Gute Reise !

Manchmal hat man Glück und findet jemanden, mit dem man endlos diskutieren kann. Ein Wort gibt das andere, ein ausgesprochener Satz regt das Gegenüber zu weiteren Wortgebilden an.
Meist geht es um ein beide bewegendes Thema und dennoch rückt genau dieses ein wenig in den Hintergrund.
Allein das Ping-Pong-Spiel der Worte zählt.
Ohne Gewinner oder Verlierer.
Es macht einfach nur Spaß.
So etwas klappt, wenn beide die gleiche Sprache annähernd gleich gut beherrschen, ein geradezu übereinstimmendes Sprachverständnis haben und sich sympathisch sind. Oft genau deshalb.
Aber selbst wenn letzteres fehlt: die gemeinsame Lust am Formulieren verhindert, dass verbale Schmetterbälle, die unbedingt dazu gehören, unter der Gürtellinie landen.

Völlig anders, wenn eine der Personen eine andere Sprache spricht als die andere.
Sofort wird das Gespräch langsamer.
Worte werden mit Bedacht gewählt bzw. es werden solche genommen, die annähernd passen.
Oft müssen Umschreibungen reichen.
Ist das Gespräch nun zwingend langweilig ?
Im Gegenteil.
Zunächst einmal erwarten wir von unserem Gegenüber nicht selbstverständlich, dass es uns sprachlich versteht und unsere Gedanken kulturell nachvollziehen kann. Wir erhöhen kurzerhand die Toleranzschwelle für Missverständnisse, unterstellen nicht sofort, dass man nicht verstehen will.
Gleichzeitig werden verstärkt nonverbale Mittel eingesetzt.
Die erzwungene Schlichtheit der Sprache in Kombination mit dem nonverbalen Ausdruck können eine ungewohnte Aufrichtigkeit in das Gespräch bringen. So kann auch eine mit einfachen Worten geführte Unterhaltung einen ungewöhnlichen Tiefgang bekommen.
Dies gilt erst Recht, wenn sich beide einer nur mittelmäßig beherrschten Fremdsprache bedienen müssen.
Interessant dann der evtl. spätere Übergang zu einer gemeinsamen “ Familiensprache“.
Was bleibt von der durch sprachliche Reduktion entstandenen Aufrichtigkeit?

Ist bei einem der Gesprächspartner ein Sinn oder sogar mehrere beeinträchtigt oder ungewöhnlich, wird es spannend.
Mitnichten ist es so, dass es nichts mehr gibt außer Missverständnisse.
Beide sind nun gefordert, einen adäquaten Ausgleich zu finden. Es ist eine gegenseitige Akzeptanz vonnöten, die jedem Gespräch gut täte. Hier sind Erfindungsgeist und Einfühlungsvermögen gefragt.
So kann sich im Laufe der Beziehung zwischen diesen Menschen eine ganz ungewöhnliche, für Dritte vielleicht nicht nachvollziehbare Kommunikationsform entwickeln, die den anderen Beispielen an Intensität, Praktikabilität und anregendem Austausch in nichts nachsteht.

Im Arbeitsumfeld, in der Schule, Sport-oder Kulturverein, Gewerkschaft, Bürgerini oder wo auch immer wir in Austausch mit anderen Menschen treten, begegnen wir uns.
Das wortgewandte Plappermaul dem Hörbeeinträchtigten.
Hochsensible Menschen und Synästehetiker, die ein großes Mehr in die Verständigung bringen können.
Autisten und ADHSler mit ihrer intensiven und detaillierten Sicht auf das tägliche Geschehen.
Menschen mit besonderer Mimik, Menschen ohne die Möglichkeit der Gestik.
Schwer Erkrankte, die gerade erst lernen, mit ihren Beeinträchtigungen und ( zunächst) eingeschränkten Ausdrucksformen umzugehen.

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Menschen, die eng mit einem Menschen mit Behinderung zusammenleben, sei es einem Kind oder Partner, erleben oft, wie positiv sich dieses Miteinander auf das eigene Kommunikationsverhalten auswirkt.
Eine unreflektierte Kommunikation ist quasi nicht möglich.
Hier wird nicht gemutmaßt, dass der andere doch verstehen müsse, was man sagt und meint.
Nichts ist selbstverständlich schon immer so gewesen. Immer wieder wird genau hingeschaut, ob die Botschaft angekommen ist.
Und wenn nicht, nicht gleich verurteilt, sondern ein anderer Weg gesucht.
Habe ich selbst nicht gut gefunkt?
Einfach ist das nicht.
Ein Abenteuer geradezu. Wenn man bereit dazu ist.
Ich kenne niemanden, der das nur mühselig und nicht auch gleichzeitig als sehr bereichernd empfindet

Sicher, manchmal möchte man einen „einfachen Normalo-Dialog“ – aber auch die relativ unreflektierte und oft leider nachlässige Art und Weise, wie er geführt wird?
Denn leider sind unsere gewöhnlichen Dialoge eher selten von der Eingangs beschriebenen zugewandten Leidenschaftlichkeit und Aufrichtigkeit geprägt.

Also, worauf wartet ihr noch?

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Dieser Beitrag entstand im Rahmen der 2. Blogger-Thementage 2013 „Gemeinsam stark“ : hier

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3 Gedanken zu “Gute Reise !

  1. Interessant deine Thema! Selber bin ich hier fremdsprachig und noch mit ADS, was alles nicht einfacher macht. Dadurch auch einiges gelernt. Mich etwas erklären kann immer noch anspruchvoll sein (laut Arbeitsgeber).

    Ich arbeite mit anderen Fremdsprachigen, sogar die sehr wenig Deutsch können und zu kommunizieren geht es! Es braucht manchmal viel Kreativität, viel Körpersprache, viel beobachten und irgendwie geht es. Ich finde es immer wieder spannend! Es geht nicht mehr um wie man etwas wirklich sagt, es geht dann mehr um wie ich etwas jemand anders klar mache.

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