Ehrenamt exklusiv

Manchmal stockt das Leben. Beruflich geht es nicht weiter. Alle Anträge sind gestellt und es heißt ( wieder einmal ) abwarten. Oder man weiß noch nicht so genau, wohin man sich eigentlich orientieren soll.

Wer trotzdem etwas sinnvolles tun möchte, kommt da schnell auf den Gedanken der   ehrenamtlichen Tätigkeit. Junge Leute machen ein FSJ oder Bundesfreiwilligendienst
(Bufdi) .
Oder beteiligen sich an sozialen/politischen Projekten.

Was aber, wenn dieser Mensch eine Behinderung hat?
Liest man die Stellenbeschreibungen für das FSJ/Bufdi, wird einem schwindelig.  Gerne mindesten 18 Jahre alt, Führerschein, überall einsetzbar und sowieso flexibel. Also: am besten angehende Studenten*innen oder Leute mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung.
Obwohl diese Dienste ja für Menschen ab 16 Jahren möglich sind.

Teilhabe = Null

In unserer Gesellschaft ist es kaum vorstellbar, dass ein Mensch mit Behinderung anderen Menschen helfen könnte. Schließlich braucht er ja (oftmals) selbst Hilfe/ Unterstützung.
Billige Arbeitskräfte möchte man in den Freiwilligendiensten und keine Menschen, die womöglich auch noch „Arbeit “ machen.
Nein, wer anderen helfen möchte, soll gefälligst fit wie ein Turnschuh sein.

Frage an die Suchmachine:  “ Behinderung FSJ Bufdi „ – behinderte Menschen tauchen dort als Objekte der Hilfsmaßnahme auf, niemals als Subjekt. Noch nicht einmal ein kleiner Hinweis, dass auch Menschen mit Behinderung eine Chance für den Freiwilligendienst haben.

Wartesaal

Dabei würde es vielen Menschen mit einer Entwicklungsverzögerung  die so nötige Zeit zum Nachreifen verschaffen. Wie übrigens vielen anderen jungen Menschen auch.

Auch Gruppen, die sich dem sozialen, politischem und ökonomischen Engagement verschrieben haben, sind leider meist von den Regeln der NT´s / Gesunden geprägt. Interessent*innen mit Special Needs haben halt Pech.

Dabei gäbe es sicherlich viele win-win-Situationen, wenn Helfer*innen/ engagierte Menschen auch Einschränkungen haben dürften.

 

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Was man so denkt

Mach‘ das bloß  nicht

Man könnte meinen, schlimmer noch als eine Behinderung zu haben sei die amtliche Anerkennung derselben. 

Man könnte mutmaßen, bei neurologischen Sonderformatierungen wie z.B. ADHS und Autismus Spektrum Störung wisse man ja gar nicht, ob die Beeinträchtigung das Ausmaß einer Behinderung erreiche. Man sieht ja nichts. 

Man könnte behaupten, es sei für das Kind besser, nicht abgestempelt zu werden, denn…

Man weiß ja nie, ob es sich rauswächst.

Man vermutet, es  läge  an den Eltern : falsche Erziehung, falsche Erwartungen, falsche Ansprüche, falsche Therapien, Kita, Schule, Hobbys. 

Falscher Lebensstil- was, die Mutter  bleibt berufstätig?!?

Falsches Essen. 

Prima Hilfe 

Zu allem diesen Themen werden Eltern von nicht sichtbar ( bzw. nicht durch Biomarker feststellbaren Handicaps) behinderten Kindern von allen erdenklichen Menschen beraten. Familie, Freunde und vor allem Experten wie Ärzte, Psychologen, Erzieher, Lehrer, Jugendamt, Rehaberater der Arbeitsagentur, Rechtsanwälte.  

Man sollte sicher sein, dass die Eltern bei so viel gut gemeintem Rat gut unterstützt seien.

Wobei aber brauchen Eltern dieser Kinder  überhaupt vorrangig Unterstützung?  Am Anfang stehen Angst, Schmerz, Schuldgefühle, Wut, Zweifel und immer wieder Hoffnung. Das Begreifen und die Akzeptanz kommen erst nach und nach und sind ein mühsamer Prozess. Wer begleitet die Eltern dabei? 

Parallel die Bürokratie: Diagnostik, Therapien, Integrationsplatz in Kita und Schule, Hilfe zur Erziehung, Eingliederungshilfe, unterstützte Ausbildung ( Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben), Hilfe für junge Erwachsene durch das Jugendamt. Immer wieder Anträge, Widersprüche , Hotlines, Wartelisten und Termine. Wer ist Eltern-Scout  in diesem Dschungel? 

Man mag es nicht glauben: das alles geht -hinreichend Biss und Durchhaltevermögen vorausgesetzt- ohne amtliche Anerkennung einer Schwerbehinderung und auch nach vielen Jahren des Hürdenlaufs durch Arztpraxen, Jugendamt & Co wird dennoch oft von einer Antragstellung der Feststellung einer Schwerbehinderung abgeraten. Selbst wenn es für diese im Regelfall einen GDB zwischen 50-80 gibt.

Man könnte den Eltern sagen: macht es doch trotzdem. Klar, wenn denn nicht der Jugendliche, der schon genug mit der Bewältigung seines Handicaps zu tun hat, längst  zusätzlich verunsichert worden wäre und Angst hätte, aufgrund einer amtlichen Anerkennung seiner Behinderung endgültig im Aus zu landen. Wenn nicht den Eltern selbst schon genug Angst vor diesem Aus gemacht worden ist. 

Behindert. Noch immer ein Schimpfwort auf deutschen Schulhöfen. Noch oft genug Grund, dass Türen sich schließen als dass Wege sich ebnen. 

Aber auch ein Status, der Ansprüche  auf Unterstützung begründet. Also  Kosten verursacht- vom Schulbegleiter, Teilhabeleistungen, Kindergeld  bis zum persönlichen Budget. 

Gut angelegtes Geld, wohlbemerkt.

Den Experten sei gesagt: gut gemeint ist nicht gleich gut beraten. 

Den Behörden: her mit dem Geld.

Uns Eltern und betroffenen Kindern / Jugendlichen: es ist unser gutes Recht- lassen wir es uns nicht nehmen. 

Das ist einfach gesagt…auch wir haben viel zu lange für diesen Schritt gebraucht. Und bereuen ihn nicht.  
 

 Härtefall Deutschland

Im schönen reichen Hamburg tut man sich schwer mit Inklusion. Das ist nichts neues und in D auch nichts einzigartiges. 

DIE ZEIT berichtet aktuell über einen 15jähriges autistischen Jungen, der trotz diverser Bemühungen einiger Behördenmenschen und hartnäckiger Lösungssuche der Eltern, auch über den Rechtsweg, statt in der Schule nun wieder einmal zu Hause sitzt:  Und wo soll er jetzt hin?

Das, was in dem Artikel geschildert wird, ist kein Einzelfall. 

Das, was dem Kind zugemutet wird, ebenfalls nicht. 

Eltern werden in gerichtliche Auseinandersetzungen getrieben, obwohl sie alles andere als das wollen und brauchen.

Und stehen schnell als Querulanten da. 
Der Artikel ist, von einigen Sätzen, die Steilvorlagen für Inklusionsgegner sind, gar nicht so schlecht. 

Sowas wie “ wahrscheinlich teuerster Schüler Hamburgs“ darf man einfach nicht in Zusammenhang mit Behinderung schreiben. 

Wenn schon, dann in Zusammenhang mit Erfolg, gewonnenen Wettbewerben, großer Begabung, Ruhm für uns alle. 
Die Reaktionen in den Kommentaren sind entlarvend.

Da werden in erster Linie die Eltern kritisiert. Zu anspruchsvoll, zu kämpferisch, sie sollen umziehen, sie machen das nur um Recht zu bekommen, kein wahres Interesse am Kind, hätten das Geld statt für Rechtsanwälte für Altersvorsorge für den Jungen anlegen sollen und sogar: die hatten doch schon 1 ( älteres)  autistisches Kind, wie konnten die weitere Kinder bekommen? 
Generell wird unterstellt, dass hier die Allgemeinheit unverhältnismäßig für Sonderlocken für Sonderlinge bluten muss. 

Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass Regelungen ‚unter der Hand ‚ doch immer gingen. Ein Schlag ins Gesicht für alle, die nicht über Vitamin B oder besonderes Verhandlungsgeschick verfügen. 

Ich stelle mir Menschen vor, die einerseits gebildet sind, über Erfahrungen mit Behörden – Deals verfügen und gleichzeitig Eltern behinderter Kinder als egoistisch, gierig und machtgeil hinstellen.

Ekelhaft.

An anderer Stelle hat mich ein Beitrag auf Faz.net mit dem Titel ‚Die  Neue Präventionskultur –  Wir sind total kontrolliert ‚ nachdenklich gestimmt.

In diesem Artikel geht es darum, wie bereitwillig heute jeder Einzelne Selbstoptimierung und Selbstkontrolle  betreibt. Diese längst nicht vor der Optimierung/ Kontrolle noch nicht geborener Generationen halt macht und es eine verblüffende Kontinuität eines Gedankenguts, von dem wir denken, es hinter uns gelassen zu haben, gibt.

Es gibt sie immer noch, die Diskussion um leben-und unlebenwertes Leben. Nicht nur was die Geburt behinderter Menschen angeht, sondern auch in Bezug auf unser Ableben. 

Wie weit darf ein Mensch der Gesellschaft zur Last fallen?  Was ist, wenn seine Kosten den Nutzen überschreiten? Darf er sich selbst der Allgemeinheit zumuten?

Wunderbar, unsere Entscheidungsfreiheit.  NIemand muss jemandem zur Last fallen. Wir knipsen einfach das Licht nicht an oder aus. Ganz selbstbestimmt.

Wie soll Inklusion eigentlich gelingen, wenn unser ganzes System auf Selektion ausgerichtet ist?

Über die Kommentare zu dem Zeit-Artikel müssen wir uns wahrlich nicht wundern.
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VIP

Meine Güte, bin ich aufgeregt ! Heute darf ich vielleicht mit dem Teamleiter der für uns zuständigen Reha-Fachabteilung der Bundesagentur für Arbeit ( BA ) reden….*zappel, freu, herzklopf*

Ihr fragt euch, was daran so Besonderes ist?
Also, dieser Mensch redet nicht mit jedem. Man kann ihn auch nicht einfach anrufen. Auch seine Mitarbeiter_innen nicht, von denen ich immerhin den Namen weiß – seinen nicht.
Ich kann den Mitarbeiter_innen mails schicken, die vermutlich in der virtuellen Ablage P landen und ’niemals nicht‘ beantwortet werden.Wenn ich dann ganz genervt bin kann ich bei der Hotline mit der Nr. 0800 xxxx anrufen:
…nein, ich habe keine Fragen zu ALG II, möchte auch nicht online mein Anliegen in FAQ’s nachschlagen….ich gebe brav die 8 ein, höre etwas Musik und dann habe ich einen echten Menschen an der Strippe.

Fühl dich verstanden…

Die Mitarbeiterin von letztem Freitag war sehr nett und kompetent. Sie konnte mir schnell, freundlich und konkret sagen, dass bis jetzt niemand , weder die Reha- Beraterin noch der ärztliche Dienst irgend etwas bearbeitet haben. Ja, alle Unterlegen seien eingegangen und ganz zu Anfang ( Ende letzten Jahres) hätte  ich ja auch schon mal eine mail mit allgemeinen Erläuterungen bekommen – die hätte ich doch, oder?
Während ich noch darüber sinniere, ob diese freundliche Stimme zu einer ausgebildeten Verwaltungsfachkraft oder eher zu einer guten Call Center Agent, die professionell zur Zufriedenheit jeglicher Kunden Auskünfte über Dienstleistungen welcher Art auch immer geben kann, solange sie einen Rechner mit einer vernünftigen kundenorientierten Anwendung und ein funktionierendes Headset hat, bestätige ich den Eingang dieser mail und gleichfalls die Kenntnisnahme deren Inhalts nebst inhaltlicher Durchdringung.
Einen Wunsch frei
Agent Gute-Fee offeriert mir, meinen Rückrufwunsch entgegen zu nehmen.
Das bedeute, dass sich binnen 48 h die zuständige Sachbearbeiterin bei mir melden müsse.
Deadline Dienstag 13 h.
Wenn bis dahin kein Anruf erfolgt sei, solle ich mich noch mal bei der Hotline melden. Aber das könne eigentlich gar nicht passieren.
Ich gebe mich handzahm, stimme zu, übe mich in radikaler Akzeptanz und trage fortan mein Handy rund um die Uhr bei mir.
Diese Chance will ich nicht verpassen.
Hinterhältig I
Nun bin ich ja ein eher ungeduldiger Geist und so habe ich hinter dem Rücken der zur Rückrufwunscherfüllung bereiten zuständigen Sachbearbeiterin des Reha-Fachdienstes schon mal mit dem bbw klargemacht, dass Teenie noch in diesem Frühjahr dort eine Arbeitserprobung machen kann und es bei Eignung im Herbst mit der Ausbildung los geht.
Das ist gemein, denn die BA möchte ja nicht so viel Geld ausgeben und denkt eher an eine Berufsorientierungs- Warteschleifen-Nummer zur Bereinigung der Abeitslosenstatistik mit Spekulation auf anschließenden wundersamen Wegfall der anspruchsbegründenden  Einschränkung bei Teenie nach Ablauf dieses Demotivierungs-Trainings.
Selbstverständlich geht eine entsprechende Info-mail mit konkerter Berufsplanung nebst zeitnaher mail- Kontaktaufforderung an die BA raus ( Ablage P? ) und ich kann es mir nicht verkneifen, auf die Existenz des Rechtswegs hinzuweisen.
Pervers?
Vor gefühlten 100 Jahren gehörte ich noch zu den Fliegenbeinzähler_innen, den Menschen, die systematisch anderen das Wort im Mund umdrehen und sich in der Kunst der Subsumtion aalen.
Besonderes Highlight dieser Daseinsform war das Lesen von Bleiwüsten in Fachzeitschriften und Kommentierungen zu den abstrusesten Gesetzen.
Damit habe ich heute nicht mehr soviel zu tun.
Aber wenn‘ s der Sache dient bin ich noch immer in der Lage, mich Ruck-Zuck in eine Rechtsmaterie einzulesen und so ein sexy 2 kg-Schinken voller Paragrafen zieht mich dann schnell in seinen Bann.
Das Inhalieren der Rechtsprechung und weiterer Infos braucht heute noch nicht einmal den lästigen Gang in die juristische Präsenz-Pauk-Anstalt.
Juristerei vom Feinsten ohne Streber-Kontaminierung.
So liebe ich das.
Sozialgesetzbuch IX
Im SGB IX stehen wirklich tolle Sachen.
Danach haben behinderte Menschen viele Ansprüche auf Unterstützung zur Teilhabe. Behinderung ist im Gesetz wie folgt definiert und betrifft nicht nur die Schwerbehinderung ab GdB 50.

§ 2 SGB IX Behinderung

(1) Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(2)….
(3)…
§ 33 SGB IX Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
(1) Zur Teilhabe am Arbeitsleben werden die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern.
(2)….
(3) Die Leistungen umfassen insbesondere
…..
4. berufliche Ausbildung, auch soweit die Leistungen in einem zeitlich nicht überwiegenden Abschnitt schulisch durchgeführt werden
…… Usw. , ihr könnt das hier nachlesen.
Sexy und jugendfrei
Sexy und jugendfrei

Frist verstrichen

In der Zwischenzeit tritt der wirklich sehr unwahrscheinliche Fall ein, dass mein Rückrufwunsch  nicht berücksichtigt wird. Das hatte Agent Gute-Fee aber anders gesagt.
Also wieder ran an die Hotline: nein, ich habe keine Fragen zu ALG II, möchte auch nicht mein Anliegen in FAQ’s nachschlagen….gebe brav die 8 für Sonstiges ein, höre etwas Musik und wieder werde ich mit einem echten Menschen an anderen Ende der Strippe belohnt, diesmal männlich.
Auch dieser Agent ist sehr freundlich und versiert in der Benutzung der Anwendung zur Beratung von Kunden.  Vermutlich sowas wie eine Fachkraft für die  “ Beratung Stufe 2 – Kunden mit unerfülltem Rückrufwunsch „. Ich hoffe, er bekommt eine Gehaltszulage dafür. Die hat er verdient, denn er navigiert souverän im workflow der Beratungsanwendung ….schnell checkt Agent  Hinhalter,  dass es einen Plausch mit Agent Gute-Fee gab, diese alles richtig gemacht hat und es  keinen Rückrufversuch durch den Reha-Fachdienst gab. Wird nämlich immer alles dokumentiert. Tolles System. Da weiß man immer ganz genau, welche Arbeit (nicht) gemacht wurde.
Ein wenig zuckt mein Gewerkschaftergewissen auf: Verhaltens- und Leistungskontrolle im digitalen Zeitalter….aber Mitleid mit den geknechteten Mitarbeiter_innen der BA ist gerade fehl am Platz. Agent Hinhalter offeriert mir nun ein zweites Mal die Entgegennahme eines Rückrufwunsches binnen 48 h.
‚ Nee, das hatte ich doch schon und was passiert denn, wenn dem wieder nicht nachgekommen wird? ‚  so mein Einwand.
‚Dann können sie mit dem Teamleiter sprechen‘,  freundlich Agent Hinhalter.
Und ich darauf:  ‚ach, das mach ich lieber gleich, stellen Sie mich bitte durch.‘
Aber so einfach geht das nicht. Das darf Agent Hinhalter gar nicht. Aktiv darf er nur Rückrufwünsche entgegen nehmen. Sonst nix. Nun kommt das Mitleid doch hoch….
Nun geht es eine Weile hin und her und zähneknirschend, aber noch immer ruhig stimme ich dem Quatsch zu.
Deadline : heute mittag 14 h.

Hinterhältig II

An den Weihnachtsmann glaube ich schon lange nicht mehr und wieder einmal raunt mir meine Oma aus dem Off das Motto ihres Lebens zu: hilf dir selbst, dann hilft dir Gott….
Ja ja, ich mach ja schon.
Bislang hatte die BA durch Verweigerung eines Beratungstermins, bei dem  der Reha-Antrag normalerweise  gestellt wird, die formelle Antragstellung vereitelt. Die nehmen dafür ja immer gerne ihre Vordrucke.
Ich fühle mich aber völlig frei in der Wahl des Layouts des Antrages.
Der Inhalt ist klar und geht noch heute raus. Mit der Rechtsfolge, dass nun in der BA Fristen beginnen.
Vielleicht auch für den Teamleiter.

Countdown

Nun ist  es nur noch 1/2 Stunde bis zum großen Moment. 
Dann darf ich den Teamleiter sprechen….ich sagte es schon. 
Falls der überhaupt da ist. 
Ob die Fallbearbeitungsgsanwendung auch Merkzeichen für schwierige Kunden vorsieht? 
Irgendwie schwant mir, dass Herr Teamleiter nicht halb so cool im Umgang mit der lästigen Kundschaft sein wird wie die netten Agents. 
Falls ich überhaupt zu ihm durchdringe. 
Könnte ja sein, dass auch dieses Versprechen 2 Mal wiederholt werden muss und ich noch eine_n Agent(i)n kennen lerne. 
Wie aufregend !

Exklusive Hilfe- ein kleiner Überblick

Berufstätig sein mit einem behinderten Kind- Wegweiser für Mütter mit besonderen Herausforderungen

Eine neue Broschüre des Bundesverbandes für körper- und mehrfachbehinderte Menschen (bvkm) stellt sehr ausführlich, übersichtlich und anhand von Fallbeispielen die bestehenden Hilfs-und Unterstützungsmöglichkeiten für Familien mit behinderten Kindern dar und geht auf die spezielle Situation berufstätiger Mütter ein.
Ein solche Übersicht hat bisher in der Broschürenwelt gefehlt.

Auffallend

Sämtliche Möglichkeiten der Unterstützung durch Dritte haben einen exklusiven Ansatz.
Was, wenn das Kind z.B. keine Lust hat, seine Ferien in einer Gruppe von Behinderten zu verbringen? Es möchte vllt. lieber einen Englischkurs in England machen, wie seine Freunde auch. Darf der Integrationshelfer mit?

Deutlich auch, dass Kinder, die nur Sonderpädagogischen Förderbedarf haben ohne jedoch eine Schwerbehinderung beantragt/ anerkannt zu haben, i.d. R. nicht erfasst sind.

Was, wenn gesunde Geschwisterkinder über 12 sind und noch nicht selbstständig genug, um mehrere Tage allein zu bleiben?
Leistungen durch die Krankenkasse wie Kinderkrankengeld , Mutter- Kind-Maßnahmen, Haushaltshilfe für gesunde Kids hören abrupt nach dem 12 LJ auf.

Immerhin werden auch Beispiele von Alleinerziehenden Müttern herangezogen – eine Realität, die bei behinderten Kindern ja so selten nicht ist.

Die Broschüre ist hilfreich – zeigt aber auch die traurigen exklusive Sichtweise auf Unterstützungsmaßnahmen in Deutschland auf.

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Hilf dir selbst….

….dann hilft dir Gott.

Die zentrale Lebensweisheit meiner Großmutter.
Nach 2 Weltkriegen und anderen schwierigen Lebenslagen war das ihr Überlebensmotto, welches sie an mich weitergab.
Nicht das Schlechteste, wie ich finde.

Hat aber auch eine Kehrseite.
Unser Sozialstaat ( oder das, was davon übrig ist) , hilft denen, die es nicht mit eigener Kraft schaffen.
Ein Prinzip, das ich unterstütze.

Aber dann fängt die Krux schon an.
Wieviel Kraft muss der/die Einzelne haben, bevor er/sie Unterstützung bekommt?
Ich schaue mich mal um:

Elternini.
Hier treffen sich Eltern ( meist Mütter) die autistische Kinder haben. Die meisten leben in Partnerschaft und der weibliche Elternteil hat seine Berufstätigkeit an den Nagel gehängt , drastisch runter gefahren oder sich dahingehend umorientiert, dass die Tätigkeit dennoch bei gleichzeitiger Betreuung ( die oft Anwesenheit bedeutet) möglich ist.
Alleinerziehende schaffen es kaum, regelmäßig dabei zu sein.
Hilfe von außen steht und fällt mit einer Diagnose des Kindes.
Rechtsstreitigkeiten um Schulbegleiter und Familienhilfe sind an der Tagesordnung.
Muss ich erwähnen, dass sich hier eher gut situierte, informierte und organisierte Menschen treffen?
Depressionen/ Burn Out sind diesen Familien nicht fremd.

Ärzte.
Ihnen fällt schon mal auf, dass die Eltern ( Mütter ) Entlastung bräuchten. Vielleicht verschreiben sie eine Mutter- und Kind Kur.
Sie geben Tips wie: machen sie mal was schönes für sich usw.
Manche schreiben wenigstens mal für eine Woche krank.
Ansonsten: die meisten haben einfach keine Ahnung, wo und wie die Betroffenen Hilfe bekommen können.
Über Vernetzung viel wird gesprochen….aber vielleicht sind damit nur Twitter & Co gemeint.

Beratungsstellen.
Die erste Frage lautet: gibt es einen Schwerbehindertenausweis?
Wenn nein, dann Pech.
Hat man sein Kind unter Aufbietung aller Kräfte , oft unter Missachtung der eigenen Ressourcen, dahin gebracht, dass es ohne Schulbegleiter auskommt, einen Schulabschluss hat, sich relativ selbstständig und sicher in der Welt bewegt, hat man selber Schuld.
Dass eben diese Funktionsfähigkeit nach wie vor davon abhängt, dass es eine immer noch intensive Unterstützung aus der Familie gibt, ist egal.
Was ist das denn: Ein Schwerbehindertenausweis für das Kind, wenn die Mutter/Familie Unterstützung/Entlastung braucht?
Davon ganz abgesehen, dass man den nicht hinterher geschmissen bekommt. Bei nicht sichtbaren “ Behinderungen“ kann es einem durchaus passieren, dass 3 Ärzte 4 Diagnosen stellen oder dem Sozialträger später dennoch gar nichts auffällt.
So ähnlich wie bei Opi, bei dem auch immer alles klappt, wenn der medizinische Dienst eine Pflegestufe feststellen soll.
Die Rechnung ohne den/ die Jugendliche_n sollte man schon gar nicht machen.
Es ist ihr/sein Leben.

Stiftungen, und Vereine.
Versuchen oft, diese Lücke zu füllen. Aber in Zeiten knapper Kassen kann da eher mal ein Laptop spendiert, als ein Mensch organisiert werden, der sich regelmäßig mit dem/ der Jugendlichen trifft und die Dinge macht, die andere Jugendliche in einer Peergroup erleben: Gespräche übers Leben, Perspektiven, Wünsche und Träume, Hobbys nachgehen oder einfach nur mal rumhängen und quatschen.
Rar sind die Möglichkeiten für Jugendliche über 14; das hängt wohl davon ab, aus welchem Topf die Zuwendungen für diese Vereine gespeist werden.
So werden ältere Jugendliche dann in dieser besonders wichtigen Zeit der Orientierung/ Weichenstellung im Übergang von Schule und Beruf auf sich allein zurück geworfen.
Oder auf Lehrer ( wie unspannend ) und Eltern ( wie nervig ).
Ältere Geschwister sind ebenfalls kein Segen…häufig viel zu nah dran.

Jugendzentren, offene Jugendarbeit.
Existiert kaum noch. Wenn, dann eingebunden in die Ganztagsschulen.
Wenn die Kids frei haben, haben sie oft geschlossen .
Jugendliche Steppenwölfe verirren sich dort eher selten hin.

Vergiss alles, was du über Prävention weißt.

Nüchterne Erkenntnis ( nicht neu, sondern wieder einmal bestätigt):
Solange du nicht (wieder) ernsthaft krank bist, dein Kind nicht offensichtlich an fast allem scheitert, du nicht arbeitslos bist oder Hartz 4 beziehst, und sei es nur als Aufstocker, mach weiter wie bisher.
Belästige unsere Gesellschaft nicht.
Die ist für dich da, wenn du verarmt bist, nicht mehr Arbeiten kannst und auch dein Kind gar nicht mehr auffangen kannst.
Sie zahlt dann deine langwierigen Behandlungskosten, übernimmt Transferleistungen und für dein Kind die Kosten in einer Jugendwohnung.
Bitte, komme uniformiert in die Beratungsstelle / Arzt/ Jugendamt.
Oder stell dich doof.
Gebe dich ohnmächtig.
Geh‘ in Jogginghose hin.
Bringe „um Himmels willen“ unser Bild von hilfsbedürftigen Menschen nicht durcheinander.

Vielleicht wirst du dann geholfen.

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Alternativen:
1. gewinne im Lotto
2. such dir einen alten, reichen Mann
3. Banküberfall ….ach nee, das klappt nicht.
4. Gesellschaftspolitisches Engagement: hilft nicht sofort aber wenigstens bist du nicht nur Opfer

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Unter(m) Strom von A nach W

Mein Job führt mich heute aus dem mir vertrauten Stadtteil A in die mir relativ unbekannte Gegend, die 1962 durch die große Stumflut bekannt wurde: W.
Mit einer kleinen Startverzögerung, resultierend aus der Notwendigkeit mütterlicher Assistenz starte ich per Velo in Richtung Hafen.
Hamburgs teuerste Baustelle, von weitem sichtbar trotz morgendlich-herbstlichem Dunst.
Ein Luxus-Anblick, in mehrfacher Hinsicht.

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Elbtunnel, der alte.
Runter geht’s mit dem Personenaufzug.
Die Frühschicht ist schon durch, nun radeln hier nur vereinzelte Büromenschen entlang.

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Der freundliche Liftführer nimmt uns mit dem Autoaufzug mit nach oben.
Ein selten gewordener Arbeitsplatz.

Ich habe keine Ahnung, wie ich genau zum Veranstaltungsort komme.
Ich nehme es gelassen, heute bin ich nur Teilnehmerin einer Tagung.
Mein Navi lässt mir die Wahl zwischen Auto und Fußgänger. Fahrräder kennt es nicht.
Erst Recht keine barrierefreien Wege.
Ich entscheide mich gegen die Hauptstrassen.

Industrieromantik.

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Die morgendliche Fahrt durch den Freihafen erinnert an frühere Ausfahrten mit meinem Motorrad, der Sonne entgegen. Ja damals…..

Gefühlt müsste ich abbiegen, aber das Navi sieht das anders. Mit der Folge, dass ich die vom Navi befohlene Strasse nicht finde und Bekanntschaft mit „Lands End“ mache.

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Retour.
Irgendwie schaffe ich es, aus dem Brücken-Kreuzungs-Gewirr heraus zu kommen und meinen Weg wie gewünscht auf dem Hauptdeich fortzusetzen.

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Die Zeit wird knapp.
Ich verliere noch 2 Mal den rechten Weg….und genehmige mir dennoch den einen oder anderen Klick.

Ich werde zu spät kommen.
Wie so manches Mal Menschen mit Orientierungsschwierigkeiten aufgrund einer Behinderung.
Wie wäre es, wenn ich häufig auf dem Weg zur Arbeit in dieser Weise ausgebremst würde?
Hätte ich die Gelassenheit, mich neu zu sortieren oder würde ich in die Nähe von Panik oder Lähmung kommen?
Ich spüre den Druck und versuche, ihm nicht nachzugeben.
Mir macht Zeitdruck nicht viel aus, ich gehöre eher zu den Menschen mit eingbautem Turbo.
Aber langfristig betrachtet tut auch mir das nicht gut, was ich schon einmal bitter zu spüren bekam.

Achtsamkeit.
Diese Tagung möchte ich nicht schon abgehetzt und genervt beginnen.
Ich bin da.

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Glück gehabt: die ersten 30 Minuten war Zeit für Kaffee und Stöbern an den Info-Ständen.
Ich fiel nicht unangenehm auf, musste mich nicht für meine Orientierungslosigkeit entschuldigen/rechtfertigen, konnte mich entspannt und guter Dinge zu den Pünktlichen gesellen und meinen Kopf auf „input“ einstellen.

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Mehr über diese Tagung gibt’s demnächst.

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B-wort und auch-Diskussion

Gestern hörte ich sie wieder, die Frage, die mich jedes Mal in einen emotionalen Strudel von Wut, Verzweiflung, Hilflosigkeit und Zweifel stürzt.
Was ich mir selbstverständlich nicht anmerken lasse, höre ich sie doch seit vielen Jahren.
Immer dann, wenn die Welt draußen meinem Teenie klar macht: du gehörst nicht richtig zu uns.

Ein “ Lückenkind „, das weder in die Schule passte, noch zu den Schulabbrechern mit überwiegend sozialen Schwierigkeiten gehört und nun dennoch in deren Mitte versucht, für sich einen Weg zu finden.
Das in einer Musikgruppe spielt, in der nur Gymnasiasten sind, die neben der Schule auch noch Kraft für Einzelunterricht , Auftritte und andere Hobbys haben. Belastbar eben.
Das nicht in einem Schonbereich leben möchte und doch in der Welt der Neurotypischen Menschen immer wieder an (seine) Grenzen stößt.

Mum, hättest du lieber ein anderes Kind gewollt?

Ja, Pubertät ist für diese Art Fragen typisch, meist jedoch als Vorwurf an die elterliche Instanz gerichtet: ihr hättet wohl lieber so ein braves Vorzeigekind bekommen …usw.
Wenn’s nur Pubertãt wäre, hätte diese bei uns schon im 4. Lebensjahr begonnen.

In ihrer Frage kein Hauch von Vorwurf.
Unsicherheit, ganz tief.
Wieviel elterliche Liebe und Akzeptanz braucht mein Kind, um sich unserer/ meiner sicher zu sein?
Darin verborgen auch Tennies Wunsch, eine Andere zu sein, nicht besonders…. und doch wieder nicht.
In diesen Momenten, wenn Teenie stinkwütend nach Hause kommt, verzweifelt an sich und an diesem vertrackten Leben, das sie nicht dort hereinlässt, wo die anderen sind, bleibt uns nur das Bündnis gegen Konventionen, die nicht richtig sind, gegen Maßstäbe, die nicht die unseren sind und wenn wir es schaffen : der Blick auf Fähigkeiten, von denen all die Menschen, die diese Maßstäbe aufstellen, da draußen noch nicht einmal ahnen, dass man sie haben kann.

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Während Teenie schon längst über den akuten Frust hinweg ist und sich den schönen Seiten des Lebens zuwendet – chillen bis der Arzt kommt – bin ich immer noch mit dem Unverdaulichen beschäftigt.

Meine Elterni schickt einen Artikel aus Die Zeit herum.

Dass es dich gibt
…..Das Wort »Behinderung« nehmen wir lange nicht in den Mund. »Das B-Wort«, sagt mein Mann. Als brächte es Unglück, es auszusprechen…..

Er kommt gerade richtig, auch wenn wir eine nicht sichtbare – und viel mildere – Thematik haben. Dennoch erkenne ich mich in Vielem wieder.

Um wie viel diffiziler die Problematik bei Beeinträchtigungen, die nicht sichtbar sind, ist, zeigt eine Diskussion um das kleine Wörtchen „auch“ im Blog aspergerfrauen.

„Du fährst nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln, weil du die vielen Menschen und das Gedränge nicht ertragen kannst? Ich mag das auch nicht und muss trotzdem jeden Morgen mit dem Bus zur Arbeit fahren.“
Würde jemand zu einem Rollstuhlfahrer sagen: „Du fährst nicht mit dem Zug, weil es an der Haltestelle keinen Aufzug gibt? Ich mag es auch nicht, Treppen zu Fuß hinaufgehen und fahre trotzdem jeden Morgen von dieser Haltestelle aus zur Arbeit.“? Wohl kaum.

Neben vielen Verletzungen und des Gefühls, von niemandem verstanden zu werden, welches dieses Wörtchen uns oft gebracht hat, empfinden wir es heute doch eher als hilfreich.
Man kann Menschen leichter etwas klar machen, wenn man an ihr eigenes Empfinden anknüpft:
“ Stell dir vor, du hattest Fieber, bist nun ganz wackelig auf den Beinen, musst aber einkaufen gehen. Während dessen fragt dich jemand das große 1x1ab. Du versuchst natürlich, alles richtig zu beantworten. Wie geht es dir damit? “ – Und stell dir jetzt mal vor, dass es für dich fast jeden Tag den ganzen Tag so ist…..“
Nicht so schwer.
Auch …kann ein gutes Wort sein.

Ihr wisst sicherlich, was ich meinem Kind geantwortet habe.
Und es stimmt, aus tiefstem Herzen.

Was ich aber nicht gewollt habe, sind die in den beiden Quellen zum Ausdruck kommenden Rahmenbedingungen.
Teenie ist ein Kind dieser Zeit – mit ihren vielfältigen medizintechnischen Möglichkeiten, über die sie selbstverständlich liest und hört. Und sich Gedanken macht.

Das bringt einen ganz besonderen Zungenschlag in die Frage: hast du mich lieb so wie ich bin?

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