What a year!

Vor 2 Wochen ist es geschehen: ich bin nur noch einen Jahresschritt von der Senioren-Bahncard entfernt. Ich dachte immer, je älter, desto weniger ereignisreich das Leben, desto ruhiger. Für mich selbst trifft das – verglichen mit meiner Sturm -und Drangzeit – ein wenig zu. Mit meinem erwachsenen Fohlen bei Fuß (RW) werde ich aber unweigerlich immer wieder in die Stürme der Jugend hineingezogen. Und die sind nicht zu knapp für eine junge Autistin.

Jahr des Wassers

Unser Jahr begann mit einem Wasserschaden im Januar und endet mit einem weiteren am Heiligen Abend. Nervig, aber eine der kleineren Widrigkeiten.
Mann des Jahres ist unangefochten deshalb unser Klempner.

Jahr der Unbeweglichkeit

Rheumi ist wirklich eine fiese Ratte. Es hat viel Kraft gekostet, ihr ein wenig Benimm beizubringen und ich muss immer am Ball bleiben, damit sie nicht wieder über die Stränge schlägt. Immerhin ist ihre Tarnung aufgeflogen. Ein ganzes Jahr hatte sie die Ärzte verarscht, ehe sie gefunden wurde. Nun, sie bleibt, aber sie muss sich fügen. Ich kann ja nicht wegen ihr nur noch zu Hause herumsitzen.
Meine medizinische Helferin des  Jahres ist ganz klar die Pharmaindustrie. Und die Ernährungsdocs aus der Glotze, aber die erst an zweiter Stelle.

Jahr des Mutes

Nach einer sehr belastenden Zeit in einer komplett unpassenden Maßnahme der Bundesagentur für Arbeit, dem Abbruch derselben, großer Verzweiflung und Ratlosigkeit hat Twen (!) es geschafft, sich auf eine weitere Maßnahme einzulassen. Mit all den Erfahrungen, die sie leider schon machen musste, geht sie nun sehr zielgerichtet dort hinein und lässt sich nicht in die für Behinderte so gern vorgesehenen Bereiche
“ Küche, Lager, Gartenbau“ abschieben. Diese entsprechen so gar nicht ihren Interessen und Fähigkeiten. Das macht sie zur unbequemen Klientin, fordert es doch von den sogenannten Experten, dass sie von ihrer geliebten Routine abweichen müssen. Stellt, euch vor, Twen erwartet doch wirklich, dass die nicht nur behaupten, sie hätten „Autismus-Kompetenz“ ( arghhhh…wenn ich dieses Wort schon höre !) sondern fordert ein, dass die sich wirklich diesbezüglich (fort)bilden.
Da lacht das Mama-Herz.

Noch immer verfolgt sie Ziele, die sie von Amts wegen gar nicht haben dürfte: einen weiteren Schulabschluss, doch noch eine Ausbildung machen …. und in der Zwischenzeit das Lernen nicht aufhören. Wenn nicht institutionell begleitet, dann eben autodidaktisch zu Hause. Wenn´s nicht ganz allein geht: frag Mutti 😉

Noch ist unklar, ob sie diese Maßnahme fortführen wird. Mehr als ein Taschengeld bekommt sie dafür sowieso nicht.

Als junger Mensch einer als Expertin gehandelten Therapeutin zu sagen, dass sie keine Ahnung von Autismus hat, wenn sie denkt, man könne sich diesen durch Verhaltenstraining „abgewöhnen“  , ist sicher nicht einfach. Und dann die entsprechende Konsequenz zu ziehen, Adieu zu sagen, sich eine Therapeutin zu suchen , die sie in ihrem So-Sein unterstützt und die Mühsal des Neubeginns auf sich zu nehmen, auch nicht. Twen hat das gepackt.  Chapeau.

Twen, eindeutig meine Heldin des Jahres.

Jahr der Einkehr

Durch Rheumi zum Stillstand gezwungen hatte ich hinreichend Gelegenheit, mich mit Dingen auseinanderzusetzen, die im Alltags-Wirbel regelmäßig untergehen.
Meine intensiven Studien über Kriegskinder, Nachkriegskinder und Kriegsenkel, waren mehr als heilsam für meine Seele.
Rheumi war es auch, die mir klar machte, dass ich nicht für alle Zukunft wie eine Duracell durch das Leben rauschen werde und deshalb gut daran tue, Alternativen zu der jetzigen Wohn-und Lebenssituation zu suchen. Dazu muss ich erst mal wissen was ich will und was ich mir leisten kann. Die Lösung muss jedoch kompatibel mit Twen sein. Denn es ist nun einmal so: nur ein Weg, der uns beiden gerecht wird, führt zur angestrebten Entlastung.

Absolut cooler Bewegungsausgleich: die Geschichte der Philosophie, mehrbändig, hintereinander weg gelesen. Für eine Halbgebildete wie mich ein ungeheurer Luxus. Wann hatte ich dafür schon mal Zeit?

Themen des Jahres waren deshalb transgenerationale Kriegstraumata, Wohnen 60plus, Teilhabe und Selbstfürsorge.

Jahr des Engagements

Humpelnd auf die Demo oder im sportiven Business-Dress zur Fortbildung für Beschäftigte der Berufsbildungswerke – in diesem Jahr haben wir so einiges bewegt.
Neue Handlungsfelder haben sich ergeben.
Mein Dank des Jahres geht an meine Mitstreiterinnen, die sich situationsangepasst auf mein reduziertes körperliches Tempo oder mein Turbohirn eingestellt haben und so Gemeinsamkeit ermöglicht haben.

Jahr der Bürokratie

Ich erspare euch die Aufzählung aller Ämter, Behörden und Beratungsstellen, mit denen ich Kontakt hatte. Die Anzahl der Anträge, Widersprüche, Anhörungen usw. weiß ich selbst nicht mehr.
Quasi ein Zweitjob, der meinem Erstjob zum Glück fachlich entspricht. Hätte Rheumi mich nicht vor dem Erstjob bewahrt, wäre garantiert das Gefühl von “ nie Feierabend haben“ aufgekommen. So war es nur das Gefühl von „nicht krank geschrieben sein“.
Ist das gut oder schlecht?

Zur Rechtsberaterin- und Vertreterin des Jahres küre ich mich deshalb selbst.

Jahr der digitalen Technik

Bei eingeschränkter Mobilität zeigt sich erst, welche Unterstützung man von digitalen Geräten haben kann. Ich habe die Technik nicht nur vielfältig genutzt, sondern auch viel dazu gelernt.
Die bei uns nicht religiös geprägten Weihnachtstage verbrachte ich nun mit diverser Installationssoftware und neuen Programmen. Murphys Gesetz schlug leider auch wieder zu und es mussten Neuanschaffungen getätigt werden, die das Budget belasten, es mir aber wert sind.

Online-Dienste, social Media, Apps, Rechner und mobile Geräte – meine Hilfsmittel des Jahres.

Jahr der Qualität

In Krisenzeiten zeigt sich, wer Freund ist und wer nicht.
Ich habe entsprechende Konsequenzen – auch schmerzliche – gezogen.
Beziehungsmäßig habe ich „gelindnert“: lieber keine Beziehung als eine, die über meine Kraft geht, mag der Gefährte auch noch so liebenswert sein.
Einige alte Freunde habe ich verloren, ehemalige tauchten wieder auf und es bahnen sich neue Verbindungen zaghaft an. 

Viel Lob und Dank gebührt meiner  besten Freundin und ihrer Familie.
Großes Dankeschön auch an die beste und liebste  Nichte aller Zeiten.
Nicht zu vergessen der hilfsbereite Lieblingsnachbar, mit dem sich eine wechselseitige  Alltags-Katastrophen- Rettung etabliert hat.

Erkenntnis des Jahres: ich muss nicht funktionieren, um geliebt/gemocht  zu werden.

Jahr der Musik

Wenig  Konserve, dafür mehr live und das u.a. mehrmals im örtlichen Skandalpalast.
Das Cello hat pausiert, was auf Rheumi´s  Rechnung geht. Zuweilen wankelmütig, war ich mehrmals davor, mein Engagement im Chor aufzugeben. Diese ganztägigen Proben und langen Auftritte sind doch sehr strapaziös. Nun bin ich immer noch dabei und wie immer mit dem Einstudieren der Texte vor dem nächsten Konzert unter Zeitdruck.

Damit wird die Musik zum Beständigkeitsfaktor des Jahres.

Jahr der vakanten Titel

Leider nicht vergeben werden konnten:

  • Steuerberater der Jahres
  • Haushaltshilfe des Jahres
  • Sachbearbeiter des Jahres
  • Wunder des Jahres

Fuck 2017

Die Bilanz ist leider eher negativ.
Vielleicht gehen einige Saatkörner, die wir dieses Jahr gestreut haben, im kommenden Jahr auf (RW). Das wünschen wir uns. Und das Ausbleiben von kleinen und großen Katastrophen.

Das wünsche ich auch euch, liebe Leser und Leserinnen. 

An dieser Stelle ein Willkommen an alle Leser und Leserinnen, die mir dieses Jahr neu beschert hat und ein Dankeschön an alle, die mich schon lange lesend und kommentierend  begleiten. 

Kommt gut rein ins Neue Jahr, 

Eure LW

 

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Teilhabe, die x-te

Seitdem ich für mich beschlossen habe, dass ich mich mit meinem nun in mehr als 2 Jahrzehnten (bewusst)   angesammeltem  Wissen über Neurodiversität nicht in mein stilles Kämmerlein zurückziehen werde ( wonach mir manchmal ist),  sondern auch weiterhin für Inklusion, Teilhabe und ein selbst bestimmtes Leben für alle Menschen aktiv sein möchte, besuche ich wieder öfter  Veranstaltungen zum Thema. Manchmal sind es Fachveranstaltungen, manchmal kulturelle Anlässe.

Schöne Konzepte

Im Rahmen der örtlich gerade stattgefundenen Inklusionswoche wählte ich zunächst die Veranstaltung einer gewerkschaftsnahen Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Betriebe darin zu unterstützen, schwerbehinderte Menschen weiter oder erstmals zu beschäftigen. Konkret ging es um den Einstieg in das Erwerbsleben nach der Schule. Ziel der Veranstaltung war, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie Inklusion auch in der Arbeitswelt umgesetzt werden kann. Es wurde ein Pilotprojekt der Berufsorientierung vorgestellt, dann erklärte die Bundesagentur für Arbeit, welche Maßnahmen und Fördermöglichkeiten es gibt.
Im Publikum: interessierte Profis von Maßnahme -Trägern, Berufsschule, Handwerkskammer, Betriebsräten, Schwerbehindertenvertretungen usw.
Ach ja, es gibt wirklich tolle Konzepte. Wie kommt es nur, dass bei den Betroffenen so wenig davon ankommt?
Wer absoluter Neuling auf diesem Gebiet war, hat sicherlich etwas  gelernt. Für alle anderen lag der Nutzen der Veranstaltung wohl eher in der Möglichkeit der Vernetzung. Ist ja schon mal was.

Im Pausengespräch merkbar: fast alle Teilnehmer, die sich hier engagierten, sind durch eigene Betroffenheit oder durch betroffene Familienangehörige zum Thema – auch der beruflichen Vertiefung damit- gekommen. So viel zur Verantwortung ALLER.

Knapp vorbei ist auch daneben

Um Armut und  Behinderung sollte es bei einer weiteren Veranstaltung, zu der eine Bürgerschaftsfraktion eingeladen hatte, gehen. Das Setting: die klassische Podiumsdiskussion. Immerhin waren hier 2 Vertreter von Schwerbehindertenverbänden geladen, ansonsten sich selbst als inklusive Einrichtungen verstehende Träger ( Integrationsfachdienst und Integrationsfirma) sowie ein Sozialverband, der Menschen unterstützt, deren Arbeitsfähigkeit unterhalb der für eine Werkstatt geforderten 3 Stunden täglich liegt. Um es vorweg zu nehmen: Der Vertreter dieser Gruppe war der einzige Podiumsteilnehmer,  der Selbstbestimmung und Würde unabhängig von individueller Leistungsfähigkeit einforderte. Wobei auch ihm klar war, wie utopisch sich so eine Forderung in unserer exklusiven Leistungsgesellschaft – ja, davon redete er- anhört

Zwar wurde in der Einführung zum Thema geschildert, dass Behinderung fast schon ein Garant für Armut ist bzw. zumindest meist die Gefährdung von Armut mit sich bringt. Aber auch dann wieder: Berichte über schöne Konzepte und Möglichkeiten. Kritisch zum Glück die Vertreter der Behindertenverbände, wenngleich sie überwiegend darstellten, dass der Behördendschungel eine der größten Barriere für Teilhabe darstellt und ansonsten die Besonderheiten ihrer jeweiligen Bedarfe schilderten ( Sehen und Hören ).

Auch auticon war mit einem Kurzbeitrag zugegen.

Das Publikum: Interessierte, Eltern, Werkstatt-Beschäftigte. Leider gab es immer nur wenig Zeit für den Austausch. Beschäftigte aus den WfbM kritisierten zu Recht, dass es dort noch nicht einmal den Mindestlohn gibt.

Die Moderation ( oder war es das Konzept?) ließ zu wünschen übrig, denn nach jeder Wortmeldung kam die penetrante Rückfrage, an welchen Podiumsteilnehmer sich die Frage denn richte – auch wenn es gar keine Frage war. Was ich kritisierte, denn ich hatte nicht nur Fragen, sondern Ideen, was denn unsere Landesregierung mal anfassen könne ( ich glaube, die Kernpunkte kann ich schon im Schlaf aufsagen, gebetsmühlenartig…..).

Peinlich: das Thema Armut kam fast gar nicht mehr vor in der Diskussion, falls man den Austausch überhaupt so nennen darf. Ich habe das Unwort trotzdem mehrmals genannt. Denn selbst, wenn ein Behinderter einen Job auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt findet, ist das oft ein Job, der im Niedriglohnsektor angesiedelt ist. Muss er dann vllt. Teilzeit arbeiten, muss er aufstocken. Wer in einer WfbM arbeitet, ist sowieso arm.

Kunst und Kultur

Ein Inklusionsfest sollte es sein. Zumindest gab es Kunst zu betrachten, entstanden von und mit Menschen mit Handicap: Malerei, Theater, Musik.
Bestimmt waren die Beiträge gut. Sicher hätte mir einiges Spaß gemacht.
Ausnahmsweise fehlten mir die Menschen ohne Behinderung. Ist ja sonst anders rum.

Die inklusive Welt war exklusiv für sich.
Ich hab es nicht ausgehalten, dort.

 

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Never walk alone

Es  ist ein seltsames Gefühl für mich, am 1.Tag des Wonnemonats Mai um diese Zeit noch nicht unterwegs zu sein ( …blöde Gelenke). Geboten wird bestes Demo-Wetter. Zugegeben, in den letzten Jahren war da nicht mehr so viel los, es sei denn, es gab Veranstaltungen der autonomen Szene, was ja in meiner Stadt oft der Fall ist. Ach ja, und die Nazis, die waren auch öfter unterwegs und  wir hatten sogar 1 Mal Kirchentags-Mai-Demo-Durcheinander. Dieses  Mal bin ich nicht besonders informiert. Das Motto, die Route und all das.

1.5.1975
Bei Kundgebungen und Demonstrationen zum Tag der Arbeit stehen in der Bundesrepublik Deutschland die Sorge um die Arbeitsplätze, die Mitbestimmung und die innere Sicherheit im Vordergrund.

In dem Jahr mischte ich mich zum ersten Mal unter den Teil der arbeitenden Bevölkerung, der Forderungen hatte und diese auf die Straße brachte. Damals fühle ich mich noch fremd unter all den Menschen und  gleichzeitig fühlte es sich richtig an. So richtig richtig. Außer meiner älteren Schwester ging da keiner meiner Familie  hin. Aber die lebte ja auch in einer Kommune und war andauernd auf Demos. Später waren auch meine jüngeren Geschwister mit von der Partie. Meine Eltern betrachteten das mit gemischten Gefühlen: politische Aktivität war ihnen suspekt. Wie kam es nur, dass alle ihre Kinder das so ganz anders sahen? An dieser Stelle: ein Dankeschön an  die 68´er .

Simple

Gut war: ich konnte da einfach hingehen. Musste mich vorher nicht mit irgendwem vernetzen, keiner Gruppe angehören und  obwohl ich noch nicht allzu viel von Politik und Wirtschaft verstand, war ich bis auf das Ding mit der inneren Sicherheit ( für jüngere: es ging auf den heißen Herbst zu und die RAF wurde vorgeschoben, um Gesetze für alle zu verschärfen). Arbeitsplätze und Mitbestimmung waren ok.

So naiv wie ich damals denkt heute wohl kein junger Mensch mehr. Für mich war klar: ich würde in Zukunft zu denen gehören, die vom Verkauf ihrer Arbeitskraft leben müssten. Also musste ich Gewerkschaftsmitglied werden, auch wenn ich nicht alles gut ( nicht weitgehend genug) fand, was die vertrat. Das Kapital war schließlich auch organisiert. Über sowas diskutierten wir uns die Köpfe heiß.
Ich war weit davon entfernt, alle „Leistungen“ der Gewerkschaft mit individuellen Vorteilen aufzurechnen.  Mir ging das damals wirklich um ein sich verbünden.

Diese Verbindung dauert noch an, mal mit mehr und mal mit weniger Bauchschmerzen.
Es ist offensichtlich, dass die heutigen Mai-Demos/Kundgebungen ein Auslaufmodell sind. Und das nicht erst seit heute.

Was kommt wenn dies geht?

Mit wem verbünden sich die Menschen, die in Zukunft ihre Arbeitskraft verkaufen ?
Von zu Hause aus, als Freelancer*innen, moderne Tagelöhner*innen, Zeitarbeiter*innen….anderweitig prekär beschäftigt?
Die Zukunft der Arbeit sieht wohl eher so aus, dass vor Ort in den Fabriken und Unternehmen immer weniger Menschen gebraucht und anwesend sein müssen. Gleichzeitig wird die heilige Kuh Arbeitszeitsenkung ( mit Lohnausgleich) nicht von den Gewerkschaften und erst Recht nicht vom Kapital  angefasst. Die Frage, wie und wovon all die Menschen leben sollen, die nicht zu den wenigen gehören werden, die ein regelmäßiges Einkommen haben ( auch über Jahre, nicht nur einige Monate) steht im Raum.

Welche Hürden?

Wie niedrigschwellig sind heutige Formen des Zusammenschlusses?  Können auch Menschen mit wenig Bildung daran teilnehmen? Die, die kein Geld für digitales Equipment haben? Wie verbindlich sind diese Zusammenschlüsse? Taugen sie dazu, Sicherheit in der Gegenwehr zu vermitteln? Welche Rituale, auf die sich Gleichgesinnte beziehen können, entwickeln sie? Sind sie geeignet, stabilisierende Tradition zu werden?
Wer kann mitmachen und wer wird abgehängt?

Mein Ü50-Gehirn lässt sich durchaus auf die Nutzung der sozialen Medien ein, beruflich und privat bin ich in so einigen digitalen Netzwerken unterwegs. Das ist praktisch und ich möchte es nicht mehr missen. Je nach Intensität der  Nutzung des Netzwerkes entwickeln sich auch Beziehungen zu anderen Teilnehmer*innen.

Aber für mich fehlt da dennoch was.
Menschen zum anfassen.
Die, mit denen ich mich im Zweifel unterhake, wenn alleine gehen zu mühselig oder riskant wird.

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VIP

Meine Güte, bin ich aufgeregt ! Heute darf ich vielleicht mit dem Teamleiter der für uns zuständigen Reha-Fachabteilung der Bundesagentur für Arbeit ( BA ) reden….*zappel, freu, herzklopf*

Ihr fragt euch, was daran so Besonderes ist?
Also, dieser Mensch redet nicht mit jedem. Man kann ihn auch nicht einfach anrufen. Auch seine Mitarbeiter_innen nicht, von denen ich immerhin den Namen weiß – seinen nicht.
Ich kann den Mitarbeiter_innen mails schicken, die vermutlich in der virtuellen Ablage P landen und ’niemals nicht‘ beantwortet werden.Wenn ich dann ganz genervt bin kann ich bei der Hotline mit der Nr. 0800 xxxx anrufen:
…nein, ich habe keine Fragen zu ALG II, möchte auch nicht online mein Anliegen in FAQ’s nachschlagen….ich gebe brav die 8 ein, höre etwas Musik und dann habe ich einen echten Menschen an der Strippe.

Fühl dich verstanden…

Die Mitarbeiterin von letztem Freitag war sehr nett und kompetent. Sie konnte mir schnell, freundlich und konkret sagen, dass bis jetzt niemand , weder die Reha- Beraterin noch der ärztliche Dienst irgend etwas bearbeitet haben. Ja, alle Unterlegen seien eingegangen und ganz zu Anfang ( Ende letzten Jahres) hätte  ich ja auch schon mal eine mail mit allgemeinen Erläuterungen bekommen – die hätte ich doch, oder?
Während ich noch darüber sinniere, ob diese freundliche Stimme zu einer ausgebildeten Verwaltungsfachkraft oder eher zu einer guten Call Center Agent, die professionell zur Zufriedenheit jeglicher Kunden Auskünfte über Dienstleistungen welcher Art auch immer geben kann, solange sie einen Rechner mit einer vernünftigen kundenorientierten Anwendung und ein funktionierendes Headset hat, bestätige ich den Eingang dieser mail und gleichfalls die Kenntnisnahme deren Inhalts nebst inhaltlicher Durchdringung.
Einen Wunsch frei
Agent Gute-Fee offeriert mir, meinen Rückrufwunsch entgegen zu nehmen.
Das bedeute, dass sich binnen 48 h die zuständige Sachbearbeiterin bei mir melden müsse.
Deadline Dienstag 13 h.
Wenn bis dahin kein Anruf erfolgt sei, solle ich mich noch mal bei der Hotline melden. Aber das könne eigentlich gar nicht passieren.
Ich gebe mich handzahm, stimme zu, übe mich in radikaler Akzeptanz und trage fortan mein Handy rund um die Uhr bei mir.
Diese Chance will ich nicht verpassen.
Hinterhältig I
Nun bin ich ja ein eher ungeduldiger Geist und so habe ich hinter dem Rücken der zur Rückrufwunscherfüllung bereiten zuständigen Sachbearbeiterin des Reha-Fachdienstes schon mal mit dem bbw klargemacht, dass Teenie noch in diesem Frühjahr dort eine Arbeitserprobung machen kann und es bei Eignung im Herbst mit der Ausbildung los geht.
Das ist gemein, denn die BA möchte ja nicht so viel Geld ausgeben und denkt eher an eine Berufsorientierungs- Warteschleifen-Nummer zur Bereinigung der Abeitslosenstatistik mit Spekulation auf anschließenden wundersamen Wegfall der anspruchsbegründenden  Einschränkung bei Teenie nach Ablauf dieses Demotivierungs-Trainings.
Selbstverständlich geht eine entsprechende Info-mail mit konkerter Berufsplanung nebst zeitnaher mail- Kontaktaufforderung an die BA raus ( Ablage P? ) und ich kann es mir nicht verkneifen, auf die Existenz des Rechtswegs hinzuweisen.
Pervers?
Vor gefühlten 100 Jahren gehörte ich noch zu den Fliegenbeinzähler_innen, den Menschen, die systematisch anderen das Wort im Mund umdrehen und sich in der Kunst der Subsumtion aalen.
Besonderes Highlight dieser Daseinsform war das Lesen von Bleiwüsten in Fachzeitschriften und Kommentierungen zu den abstrusesten Gesetzen.
Damit habe ich heute nicht mehr soviel zu tun.
Aber wenn‘ s der Sache dient bin ich noch immer in der Lage, mich Ruck-Zuck in eine Rechtsmaterie einzulesen und so ein sexy 2 kg-Schinken voller Paragrafen zieht mich dann schnell in seinen Bann.
Das Inhalieren der Rechtsprechung und weiterer Infos braucht heute noch nicht einmal den lästigen Gang in die juristische Präsenz-Pauk-Anstalt.
Juristerei vom Feinsten ohne Streber-Kontaminierung.
So liebe ich das.
Sozialgesetzbuch IX
Im SGB IX stehen wirklich tolle Sachen.
Danach haben behinderte Menschen viele Ansprüche auf Unterstützung zur Teilhabe. Behinderung ist im Gesetz wie folgt definiert und betrifft nicht nur die Schwerbehinderung ab GdB 50.

§ 2 SGB IX Behinderung

(1) Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(2)….
(3)…
§ 33 SGB IX Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
(1) Zur Teilhabe am Arbeitsleben werden die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern.
(2)….
(3) Die Leistungen umfassen insbesondere
…..
4. berufliche Ausbildung, auch soweit die Leistungen in einem zeitlich nicht überwiegenden Abschnitt schulisch durchgeführt werden
…… Usw. , ihr könnt das hier nachlesen.
Sexy und jugendfrei
Sexy und jugendfrei

Frist verstrichen

In der Zwischenzeit tritt der wirklich sehr unwahrscheinliche Fall ein, dass mein Rückrufwunsch  nicht berücksichtigt wird. Das hatte Agent Gute-Fee aber anders gesagt.
Also wieder ran an die Hotline: nein, ich habe keine Fragen zu ALG II, möchte auch nicht mein Anliegen in FAQ’s nachschlagen….gebe brav die 8 für Sonstiges ein, höre etwas Musik und wieder werde ich mit einem echten Menschen an anderen Ende der Strippe belohnt, diesmal männlich.
Auch dieser Agent ist sehr freundlich und versiert in der Benutzung der Anwendung zur Beratung von Kunden.  Vermutlich sowas wie eine Fachkraft für die  “ Beratung Stufe 2 – Kunden mit unerfülltem Rückrufwunsch „. Ich hoffe, er bekommt eine Gehaltszulage dafür. Die hat er verdient, denn er navigiert souverän im workflow der Beratungsanwendung ….schnell checkt Agent  Hinhalter,  dass es einen Plausch mit Agent Gute-Fee gab, diese alles richtig gemacht hat und es  keinen Rückrufversuch durch den Reha-Fachdienst gab. Wird nämlich immer alles dokumentiert. Tolles System. Da weiß man immer ganz genau, welche Arbeit (nicht) gemacht wurde.
Ein wenig zuckt mein Gewerkschaftergewissen auf: Verhaltens- und Leistungskontrolle im digitalen Zeitalter….aber Mitleid mit den geknechteten Mitarbeiter_innen der BA ist gerade fehl am Platz. Agent Hinhalter offeriert mir nun ein zweites Mal die Entgegennahme eines Rückrufwunsches binnen 48 h.
‚ Nee, das hatte ich doch schon und was passiert denn, wenn dem wieder nicht nachgekommen wird? ‚  so mein Einwand.
‚Dann können sie mit dem Teamleiter sprechen‘,  freundlich Agent Hinhalter.
Und ich darauf:  ‚ach, das mach ich lieber gleich, stellen Sie mich bitte durch.‘
Aber so einfach geht das nicht. Das darf Agent Hinhalter gar nicht. Aktiv darf er nur Rückrufwünsche entgegen nehmen. Sonst nix. Nun kommt das Mitleid doch hoch….
Nun geht es eine Weile hin und her und zähneknirschend, aber noch immer ruhig stimme ich dem Quatsch zu.
Deadline : heute mittag 14 h.

Hinterhältig II

An den Weihnachtsmann glaube ich schon lange nicht mehr und wieder einmal raunt mir meine Oma aus dem Off das Motto ihres Lebens zu: hilf dir selbst, dann hilft dir Gott….
Ja ja, ich mach ja schon.
Bislang hatte die BA durch Verweigerung eines Beratungstermins, bei dem  der Reha-Antrag normalerweise  gestellt wird, die formelle Antragstellung vereitelt. Die nehmen dafür ja immer gerne ihre Vordrucke.
Ich fühle mich aber völlig frei in der Wahl des Layouts des Antrages.
Der Inhalt ist klar und geht noch heute raus. Mit der Rechtsfolge, dass nun in der BA Fristen beginnen.
Vielleicht auch für den Teamleiter.

Countdown

Nun ist  es nur noch 1/2 Stunde bis zum großen Moment. 
Dann darf ich den Teamleiter sprechen….ich sagte es schon. 
Falls der überhaupt da ist. 
Ob die Fallbearbeitungsgsanwendung auch Merkzeichen für schwierige Kunden vorsieht? 
Irgendwie schwant mir, dass Herr Teamleiter nicht halb so cool im Umgang mit der lästigen Kundschaft sein wird wie die netten Agents. 
Falls ich überhaupt zu ihm durchdringe. 
Könnte ja sein, dass auch dieses Versprechen 2 Mal wiederholt werden muss und ich noch eine_n Agent(i)n kennen lerne. 
Wie aufregend !

Von wegen Teilhabe

Ich habe hier des Öfteren über den Irrsinn, eine Diagnose als Voraussetzung für Hilfemaßnahmen für ADHSler, Autisten und andere Menschen, die kein reibungsloses Rädchen im kapitalistischen Getriebe sind, geblogt. hier , hier und hier 

Oft habe ich auch schon darüber geschrieben, dass wir mit viel Mühe, Verständnis, Kreativität und Forschergeist immer wieder Lösungen gefunden haben, die zumindest eine gewisse Lebensqualität ermöglichen und uns den Spaß am Leben grundsätzlich nicht verderben. Dazu hier und hier

Stimmen die Rahmenbedingungen, erleben wir immer wieder Zeiten, in denen alles einigermaßen reibungslos läuft. Vor allem von außen betrachtet. Diese Rahmenbedingungen sind aber meistens starr, wachsen nicht mit.
Beispiel gefällig?
Eine zunächst äußerst stärkende und motivierende Tätigkeit unterfordert auf lange Sicht, überfordert aber zugleich durch äußere Störfaktoren wie Instabilität des Gruppengefüges und damit Tagesablaufs/Arbeitsalltags.
Oder der nächste Entwicklungsschritt raus ins Erwachsenenleben war eine Nummer zu groß und es muss wieder einen Gang runter geschaltet werden.
Aber wohin?

Sollte eigentlich kein großes Problem sein.
Passgenaue Unterstützung kann helfen und weiter gehts.

Träum weiter, liebe LeidenschaftlichWidersynnig.

Nein, nun geht der ganze Spaß wieder von vorn los.
Grundsätzlich sieht sogar die Bundesanstalt für Arbeit ( BA ) , dass Unterstützungsbedarf besteht.
Selbstverständlich müssen dafür Diagnosen her, dazu habe ich mich hier schon ausgelassen.
Klar, der ärztliche Dienst der BA wird dann auch noch einmal bemüht, die Diagnose könnte ja unzutreffend sein.
Macht doch nichts, wenn ein junger Mensch, der sich gerade damit abfinden muss, es nicht allein zu schaffen, jetzt auch noch mal hier und da vorgeführt wird, inklusive Demonstration seiner Defizite in Großformat.
Macht doch nichts, wenn die Mutter, die versucht, trotzdem Mut zu machen obwohl sie darum ringt, den eigenen nicht zu verlieren, zum wiederholten Mal durch die Bürokratie turnen muss.
Macht auch nichts, dass das alles ewig dauert und in dieser Zeit ein junger und im Prinzip motivierter Mensch ohne sichtbare Perspektive gelassen wird.

Was kostet die Welt?

Teenie will flügge werden.
Will raus in die Welt.
Möchte dabei Unterstützung.
Ist bereit, die Kröte “ ich bin behindert“ zu schlucken.
Hauptsache, es geht endlich los.

Niemand der professionellen Unterstützer fragt: was ist deine Idee?
Was brauchst du dazu?

Statt dessen darf Teenie X mal schildern , was sie alles nicht kann, was alles Probleme macht, wird vorgeführt und durchleuchtet und die ganze Familie gleich mit.
Weil die Teilhabe möglichst wenig kosten soll.
Weil eine schlechte, kostengünstige Unterstützung wie Berufsorientierungs-Warteschleifen Alibi genug sind, den sogenannten Anspruch auf Teilhabe an der Arbeitswelt abzufrühstücken.

Denkste Puppe.
Widersynnig wäre nicht Leidenschaftlich wenn sie das hinnähme.
Und Teenie nicht mein Ableger, wenn sie da nicht eigene Vorstellungen zu hätte.

Zu gerne hätte ich weiter über unser Leben mit neurologischer Sonderformatierung geplaudert, ohne diese ständig zum Thema zu machen.
Weil sie NICHT unser Dauerthema ist.

Daraus wird wohl nichts.
Die nächste Runde ist eröffnet.

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Ich freue mich über Feedback und gute Ideen. Wie immer keine Registrierung nötig.

Diagnose: Gehindert

Wem es nicht vergönnt ist, 40 Wochen im schützenden Mutterleib heran zu reifen, muss sehen , wie er mit der kalten, reizüberfluteten Welt klar kommt. Einfach sterben ist nicht erlaubt.
Kämpfen vom ersten Atemzug an ist Programm.

Aus dem Gröbsten raus – sprich außer Lebensgefahr- könnte ja nun eine kleine Erholungspause angesagt sein.
Aber nein. Schnell aufgeholt werden soll nicht nur das Gewicht, sondern auch die sensorische und motorische Entwicklung.
Dafür zuständig ist meistens die Mutter.

Vergleichsmöglichkeiten gibt es viele: andere Kinder, diverse Tabellen in Büchern, Ratgeber, Internet.
An Beratern mangelt es nicht: Eltern, Geschwister, Freunde, Kollegen, Ärzte.
Allen gemein: sie haben keine Ahnung, wenn sie nicht auch ein ebensolches Kind begleitet haben. Nicht einmal die Ärzte.
Klappt es mit der Entwicklung nicht planmäßig, sind gleich diverse Erklärungen parat.

Die Charts:
Falsche Erziehung
Das Kind wird verwöhnt
Die Eltern übertragen Ängste und sonstwas
Falsche Ernährung

Oder
Das Kind hat nichts
Das wird schon
Das wächst sich aus

Bei weitem noch nicht alles.
Niemand traut den Eltern zu, ihr Kind zu kennen und ungefähr richtig einzuschätzen.

Kommt dazu noch Hochsensibilität ins Spiel, wie auch immer sie sich äußern mag, wird es spannend.
Das Kind soll diese verleugnen. Denn sonst ist es nicht NORMAL.
Die Eltern sollen sie verleugnen, und damit ihr Kind. Ist DAS normal?

Normal- ein Zustand der angestrebt werden muss.
Wer das sagt?
Keiner, aber es denken die meisten.
Im Rahmen der Norm. Wessen?

Was wünschen sich Eltern? Ein glückliches Kind? Haben sie in ihm den Schatz des Besonderen entdeckt, bieten sie vielleicht noch eine Weile dem mainstream paroli.

20130222-071147.jpgSpätestens im Laufe der Grundschulzeit der Wunsch: wir möchten es auch einmal einfach nur leicht haben.

Alle Versuche, Institutionen dazu zu bringen, das Kind einfach so (an) zu nehmen wie es ist und dennoch zu fördern, und zwar so, wie es dem Kind entspricht, scheitern.
Eine anerkannte Diagnose muss her.

Eine Odysee beginnt bzw. wird fortgesetzt.
Kinderarzt, Sozialpädiatrisches Zentrum, Psychotherapeut.
Ergotanten , Pädaudiologen und noch mehr – ogen und -euthen.

Statt Hilfe gibt es : das tiefe Bewusstsein, nicht richtig zu sein. Nicht zu passen.

Alle Versuche des Kindes, die Dinge in seiner Weise zu machen, werden kritisiert.

Wer über eine besondere Begabung, mit der gesellschaftlicher Erfolg verbunden ist verfügt, kann sich glücklich schätzen. Kauzig aber intelligent.
Wer eine Begabung hat, die keiner kennt, Synästhesie z.B. , kann sich glücklich schätzen, wenn er nicht für verrückt erklärt oder dumm gehalten wird.
Im ICD 10, 2008 noch als Krankheit (R20.8) aufgeführt. (1)
Nun ja, im künstlerischen Bereich ist das neuerdings chic. Immerhin.
Ist man einfach nur “ gewöhnlich Anders“ hat man Pech.
Summa summarum aber sind alle freaks und als solche werden sie auch behandelt.

Unpassend auch die Eltern, die ihr Kind nicht auf Spur gebracht haben. Oder die einfach nicht kapieren wollen : d b d d h k P ! (2)
Erst Recht wenn sie für ihr Kind trotzdem den Anspruch auf Bildung, Ausbildung und Selbstbestimmung postulieren.
Nicht individuelles Lernen ist angesagt, sondern es wird am Ziel abgespeckt. Geht ganz einfach.

Und nun kommt Inklusion . WOW.
In einer Welt, die es nicht nicht einmal Babys erlaubt, sich für den Aufrichtungsprozess individuell Zeit zu nehmen, sollen Schulen in kurzer Zeit komplett akzeptieren was vorher undenkbar war.
Kosten darf das alles nichts, das ist klar.
Ist hier nicht eher noch Sparpotential – fragt sich da der findige Politiker.
Auch hier wieder : ohne Diagnose geht gar nichts.
Nicht unbedingt einleuchtend, ist doch die Teilhabe aller das erklärte Ziel.
Wozu dann also das Ettikett?
Können wir leere Schubladen nicht ertragen?

Wer sich mit seinem Kind im Strudel der äußeren Anforderungen, eigenen Wahrnehmung und Einschätzung sowie den Wünschen und Bedürfnissen des Kindes befindet, sehnt sich aus gutem Grund nach einem Namen für das “ Anders sein „. Was keinen Namen hat n‘ existe pas.
Irgendwann die Frage: bin ich behindert? Was auch immer das sein mag.

Wer Hilfen vom Amt bekommen kann, kommt ohne anerkannte Diagnose nicht weit (es muss ja nicht die Richtige sein).
Wer einen Arbeitsplatz braucht, der speziell ausgestattet sein muss, auch nicht.
Das alles wäre kein Ding, wenn da nicht der negative Touch, die “ sei froh dass du mitspielen darfst“ – Haltung der Restwelt wäre.

Auch die schlimmste Schulzeit endet einmal.
Was dann?
Wer bisher mit seinem unsichtbaren “ Handicap “ durch gehalten hat, wird nun konfrontiert mit dem Höher, Weiter , Schneller des täglichen Broterwerbs.
„Alternative“ : Diagnose, SBH , 2. Arbeitsmarkt, Hartz IV.
Pest, Cholera, Pocken oder Aids.
Dann doch lieber Burn Out und Depressionen, immer wieder oder chronisch.

Lichtblick: immer mehr Betroffene fordern für sich offen Teilhabe ein, organisieren sich bei autworker, tokol e.v. , SeHT e.v, ADHS-Deutschland e.V und in vielen Selbsthilfegruppen und Foren.
Anders geht es wohl nicht. Umdenken auf Verordnung klappt nicht und schnell schon gar nicht.

Der Gedanke der Chancengleichheit, und darum geht es letztlich, ist nicht neu. Die Bürgerliche Revolution hatte zunächst auch die Frauen außen vor gelassen, nun ja, wir sind peu à peu auf dem Vormarsch. Sogar in der Schweiz dürfen wir jetzt wählen. Schwule, Migranten und viele andere Personengruppen werden noch immer diskriminiert, aber auch hier geht es voran, wenn auch im Schneckentempo.

Meistens nicht im Focus dieser Diskussionen : die Männer, Heteros, Weißen, Reichen, Gesunden/ Normalen – und andere Menschen der ( vermeintlichen) Mehrheit.

Wie soll Emanzipation, Inklusion oder Diversity gehen, wenn genau diese Personen nichts dazu beitragen müssen?

Wenn sich in Integrationsklassen die I-Kinder ( was für eine Bezeichnung! ), im Job die Frauen, in Ländern mit weißer Mehrheit die Schwarzen etc. anpassen, verbiegen und verleugnen müssen und von den Hinderern jeglicher Coleur nicht das kleinste bisschen Verhaltensänderung verlangt wird, noch nicht einmal thematisiert wird?
Gelungene Integration, wenn noch nach 3 gemeinsamen Schuljahren Klassenkameraden nicht kapiert haben, dass man z.B. einen Menschen mit ASS nicht zu sehr auf die Pelle rückt, dass dieser sich dann i.d. R. bedrängt fühlt und entsprechend reagiert?
Wirklich heavy, wenn man gleich zu mehreren der gehinderten Personengruppen gehört.

Materiell einigermaßen ausgestattet, gelingt es neuro-untypischen Menschen und anderen Gehinderten immer wieder, die vorenthaltene Bildung und gesellschaftliche Stellung trotzdem zu erlangen: sei es autodidaktisch, in Fernkursen, in Vereinen, in Feriencamps und mehr.

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Letztlich lässt Emanzipation sich nicht aufhalten, wenn wir nicht alle einpacken wollen.
Das hat schon der olle Marx erkannt : Kommunismus oder Barbarei 😉

(1) ICD 10 Version 2008
(2) doof bleibt doof da helfen keine Pillen

Mit diesem blogpost beteilige ich mich an den Blogger-Themen-Tagen

#einfachSein

Eine tolle Idee und ein großes Dankeschön an die OrganisatorInnen, die aus dem Autismusspektrum kommen.
Mehr dazu hier

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