Aus Zeit

Bislang habe ich es noch gar nicht so gemerkt, dass eine Auszeit aus Zeit besteht. Diverse Bürokratie, Termine usw. ließen eher das Gefühl eines privat-Jobs aufkommen. Aber nun. Jetzt geht es los.

Teenie macht es mir schon seit Tagen vor.  Geplagt von der Hitze macht sie genau : nichts.

Irgendwie kann ich das nicht, was mich zu der Bemerkung verleitete, dass mir die Hitze nicht sooooo sehr zusetze. Damit wollte ich natürlich sagen : beweg deinen Hintern, räum mal deinen Kram weg, stell dich nicht so an und troll dich von meinem Sofa. Aber das mit den Anspielungen ist ja nicht so ihr Ding und so bekam ich lediglich die nicht gerade schmeichelhafte Antwort : du hast eben keine innere Wärme.  Vermutlich ohne Hintergedanken und wörtlich gemeint, denn während sie schon im Sonnentop rumläuft, ziehe ich noch immer 2 Schichten an, wenn ich raus gehe.

Alltagsprojekte

Ich könnte also meine innere Wärme suchen gehen. Ich kann mich erinnern, dass die in meinem prä- Muttertier- Leben sicht-und spürbarer war. Ich liebe es, Prozesse in Abschnitten , hier wohl eher Phasen, zu denken.

Phase 1: der Aufprall

Da bin ich in den letzten Wochen durch.

Phase 2: wat nu?

Erst mal rumlungern, verwildern, soweit meine familiären Verpflichtungen es zulassen. Langeweile aushalten.

Phase 3: Dinge tun, die mir Freude machen.

Aufräumen? Gehört eher nicht dazu, wär aber trotzdem ’ne gute Idee. Cello spielen, unbedingt. Die dicken Hitzefinger der letzten Tage sind ja wieder weg. Bluesharp, singen. Rad fahren. Lesen, vllt. auch mal wieder einen Roman. Laut Musik hören, und zwar fiese Teenie provo Stücke. Fotografieren. Balkonien genießen.

Phase 4:  ich bin ganz bei mir, relaxt, gut gelaunt und das Leben ist schön.

Noch Fragen?

PS: wie überhört man die Schreie der unerledigten Steuererklärung und des nach Wartung lechzenden Rechners?

Rest yourself

Weihnachten mag noch so stressig sein – irgendwie ist es doch ein Runterfahren vom Alltag.
Mit seinen (un)geliebten Ritualen, der nicht immer reibungslos verlaufenden Kommunikation und dem dann doch meist gefundenen Kompromiss für die Gestaltung der Feiertage.

Wer aber wie wir in diesem Jahr geliebte Menschen verloren hat kann genau das vielleicht nicht. An alten Ritualen festzuhalten gelingt nicht und macht die entstanden Lücke erst Recht sichtbar.
Neue Rituale gibt es nicht.
Ein Vakuum.

„Wie du das alles wegsteckst“ – als Lob und Aufmunterung gemeint, oft empfunden als Aufforderung , es wörtlich zu nehmen.
Was wir ja tun. Wegstecken, verstecken.

Am heiligen Abend im Stall.
Mampfende Pferde, Hufescharren.
Wind und Meer.

Pause.

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Station Orwell VI

Gerade hatte mich auf die Umstände hier eingestellt, schon ist das Ende da. Mit meinem kleinen “ niemand-will-was-von-mir-Refugium“ ist es vorbei.
Mehr Gedankenströme werden von mir nicht benötigt, Audi-Video-Überwachung reicht.
Ich genieße den Luxus der heißen Dusche und finde mich danach in der Warteschleife des regulären Stationsalltags wieder. Mein neues Zimmer ist direkt neben meinem persönlichen (verbotenen) Outdoor-Bereich, der Feuertreppe.
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Wenn ich es Recht bedenke, hat mir die Abgeschiedenheit gut gefallen.
Außer einem Routine-Check morgens und abends bestand meine einzige Aufgabe darin, mir mein Essen zu holen. Wozu ich höflich über Lautsprecher gebeten wurde.
Es war klar, dass nicht mehr passiert und so habe ich auf nichts gewartet.

Hier ist es wieder anders. Es ist unklar, ob was passiert oder nicht. Fragen danach werden mit ‚ vielleicht‘ oder ‚ später‘ beantwortet. Sich bereit halten und nicht wissen wofür…

Ich versuche, mir ein wenig von der ‚ ich bin mir selbst genug – Haltung‘ zu bewahren.
Hatte ich mich in den ersten Tagen noch über das nicht funktionierende TV aufgeregt, schaltete ich auf der Iso-Station das einwandfrei funktionierende Ding nur für 1einzige Sendung ein.

Lesen ist nun kein Problem mehr.
Aber noch lieber hänge ich meinen Gedanken nach, höre Musik.
Mein neues Zimmer erlaubt mir eine andere Perspektive auf den schönen Park.
Gewonnene Erkenntnisse aus diesen Tagen rufen nach einer neuen Justierung meines Blicks auf meine Zukunftspläne.

Zeit, all die gewonnenen Eindrücke der letzten Tage sacken zu lassen.
Für ein persönliches Arrangement mit mir selbst.
Zeit, die gut tut.

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Station Orwell V

Langsam komme ich mir schon selbst wie eine Beobachterin vor.
Mit Blick auf die inklusive Welt vor meinem Fenster verspeise ich mein Frühstück.
Gymnasiasten eilen in die Schule, Eltern schieben ihre Kids in die Kita oder ins Sozialpädiatrische Zentrum, die Busse der Behindertenwerkstätten trudeln ein, Alte auf dem Weg zum Einkaufsladen, ein Team des Gebäudemanagements, Lieferanten, Radelnde.
Landschaftsgärtner machen ihre erste Pause.
Ein junger Neuzugang mit viel Gepäck.

Das Pflege- und ärztliche Personal dieses ‚Dorfes‘ ist sicher schon eine Weile da.
Wie sonst hätte ich nach nur 3 Stunden Schlaf von dem netten jungen Mann geweckt werden können?
Die Nacht war unfreiwilliger Weise lang.
Annehmlichkeiten wie Kaffe bis Mitternacht, gute Lektüre und viel Musik brachten mich durch die Stunden. Und dennoch kam der Punkt, an dem mir fast die Augen zu fielen.
Nebenan eine junge Frau, der es ähnlich gehen musste.
Unerreichbar.

Hin.
Her.
Wo ist sie jetzt?

Die Kamera folgt mir unerbittlich durch das Zimmer.
Wenn der Sensor mich erfasst hat und das Gerät umschwenkt, bin ich schon wieder in der anderen Ecke.
Aber ich bleibe wach.
Das diensthabende Überwachungsteam kennt nach dieser Nacht meine spezial- Durchhaltesongs, meine Singstimme, weiß, wie ich tanze und wie ich immer wieder bemüht bin, diese motorische Unruhe in den Griff zu kriegen.
Was ich nicht zeigen mag: mein Gesicht beim Tanzen, beim Denken, beim Trauern um die Lieben, die dieses Jahr gegangen sind.

Wenn dir Melodien
Liebe Stunden wiederbringen,
Laß mit freienSchwingen
Deine Sehnsucht ziehn.

Nimm das Glück wie einst,
Daß dir Träume gütig spinnen,
Laß die Tränen rinnen,
Wenn du weinst.

( J. Ringelnatz, Schöne Musik )

Gedanken kommen und gehen.
Einige immer wieder.
Ich heiße sie willkommen.
Es ist nicht die Zeit, konstruktiv zu sein, etwas zu schreiben z.B.
Dafür muss mein Gehirn frisch sein, jeder Tag ein neues Blatt.

So schwer es mir fällt, ohne Bewegung auszukommen, so erholsam sind die Tage dieses Stillstandes dennoch.
War ich doch schon wieder viel zu oft auf der Überholspur.
Das Wenige, mit dem ich hier umgeben bin, reicht.
Die viele Zeit nur für mich tut gut.

So einen Zwangsstop bräuchte ich öfter.
Wenn ich heiß gelaufen bin, oder besser : vorher.
Wie organisieren sich das Menschen ohne Wochenendhaus, Wellness-Weekend, mit familiärer Verantwortung und beruflicher Belastung?
Menschen die es reizt, an ihre Grenzen zu gehen aber mit der Tendenz, nicht zu spüren, wann es genug ist ?

Bei allen Einschränkungen: dieses aus-der-Welt- sein, es möge noch etwas andauern.
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Station Orwell IV

Was ist heute für ein Tag?
Noch schneller als im Urlaub verliere ich das Zeitgefühl.
Körperlich ausgeruht, springen meine Gedanken umso mehr.
Ich könnte mal dies, würde gern das……
Alles graue Theorie zur Zeit.
Schon jetzt bedaure ich, dass ich niemals all diese tollen gedanklichen Projekte auch nur beginnen werde.

Für meine Raumstation habe ich wunderbare Verbesserungsvorschläge, die bestimmt keiner hören will, ich werde sie hoffentlich für mich behalten.
Diese einmalige Station im Bundesgebiet ist noch nicht einmal ausgebucht.
Nicht wg. mangelnder Nachfrage, sondern aufgrund von Personalmangel.

Draußen reges Treiben.
Schulkinder gehen über das Gelände.
Krankentransporte, Lieferwagen.

Innerlich bin ich heute ruhiger.
Max Hölz, Rosa Luxemburg, Emma Goldmann, Nelson Mandela, Angela Davis, Ulrike Meinhof……Menschen, bei denen ich mich seit meiner Jugend frage, wie sie die Isolation unter 1000 x schlechteren Bedingungen als ich sie jetzt hier habe, ausgehalten haben.
Ich ahne ganz entfernt, welche Kraft Überzeugung hat.
Welche Haftungserleichterung Papier und Schreibgerät sind.

Mir fällt es allein schon schwer, hier ein wenig Gymnastik zu machen.
Ist es doch das Wenigste, das ich in dieser Iso-Situation für mein gutes Körpergefühl tun kann.
Selbst-Disziplin.

Was täte ich ohne web 2.0. und ohne Musik aus der Konserve?

Immerhin: Bluesharp konnte ich hier gestern ( leise ) spielen.
Ich möchte meine Gitarre haben….seufz.

Rocketman – timeless flight – Sittin‘ On The Docks Of The Bay – watchin‘ the tide- wastin‘ time…. Every breath you take – and every move you make – every bond you break – every step you take – I’ll be watching you…..

Einige meiner Lieblingssongs strömen heute morgen durch meine Kehle.
Ich denke mir nichts dabei, dass jemand zuhört.
Gut, dass ich ein Einzelzimmer habe.

Mit dem Sport ist es schon schwieriger.
Die Verkabelung schränkt meine Bewegungsmöglichkeit ein.
1,80 m Radius lassen zwar ein wenig Auslauf zu.
Aber Drehungen können zu Fallstricken werden.
Der umgehängte Brainbox verheddert sich mit mir und dem Kabel.
Und was ist mit den Erschütterungen beim Springen?
Na ja, die werden schon kommen und meckern, wenn ich zu weit gehe.

Auch hier eine vorsichtige Ahnung, was Bewegungseinschränkung für mich bedeuten würde.
Duschen ohne die Elektroden nass zu machen erfordert eine genaue Handlungsplanung. Sich anziehen in verkabeltem Zustand ist kompliziertes Getüddel.
Räumliches Vorstellungsvermögen ist gefragt.

So konzentriert /fokussiert ich in Stresssituationen auch handeln kann – im Ruhezustand bin ich extrem zerstreut und hier sogar vertüddelig :

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So what?
Bewegung, Musik, Kommunikation …. mein Lebenselixier.
Was auch immer letztlich hierbei herauskommt, ich werde am Ende einiges Neues über mich erfahren haben.

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Station Orwell III

Nun ist es soweit.
Das total-Monitoring hat begonnen.

Ich habe ein schönes großes Zimmer für mich alleine.
Weiße, blanke Wände.
Ein riesiges Fenster beschert mit den Blick in einen Park. Heute ist es windig, viele Parkbesucher nehmen Kastanien auf.
Herbstzeit.

Ah…da bist du!

Kontakt zu den Menschen im Überwachungsraum erfolgt über Lautsprecher.
Wenn ich meinen Standort im Zimmer verändere, folgt mit die Kamera mit einem leisen Brummton.
Gerade eben bekomme ich aus dem ‚Off‘ die Aufforderung, mich auf der anderen Seite des Zimmers aufzuhalten, damit die Kamera mich erfassen kann.
Noch nie war ich so abgeschnitten von der Welt und doch so angekettet.

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Ich darf 20 min. tägl. das Zimmer verlassen.
Noch genieße ich die Ruhe…..aber mir graut vor der Isolation der nächsten Tage.

Ich möchte lesen, wenn ich Lust dazu habe, nicht weil ich jetzt Zeit ohne Ende habe.
Die Bewegungs- und Beschäftigungslosigkeit macht mich lustlos.
Meine ( relative, persönliche) Autonomie abzugeben ist mit zuwider.
Ich muss mich fügen.
Kann nichts beschleunigen.
Das bereitet mir mehr Pein als die Gewissheit, beim in-der-Nase-Bohren beobachtet zu werden.
Fast schon wünsche ich mir ein paar Belastungstests, nur damit etwas passiert.

Ich wollte das hier als Entspannungs-‚urlaub‘ nehmen.
Im Park ist schon lange niemand mehr.
Wie ein Mobilphone, das ein Netz sucht, fühle ich mich.

Können sich ADHSler in so anregunsarmer Umgebung entspannen?
Ich auf jeden Fall nicht.

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Flow

So leicht kann leben sein.
Teenie hat sich verabschiedet, um mit dem Studi-Nachbarn die Welt der Kunst- Uni zu erkunden.

Eben noch geplant, die unerwartet freie Zeit in der Frühlingssonne zu verbringen, fange ich an, ein wenig ‚ klar Schiff ‚ in der Wohnung zu machen. Ausnahmsweise gefällt es. Dabei sind auch Dinge, die eigentlich Teenie machen müsste. Aber so ist das nun einmal: ein Leben mit und wie NT’s fordert Zeit und Kraft. Da bleiben Pflichten eben liegen. Ich freue mich für sie für diesen Nachmittag.

Immerhin muss ich nicht einkaufen, das machen die beiden Youngster.

Zeit für ein Päuschen und ein Telefonat, welches zeitlich etwas ausartet. Macht nichts. Die Sonne sah das anscheinend nicht so, hat sich zurückgezogen und lässt sich von Regen, Wind und Hagel vertreten.
Auch gut. Bleib ich heute hier.
Noch ein Käffchen…..

Pünktlich zur Abendessenszeit stehen zwei völlig durchnässte, gut gelaunte und hungrige Ausflügler – ohne Einkaufstaschen – vor mir.

Zum Glück gibt es noch Suppe von gestern.
In der Aufwärmpause für Mensch und Nahrung trudelt Nachbarin 2 , knapp über 20 und Erzieherin, bei uns ein.
Ach ja, Teenie wollte ja Regeln vereinbaren und hat sich Unterstützung organisiert.

Während die Mädels sich zur Beratung zurück ziehen, decke ich den Tisch.
Eigentlich ist doch alles ganz einfach. Es braucht nur ein paar zugewandte, unvoreingenommene Menschen. Diese beiden jungen Menschen in unserem Haus sind das Gegenteil von dem, was von der Jugend allgemein behauptet wird…

Das Abendessen verläuft in angenehmer Atmosphäre. Was essen wir morgen ohne Einkauf?
Teenie macht seit einigen Tagen Praktikum in der Küche und hatte uns Bekochung in Aussicht gestellt.

Die Lösung für den Versorgungsengpass ist schnell gefunden.
Den Fischmarkt quasi vor der Tür sichere ich meinen Teil zum Sonntagsschmaus zu.

Bio ist nicht nur gesünder und schmackhafter, sondern auch günstiger.

Das stelle ich für mich seit einigen Wochen fest.
Zu einem guten Teil habe ich mich vom Einkaufsstress befreit und eine Biokiste abonniert.

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Erst hatte ich Bedenken, ob ich das Zeug auch verbrauche. Aber wir essen seitdem nicht nur geplanter, sondern es landen auch keine
‚ach je, das-habe-ich-ganz -Vergessens‘
mehr im Müll.
Für mich dürfte es maximal 2 Sorten eines jeden Produktes geben, es dürfte niemals umgeräumt werden im Discounter und Sonderangebote bräuchte ich auch nicht.
Warenvielfalt – nein Danke!

Nun aber werde ich mich auf den Fischmarkt begeben, wo ein vermeintliches Angebot das andere überbietet.

Luft – Eiweiß – Vitamin- Diät

Großstadtstrassen ohne Autos, Sonne satt und kühle Luft.
Ich sollte mir eine kleine Sonntags-morgens-Radtour angewöhnen.
Natürlich ist es auf dem Fischmarkt laut und wuselig.
Es wird etwas geboten für die Touris. Hamburg soll so aussehen, wie sie es sich vorstellen.
Es ist schon lange her, dass ich hier war.
Zur Orientierung drehe ich zunächst eine Runde.
Und schon geht es los: sieht dieser Fisch besser aus als der da drüben? Welcher ist günstiger?
Kann ich auch kleinere Mengen kaufen?
Wo ist der Haken? Viel Ware für wenig Geld….da muss doch etwas nicht stimmen. Davon ausgehend, dass hier kein Standbetreiber steht, der nichts verdienen will, kommen ja nur ‚ Mogelpackungen‘ oder Niedrigstlöhne im Hintergrund in Frage. Oder beides.

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2 alte Bauern verkaufen lebende Hühner und Kaninchen.
Bisschen Obst aus dem Alten Land.
Auffallend viele gleichartige Obststände mit identischen Angeboten, nicht von hier.
Holländische Blumen.
Schmuck und Nepp für die Lieben zu Hause.
Bratwurst, Fischbrötchen und Bier.

Als Einheimische weiß ich, dass man bis kurz vor Torschluss warten muss, um halbwegs günstig einzukaufen.
Ich spaziere in die Fischauktionshalle, wo mir laute Rockmusik entgegendröhnt.
Die Musiker dieser Cover-Band nicht mehr ganz frisch, die Songs auch nicht, dafür aber ihre Musik. Gefällt mir.

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Noch etwas mehr als 30 Minuten bis Marktschluss.

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Den Fisch für Teenies Menü habe ich schon, ungefähr doppelt so viel, wie wir brauchen.
Und Matjes, an dem ich einfach nicht vorbei kam, obwohl ich den Trick wirklich blöd fand:
4 Stück 5 €, 2 Stück gibt‘ s nur für den Einzelpreis à 2 € – arghhh!

Mich zieht es zum Bäcker an der Ecke mit den Tischen in der Sonne. Ein Cappuccino und dabei überlegen, was ich noch an Obst mit nehme. Wo wollte ich das noch holen? Lieber einzeln oder …..

Welches Nahrungsmittel in welcher Menge in welcher Ausführung?

Ich hab’s gewusst.
Verglichen mit dieser, alle Sinne ansprechenden Frage sind die Entscheidungen, die ich täglich beruflich zu treffen habe und die von vielen Menschen für kompliziert gehalten werden, ein Kinderspiel.

Das Schlusssignal ertönt. Nun aber.
Natürlich finde ich den Stand, an dem ich die besten Sachen gesehen habe, nicht mehr. Menschen aus den umliegenden Wohnhäusern kommen schnell noch vorbei, jetzt ist es ihr Wochenmarkt.
Die ersten markenbekleideten Elbjogger trippeln durch das Treiben.
Menschen in abgetragenen Klamotten schauen schon einmal, was heute so liegen bleibt.

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Völlig überfordert in dieser Endverkaufsstimmung schaffe ich es nicht, mir selbst mein Obst zusammenzustellen und ich nehme für einen 10er, was ich kriegen kann. Und deutlich mehr ist, als wir in den nächsten Tagen essen werden.
Puh.

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Zu Hause himmlische Ruhe .
Teenie schläft noch.
Ich breite meine Beute aus.
Im Großen und Ganzen bin ich zufrieden.
Ein kleines vorgezogenes Mittags-Nickerchen und dann ein leckeres 2. Frühstück, das für Teenie das Erste ist.
Der Matjes …hmm.

Teenie fängt gleich mit der Planung des Essens an.
Nein, keine Hilfe. Das ist ihr Ding.
Später folgt in Seelenruhe ein Arbeitsschritt dem Vorigen.
Hier wird nicht einfach drauflos geschnippelt, sondern gerade erlernte Schneidetechnik geübt. Da braucht man keine hektische Mum in der Nähe, die dilettantisch ergebnis – und zeitorientiert Gemüse zerhackt.
Im Hintergrund der Ton eines englischsprachigen, schon x – Mal angesehenen Animé.
Zufrieden mit sich selbst.

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Ein Wochenende, das sorgsam in meiner Schatztruhe verstaut wird.

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Bereitschaftsdienst, immer

Auch wenn Erziehung im engeren Sinne nicht mehr von Eltern von Teenies
gefordert wird, Verantwortung tragen wir immer noch.
Viele von uns allein und meistens sind wir Mütter.

Brauchen unsere Kids mehr Unterstützung als Gleichaltrige, zieht sich zwar nicht die Zeit der Erziehungstätigkeit, aber die der Rufbereitschaft hin.
Aus guten Grund sieht unser Arbeitszeitgesetz Ruhezeiten zwischen den Arbeitstagen vor und es ist längst gerichtlich geklärt, dass Bereitschaftsdienst Arbeitszeit ist.
Humane Arbeitwelt – und was ist mit der Familienwelt?

Der Mut der Mücke

Ein Feature von Marie von Guck im Deutschlandfunk beschreibt sehr treffend, wie es in unserem reichen Land zugeht für die Menschen, die bereit sind, sich auf Kinderkram, notfalls auch allein, einzulassen.

Alleinerziehend zu sein, ist in Deutschland Armutsrisiko Nummer eins. Trotz der sich verschärfenden sozialen Lage wächst keine andere Bevölkerungsgruppe so rasant wie diese, und die Zahl ihrer von Armut betroffenen Kinder nimmt stetig zu.

Sind Frauen, die sich entscheiden, Kinder allein großzuziehen, verantwortungslos? Naiv? Fatalistisch? Blind für die Folgen? Oder trotzig?mehr

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Atmender Lebenslauf

Nun sitze ich hier also, in der ersten Senioren- Vorlesung meines Lebens.
Uiiiiih….damit hatte ich so nicht gerechnet.
Diese Vorlesungsreihe an der Uni ist nicht etwa für Senioren ausgeschrieben, aber es sieht so aus.

Der Hörsaal riecht genau wie früher und weckt Erinnerungen an schleppende Minuten meines Studiums. Von Stunden kann ich nicht reden, denn es war mir unmöglich, der einschläfernden leb- und lieblosen Darstellung von Gesetz und Recht viel länger als eine halbe Stunde zu ertragen. Dann lieber ein Flugblatt zur Ungerechtigkeit der Welt gepinselt oder mich physisch verabschiedet. Ich liebte die Randplätze und habe auch heute vorsorglich einen solchen eingenommen.
Im Rahmen einer interdisziplinären Ringvorlesung der hiesigen Universität erwartet mich heute das Thema:

Momente – Perspektiven und Wahrnehmungen von Zeit

Prof. Dr. Ulrich Mückenberger hat sich Gedanken über das ‚Recht auf eigene Zeit‘ gemacht.
Irgendwie sonderbar, war er doch schon Professor, als ich noch Studienanfängerin war.
Wie die Zeit vergeht….

Das Thema Zeit hat mich schon immer fasziniert.
Mein eigenes, (zu) schnelles (Lebens-) Tempo. Das gegenteilige von Teenie.
Zeit spielt eine Rolle beim Musizieren, in der Komunikation, Arbeiten….und Ruhen.
Zeit wird unterschiedlich wahrgenommen . Unterschiedlich genutzt. Zu oft wird eine individuell sinnvolle Nutzung und Einteilung verhindert durch Rahmenbedingungen, die den Bedürfnissen der/des Einzelnen widersprechen.

Die Ideen des Profs sind so neu nicht.
Er arbeitet schon lange an diesem Thema, nicht allein, sondern in der Gesellschaft für Zeitpolitik..
Die Vorschläge sind nicht realistisch im Sinne von eben mal gemacht.
Immerhin hat sich auch die EU schon Gedanken darüber gemacht, in der Sozialcharta von 2010.

8. Abschließend ruft der Kongress das Ministerkomitee des Europarats auf, das „Recht auf Zeit“ einzubeziehen. Er empfiehlt dem Ministerkomitee, die relevanten Organe des Europarats aufzurufen, insbesondere jene, die sich mit der Gleichstellung der Geschlechter und sozialem Zusammenhalt befassen, sich ausdrücklich mit der Zeitpolitik zu befassen und die Zeitverwaltung in ihre Aktivitäten aufzunehmen, zusammen mit den Konzepten „Zeit-Wohlbefinden“ und „zeitliche Lebensqualität“. Quelle

mehr

Ich höre vom Einheit des Alltags.
Der zerrissen sei in ein Puzzle.
Zerissenheit habe ein Geschlecht: sie sei weiblich.
Die Sicherstellung der eigenen Zeit, womit eine selbstbestimmte Zeiteinteilung gemeint ist, sei zunehmend prekär.
Die Anerkennung eines „Atmenden Lebenslaufs“ führe weg vom starren 3 Phasen Modell: Ausbildung, Arbeit, Ruhestand ( Karin Jurzyk 2013 hier und hier ).
So laufe das heute längst nicht mehr, wir tun nur noch so.

Es lohnt sich, mal genauer über die Ressource Zeit nachzudenken. Zeit als kulturelles Medium zu verstehen.
Selbstbestimmung einzufordern und zu gewähren.
Das hat auch etwas mit Demokratie zu tun.
Neue Rechte entwickeln sich immer wieder einmal: z.B. das allgemeine Wahlrecht. Oder das Recht auf informelle Selbstbestimmung, das 1992 im Volkszählungsurteil als Grundrecht anerkannt wurde.
Wie viele andere Rechte wird es mit Füßen getreten, was jedoch nichts an seiner Existenz ändert.
Am Anfang steht fast immer eine abwegige Idee, sind es ‚ Fantasten ‚ , die diese Idee verfolgen und voran treiben …..das schreckt mich nicht.

Im kleinen habe ich mir mein „Recht auf Zeit“ längst zurück erobert . Konflikte in Beruf und Familie inklusive.
Beruf und später auch Mutterschaft hatte mein inneres Zeitkonzept massiv gestört. Über die Jahre war ich nicht nur aus meinem Takt gekommen, sondern irgendwie aus der Welt gefallen.
Ich bin wieder reingeklettert und achte fortan auf meinen Rhytmus.
‚Nein‘ ist ein wunderbares Wort , wenn es zum ‚Ja‘ zu sich selbst führt. Damit meine ich nicht den Ego-Elllenbogen- Trip!
Wieviel leichter wäre es, wenn das gesellschaftliche Korsett weniger starr wäre!

Welche Mengen an Lebensenergie werden täglich verbraucht, um gegen den fremdbestimmten Zeittakt anzukämpfen?
Lernen, wenn man müde ist. Büffeln statt spielen.
Prüfungen nehmen die Zeit zum erwachsen werden.
Zeit haben, wenn man arbeiten möchte. Keine, wenn die Familie ruft. Urlaub machen, wenn der Betrieb steht und keinen, wenn Hochsaison ist. Nachtarbeit für Nachtigallen, Frühschicht für Eulen.
Nach der Rente nix zu tun, vorher umso mehr.
Einmal Teilzeit – immer Teilzeit.
Ehrenamt als Luxus. Kultur ebenso.
Und Muße erst….

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Wie soll das alles bezahlt werden?
Auch hierfür gibt es eine Idee:
Wenn die Zeit im Rahmen einer Erwerbstätigkeit verbracht wird – und dazu gehört auch berufliche Weiterbildung- zahlt der Arbeitgeber. Nutzt das Engagement der Gesellschaft , zahlt Allgemeinheit.
Wenn es reines Privatvergnügen ist, wird auch privat gezahlt.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen könnte die finanzielle Basis sein, auch dazu gibt es schon viele Ideen.

Unausgegoren, klar.
Aber ich halte es in diesem Fall mit Hermann Hesse:

Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen.

Inklusion paradox II

Irgendwann ist Schule Historie und der Schritt in’s Arbeitsleben liegt an.
Berufsorientierung wird an den Schulen heute groß geschrieben, es gibt sogar Zertifikate dafür.
“ Schule mit vorbildlicher Berufsorientierung“ , das dürfte nicht nur im hiesigen kleinen Stadtstaat so sein.
In der Praxis sieht das dann nicht immer so rosig aus, nachzulesen in meinem Beitrag Reality-Show Bewerbung.

In einer illustren Runde hochkarätiger Verwaltungsbeamter hatte ich kürzlich das zweifelhafte Vergnügen, die Auswahlinstrumente für zukünftige Verwaltungsangestellte/beamte des mittleren Dienstes präsentiert zu bekommen.
Also für die jungen Menschen, die mit Realschulabschluss oder Abi direkt in die öffentliche Verwaltung wollen.
Für die Akademiker_innen gibt es andere Verfahren.

Nun ist es ja nicht so, dass man sich heutzutage einfach nur bewirbt. Viel zu einfach.
Zukünftige Versicherungssachbearbeiter_innen werden im Klettergarten auf Teamfähigkeit geprüft.
Ach, du würdest Dachdecker_in werden, wenn du schwindelfrei und sportlich wärst?

Also, warum sollte es im öffentlichen Dienst (ÖD) anders sein, immerhin werden diese Beschäftigten von unseren Steuergeldern bezahlt.
Damit nicht unnötig viel Zeit der bereits im ÖD befindlichen Menschen verplempert wird, können Schulabgänger_innen sich in einem self-Assessment selbst checken: C!You macht’s möglich.

Wir bieten Ihnen die Möglichkeit schon vor einer schriftlichen Bewerbung selbst zu prüfen, ob das Berufsbild der Allgemeinen Verwaltung Ihren Fähigkeiten und Interessen entspricht. Erleben Sie uns spielerisch, interaktiv und anonym!

Wird in der ersten Runde noch gespielt, muss sich der/die selbst-gecheckte/r Kandidat_in im nächsten Schritt daran machen, eine Bewerbung zu schreiben.
Mit ein wenig Glück landet diese nicht bei den 50% für die Rundablage bestimmten.
Sondern es geht weiter zum Präsenz-Eignungstest.

Psychologische Eignungstestung

2 sehr kompetente junge Psychologinnen klärten die Beamtenrunde nebst mich darüber auf, was es damit auf sich hat. Natürlich keine Persönlichkeitstestung, es geht nur um Leistung. Alles streng nach DIN XYZ.
Soll jetzt alles elektronisch gemacht werden.
Das fänden die jungen Leute toll.
Und die Auswertung sei schneller. Mühsames Schablonen-Auflegen entfalle.
Das Ergebnis sei 4 Tage früher da. Was für eine Verbesserung.
Da wird die Privatwirtschaft aber staunen.

Wer sich im Test als geeignet zeigt, darf dann endlich ins Assessment.
Dort dann noch mal 3 Testblöcke in der Gruppe.

Selbstverständlich ist Chancengleichheit garantiert. Schwerbehinderte können sich vorab melden und bekommen ihrer Beeinträchtigung entsprechende Testbedingungen.

Wer all‘ diese Hürden geschafft hat, darf in’s Vorstellungsgespräch.
Ein echter Dialog, wie ging das nochmal?

Bestenauslese

Beste/r schon vor Ausbildungsbeginn.
Im Eignungstest sicher an der richtigen Stelle das Kreuzchen gemacht.
Nicht zu nervös gewesen.
Im Assessment sozialkompetente/r Tonangeber_in.
Oder gute/r Schauspieler_in.

Wird dieser Mensch seine Arbeit mit Hingabe machen? Wird er ein zuverlässiger Kollege sein?
Was bringt er besonderes ein, in’s Team?

Inklusion!
Tönt es in jeder Sonntagsrede unserer örtlichen Politiker_innen.
Der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in der öffentlichen Verwaltung soll erhöht werden. Niemand verloren gehen.

Was ist mit den Menschen, die etwas Zeit brauchen, um in eine Aufgabe hineinzuwachsen?
Denen man die Möglichkeit geben muss, sich an der Aufgabe zu entwickeln?
Die in Tests schlecht abschneiden, in der Praxis aber überzeugen können?
Ohne anerkannte Schwerbehinderung, aber dennoch durch ein so dermaßen standardisiertes Auswahlverfahren ohne Chance sind?

Mit anderen Worten: jenseits der Norm?

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