amts wegen gar nicht haben dürfte: einen weiteren Schulabschluss, doch noch eine Ausbildung machen …. und in der Zwischenzeit das Lernen nicht aufhören. Wenn nicht institutionell begleitet, dann eben autodidaktisch zu Hause. Wenn´s nicht ganz allein geht: frag Mutti 😉

Noch ist unklar, ob sie diese Maßnahme fortführen wird. Mehr als ein Taschengeld bekommt sie dafür sowieso nicht.

Als junger Mensch einer als Expertin gehandelten Therapeutin zu sagen, dass sie keine Ahnung von Autismus hat, wenn sie denkt, man könne sich diesen durch Verhaltenstraining „abgewöhnen“  , ist sicher nicht einfach. Und dann die entsprechende Konsequenz zu ziehen, Adieu zu sagen, sich eine Therapeutin zu suchen , die sie in ihrem So-Sein unterstützt und die Mühsal des Neubeginns auf sich zu nehmen, auch nicht. Twen hat das gepackt.  Chapeau.

Twen, eindeutig meine Heldin des Jahres.

Jahr der Einkehr

Durch Rheumi zum Stillstand gezwungen hatte ich hinreichend Gelegenheit, mich mit Dingen auseinanderzusetzen, die im Alltags-Wirbel regelmäßig untergehen.
Meine intensiven Studien über Kriegskinder, Nachkriegskinder und Kriegsenkel, waren mehr als heilsam für meine Seele.
Rheumi war es auch, die mir klar machte, dass ich nicht für alle Zukunft wie eine Duracell durch das Leben rauschen werde und deshalb gut daran tue, Alternativen zu der jetzigen Wohn-und Lebenssituation zu suchen. Dazu muss ich erst mal wissen was ich will und was ich mir leisten kann. Die Lösung muss jedoch kompatibel mit Twen sein. Denn es ist nun einmal so: nur ein Weg, der uns beiden gerecht wird, führt zur angestrebten Entlastung.

Absolut cooler Bewegungsausgleich: die Geschichte der Philosophie, mehrbändig, hintereinander weg gelesen. Für eine Halbgebildete wie mich ein ungeheurer Luxus. Wann hatte ich dafür schon mal Zeit?

Themen des Jahres waren deshalb transgenerationale Kriegstraumata, Wohnen 60plus, Teilhabe und Selbstfürsorge.

Jahr des Engagements

Humpelnd auf die Demo oder im sportiven Business-Dress zur Fortbildung für Beschäftigte der Berufsbildungswerke – in diesem Jahr haben wir so einiges bewegt.
Neue Handlungsfelder haben sich ergeben.
Mein Dank des Jahres geht an meine Mitstreiterinnen, die sich situationsangepasst auf mein reduziertes körperliches Tempo oder mein Turbohirn eingestellt haben und so Gemeinsamkeit ermöglicht haben.

Jahr der Bürokratie

Ich erspare euch die Aufzählung aller Ämter, Behörden und Beratungsstellen, mit denen ich Kontakt hatte. Die Anzahl der Anträge, Widersprüche, Anhörungen usw. weiß ich selbst nicht mehr.
Quasi ein Zweitjob, der meinem Erstjob zum Glück fachlich entspricht. Hätte Rheumi mich nicht vor dem Erstjob bewahrt, wäre garantiert das Gefühl von “ nie Feierabend haben“ aufgekommen. So war es nur das Gefühl von „nicht krank geschrieben sein“.
Ist das gut oder schlecht?

Zur Rechtsberaterin- und Vertreterin des Jahres küre ich mich deshalb selbst.

Jahr der digitalen Technik

Bei eingeschränkter Mobilität zeigt sich erst, welche Unterstützung man von digitalen Geräten haben kann. Ich habe die Technik nicht nur vielfältig genutzt, sondern auch viel dazu gelernt.
Die bei uns nicht religiös geprägten Weihnachtstage verbrachte ich nun mit diverser Installationssoftware und neuen Programmen. Murphys Gesetz schlug leider auch wieder zu und es mussten Neuanschaffungen getätigt werden, die das Budget belasten, es mir aber wert sind.

Online-Dienste, social Media, Apps, Rechner und mobile Geräte – meine Hilfsmittel des Jahres.

Jahr der Qualität

In Krisenzeiten zeigt sich, wer Freund ist und wer nicht.
Ich habe entsprechende Konsequenzen – auch schmerzliche – gezogen.
Beziehungsmäßig habe ich „gelindnert“: lieber keine Beziehung als eine, die über meine Kraft geht, mag der Gefährte auch noch so liebenswert sein.
Einige alte Freunde habe ich verloren, ehemalige tauchten wieder auf und es bahnen sich neue Verbindungen zaghaft an. 

Viel Lob und Dank gebührt meiner  besten Freundin und ihrer Familie.
Großes Dankeschön auch an die beste und liebste  Nichte aller Zeiten.
Nicht zu vergessen der hilfsbereite Lieblingsnachbar, mit dem sich eine wechselseitige  Alltags-Katastrophen- Rettung etabliert hat.

Erkenntnis des Jahres: ich muss nicht funktionieren, um geliebt/gemocht  zu werden.

Jahr der Musik

Wenig  Konserve, dafür mehr live und das u.a. mehrmals im örtlichen Skandalpalast.
Das Cello hat pausiert, was auf Rheumi´s  Rechnung geht. Zuweilen wankelmütig, war ich mehrmals davor, mein Engagement im Chor aufzugeben. Diese ganztägigen Proben und langen Auftritte sind doch sehr strapaziös. Nun bin ich immer noch dabei und wie immer mit dem Einstudieren der Texte vor dem nächsten Konzert unter Zeitdruck.

Damit wird die Musik zum Beständigkeitsfaktor des Jahres.

Jahr der vakanten Titel

Leider nicht vergeben werden konnten:

  • Steuerberater der Jahres
  • Haushaltshilfe des Jahres
  • Sachbearbeiter des Jahres
  • Wunder des Jahres

Fuck 2017

Die Bilanz ist leider eher negativ.
Vielleicht gehen einige Saatkörner, die wir dieses Jahr gestreut haben, im kommenden Jahr auf (RW). Das wünschen wir uns. Und das Ausbleiben von kleinen und großen Katastrophen.

Das wünsche ich auch euch, liebe Leser und Leserinnen. 

An dieser Stelle ein Willkommen an alle Leser und Leserinnen, die mir dieses Jahr neu beschert hat und ein Dankeschön an alle, die mich schon lange lesend und kommentierend  begleiten. 

Kommt gut rein ins Neue Jahr, 

Eure LW

 

Ich freue mich über Feedback, wie immer ohne Registrierung möglich.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Teilhabe, die x-te

Seitdem ich für mich beschlossen habe, dass ich mich mit meinem nun in mehr als 2 Jahrzehnten (bewusst)   angesammeltem  Wissen über Neurodiversität nicht in mein stilles Kämmerlein zurückziehen werde ( wonach mir manchmal ist),  sondern auch weiterhin für Inklusion, Teilhabe und ein selbst bestimmtes Leben für alle Menschen aktiv sein möchte, besuche ich wieder öfter  Veranstaltungen zum Thema. Manchmal sind es Fachveranstaltungen, manchmal kulturelle Anlässe.

Schöne Konzepte

Im Rahmen der örtlich gerade stattgefundenen Inklusionswoche wählte ich zunächst die Veranstaltung einer gewerkschaftsnahen Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Betriebe darin zu unterstützen, schwerbehinderte Menschen weiter oder erstmals zu beschäftigen. Konkret ging es um den Einstieg in das Erwerbsleben nach der Schule. Ziel der Veranstaltung war, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie Inklusion auch in der Arbeitswelt umgesetzt werden kann. Es wurde ein Pilotprojekt der Berufsorientierung vorgestellt, dann erklärte die Bundesagentur für Arbeit, welche Maßnahmen und Fördermöglichkeiten es gibt.
Im Publikum: interessierte Profis von Maßnahme -Trägern, Berufsschule, Handwerkskammer, Betriebsräten, Schwerbehindertenvertretungen usw.
Ach ja, es gibt wirklich tolle Konzepte. Wie kommt es nur, dass bei den Betroffenen so wenig davon ankommt?
Wer absoluter Neuling auf diesem Gebiet war, hat sicherlich etwas  gelernt. Für alle anderen lag der Nutzen der Veranstaltung wohl eher in der Möglichkeit der Vernetzung. Ist ja schon mal was.

Im Pausengespräch merkbar: fast alle Teilnehmer, die sich hier engagierten, sind durch eigene Betroffenheit oder durch betroffene Familienangehörige zum Thema – auch der beruflichen Vertiefung damit- gekommen. So viel zur Verantwortung ALLER.

Knapp vorbei ist auch daneben

Um Armut und  Behinderung sollte es bei einer weiteren Veranstaltung, zu der eine Bürgerschaftsfraktion eingeladen hatte, gehen. Das Setting: die klassische Podiumsdiskussion. Immerhin waren hier 2 Vertreter von Schwerbehindertenverbänden geladen, ansonsten sich selbst als inklusive Einrichtungen verstehende Träger ( Integrationsfachdienst und Integrationsfirma) sowie ein Sozialverband, der Menschen unterstützt, deren Arbeitsfähigkeit unterhalb der für eine Werkstatt geforderten 3 Stunden täglich liegt. Um es vorweg zu nehmen: Der Vertreter dieser Gruppe war der einzige Podiumsteilnehmer,  der Selbstbestimmung und Würde unabhängig von individueller Leistungsfähigkeit einforderte. Wobei auch ihm klar war, wie utopisch sich so eine Forderung in unserer exklusiven Leistungsgesellschaft – ja, davon redete er- anhört

Zwar wurde in der Einführung zum Thema geschildert, dass Behinderung fast schon ein Garant für Armut ist bzw. zumindest meist die Gefährdung von Armut mit sich bringt. Aber auch dann wieder: Berichte über schöne Konzepte und Möglichkeiten. Kritisch zum Glück die Vertreter der Behindertenverbände, wenngleich sie überwiegend darstellten, dass der Behördendschungel eine der größten Barriere für Teilhabe darstellt und ansonsten die Besonderheiten ihrer jeweiligen Bedarfe schilderten ( Sehen und Hören ).

Auch auticon war mit einem Kurzbeitrag zugegen.

Das Publikum: Interessierte, Eltern, Werkstatt-Beschäftigte. Leider gab es immer nur wenig Zeit für den Austausch. Beschäftigte aus den WfbM kritisierten zu Recht, dass es dort noch nicht einmal den Mindestlohn gibt.

Die Moderation ( oder war es das Konzept?) ließ zu wünschen übrig, denn nach jeder Wortmeldung kam die penetrante Rückfrage, an welchen Podiumsteilnehmer sich die Frage denn richte – auch wenn es gar keine Frage war. Was ich kritisierte, denn ich hatte nicht nur Fragen, sondern Ideen, was denn unsere Landesregierung mal anfassen könne ( ich glaube, die Kernpunkte kann ich schon im Schlaf aufsagen, gebetsmühlenartig…..).

Peinlich: das Thema Armut kam fast gar nicht mehr vor in der Diskussion, falls man den Austausch überhaupt so nennen darf. Ich habe das Unwort trotzdem mehrmals genannt. Denn selbst, wenn ein Behinderter einen Job auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt findet, ist das oft ein Job, der im Niedriglohnsektor angesiedelt ist. Muss er dann vllt. Teilzeit arbeiten, muss er aufstocken. Wer in einer WfbM arbeitet, ist sowieso arm.

Kunst und Kultur

Ein Inklusionsfest sollte es sein. Zumindest gab es Kunst zu betrachten, entstanden von und mit Menschen mit Handicap: Malerei, Theater, Musik.
Bestimmt waren die Beiträge gut. Sicher hätte mir einiges Spaß gemacht.
Ausnahmsweise fehlten mir die Menschen ohne Behinderung. Ist ja sonst anders rum.

Die inklusive Welt war exklusiv für sich.
Ich hab es nicht ausgehalten, dort.

 

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Dickes Brett

Über unsere kleine Initiative, geboren aus dem Frust über unzureichende und/oder unpassende Unterstützung unserer an der Schwelle zum Arbeitsleben stehenden Kinder haben wir es mit viel Engagement geschafft, sowohl bei der Bundesagentur für Arbeit als auch bei den regionalen Trägern von Maßnahmen zur beruflichen Ersteingliederung
(Bundesarbeitsgemeinschaft Unterstützte Beschäftigung, Integrationsfachdienst, Berufsbildungswerke) für diese Zielgruppe zu sensibilisieren.

Wie schaffen wir die besten Bedingungen für berufsfördernde Maßnahmen
für Menschen mit Autismus?

Gemeinsam mit dem Autismusinstitut haben wir, der Elternverein Autismus Hamburg e.V. eine Veranstaltung organisiert, zu der die nördlichen Berufsbildungswerke eingeladen waren. Das ist ja nicht ganz spannungsfrei, haben wir es hier doch mit Maßnahme Trägern zu tun, die im Wettbewerb stehen. Um die Sache nicht noch zu verkomplizieren, haben wir uns in der Vorbereitung deshalb dazu entschieden, erst einmal die Kostenträger nicht dazu zu holen, wenngleich von deren finanziellem Segen all die Konzepte abhängen. Ebenso nicht dabei waren die Träger von Maßnahmen, die in den Bereich Werkstatt für behinderte Menschen und das Hamburger Budget für Arbeit gehören. Wir wollten den ersten Aufschlag nicht mit Ansprüchen überfrachten und haben es hier ebenfalls mit sich ( zumindest in der Realität) ausschließenden ( sogen.)Eingliederungsmaßnahmen zu tun.

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Prof. Dr. Dalferth

Für den fachlichen Input sorgten Hajo Seng, autSocial e.V.  und Prof. Dr. Mathias Dalferth, Ostbayrische Technische Hochschule Regensburg. Beide beschäftigen sich schon lange mit diesem Themenfeld und haben vielfältige Veröffentlichungen dazu gemacht.

Erwerbsbiografien

Hajo Seng hat als Betroffener und auf Grundlage seiner langjährigen Arbeit von den oft langen und Umweg reichen Erwerbsbiografien von Autist*innen  berichtet. Deutlich wurde, dass die Zeit zwischen Pubertät bis oft zu dem 30. Lebensjahr besonders störanfällig und schwierig ist. Autist*innen müssen mit einer Folge von Misserfolgs Erlebnissen fertig werden, bis sie einen für sich geeigneten Platz im Erwerbsleben finden. Anhand von Schilderungen von Einzelfällen konnte er aber auch von unglaublichen Entwicklungen  – z.B. von der WfbM zum Studium – berichten. Sein Bericht machte deutlich, dass zu großer Leistungsdruck ebenso fatal sein kann wie die vorschnelle Meinung, jemand könne per se nicht auf dem ersten Arbeitsmarkt tätig sein, weil er in die vorhandenen Unterstützungs-Konzepte nicht passt. Zur Vertiefung empfehlenswert das 2017 von Seng herausgegebene Buch Typisch untypisch-Berufsbiografien von Asperger-Autisten, Kohlhammer-Verlag.

Hürdenlauf ins Berufsleben

Darüber berichteten wir Eltern junger Autist*innen, die gerade in den bestehenden Maßnahmen gescheitert sind. Unsere Kinder sind keine Einzelfälle und auch wenn unsere Befragung zu Beginn des Jahres nicht repräsentativ ist, so lässt sich daraus ganz klar ableiten, dass das, was zz angeboten wird, unzulänglich ist.

Arbeitsmarktsituation

Prof. Dr. Dalferth gab anhand seiner wissenschaftlichen Erhebungen zur Situation auf dem Arbeitsmarkt einen guten Überblick darüber, wie die Maßnahmen für Autist*innen sich im Hinblick auf die Teilhabe am Arbeitsleben auswirken. Um das Ergebnis schon vorweg zu nehmen: die Zahlen waren erschreckend.

Aus dem gesamten autistisches Spektrum sind nur 5-12 % sozialversicherungspflichtig beruflich tätig, jedoch häufig nur kurzzeitig und ihre Tätigkeit bzw. ihr Einkommen entspricht i.d.R. nicht ihrem Fähigkeiten Profil.
Bei Hochfunktionalen Autist*innen/Asperger-Syndrom sind lediglich ca. 40 % beruflich tätig, es gibt eine hohe Arbeitslosigkeit trotz guter Bildungsvoraussetzungen und anhaltender positiver Konjunkturentwicklung.

Die allgemeine Lebenssituation war entsprechend: international wohnen Erwachsene Menschen mit ASD bis etwa zum 30. Lebensjahr zu 85-70% zuhause bzw. in der Herkunftsfamilie, 70-30% sogar bis zum 50. Lebensjahr.
Von den erwachsene Menschen mit ASD leben in Deutschland 53% bis zu ihrem 45. Lebensjahr in der Herkunftsfamilie, von den Asperger Autist*innen/HFA/ Atyp. Autismus  sind es 52% .

Im weiteren schilderte Dalferth anhand der Auswertung von Projekten mit einzelnen Berufsbildungswerken, inwieweit die Maßnahmen dazu führten, Teilhabe am Arbeitsleben zu erreichen. Oder, was es dazu aus seiner Sicht noch braucht.

Ich denke, es war allen Anwesenden klar, welch enormen Entwicklung-und Handlungsbedarf es hier noch gibt.

World-Café

Der Nachmittag gehörte den Teilnehmenden aus den Berufsbildungswerken.
Die Frage des Berufseinstiegs wurde aus unterschiedlichen Blickwinkeln  (Erwartung der Betroffenen, Ziele für die Institution, aktuelle Handlungsebene) aufgeworfen.
Jede*r konnte sich einbringen und wurde mit jeder Perspektive konfrontiert.

Hier kamen viel guter Wille und viele gute Ideen gepaart mit vielen unklaren Vorstellungen darüber, was Menschen mit Autismus wirklich unterstützt, zusammen.
Der Handlungsbedarf wurde offensichtlich.

Fazit

Aus unserer Sicht war es eine gelungene Veranstaltung.
Es wurde deutlich, wie unzulänglich die Situation für junge Autist*innen – in allen Lebensbereichen – noch immer ist. Da Berufsbildungswerke auch Internatsunterbringung ermöglichen, sollte  das Augenmerk über die reine berufliche Eingliederung hinaus gehen. Hier stellen sicherlich die Kostenträger eine Barriere dar.

Besonders wichtig finde ich festzuhalten, dass hier Betroffene, Eltern der Betroffenen, Wissenschaft , Ausbilder*innen, Päd- und Psycholog*innen in den Austausch kamen.
Das ist leider kein Selbstgänger.

Ein kleiner Anfang ist gemacht.
Weitere Treffen wurden vereinbart.
Die Teilnahme von Autist*innen in dieser Runde ist ausdrücklich erwünscht.

…. und ganz persönlich?

Wenn ich auch manchmal nicht so Recht weiß, woher die Kraft für die bloße Alltagsbewältigung kommen soll – was sicherlich anderen Eltern oder Menschen aus dem Spektrum ebenso geht –  es lohnt sich doch, die eine oder andere Anstrengung auf sich zu nehmen um das Rädchen der Entwicklung ein Stückchen weiter zu drehen.

Ich hoffe, wir haben einen kleinen Stein ins Rollen gebracht.

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Augenwischerei*

Ob bei Teamentwicklungen, Weiterbildungsmaßnahmen,  Mutter-Kind-Kuren,  beruflichen Reha-Maßnahmen oder Therapien- überall kann einem die Aufforderung begegnen: schreiben sie einen Brief an sich selbst. Das kann zu Beginn der Veranstaltung sein oder aber erst am Ende. Wichtig ist, dass der Brief einen erst zum gesetzten Zieldatum ( Prüfung, Ende der Maßnahme, einige Zeit wieder im häuslichen Alltag etc.) erreicht.

Die Aufgabe

Schreiben sie ihre Ziele auf.
Was wollen Sie am Tag X erreicht haben?
Was wollen Sie verändern?

Meist hat man ca. 1 Stunde Zeit dafür. Das ist nicht viel, wenn man ein herausforderndes Ziel hat und außerdem sind wir ja auch ungeübt, nur für uns selbst unsere Ziele zu benennen. Also denkt man nach und schreibt dann was. Meist so eine Mischung aus offiziellem Ziel der Veranstaltung ( Abschluss schaffen,  im Fach x verbessern, gelassener sein, sich für sich selbst Zeit nehmen, Sport anfangen, gesund ernähren, vor  Gruppen sprechen können, weniger Überstunden machen, mal NEIN sagen im Job usw.) und dem, was man sich wirklich wünscht und so zutraut. Schulkinder jüngeren Datums und deren Eltern kennen diese Mogelei schon von den Ziel-und Lernvereinbarungen, die sie jährlich treffen müssen. hier
Arbeitnehmer*innen evtl.. von jährlichen Beurteilungsgesprächen.

Stunde der Wahrheit

Irgendwann kommt dann der Moment, an dem man den Brief in der Hand hält und ihn öffnen sollte. Fein raus ist, wer alles geschafft hat. Ein Grund zur Freude und man kann stolz auf sich sein obwohl man das ja sowieso schon ist. Aber hier kommt noch mal die schriftliche Bestätigung von sich selbst.

Aber was, wenn nicht?
Wer durch die Prüfung gefallen ist oder eine Maßnahme abbrechen musste, findet es vielleicht nicht so toll, seine eigenen Wünsche, Erwartungen und Hoffnungen noch einmal von sich selbst unter die Nase gerieben zu bekommen. Weiß man doch alles. Fühlt man doch.

Problematisch besonders, dass nach therapeutischen oder Reha-Maßnahmen/Kuren  der Brief den Absender erst erreicht, wenn dieser von der Einrichtung selbst nicht mehr aufgefangen werden kann. Mitten im Alltag, der sowieso nicht klappt, obwohl man doch so viel verändern wollte. Mit dem selbst formulierten Schlamassel steht man nun allein da. Auch wenn er wohlwollend formuliert ist, entsprechend Aufgabenstellung.

Was soll man also damit tun? Nicht öffnen? So ein Brief kann einen auch in geschlossenem Zustand immer wieder „Loser, loser “ zurufen.

Zu kurz gefragt

Sein Ziel konkret vor Augen zu haben, ist an sich eine gute Sache. Das eigene Ziel. Nicht allgemeine Erwartungen. Es zu formulieren, kann helfen.
Das allein greift aber zu kurz.
Wir leben nicht in einer Glasglocke, unsere Rahmenbedingungen unterstützen oder verhindern Veränderung.

Was brauchst du?

Hilfreich wäre, die Frage zu stellen: was brauchst du, um dein jeweiliges Teilziel zu erreichen?
Kollege*innen, die nicht auf dir rumhacken, wenn du weniger Überstunden machst, eine Anpassung des Arbeitsvolumens, regelmäßigen Unterricht, Lehrer*innen, die gut erklären können, ein ruhiges Lernumfeld, jemanden, der dich stärkenorientiert unterstützt, eine Familie, die respektiert, dass du mal allein sein willst, Entlastung von der Pflegeverantwortung, finanzielle Hilfe?

Individualisierung

Wird diese Frage nicht gestellt, wird allein auf die persönliche Veränderungsebene abgestellt, werden sowohl der Erfolg als auch der Misserfolg ausschließlich individualisiert.
Das ist leider die heutige allgemeine Sichtweise auf Menschen.

Wir sollten uns diese nicht zu eigen machen.
Nicht, um die Ursache des Misserfolges nur bei anderen zu suchen.
Es geht doch um eine möglichst objektive Einschätzung des Ergebnisses. Wer jemals eine (sinnvolle und gut durchdachte) Evaluation gemacht hat weiß, dass einseitige Fliegenbeinzählerei allein nicht reicht, um zu einer Einschätzung zu kommen, die weiterführend ist.

Stellt man eine solche Aufgabe, so ist es das Mindeste, dass man sich auch dem Ergebnis stellt. Das Misslingen liegt nicht immer nur an den Teilnehmer*innen/Client*innen/Patient*innen.

Tut man es nicht, wird hier nur Schuldzuweisung betrieben.

Was tun?

Kurzfristig wird man diese unglückselige Mode wohl nicht abschaffen können. Also kann es sein, dass man irgendwann so ein nettes Briefchen an sich selbst zu schreiben hat. Wenn du aus der Nummer nicht raus kommst, mach das Beste daraus.
Das ist aus meiner Sicht:

  • Schreibe auch für jedes Teilziel auf, welche Unterstützung oder Rahmenbedingungen du brauchst, um es zu erreichen. Ehrlich. Da es dein ganz persönliches Ziel ist, du einzigartig bist, kann für dich hilfreich sein, was für andere fatal ist.
  • Wenn die Zeit dafür zu kurz ist, bitte um Zeit-Verlängerung ( z.B. zu Hause/ auf dem Zimmer  fertig schreiben).
  • Bekommst du diese nicht, male dir ein schönes Bild, mach Krickelkrakel, tu so als ob.

Aber diskutiere nicht über die Sinnhaftigkeit dieses Briefes mit denen, die ihn als ganz tolle Hilfe ansehen!

Und falls du gerade einen Brief der Hiebe erwartest, erhalten oder herumliegen hast, also nicht zu den Glücklichen gehörst, die alles geschafft haben: lass das Ding ungeöffnet liegen, wenn es dich quält. Verstau es dort, wo du wahrscheinlich erst in ein paar Jahren zufällig drauf stoßen wirst.
Womöglich sagst dann zu diesem kleinkarierten Tun nur  „paaahhhhh…..“.

  • vormals Titel  „Bilanzbetrug“

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Ehrenamt exklusiv

Manchmal stockt das Leben. Beruflich geht es nicht weiter. Alle Anträge sind gestellt und es heißt ( wieder einmal ) abwarten. Oder man weiß noch nicht so genau, wohin man sich eigentlich orientieren soll.

Wer trotzdem etwas sinnvolles tun möchte, kommt da schnell auf den Gedanken der   ehrenamtlichen Tätigkeit. Junge Leute machen ein FSJ oder Bundesfreiwilligendienst
(Bufdi) .
Oder beteiligen sich an sozialen/politischen Projekten.

Was aber, wenn dieser Mensch eine Behinderung hat?
Liest man die Stellenbeschreibungen für das FSJ/Bufdi, wird einem schwindelig.  Gerne mindesten 18 Jahre alt, Führerschein, überall einsetzbar und sowieso flexibel. Also: am besten angehende Studenten*innen oder Leute mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung.
Obwohl diese Dienste ja für Menschen ab 16 Jahren möglich sind.

Teilhabe = Null

In unserer Gesellschaft ist es kaum vorstellbar, dass ein Mensch mit Behinderung anderen Menschen helfen könnte. Schließlich braucht er ja (oftmals) selbst Hilfe/ Unterstützung.
Billige Arbeitskräfte möchte man in den Freiwilligendiensten und keine Menschen, die womöglich auch noch „Arbeit “ machen.
Nein, wer anderen helfen möchte, soll gefälligst fit wie ein Turnschuh sein.

Frage an die Suchmachine:  “ Behinderung FSJ Bufdi „ – behinderte Menschen tauchen dort als Objekte der Hilfsmaßnahme auf, niemals als Subjekt. Noch nicht einmal ein kleiner Hinweis, dass auch Menschen mit Behinderung eine Chance für den Freiwilligendienst haben.

Wartesaal

Dabei würde es vielen Menschen mit einer Entwicklungsverzögerung  die so nötige Zeit zum Nachreifen verschaffen. Wie übrigens vielen anderen jungen Menschen auch.

Auch Gruppen, die sich dem sozialen, politischem und ökonomischen Engagement verschrieben haben, sind leider meist von den Regeln der NT´s / Gesunden geprägt. Interessent*innen mit Special Needs haben halt Pech.

Dabei gäbe es sicherlich viele win-win-Situationen, wenn Helfer*innen/ engagierte Menschen auch Einschränkungen haben dürften.

 

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Abschmink-Maßnahme

Seitdem ich diesen Beitrag geschrieben habe, ist viel Wasser die Elbe hinunter geflossen.

Oft sind wir hin gefallen, wieder aufgestanden und haben unsere Kronen gerichtet.
Und jedes Mal fällt die Aufrichtung schwerer und ist die Krone angekratzter.

Was als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) deklariert ist, entpuppte sich als weiteres Instrument der Selektion. Jungen Menschen mit Behinderungen wurde wieder einmal mit überwiegend defizit-orientierter Haltung begegnet. Nett verpackt als Lernziel, sich mit seiner Behinderung auseinander zu setzen und seine beruflichen Ressourcen realistisch einzuschätzen.

Wege, wie Talente, Interessen und Stärken trotz Behinderung genutzt werden können, wurden nicht gesucht. Eine stark eingegrenzte Auswahl zwischen verschiedenen Berufsfeldern, unzureichende Kontakte zu betrieblichen Kooperationspartnern vor Ort und chronischer Personalmangel beim Maßnahme-Träger sind sicherlich weitere negative Komponenten.

An den Geschäftsführer der Bundesagentur, Herrn Scheele, richtete sich unserer Elternverein zum Jahresanfang mit den Worten:

Wir als Eltern erleben, wie unsere Kinder in diesen Maßnahmen scheitern, keine Anschlussperspektive erhalten oder selbst im Anschluss an eine erfolgreiche BvB keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung finden.
Das bestätigte auch eine Anfang 2017 von Autismus Hamburg e.V. und autSocial e.V. durchgeführte online-Befragung für Hamburg: für 40 % der Befragten, die eine Maßnahme begonnen haben, wurde diese vom Träger vorzeitig beendet. Im Anschluss an eine absolvierte Maßnahme haben 21,2 % eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt gefunden, 57,8 % haben nichts und 21,1 % sind in einer weiteren Maßnahme. Wir Eltern erleben im Gegensatz dazu über Jahre, unter welchen Rahmenbedingungen unsere Kinder leistungsfähig sind und ihre Potentiale entfalten können.

Unser Ziel: dafür sensibilisieren, dass AutistInnen nicht in eine 0815-Maßnahme gepackt werden können.

Ein anschließendes Gespräch mit der Regionalleitung und der örtlichen Leitung der Reha-Abteilung war zwar atmosphärisch recht angenehm, brachte aber im Ergebnis nichts als bittere Klarheit: die Bundesagentur sei die Behörde für Menschen, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt klar kämen. Die Maßnahmen, die Teilhabe zum Arbeitsleben (LTA) beinhalten, seien hinreichend. Man könne dafür nicht noch mehr Geld ausgeben.

Was für ein beschissener Job

Psycholog*innen, Sozialpädagog*innen  und Ausbilder*innen in den Trägern dieser  Maßnahmen haben also die Aufgabe, die Spreu vom Weizen zu trennen. Sie setzen damit die Arbeit der Lehrer*innen an allgemeinbildenden Schulen fort.

Dabei sind das doch eigentlich helfende Berufe. Wie halten das diese Menschen eigentlich aus? Welche „Wahrheit“ legen sie sich zu Recht? Dass es Menschen mit Behinderung doch viel besser geht, wenn sie unter sich bleiben?  Dass sie ein selbst bestimmtes Leben gar nicht wollen?

Wie schaffen sie es, jungen AutistInnen mit Potenzial, aber möglicherweise noch ohne sogenannte Ausbildungsreife, ohne Gewissenbisse die Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen zu empfehlen? Auch Asperger AutistInnen, die keinen hohen Schulabschluss  haben, sind oft sehr gebildet und in einer WfbM intellektuell total unterfordert. Wie kann man ihnen die Lüge auftischen, dass sei für ihre Entwicklung am Besten und natürlich nicht für immer…?

Machen sie einen großen Bogen um Artikel wie diese, im März in Brand Eins online oder kürzlich in der taz erschienenen?

Teilnehmer*innen und Eltern werden angelogen, dass sich die Balken biegen. Der Prozentsatz der Menschen, die  eine Werkstattbeschäftigung hinter sich lassen, liegt noch nicht einmal bei 1 %.

Was ist das für eine verquere Logik, wenn Werkstätten für behinderte Menschen sich als Teil der Inklusion darstellen?

Natürlich ist mir klar, dass diese Berufsgruppen nichts empfehlen können, was in Deutschland gar nicht existiert.  Wie wäre es damit, sich diese Hilflosigkeit einzugestehen, wie damit, mit Teilnehmer*innen und Eltern ehrlich umzugehen und wie damit, sich für gute Lösungen zu engagieren?

UN-BRK: Deutschland,  6 – setzen

Im März 2015 beschäftigte sich der UN-BRK-Fachausschuss in Genf mit der Staatenprüfung Deutschlands und untersuchte, wie es hier um die Umsetzung der UN-Behindertenrechtkonvention steht. Die Agentur 53° Nord befragte dazu Klaus Lachwitz, den Präsidenten von Inclusion International.

Interessant zu lesen, dass in England die WfbM geschlossen wurden. Dass es möglich ist, Wege zu gehen, die in Deutschland noch nicht einmal gedacht werden dürfen, ohne des Realitätsverlustes bezichtigt zu werden.

Auffallend im Interview, dass es immer um Menschen mit geistiger Behinderung geht, wenn von WfbM gesprochen wir. Auch in Deutschland wurden die WfbM für diesen Personenkreis konzipiert. Mittlerweile sind sie aber ein Auffangbecken für alle, die nicht funktionieren, wie der allgemeine Arbeitsmarkt ( sprich die privaten und öffentlichen Betriebe und den dahinter stehenden Eigentümern) es gerne hätte.

Was kommt noch?

Der Chef der Bundesagentur für Arbeit Hr. Scheele hat sich nun ein weiteres Projekt ausgedacht. Arbeiten ohne jedes Entgelt für Langzeitarbeitslose in Betrieben der Privatwirtschaft.

„Das neue Konzept sieht vor, Menschen, die seit mindestens vier Jahren arbeitslos sind, zwei bis drei Jahre lang in eine öffentlich geförderte Beschäftigung zu schicken. Langzeitarbeitslose sollen demnach Betrieben, als zusätzliche kostenlose Kraft angeboten werden. „Dort können sie als eine Art Handlanger den Arbeitsprozess in Firmen unterstützen“, sagt von Einem. Ein weiterer Vorschlag sieht vor, sie in der Stadtteilverschönerung einzusetzen.“ Quelle

Das sind die Arbeitsplätze, mit denen ehemals auch Menschen mit Behinderungen ihr geringes Einkommen bestreiten konnten. Ist es da nicht besser, für ein bisschen Taschengeld und Rentenansprüche in einer WfbM auszuharren, als nach langer Arbeitslosigkeit gar nichts mehr für seine Tätigkeit zu bekommen?

Das interessiert merkwürdigerweise kaum jemanden, es sei denn, er ist selbst oder jemand im nähren Beziehungsumfeld ist davon betroffen.

Dabei sind es doch die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätigen Steurerzahler*innen, welche die Privatwirtschaft auf diese Weise subventionieren. Verstehe das, wer will.

Nachreifen

Die persönliche Entscheidung ist meist schwierig. Zu Hause rum hängen ist keine Alternative. Nach monatelanger Demoralisierung ist eine Ausbildung oder ein Job auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oft weniger denkbar als vor Beginn der unpassenden Maßnahme.

Wir sind kein Einzelfall.
Ich schreibe wir, weil ganze Familien unter diesem sich selbst erhaltenden Ausgrenzungs-System leiden.
Unsere Kinder, weil sie keinen angemessen Platz auf dieser Welt finden.
Wir Eltern, die hilflos die Ausgrenzung unserer Kinder mit ansehen müssen.

Wer über finanzielle Mittel (und Zeit) verfügt, kann seinem Kind möglicherweise mit privaten Weiterbildungskursen, zeitintensiven Hobbies nebst Equipment, Urlaubsreisen usw. eine gewisse  Zeit des Nachreifens versüßen, vielleicht sogar den Start in die Selbständigkeit ermöglichen.

Wunsch frei

Hätte ich den, würde ich in ein kleines nettes Touristen-Kaff ziehen, dort ein kleines Lädchen mit allerlei Schnick-Schnack à la DIY aufmachen, Teenie könnte sich kreativ austoben und den Deko-liebenden Damen das eine oder andere Teil aufschwatzen. Ihr Hund, den sie dann endlich haben könnte würde sie immer begleiten. Zum nächsten Reiterhof wäre es nicht weit. Irgendwann hätte Teenie vielleicht Lust auf einen neuen Anlauf. Den müssten wir dann natürlich privat bezahlen, denn das Mahlwerk der staatlicher Reglementierung würden wir fortan meiden.
Ich könnte mein Rheuma pflegen, im Bistro des Lädchens Kaffeespezialitäten und Portweine kredenzen und mich in die gemeinnützige Arbeit stürzen.
Finanziert würde das Ganze von meinem/meiner (noch zu findenden) vermögenden Gatten/Gattin, die/der die Verluste des Ladens steuerlich absetzten könnte.

Wer weiß?

Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen.
Hermann Hesse

 

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Luftblase Fachkonzept

Wenn es um die  Eingliederung junger Menschen mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt geht, ist die Bundesagentur für Arbeit das erste Nadelör, durch das man sich durchzwängen muss um an eine Berufsausbildung zu kommen.

Die Reha-Berater*innen haben keine Ahnung über die verschiedenen Behinderungen. Dafür sind sie auch nicht da. Das macht der medizinische Dienst. Der zwar seinen Senf dazu geben (oftmals gar nicht so schlecht), aber keine Entscheidungen treffen darf.
Die Reha-Berater*innen passen auf das Geld der BA auf.
Das machen sie gut.
Sie kennen vor allem das Fachkonzept Berufsvorbereitende Maßnahmen.
Damit wird ein Rahmen für die Durchführung einer Maßnahme für die Teilnehmer*innen und die Träger der Maßnahme vorgegeben. Darauf beziehen sich  BA und  Träger gleichermaßen.
Und da es ein Fachkonzept ist, hat man sich ja wohl was dabei gedacht, als man es entwickelt hat.
Waren da Experten*innen am Werk?

Teilhabe auf Probe

Nur selten folgt einem Schulabschluss direkt eine Ausbildung in einem Berufsbildungswerk, nur um mal einen der größten Anbieter zu nennen.
Damit keine Gelder verschleudert werden, muss der junge Mensch erst einmal beweisen, dass er eine von der BA gesponserte Maßnahme durchhalten kann.
Aber das kann die BA nicht so deutlich sagen und so werden Antragsteller*innen schnell zu jemandem gemacht, der/die  sich erst einmal beruflich orientieren muss.
Das ist nicht besonders schwer.
Dazu könnte  man nahezu alle Schulabgänger*innen machen … wer ist sich in diesem Alter schon wirklich sicher, was er/sie über viele Jahre arbeiten möchte. So sagte  mir neulich eine junge Frau, sie schwanke zwischen einem Psychologie Studium und Flugzeugbau. Bei mir war das auch nicht so anders…nur dass ich mir noch mehr Berufe für mich vorstellen konnte.

Wer nicht auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben angewiesen ist, probiert sich einfach aus. Und wechselt, wenn er/sie völlig daneben liegt.
Menschen mit Behinderung mutet man eine 11monatige Berufsorientierung zu, selbst wenn eine berufliche Orientierung vorhanden ist.
Wie anders als Probezeit soll man das nennen?
Im allgemeinen Arbeitsrecht wäre eine so lange Probezeit übrigens unzulässig.

Die BA nennt es deshalb lieber Berufsvorbereitende Maßnahme.

Für alle gleich

Selbstverständlich ist das alles gut durchdacht.
Das Fachkonzept Berufsvorbereitende Maßnahmen bestimmt genau, wie diese 11 Monate zu gestalten sind. Es beginnt mit der Eignungsanalyse, es gibt eine Grund-und Förderstufe,  eine Übergangsqualifizierung und noch einiges mehr.
Vorausgesetzt, dieses Konzept passt auf den jungen Menschen, weil er noch nicht reif genug für eine Ausbildung ist, weil er wirklich noch keinen Plan hat, was er werden will oder weil er nicht einschätzen kann, welchen Beruf er mit seiner Einschränkung machen kann – kurz: wenn er sich noch in vielen Berufsfeldern ausprobieren muss, dann mag das Konzept nicht schlecht sein. Wenn es denn mehr als beschriebenen Papier ist.

Und: wenn die Art der Behinderung dem Konzept nicht zuwider läuft.
Was aber, wenn nicht?

Heute hier, morgen da….

Das Konzept sieht in erster Linie praktische Erprobung in verschieden Berufsfeldern vor.
Ein Praktikum nach dem anderen.
Häufig ist das aber gar nicht gewünscht oder möglich. Wer im Autismus Spektrum ist, hat genau damit Probleme: ständiger Wechsel des Arbeitsortes, ständig neue Kolleg*innen, immer wieder die für Dritte meist unsichtbaren Barrieren neu erklären.

Wir  erleben leider zur Zeit, dass die Berufsvorbereitung eine ziemlich unstrukturierte Sache ist. Das bbw hat keine betrieblichen Partner, in die zuverlässig ins Praktikum vermittelt werden kann. Die Teilnehmer*innen verbringen  einen erheblichen Teil ihrer  dortigen Anwesenheitszeit auf berufenet.de der Arbeitsagentur, suchen dann Betriebe für Praktika, schreiben Bewerbungen. Das war´s.

Praktikumsstellen werden häufig nur mit Hilfe der Eltern gefunden.
Die Teilnehmer*innen sind eine extrem heterogene Gruppe was das Alter, Vorbildung, Behinderung angeht. Das macht es schwer, eine stabile Gruppe zu werden.

Da kommt dann schon die Frage auf, wozu das Ganze gut sein soll.

Probleme mit dem Fachkonzept Berufsvorbereitung der BA für Menschen aus dem autistischen Spektrum

Für Autisten*innen ist z.B. besonders wichtig:

  1. stabile Rahmenbedingungen:
    kontinuierliche Ansprechpartner*innen
    feste Gruppen
    vorhersehbare Ausbildungsabschnitte
    verlässliche Stundenpläne
    planbare Arbeitsabläufe
    konkrete Aufgabenstellung
    konkrete Rückmeldung.Häufig wechselnde Gruppenzusammensetzungen irritieren und binden Energie, die für die Arbeit fehlt.
    Konstante Arbeitsumgebung. Autist*innen brauchen mehr Zeit, um sich an fremde Orte und Personen zu gewöhnen.
  2. Die Behinderung ist zum Teil unsichtbar:
    oft erscheint es, als könnten Autisten*innen sich relativ sicher in sozialen Zusammenhängen bewegen. Niemand sieht, welche Anstrengung es jedoch bedeuten kann, sich in einer Gruppe zu bewegen, wenn man die nonverbale Kommunikation und unausgesprochene soziale Regeln nicht klar erkennen kann. Dies trifft besonders auf autistische Mädchen und Frauen zu, die oft sozial unauffälliger als männliche Autisten sind.
  3. Orientierung an autistischen Stärken:
    Viele Autisten*innen haben Kenntnisse und Fähigkeiten, die sich nicht im regulären Lehrplan des Schulunterrichts wieder spiegeln. Ihre Schulnoten erfassen diese dementsprechend nicht. Es ist sinnvoll, an den Spezialinteressen und Fähigkeiten anzuknüpfen, viele Autist*innen können selbst gut ihre Interessen beschreiben und auch Eltern können meist gute Hinweise geben.
  4. Berücksichtigung der erhöhten Stressanfälligkeit auf sensorische Reize durch:
    räumlich abgetrennten Arbeitsplatz
    Rückzugmöglichkeit Tragen von Geräuschschutz
    Arbeit in kleinen Gruppen
    Kein Zwang zu Gruppenaktivitäten wie Feiern etc.
    Klare Gruppenregeln bei Diskussionen

Was tun?

Natürlich gibt es keine Zahlen in unserer Stadt darüber, ob und wie viele  Teilnehmer*innen aus dem autistischen Spektrum erfolgreich und mit Perspektive einer Ausbildung und Job (auch) auf dem ersten Arbeitsmarkt diese Maßnahmen durchlaufen.
Unser Eindruck: eher weniger.
Die Arbeitsmarktsituation von Autist*innen ist sehr schlecht.
Noch immer arbeitet die Mehrheit  in einer WfBM oder ist ohne jede Erwerbsarbeit. hier

Der finanzielle Kuchen ist schon längst zwischen den Trägern der Teilhabe -Maßnahmen verteilt. Die Träger orientieren sich an der klassischen Aufteilung von körperlich, geistig oder psychisch behindert .
Eigentlich leben alle gut damit: die Träger, die BA – nur die Betroffenen und ihre Familien nicht.
Denn wo bitte passen da die Autist*innen rein?

Eure Unterstützung

Autismus-Initiativen vor Ort haben sich zusammen getan, um zunächst eine Datenlage herzustellen und dann mit entsprechenden Forderungen an die Politik und BA heran zu treten.

Wenn ihr selbst oder eure autistischen Kinder Erfahrungen mit einer bvb gemacht habt, interessiert uns, wie es euch damit ergangen ist. Was war für euch wichtig? Was hättet ihr gebraucht? Wie seid ihr mit Problemen umgegangen und vor allem: hat es beruflich etwas gebracht?

Unser Fragebogen ist lokal begrenzt. Aber jede Anregung ist hilfreich, wir werden auch viele Gespräche führen müssen.

Wir wissen, dass wir ein dickes Brett bohren wollen. Ihr könnt uns dabei helfen.
Danke.

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