Finale

Dieser Abschied ist anders.
Da ist kein knuddeln, winken und lachen. Kein Kloß im Hals und freudiges
‚ziehen lassen‘.
Oder keine Erleichterung und Hoffnung auf eine stressärmere Zeit.
Auch nicht plötzlich, erschreckend und unverständlich.

Wieder einmal sitze ich im Reisemittel meiner ersten Wahl.
Es bringt mich zügig ans Ziel und läßt mir dennoch Zeit, mich darauf einzustellen.
Wie dieser krude Tag bildet der Zug keine übliche Einheit, sondern ist zusammen gestoppelt – ausrangierte 1. Klasse- Großraumwagen, Standard IC- Wagons und Konferenzabteile, alles für alle frei gegeben, wechseln sich ab.

An mir vorbei rasen Felder, grüne Wiesen, Wald und ab und an blitzt ein kleiner Ort auf.
Vor meinem inneren Auge aber zieht mein Leben vorbei.
Was erinnere ich aus der frühen Kindheit, was bedeutete der Mensch, zu dem ich eile, für mich?
Was verband und was trennte uns?

Meine Jugendjahre, heftig, fordernd und provozierend.
Und dennoch: für mich damals unsichtbar stand dieser Mensch mir immer zur Seite.

Einige Jahre Distanz – für beide Seiten die nötige Pause vor einer Annäherung, die von gegenseitigem Respekt geprägt war.

Vielleicht werden wir heute zum letzten Mal zusammen sein.
Ohne viele Worte.
Spüren. Da sein.
Nur darum geht es.
Es ist gut, wenn das möglich ist, irgendwie…..

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Auf dem Rückweg umringen mich Trickot-bewandeten Menschen.
Bunte Hüte, Girlanden, Alkohohl und allerhand andere Zeichen des Dazugehörens.
Die Stimmung: eine Mischung aus Schlager-Move, Love-Parade und Karneval.

Gewiss kennen manche die Perspektive vom Spielfeld aus. Sie können selbst mit mehr oder weniger Geschick einen Ball in hohem Tempo im Zick-Zack über ein Spielfeld begleiten.
Oder haben Schweiß gelassen beim Erwerb einer anderen Sportart.
Ihnen nehme ich das Interesse am Sport ab und wünsche ihnen eine interessantes, faires Match und ungehinderte Sicht auf die Leinwand.

Andere lieben die Party.
Sie würden auch zum public – Sackhüpfen gehen, wenn es eine entsprechend medial begleitete WM gäbe und unsere Hüpfer dort erfolgreich wären ( so ein Fan-Sack wäre für die meisten bedeutend authentischer als ein Sporttrickot).
Prost.

Viele werden stolz wie Bolle sein, so sie es noch nicht sind.
Entsprechende Dröhnerei war nicht zu überhören.
Wir!
Unsere Jungs, unser Pokal!
Das ist‘ ne prima Sache, muss man doch gar nichts dafür tun.
Null Anstrengung, Erfolgsgefühl – maximaler Genuss.
Wo gibts das schon?

Für diese hoffe ich, dass sie in den echten Endspielen ihres Lebens, sei es als Spieler_in oder Begleiter_in, wirklich einmal Grund bekommen werden, stolz zu empfinden.
Wenn ihnen ein Funken Verstand geblieben ist, werden sie den Unterschied merken.

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Totale Begeisterung als Massenphänomen in Verbindung mit Stolz macht mir unangenehme Gänsehaut …

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Ein Gedanke zu “Finale

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