Erkannt

Mein Leben ohne Schwestern führt mich emotional geradewegs in meine Kindheit zurück.
Die eine, zu alt zum zusammen spielen aber zu jung um die Rolle einer Tante zu übernehmen. Die andere, jüngere, in vieler Hinsicht so etwas wie mein Echo, aber oft auch meinen Schall absorbierend.
Letztlich beide fixe Orientierungspunkte in meinem Leben, auch als Erwachsene.
Und sei es manchmal nur, um mich abzugrenzen.
Es fällt schwer, mich ohne sie zu denken.

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Wenn so etwas Schlimmes passiert, funktioniert man erst mal weiter.
Es hat in unserer Familie Tradition, dass die Frauen sich so leicht nicht umhauen lassen. Wir halten irgendwie den Laden am Laufen.
Und dennoch sind sie da: die Traurigkeit, der Schmerz über den Verlust und ja, auch Hilflosigkeit gegenüber diesem Unabänderlichen.

In diesen Tagen bin ich mir als Kind begegnet:

– wütend, alleine gelassen zu werden
– zornig, mich kümmern zu müssen
– trotzig Kontakte vermeidend
– ängstlich Hilfe zurückweisend
– traurig über Verlorenes
– beschämt über eigenes Unvermögen
– unverdrossen weiter machend
– Kontrolle haltend, für Andere da….

…und oft ganz klein, allein.

Manche von euch mögen sie kennen, die Arbeit mit dem “ Inneren Team „.
Eine Methode aus der Kommunikationstheorie ( Prof. Dr. Friedemann Schulz von Thun ) mit deren Hilfe man seine Bedürfnisse und sein Verhalten reflektieren kann:

Wenn wir in uns hineinhören, finden wir dort selten nur eine einzige “Stimme”, die sich zu einer bestimmten Situation oder einem Thema zu Wort meldet. In der Regel stoßen wir vielmehr auf verschiedene innere Anteile, die sich selten einig sind und die alles daran setzen, auf unsere Kommunikation und unser Handeln Einfluss zu nehmen. mehr

Meine Team-Mitglieder sind gute alte Bekannte.
Manche sind über die Jahre immer wieder eingedöst um nur dann wach zu werden, wenn eine emotionale Achterbahnfahrt mit Looping ansteht.
Die ‚wilde Maus‘ überstehen sie mittlerweile mit geschlossenen Augen.

Zur Zeit reden alle durcheinander. Jedes Teammitglied will seinen Platz behaupten, besteht auf seine Daseinsberechtigung und findet sich am Wichtigsten.
Nur das Kleine, Schüchterne, Kindliche traut sich nicht so Recht.
Immer wieder hört es von Außen “ das wird schon, du hältst dich gut, du schaffst das schon “ ….. und mag deshalb noch nicht einmal nach Innen sagen, dass es all das nicht mehr hören kann und dass das überhaupt nicht stimmt.

Und dann kommt da eine fast fremde Frau auf mich zu, sieht genau dieses Kind, nimmt es in den Arm und tröstet es.
Einfach so.

Die anderen im Team halten inne, hören mit dem Lärmen auf.

Auch ich traue mich, einmal von dort aus zu schauen.

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Gute Reise !

Manchmal hat man Glück und findet jemanden, mit dem man endlos diskutieren kann. Ein Wort gibt das andere, ein ausgesprochener Satz regt das Gegenüber zu weiteren Wortgebilden an.
Meist geht es um ein beide bewegendes Thema und dennoch rückt genau dieses ein wenig in den Hintergrund.
Allein das Ping-Pong-Spiel der Worte zählt.
Ohne Gewinner oder Verlierer.
Es macht einfach nur Spaß.
So etwas klappt, wenn beide die gleiche Sprache annähernd gleich gut beherrschen, ein geradezu übereinstimmendes Sprachverständnis haben und sich sympathisch sind. Oft genau deshalb.
Aber selbst wenn letzteres fehlt: die gemeinsame Lust am Formulieren verhindert, dass verbale Schmetterbälle, die unbedingt dazu gehören, unter der Gürtellinie landen.

Völlig anders, wenn eine der Personen eine andere Sprache spricht als die andere.
Sofort wird das Gespräch langsamer.
Worte werden mit Bedacht gewählt bzw. es werden solche genommen, die annähernd passen.
Oft müssen Umschreibungen reichen.
Ist das Gespräch nun zwingend langweilig ?
Im Gegenteil.
Zunächst einmal erwarten wir von unserem Gegenüber nicht selbstverständlich, dass es uns sprachlich versteht und unsere Gedanken kulturell nachvollziehen kann. Wir erhöhen kurzerhand die Toleranzschwelle für Missverständnisse, unterstellen nicht sofort, dass man nicht verstehen will.
Gleichzeitig werden verstärkt nonverbale Mittel eingesetzt.
Die erzwungene Schlichtheit der Sprache in Kombination mit dem nonverbalen Ausdruck können eine ungewohnte Aufrichtigkeit in das Gespräch bringen. So kann auch eine mit einfachen Worten geführte Unterhaltung einen ungewöhnlichen Tiefgang bekommen.
Dies gilt erst Recht, wenn sich beide einer nur mittelmäßig beherrschten Fremdsprache bedienen müssen.
Interessant dann der evtl. spätere Übergang zu einer gemeinsamen “ Familiensprache“.
Was bleibt von der durch sprachliche Reduktion entstandenen Aufrichtigkeit?

Ist bei einem der Gesprächspartner ein Sinn oder sogar mehrere beeinträchtigt oder ungewöhnlich, wird es spannend.
Mitnichten ist es so, dass es nichts mehr gibt außer Missverständnisse.
Beide sind nun gefordert, einen adäquaten Ausgleich zu finden. Es ist eine gegenseitige Akzeptanz vonnöten, die jedem Gespräch gut täte. Hier sind Erfindungsgeist und Einfühlungsvermögen gefragt.
So kann sich im Laufe der Beziehung zwischen diesen Menschen eine ganz ungewöhnliche, für Dritte vielleicht nicht nachvollziehbare Kommunikationsform entwickeln, die den anderen Beispielen an Intensität, Praktikabilität und anregendem Austausch in nichts nachsteht.

Im Arbeitsumfeld, in der Schule, Sport-oder Kulturverein, Gewerkschaft, Bürgerini oder wo auch immer wir in Austausch mit anderen Menschen treten, begegnen wir uns.
Das wortgewandte Plappermaul dem Hörbeeinträchtigten.
Hochsensible Menschen und Synästehetiker, die ein großes Mehr in die Verständigung bringen können.
Autisten und ADHSler mit ihrer intensiven und detaillierten Sicht auf das tägliche Geschehen.
Menschen mit besonderer Mimik, Menschen ohne die Möglichkeit der Gestik.
Schwer Erkrankte, die gerade erst lernen, mit ihren Beeinträchtigungen und ( zunächst) eingeschränkten Ausdrucksformen umzugehen.

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Menschen, die eng mit einem Menschen mit Behinderung zusammenleben, sei es einem Kind oder Partner, erleben oft, wie positiv sich dieses Miteinander auf das eigene Kommunikationsverhalten auswirkt.
Eine unreflektierte Kommunikation ist quasi nicht möglich.
Hier wird nicht gemutmaßt, dass der andere doch verstehen müsse, was man sagt und meint.
Nichts ist selbstverständlich schon immer so gewesen. Immer wieder wird genau hingeschaut, ob die Botschaft angekommen ist.
Und wenn nicht, nicht gleich verurteilt, sondern ein anderer Weg gesucht.
Habe ich selbst nicht gut gefunkt?
Einfach ist das nicht.
Ein Abenteuer geradezu. Wenn man bereit dazu ist.
Ich kenne niemanden, der das nur mühselig und nicht auch gleichzeitig als sehr bereichernd empfindet

Sicher, manchmal möchte man einen „einfachen Normalo-Dialog“ – aber auch die relativ unreflektierte und oft leider nachlässige Art und Weise, wie er geführt wird?
Denn leider sind unsere gewöhnlichen Dialoge eher selten von der Eingangs beschriebenen zugewandten Leidenschaftlichkeit und Aufrichtigkeit geprägt.

Also, worauf wartet ihr noch?

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Dieser Beitrag entstand im Rahmen der 2. Blogger-Thementage 2013 „Gemeinsam stark“ : hier

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Voice of family

Eltern haben oft Angst, den Kontakt zu ihren pubertierenden Kids zu verlieren, sie nicht mehr zu erreichen, keinen Einfluss zu haben, wenn sie Mist bauen.
Das muss wohl so sein.
Gespräche werden seltener, man ist nicht mehr so richtungsweisend.
Häufig dienen wir als Testperson für die Schlüssigkeit der gerade neu gewonnenen Erkenntnisse und Überzeugungen, „Gott und Lotte“ betreffend.
Zurückweisungen sind an der Tagesordnung.
Elterliche Genervtheit ebenso.

Und dann gibt es diese Momente

Die das alles wieder wett machen.
Muttern klimpert alte Songs auf der Gitarre und grölt auch noch dazu.
youtube macht’s möglich : fast für jedes Lieblingslied gibt es ein ‚ how to play ‚ und man muss einfach nur nachmachen bzw. mitmachen, nicht mühsam die richtige Tonart oder Zupf-und Schlagtechnik herausfinden….und die Lyrics kann man eh‘ oder findet sie ebenfalls im Netz.
Teenie, ein Zimmer weiter trainiert Stimme und Körper vorm Spiegel zu den Klängen der Lieblingsband.

So geht das eine Weile….bis wir uns zu fortgeschrittener Stunde in der Küche treffen und gegenseitig die Ergebnisse unseres musikalischen Tuns präsentieren. Ohne Kritik, sich einfach nur anhören, dann einsteigen.
Teenie trällert Elten John und Muttern versucht sich in Within Temptation, einer Gothic Band.
Das ganze dann zweistimmig, Teenie liegt ’ne Runde tiefer als ich.
So geht es eine Weile.
Der neue Tag ist schon längst angebrochen, als wir bei Stand by me angelangt sind, ein Song, den wir beide sehr mögen.

Es fällt schwer, aufzuhören.

Teenie macht wohl noch ein wenig weiter – an diesem Abend, der schon ein Morgen ist. Seltsamerweise erübrigen sich Ermahnungen wie ‚ nimm bitte Rücksicht auf die Nachbarn ‚.
Es klappt von allein….

Muttern verdrückt sich und denkt: ohne Reden geht es auch und solange solche sessions möglich sind, ist alles im grünen Bereich.

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Wort-gleich

Quasselstrippe, Plaudertasche, Sabbeltante.
Das war schon immer so.
Es macht mir Spaß, mit Worten zu jonglieren.
Beobachtungen, Erkenntnisse, Gefühle zu Buchstabenfolgen werden zu lassen.
Eine gelungene Redewendung, ein auf den Punkt gebrachtes Argument, der im Streitgespräch losgelassene Wortpfeil, der in’s Rote trifft – all das bereitet mir Freude.
Mit einem ähnlich veranlagten Gegenüber wird das Ergebnis des Austausches zuweilen zur angenehmen Nebensache.

Verständigung.
Diese spielt in der Welt der Sprache oft eine viel kleinere Rolle, als allgemein angenommen.
Nehmen wir nur mal die Statements der Politiker.
Oder der Experten dieser oder jener Fachrichtung, die mit tollen Präsentationen versuchen zu
glänzen und die uns doch nur wieder ein Stück Lebens(arbeits)zeit klauen.

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Bestenfalls bekommt man hier Informationen.
Wie oft reden Paare, Freunde, Kollegen immer wieder aneinander vorbei?
Lehrer texten ihre Schüler zu, Eltern ihre Kinder.

Verstehen und verstanden werden

Wer möchte das nicht?
Fühlen, was das Baby braucht.
Der Mama ein Küsschen geben, weil sie traurig guckt.
Dieses entgegen nehmen.
Gemeinsam etwas herstellen, bearbeiten.
Zusammen Musik hören oder machen.
Für all das braucht es kaum Worte.
Dort, wo es richtig gut klappt, wird schnell das draus, was wir Liebe, Freundschaft und Gemeinschaft nennen.
Spricht man unterschiedliche Sprachen, steht einem nur ein begrenzter Wortschatz zur Verfügung, wird Kommunikation nicht zwingend sparsamer. Vielleicht sogar im Gegenteil.
Das Ohr hat weniger zu tun, die Achtsamkeit aller anderen Sinne wird vermehrt gefordert.
Eine geteilte gemeinsame Leidenschaft, Interessen, Hobbys, und die Intensität des „sich im anderen erkennen“ nimmt zu.
Es funkt, wörtlich genommen.
Was für ein schönes Gefühl.

Wer sehr engen Kontakt zu Menschen mit speziellem oder eingeschränktem Sprachvermögen hat weiß, dass es Worte oft nicht braucht, sie sogar Barrieren sein können.
Es gibt so viele Sprachen…..nimmt man die ohne Worte hinzu.

Alt, weiblich, Standard versus jung, männlich, Latin.

Charlotte Götze, eine junge Filmkünstlerin, zeigt in ihrer Dokumentation O Mundo Dá Voltas auf einfühlsame Weise zwei Menschen, die eine gemeinsame Leidenschaft auf unterschiedliche Weise teilen. (1)

What if there was a language everybody, regardless of origin, age or gender, could understand?
The maker’s very personal answer to that question is – dance.

Die Lebenssituation der beiden Protagonisten ist kaum vergleichbar und dennoch….aber seht selbst:

O Mundo Dá Voltas – Die Erde Dreht Sich

Wunderbar, wie sich hier Neugier, gegenseitige Akzeptanz, Respekt und Verständnis der Portraitierten am jeweils anderen entwickeln.
Zu verfolgen im ganzen Film : hier

Genug der Worte- anschauen.

(1) so und so
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