Unheimliche Nähe

Nur rund 300 m von meinem Wohnhaus entfernt wurden gestern vor 80 Jahren – am 1. August 1933 – vier junge Männer von den Nazis mit dem Handbeil hingerichtet:
Bruno Tesch (20)
Walter Möller (28)
Karl Wolff (33)
August Lüttgens (35)
Allein der Gedanke daran lässt mich schlucken, beklemmt mich.
So nah.

Vorangegangen war der legendäre Altonaer Blutsonntag im Juni 1932.

Am 17. Juli 1932 marschierten 7000 SA- und SS-Männer uniformiert und teilweise bewaffnet durch Ottensen und Bahrenfeld in Richtung Altona. Starke Polizeikräfte schützten den Aufmarsch. Dieser öffentlich angekündigte Propagandamarsch stellte eine gezielte Provokation im bekanntermaßen „roten Altona“ dar, Angriffe und gewalttätige Zwischenfälle waren zu erwarten. Die Anhänger der Kommunisten und der „Antifaschistischen Aktion“ hatten Widerstand angekündigt und Häuserschutzstaffeln gebildet.
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, auch zu den Hinrichtungsopfern

Der Stadtteil, in dem ich lebe, war bekannt dafür, dass die Nazis hier schlechte Karten hatten. Gut organisierte Arbeiter_innen stellten sich den Nazis entgegen. Träumten von einer anderen Welt als dem Tausendjährigen Reich. Und kämpften dagegen.
Abruzzen nannten die Nazis ihn. Als Synonym für eine Gegend, in der in ihrer rassistischen Denkweise „Pack“ lebt.
Stolperviertel – so heißt es heute im Polizeijargon. Weil hier so viele Migranten und Arme leben, eine Gegend also, in der Polizeieinsätze nicht mit Samthandschuhen gefahren werden. Erst kürzlich gab es wieder polizeiliche Übergriffe, bei denen verdächtig (arm, dunkel, anders) aussehende Jugendliche einfach mal so eben unsanft kontrolliert wurden. Und eine Demo als Reaktion darauf. Mehr Info dazu hier

Vielleicht ein Grund dafür, dass gestern viele junge Menschen an der jährlichen Gedenkveranstaltung der VVN – Bund der Antifaschisten teil nahmen.

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Firma Neupack. Ein 8monatiger Streik, der durch die Medien ging.
Murat Günes, vor Jahren noch als “ Türkenbetriebsrat “ beschimpft, heute angesehener Betriebsratsvorsitzender.
Er erzählt, wie türkische und deutsche Kollegen sich gemeinsam zur Wehr gesetzt haben.
Was alles möglich ist, wenn rassistische Vorurteile nicht im Weg stehen.
Dass auch heute Solidarität nötig ist, um erfolgreich zu sein.
Noch ist das letzte Wort bei Neupack nicht gesprochen, Kollegen sind noch immer vom Arbeitsplatzverlust bedroht, bei Günes selbst wird darüber sogar ein Strafgericht entscheiden.

Bis zuletzt war der Knackpunkt in den Verhandlungen bei Neupack eine sogenannte Maßregelungsklausel, durch die sich der Joghurtbecher-Hersteller verpflichtet, auf Sanktionen gegen die am Streik beteiligten Mitarbeiter zu verzichten – unter anderem auf die Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden Murat Günes. Neupack hat angekündigt, zwar grundsätzlich auf arbeitsrechtliche Maßnahmen zu verzichten. Ausgenommen davon seien jedoch Fälle, in denen schon Strafverfahren laufen. So wird letztlich ein straf- und kein arbeitsrechtlicher Beschluss darüber entscheiden, ob Günes seine Stelle behält. Er soll einen Vorgesetzten an der Streikpostenkette geschubst und eingesetzte Leiharbeiter genötigt haben. Beschäftigte bestreiten dies.
Unklar ist bisher auch, was mit den Dutzenden nun überzähligen Beschäftigten passiert. Denn Neupack hatte nach Streikbeginn am 1. November vorigen Jahres bis zu 60 polnische Leiharbeiter als Streikbrecher eingesetzt, die aus arbeitsrechtlichen Gründen im Verlauf des Konfliktes befristet zum Teil bis 2014 eingestellt wurden.
Beobachter rechnen deswegen damit, dass sich die Lage bei Neupack so schnell noch nicht beruhigt. Weil die Inhaberfamilie Krüger sich geweigert hat, einen Tarifvertrag abzuschließen, ist die Belegschaft an keine Friedenspflicht gebunden, kann also jederzeit wieder streiken.
Quelle

Hamburg, das Tor zur Welt.
In dem zur Zeit eine Gruppe libyscher Kriegsflüchtlinge, Lampedusa, auf der Strasse lebt und darauf hofft, hier in Sicherheit bleiben zu dürfen.
Auch sie brauchen Unterstützung in einer Welt des Tötens, Ab- und Ausgrenzens.
Sie erfahren von offizieller Seite eher Ablehnung, Freundlichkeit und Offenheit hingegen von vielen hamburger Bürger_innen.

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OneStepAhead – jugendliche/ junge Rapper aus einem sogenannten Problemviertel haben sich mit den vergangenen und aktuellen Diskriminierungen, letztere zu oft selbst erlebt , auseinandergesetzt und einen coolen track über Bruno Tesch geschaffen ( demnächst hoffentlich auf yt).

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Diese Kids sind Klasse, talentiert und politisch bewußt.
Ihnen wünsche ich sehr, dass sie, auch falls ihr Haus der Jugend nun samt den Probenräumen und Technik umziehen muss, um dem Neubau einer Schule zu weichen, Ort, Mittel und Unterstützung für den eingeschlagenen kreativen Weg finden.

Mehr Menschlichkeit wollen die jungen Rapper, davon handeln ihre tracks und dafür engagieren sie sich.
Bruno Tesch war kaum älter als sie und musste bitter und auf unmenschliche Weise für sein Engagement zahlen.

Briefe der 4 Hinrichtungsopfer an Eltern und Freundinnen , verlesen von jungen Gewerkschafter _innen gaben einen ganz persönlichen Eindruck vom Geschehen vor 80 Jahren.
Da war es dann wieder, das Beklemmungsgefühl, nicht nur bei mir.

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Und so kam es, dass ich gestern, quasi beim Einkaufsbummel, die gute alte Internationale sang, sozusagen „light“, nur eine halbe Strophe….viele hatten vorher den angebotenen Text genommen.
Aber niemand fand es komisch, peinlich oder aufgesetzt.

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PS: erst am 13. November 1992 hob das Hamburger Landgericht die auf zweifelhaften Zeugenaussagen und manipulierten Beweisstücken beruhenden Urteile auf und rehabilitierte die Hingerichteten.

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Heul doch, Chef

Es ist ja häufig nicht so, dass allein die Arbeit einem Arbeit macht, sondern derweil hat man
einen liebenswürdigen Vorgesetzten, der das seine dazu tut.
Oder eine tolle Chefin.

Die Herrschaften der oberen Etagen finden oft Gefallen an Allüren wie „ober sticht unter“.
Deshalb sind sie ja da wo sie sind.

Das schlaue Fussvolk macht lieber seine Arbeit und viele, denen die Chefs nicht ansatzweise das Wasser reichen können, auch. Solange sich die Chefs im Haifischbecken tummeln und den Rest der Crew nicht stören, ist alles in Butter im Büro und so.

Kommt Bewegung in das Machtgefüge der Oberen, ist es mit dem nur Arbeiten vorbei.
Die Messer werden so laut gewetzt, dass es bis zu den Unteren schallt.
Schneller als ein Blinzeln werden Unbeteiligte einbezogen.

Wer eignet sich besser zum Frust austoben als “ Untergebene“ ?
Von wem kann man bei Überforderung durch Machtgerangel am ehesten seine Arbeit erledigen lassen?
Und falls man ein Bauernopfer in diesem Spiel braucht, so findet sich dort bestimmt jemand.

Wie vermutlich schon in der Schule vergreifen sich diese Wichtigtuer am liebsten an vermeintlich Schwächeren.
Besonders sensible Menschen kommen da in Bedrängnis und trauen sich häufig nicht, sich zu wehren.
Möglicherweise haben sie sogar noch Verständnis für den ach so gestressten Chef, der ja selbst nur Opfer einer bösen Verschwörung ist.

Dumm gelaufen, wenn der „Stromberg“ zu hoch pokert oder den falschen erwischt.
Verschätzt sich im Gegner.
Oder verkennt, dass sein ausgewähltes Opfer nicht zum Opfer taugt.
Dann geht auf einmal alles seinen Gang.
Die Crew spielt nicht mehr mit.
Nun steht die Welt für ihn Kopf und schnell muss der Intrigen-Werkzeugskoffer geholt werden.
Immerhin damit kennt er sich aus.

Es bleibt spannend. Denn diese Art Konflikte werden nicht von heute auf morgen gelöst.

Chefs mit solch herausragenden Führungsqualitäten brauchen ab und zu einen richtigen Dämpfer.
Da müssen die Geführten sich zusammen tun, sonst wird das nichts.

Leider war Solidarität noch nie Unterrichtsziel in der Schule. Und ist außerdem total „out“.
So werden wohl einige den warmen Platz neben der Sonne dem gemäßigten Klima im Team vorziehen. Bis sie sich verbrennen.

Vielleicht wird es auch im Team „hot“ – aber diese Hitze soll überaus gesund sein, sogar unabhängig vom Ausgang des Schlamassels.

Hilfreich dabei können Betriebsräte sein.
Wenn die Zeit reif ist, wird er zu tun bekommen.
Im Moment hat er das Geschehen “ im Visier“ – woher er nur weiß, das die Hütte an dieser Stelle brennt?

Führungskultur – moderne Unternehmen/ Organisationen tragen dieses Label gern vor sich her wie ein Demo- Banner. Wer‘ s glaubt, wird selig.

Getrost vergessen zur Verbesserung der selben sollte man : verpflichtende Schulungen für diese Art von naturtalentierten Leadern.
Diese besser den Menschen zukommen lassen, die auch etwas lernen und positiv verändern wollen.

Oder das Geld in tonnenweise Schokolade für alle anlegen.
Das stärkt die Nerven.

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