What a year!

Vor 2 Wochen ist es geschehen: ich bin nur noch einen Jahresschritt von der Senioren-Bahncard entfernt. Ich dachte immer, je älter, desto weniger ereignisreich das Leben, desto ruhiger. Für mich selbst trifft das – verglichen mit meiner Sturm -und Drangzeit – ein wenig zu. Mit meinem erwachsenen Fohlen bei Fuß (RW) werde ich aber unweigerlich immer wieder in die Stürme der Jugend hineingezogen. Und die sind nicht zu knapp für eine junge Autistin.

Jahr des Wassers

Unser Jahr begann mit einem Wasserschaden im Januar und endet mit einem weiteren am Heiligen Abend. Nervig, aber eine der kleineren Widrigkeiten.
Mann des Jahres ist unangefochten deshalb unser Klempner.

Jahr der Unbeweglichkeit

Rheumi ist wirklich eine fiese Ratte. Es hat viel Kraft gekostet, ihr ein wenig Benimm beizubringen und ich muss immer am Ball bleiben, damit sie nicht wieder über die Stränge schlägt. Immerhin ist ihre Tarnung aufgeflogen. Ein ganzes Jahr hatte sie die Ärzte verarscht, ehe sie gefunden wurde. Nun, sie bleibt, aber sie muss sich fügen. Ich kann ja nicht wegen ihr nur noch zu Hause herumsitzen.
Meine medizinische Helferin des  Jahres ist ganz klar die Pharmaindustrie. Und die Ernährungsdocs aus der Glotze, aber die erst an zweiter Stelle.

Jahr des Mutes

Nach einer sehr belastenden Zeit in einer komplett unpassenden Maßnahme der Bundesagentur für Arbeit, dem Abbruch derselben, großer Verzweiflung und Ratlosigkeit hat Twen (!) es geschafft, sich auf eine weitere Maßnahme einzulassen. Mit all den Erfahrungen, die sie leider schon machen musste, geht sie nun sehr zielgerichtet dort hinein und lässt sich nicht in die für Behinderte so gern vorgesehenen Bereiche
“ Küche, Lager, Gartenbau“ abschieben. Diese entsprechen so gar nicht ihren Interessen und Fähigkeiten. Das macht sie zur unbequemen Klientin, fordert es doch von den sogenannten Experten, dass sie von ihrer geliebten Routine abweichen müssen. Stellt, euch vor, Twen erwartet doch wirklich, dass die nicht nur behaupten, sie hätten „Autismus-Kompetenz“ ( arghhhh…wenn ich dieses Wort schon höre !) sondern fordert ein, dass die sich wirklich diesbezüglich (fort)bilden.
Da lacht das Mama-Herz.

Noch immer verfolgt sie Ziele, die sie von Amts wegen gar nicht haben dürfte: einen weiteren Schulabschluss, doch noch eine Ausbildung machen …. und in der Zwischenzeit das Lernen nicht aufhören. Wenn nicht institutionell begleitet, dann eben autodidaktisch zu Hause. Wenn´s nicht ganz allein geht: frag Mutti 😉

Noch ist unklar, ob sie diese Maßnahme fortführen wird. Mehr als ein Taschengeld bekommt sie dafür sowieso nicht.

Als junger Mensch einer als Expertin gehandelten Therapeutin zu sagen, dass sie keine Ahnung von Autismus hat, wenn sie denkt, man könne sich diesen durch Verhaltenstraining „abgewöhnen“  , ist sicher nicht einfach. Und dann die entsprechende Konsequenz zu ziehen, Adieu zu sagen, sich eine Therapeutin zu suchen , die sie in ihrem So-Sein unterstützt und die Mühsal des Neubeginns auf sich zu nehmen, auch nicht. Twen hat das gepackt.  Chapeau.

Twen, eindeutig meine Heldin des Jahres.

Jahr der Einkehr

Durch Rheumi zum Stillstand gezwungen hatte ich hinreichend Gelegenheit, mich mit Dingen auseinanderzusetzen, die im Alltags-Wirbel regelmäßig untergehen.
Meine intensiven Studien über Kriegskinder, Nachkriegskinder und Kriegsenkel, waren mehr als heilsam für meine Seele.
Rheumi war es auch, die mir klar machte, dass ich nicht für alle Zukunft wie eine Duracell durch das Leben rauschen werde und deshalb gut daran tue, Alternativen zu der jetzigen Wohn-und Lebenssituation zu suchen. Dazu muss ich erst mal wissen was ich will und was ich mir leisten kann. Die Lösung muss jedoch kompatibel mit Twen sein. Denn es ist nun einmal so: nur ein Weg, der uns beiden gerecht wird, führt zur angestrebten Entlastung.

Absolut cooler Bewegungsausgleich: die Geschichte der Philosophie, mehrbändig, hintereinander weg gelesen. Für eine Halbgebildete wie mich ein ungeheurer Luxus. Wann hatte ich dafür schon mal Zeit?

Themen des Jahres waren deshalb transgenerationale Kriegstraumata, Wohnen 60plus, Teilhabe und Selbstfürsorge.

Jahr des Engagements

Humpelnd auf die Demo oder im sportiven Business-Dress zur Fortbildung für Beschäftigte der Berufsbildungswerke – in diesem Jahr haben wir so einiges bewegt.
Neue Handlungsfelder haben sich ergeben.
Mein Dank des Jahres geht an meine Mitstreiterinnen, die sich situationsangepasst auf mein reduziertes körperliches Tempo oder mein Turbohirn eingestellt haben und so Gemeinsamkeit ermöglicht haben.

Jahr der Bürokratie

Ich erspare euch die Aufzählung aller Ämter, Behörden und Beratungsstellen, mit denen ich Kontakt hatte. Die Anzahl der Anträge, Widersprüche, Anhörungen usw. weiß ich selbst nicht mehr.
Quasi ein Zweitjob, der meinem Erstjob zum Glück fachlich entspricht. Hätte Rheumi mich nicht vor dem Erstjob bewahrt, wäre garantiert das Gefühl von “ nie Feierabend haben“ aufgekommen. So war es nur das Gefühl von „nicht krank geschrieben sein“.
Ist das gut oder schlecht?

Zur Rechtsberaterin- und Vertreterin des Jahres küre ich mich deshalb selbst.

Jahr der digitalen Technik

Bei eingeschränkter Mobilität zeigt sich erst, welche Unterstützung man von digitalen Geräten haben kann. Ich habe die Technik nicht nur vielfältig genutzt, sondern auch viel dazu gelernt.
Die bei uns nicht religiös geprägten Weihnachtstage verbrachte ich nun mit diverser Installationssoftware und neuen Programmen. Murphys Gesetz schlug leider auch wieder zu und es mussten Neuanschaffungen getätigt werden, die das Budget belasten, es mir aber wert sind.

Online-Dienste, social Media, Apps, Rechner und mobile Geräte – meine Hilfsmittel des Jahres.

Jahr der Qualität

In Krisenzeiten zeigt sich, wer Freund ist und wer nicht.
Ich habe entsprechende Konsequenzen – auch schmerzliche – gezogen.
Beziehungsmäßig habe ich „gelindnert“: lieber keine Beziehung als eine, die über meine Kraft geht, mag der Gefährte auch noch so liebenswert sein.
Einige alte Freunde habe ich verloren, ehemalige tauchten wieder auf und es bahnen sich neue Verbindungen zaghaft an. 

Viel Lob und Dank gebührt meiner  besten Freundin und ihrer Familie.
Großes Dankeschön auch an die beste und liebste  Nichte aller Zeiten.
Nicht zu vergessen der hilfsbereite Lieblingsnachbar, mit dem sich eine wechselseitige  Alltags-Katastrophen- Rettung etabliert hat.

Erkenntnis des Jahres: ich muss nicht funktionieren, um geliebt/gemocht  zu werden.

Jahr der Musik

Wenig  Konserve, dafür mehr live und das u.a. mehrmals im örtlichen Skandalpalast.
Das Cello hat pausiert, was auf Rheumi´s  Rechnung geht. Zuweilen wankelmütig, war ich mehrmals davor, mein Engagement im Chor aufzugeben. Diese ganztägigen Proben und langen Auftritte sind doch sehr strapaziös. Nun bin ich immer noch dabei und wie immer mit dem Einstudieren der Texte vor dem nächsten Konzert unter Zeitdruck.

Damit wird die Musik zum Beständigkeitsfaktor des Jahres.

Jahr der vakanten Titel

Leider nicht vergeben werden konnten:

  • Steuerberater der Jahres
  • Haushaltshilfe des Jahres
  • Sachbearbeiter des Jahres
  • Wunder des Jahres

Fuck 2017

Die Bilanz ist leider eher negativ.
Vielleicht gehen einige Saatkörner, die wir dieses Jahr gestreut haben, im kommenden Jahr auf (RW). Das wünschen wir uns. Und das Ausbleiben von kleinen und großen Katastrophen.

Das wünsche ich auch euch, liebe Leser und Leserinnen. 

An dieser Stelle ein Willkommen an alle Leser und Leserinnen, die mir dieses Jahr neu beschert hat und ein Dankeschön an alle, die mich schon lange lesend und kommentierend  begleiten. 

Kommt gut rein ins Neue Jahr, 

Eure LW

 

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Welche Kröte willst du schlucken?

Wenn ein Kind sich 9 Jahre durch die Schule quält und dann im ersten abschlussgebenden Match rausfliegt, ist das der finale Tiefschlag in der regulären Schulkarriere. Dann ist amtlich, was es täglich erfuhr und spürte.
Coole Teenies – solche, die man oft im TV sieht und Eltern hoffen lässt, das ihr Schätzchen niemals auch nur in die Nähe dieser Spezies kommt, tönen “ Scheiß egal“ und „die können mich mal“ . Letzteres war eh‘ schon länger ihre vor sich her getragene Devise. Gut, dass keiner in ihr Herz schauen kann.
Andere verkrümeln sich, werden krank und noch unsichtbarer. Auch ihr Herz: verschlossen.

Dieser Veranstaltung, die sich Unterricht nennt, haben sie sich meist schon länger entzogen. Die einen körperlich, die anderen haben Tag für Tag nur ihre körperliche Hülle da hin gesetzt.

Die innere Haltung von Eltern dieser Kids verläuft irgendwie parallel. Fast allen bricht es das Herz, ihr Kind scheitern zu sehen. Ja, auch denen, die nicht danach aussehen. Dort sind allenfalls schon so viele Scherben im Herzen aus eigenem Erleben, dass diese neuen kaum auffallen. Schon gar nicht Dritten.

Auf der Suche nach Fakten zu diesem Thema, auf der Suche nach sinnvollen Angeboten mit Perspektive für diese schulpflichtigen jungen Leute stolperte ich mich durchs Internet. Seiten voller Worte wie Peitschenhiebe:

Betreuung schwierigster Schüler

chancen-geminderte Jugendliche,

Bildungsverlierer

Stigma

Aussortiert

Problemschüler

Unter anderem entnommen HP’s von Einrichtungen, die es sich zur Aufgaben gemacht haben, diesen Kids zu helfen.(1)
Ich bin der festen Überzeugung, dass Worte nicht nur Worte sind, sondern immer auch eine Bedeutungsebene haben und eine Haltung ausdrücken.
Eine Haltung, welche diese so früh immer wieder mit Scheitern konfrontierten Kids spüren.
Nun gut, sicherlich preisen manche Seiten die enormen Schwierigkeiten ( ist jemand, der Schwierigkeiten hat = schwierig?) nur, um eine halbwegs ausreichende staatliche Zuwendung oder Spenden zu bekommen.

“ Eigentlich kann es doch gar nicht sein, dass…….“ diese Worte habe ich in den letzten Tagen immer wieder gehört und auch selbst gedacht.
Doch es kann.
Und es bringt mich dazu, nicht mehr nach der Perspektive zu fragen.

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Ich bin entsetzt und es trifft mich so wie jemanden , der auch einmal all diese Zuschreibungen auf sich beziehen konnte. Beschrieben in einem alten blog hier.
Ungewöhnlich ruhig ist es geworden : kein Austausch zwischen den Eltern, auch nicht mit den enger befreundeten. Keine Nachfragen.
“ Und du bist raus “ – trifft auch mich, kränkt , weckt Zorn, berührt alte Wunden.

Unsere Schulbehörde hat ein schönes Paper gemacht, da werden Maßnahmen für diese Jugendlichen unter der Headline

Schulpflichtige ohne Alternative

angeführt.
Die da sind: 10. Klasse durchhalten oder Produktionsschule.

Durchhalten: geringe Aussichten auf Erfolg, große Aussichten auf endgültigen Absturz.
Produktionsschule: Warnung durch einige Lehrer : da sind nur die na ja, sie wissen schon…ob ihr Kind da hin passt?
Wir denken an den Schrecken ohne Ende im Dunstkreis genau dieser LehrerInnen und ihrer lediglich harmlos aussehenden Schülerschar.

Break

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Jetzt gehen wir den Weg des geordneten Abstiegs. Back to the roots, sozusagen.
Keine Abschlussfeier, keine Reden, keine Abschlussfahrt.
Unterwegs abhanden gekommen.
Diese Entscheidung fiel uns nicht leicht und gleicht einem Sprung ins Ungewisse.
Aber sie birgt Chancen, wie ich – dank meiner beherzten Mutter, die allen Vorurteilen zum Trotz seinerzeit den Sprung über die Teufelsschlucht wagte – an mir selbst erlebt und an vielen anderen gesehen habe.

The line it is drawn
The curse it is cast
The slow one now
Will later be fast
As the present now
Will later be past
The order is
Rapidly fadin‘.
And the first one now
Will later be last
For the times they are a-changin‘. (2)

Vorerst jedoch schöne Grüße aus dem “ OFF „.

(1) meine liebe Leserschaft möge mir verzeihen, dass ich ausnahmsweise auf Quellenangaben verzichte. Mir ist nicht danach, sie noch einmal aufzurufen.
(2) Bob Dylan, The Times They Are A Changin‘

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Neu !

Ein neues Projekt muss her.
Die Idee wabert schon eine Weile in meinem Oberstübchen.
So ganz deutlich ist noch nicht, was daraus werden soll.

Klar ist, dass ich damit anfangen muss, damit überhaupt etwas daraus wird.

Worum gehts?
Das Leben, die Menschen, Dinge von verschiedenen Seiten betrachten. Logo, das sollte man sowieso immer tun.
Eine Fähigkeit, die mir während meiner so called Burn-Out-Zeit leider etwas abhanden gekommen war. Da war ich froh, wenn ich meinen Standpunkt sehen und halten konnte.

Nun stehen die Sterne dafür günstig.
Ich habe diesen Blog.
Meine neue Kamera wird dafür eingespannt.
Zeit zum auf you-tube rum daddeln nehme ich mir einfach.
Nixtun ist Programm.
Ausprobieren wieder mein „Hobby“.

Begeistert bin ich immer wieder von “ Sachen “ die, egal in welchem Outfit sie daher kommen, einfach gut und unkaputtbar sind. Diese Haltbarkeit zu entdecken oder zu zeigen, wird ein Teil von
SwitchP(erspektive) sein.

Und: Neues anvisieren, checken, denken, ablichten, anfassen, anhören ….Besonderes und Alltägliches.
So ungefähr.

Heute gibt’s einen dieser unkaputtbaren Songs.
Kam mir in den Sinn und ging nicht mehr raus.

Zugegeben, Sreaming Jay Hawkins Performance von I Put A Spell On You gefällt mir immer noch am besten.

Aber auch Nina Simone überzeugt.

Ganz anders, dennoch hörenswert präsentiert Natasha Atlas den Song.

Und was Jimmy Slonina ohne selbst einen einzigen Ton zu erzeugen bietet, kann sich ebenfalls sehen lassen.

Es sei mir vergeben, dass ich die Creedance Clearwater Revival Band mit ihrer Version hier nicht aufgenommen habe.

SwitchP heißt ja nicht, alles gut zu finden.

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