Un-Nötig

Teenie spielt seit 8 Jahren Geige.
In ihrem Geigenensemble haben Vivaldi, Bach und Mozart ebenso Platz wie Gershwin, ABBA, Fluch der Karibik und andere Filmmusik.

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Seit 8 Jahren kämpft sie gegen das Notenlernen.
Noten würden sie verwirren. Sie könne nicht in der Zeile bleiben, mit den Augen nicht so langsam über das Blatt gleiten und es lenke sie von den Dingen ab, auf die es ankäme.

Ausgestattet mit einer Synästhesie, welche sie Töne schmecken lässt, kann sie auch lange und komplizierte Stücke ruck-zuck auswendig.
Lieder, deren Melodie sie kennt, spielt sie auf Anhieb in der richtigen Tonart mit.
Was gibt es Entspannenderes, als sein Lieblingsstück immer und immer wieder auf der
Geige mitzuspielen?

Die Entspannung beim Musizieren hört jedoch hinter unserer Wohnungstür auf. Etliche Musiklehrer sind bereits daran gescheitert, sie zum Notenlesen zu zwingen. Bestenfalls erreichen sie, dass sie so tut als ob.
Zum Glück geben die Lehrer irgendwann auf.

Heute gab es dann mal wieder Theater mit dem neuen Lehrer. Der kann es einfach nicht fassen, macht Druck und in einer Woche soll sie das gefälligst können. Und nicht so verkrampft sein, und dies….und das…

Na ja, ich glaube ja auch, dass das Notenlernen nicht der Akt ist. Aber für sie längst zum Symbol geworden für die Frage:

darf ich so sein wie ich bin, darf ich so lernen wie es für mich passt?

Teenie hat sich mittlerweile gewappnet: Paul McCartney, Jimmy Hendrix, Phil Collins , Eric Clapton, Michael Jackson….. tolle Musiker, die keine Noten können würden/ gekonnt hätten.
Hendrix habe z.B. alles in Farben notiert, auch Collins hätte seine eigene Notation entwickelt.
Nach Noten spielen sei wie Malen nach Zahlen.
Uff.

Auf ihre Frage dann, wie ich das denn mache, muss ich gestehen, dass ich mir vorgenommen habe, nun auch endlich im Zusammenhang mit dem relativ neuen Cellospielen Noten zu lernen…..äh, ich kann nur mehr schlecht als recht vom Blatt spielen . Ich weiß mit welchem Finger ich wo auf welche Seite “ drücken “ muss, aber wenn meine Cello-Queen sagt : weiter beim „gis“ muss ich rechnen. Auch ich rutsche oft in die falsche Zeile und besonders bei längeren gleichförmigen Passagen verliere ich den “ Anschluss“.
Na ja, gemerkt hat man das noch nicht einmal in der Abi-Musikprüfung.
Wirklich brauche ich Noten nur um völlig unbekannte Stücke zu lesen und bei ungeübten Stücken im Quartett: damit dort die Pausen stimmen und ich die anderen Stimmen mitlesen kann.
Aber damit es mir richtig Spaß macht, sind Noten nicht erforderlich, sind sie eher hinderlich.

Hätte Teenie nicht auch den Orchester-Lehrer, der nach der Suzuki-Methode unterrichtet und bei dem Spielfreude an erster Stelle steht, eine kunterbunte Kinderschar gewöhnt ist und die Kids da abholt wo sie stehen, würde sie sich sicherlich nicht darüber sorgen, ob sie nicht bald zu alt für diese Gruppe ist.
Aber nur im Orchester geht halt nicht……und so müssen Kompromisse gefunden werden.

Pro Forma lernen wir nun also ( wieder einmal ) Noten…..bis nächste Woche.
Wir haben ja sonst nichts zu tun.

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