Mantra

Mir ist egal, welchen Beruf mein Kind wählt, Hauptsache, es wird damit glücklich.

Das haben doch die meisten Eltern schon mal von sich geben, oder?

Noch im Halbschlaf sage ich mir immer wieder diesen einen Satz, von dem auch ich überzeugt bin, in Gedanken vor.
Denn heute nehme ein weiteres Stück Abschied vom Wunschtraum, dieser glücklich machende Beruf  werde gleichzeitig einer sein, der gesellschaftlich hoch anerkannt ist und gut bezahlt wird.
Ich nehme auch Abschied von meinem jahrelang verfolgten Ziel, mein Kind möge soviel Normalität wie möglich und lediglich so wenig Spezialität wie nötig erleben.
Das schmerzt und ich werde das Gefühl der Unzulänglichkeit nicht los.
Wir fahren in eine kleine Stadt nicht weit von unserer Großen, um
ein Berufsbildungswerk zu besichtigen. Überbetriebliche Ausbildungen für Menschen mit Behinderungen werden dort angeboten. (1)
Ich habe Vorbehalte.
Ist es das Richtige?
Wird mein fast erwachsener Teenie dort genug Anregungen für ein ‚ normales ‚ und eigenständiges Leben bekommen?
Meine eigenen Gedanken befremden mich. Die anderen jungen Erwachsenen dort können doch ebenso wunderbare und vielseitige Menschen sein wie sie!
Und mal ehrlich: wie viele Anregungen habe ich bereits nur allein von Teenie gerade wegen ihrer Besonderheit bekommen?

Das Gegenteil von Inklusion

Es fällt mir schwer JA zu dieser Sonderwelt zu sagen. In meiner Vorstellung ist es möglich und wünschenswert, mit Menschen mit Beeinträchtigungen in unserer Mitte zu leben und zu arbeiten. Letzteres gesondert zu erwähnen ist wohl notwendig in unserer verdrehten Welt, die in Hierarchien wie Dritte Welt, zweiter Arbeitsmarkt, Geberländer, Leistungsträger u.v.m. denkt. 

An diesem Tag heute muss ich akzeptieren, dass die Realität für mein Kind nur eine  Berufsausbildung ‚ auf dem Mars ‚ vorsieht.
Das ist bitter. 

Das Glück der Erde…

Ich sehe, wie Teenie neugierig und zielstrebig den ersten Kontakt vor Ort aufnimmt. Bin erstaunt über ihre klaren Vorstellung, erfreut über ihre Unvoreingenommenheit. Hier kann sie sogar ihren Traumberuf erlernen.
Sie sieht zugleich die Chance den nächsten, ihr angemessenen Schritt zu machen. 
Den Heimatort verlassen. 
In Gemeinschaft mit jungen Leuten leben. 
Ihr Blick zu mir : ich hab‘ dir doch schon immer gesagt, ich will was mit Pferden machen.
Ich krieg das alles hin, mach dir keine Sorgen.

Diese Treppe hatte ich schon oft vor der Linse. Meine liebe Leserin Anita schrieb dazu sinngemäß: “ wer weiß, wo diese Stufen unsere Kinder hinführen“ . Ich mag diese Treppe.  Blickt man hinauf, sieht man in den Himmel. Der Blick hinab weist auf das weite Meer…

Am nächsten Morgen steht ihre Entscheidung noch immer.
Ich aber denke daran, was es heißt, einen Beruf im
Niedriglohnsektor zu ergreifen.
Weise Teenie auf die nicht berauschenden Verdienstmöglichkeiten in dieser Branche hin. ( 2 )

Hey Mum, ich schreibe doch erst das Vorwort des Buches meines Lebens, bleib mal cool.

Ach, auch eine Löwenmutter hat zu weil ein Hasenherz.

Aber während ich das alles so denke und schreibe, wetze ich bereits meine Krallen für das kommende Match mit der Bundesagentur für Arbeit…..

(1) wer jetzt denkt, Teenie hätte einen offiziellen Behinderten-Status, irrt.
Die BA hat jetzt lediglich gemerkt, dass es Grenzen dabei gibt, Menschen mit einer ‚Sonderformatierung‘ die gängige ‚Standardsoftware‘ aufzuzwingen.
(2) für mich behalte ich, welche Auswirkungen das auf mich hat: arbeiten, bis es nicht mehr geht..

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L-W-o-mat

Kurz-pro-gramm-40 °.
Un-sor-tiert.
Mehr-gibt-es-heu-te-nicht.
Es-gibt-auch-kein-Lieb-lings-ess-en.
Ja-ich-kümm-e-re-mich-um-das-Not-wen-dig-ste.
Nein-mehr-geht-nicht.

Wenn-du-zor-nig-bist-dreh-die-Mu-sik-auf.
Bei-Angst-komm-zu-mir-a-ber-ru-hig.
Sprich-mit-mir-wenn-du-trau-rig-bist.
Bei all-en-an-de-ren-Be-find-lich-kei-ten-sieh-zu-wie-du-klar-kommst.
Zan-ke-heu-te-nicht.
Bi-tte.

Ak-ku-leer – – – Ak-ku-le- – – – Ak-ku-l- – – – – –

Man muss kein hochsensibles Kind haben, um zu wissen, wie wichtig es für Kinder / Jugendliche ist, dass wir Eltern in Krisenzeiten verlässlich funktionieren.
Denen aber, die über eine besonders geschärfte Wahrnehmung verfügen, kann man noch weniger als anderen vorgaukeln, dass der Fels in der Brandung unerschütterlich steht, wenn er dabei ist, von den Wassermassen davon gerissen zu werden.
Da hilft kein sich Zusammennehmen.

(Hoch)Sensible Kinder reagieren häufig extrem mit Wut, Zorn, ziehen sich zurück.
Physisch und psychisch.
Nicht selten führen diese Stresssituationen zu psychsomatischen Erkrankungen.
Jugendliche, welche aufgrund ihrer Besonderheit einsam sind, und das sind insbesondere die aus dem autistischen Spektrum, haben keine Möglichkeit, ihre Angst und Verunsicherung mit anderen gemeinsam zu verarbeiten.
Kein gemeinsames Lümmeln auf dem Sofa und Gerede wie:
Oh Mann, wenn ich 18 bin ziehe ich aus, das nervt alles, stell dir vor, du würdest auf dem Mars leben, ich skype lieber von da aus, meinst du, man wird wiedergeboren, ist doch voll unlogisch, dieses Spektakel, und dann allen Menschen die Hände schütteln, sogar Fremden, lass‘ mal das Stück von xxx hören, aber laut!

Leben ist das, was passiert, während du eifrig dabei bist, andere Pläne zu machen.(1)

Diese Jugendlichen ängstigen sich auch um den Bestand der täglichen Routinen.
In dieser Gefühlslage sind sie kaum in der Lage, Rücksicht auf den Garanten des sicheren Alltags zu nehmen.

Ich bin sicher, im Kleinen kennen alle Eltern das.
Ist die Mutter krank, quaken die Kids umso mehr.

Hat jemand eine Vorstellung davon, wie das im Großen ist?
Diese Tage höre ich immer wieder den gut gemeinten Rat: pass auch auf dich selbst auf.
Ja, sag ich dann, wie soll das konkret aussehen?
Nicht eine brauchbare Antwort habe ich auf diese Frage bekommen.

Ich bin kein Typ für Ruhe.
Bewegung ist mein Wasser, in dem ich mich wohl fühle wie ein Fisch.
Denken beim Gehen . Beim Reden. Schreiben.
Schon in guten Zeiten schaffe ich es nicht, ein Hörbuch durchzuhalten.
Wenn ich mich konzentrieren will, gehe ich ins Café.
Arbeiten in der Stille: nur wenn ich direkt aus dem Schlaf komme, dann aber richtig produktiv. Die einzige Tätigkeit, die zwischengeschaltet werden darf ist Kaffee kochen. Schon duschen zerstört die Konzentration auf das Arbeitsergebnis der Nacht.
Ich brauch‘ so etwas wie eine Fotolinse, um langsam ( achtsam ? ) durch die Welt zu gehen.
Teenie bevorzugt das Gegenteil.
Das macht es nicht einfacher.

Antworten, die ich für mich geben kann:
1. kleine Ich-Inseln im Chaos ( z.B. Cello, Chor , Uni, schreiben )
2. Teenie gut versorgt wissen
3. die kleinen entspannten Momente mit Teenie genießen
4. um Hilfe in kleinen Dingen bitten und annehmen, was mir schwer fällt
5. nichtexistenzielle Pflichten aussitzen

Nach dem großen Wurf suche ich seit Jahren.
Warum soll er gerade jetzt gelingen?

Unser Sozialwesen sieht niedrig-schwellige, schnelle Unterstützung für Familien in Krisen nicht vor.
Keine Familie oder Freunde vor Ort?
Pech gehabt.
Wer ein Kind hat, das wegen seiner Eigenheiten nicht mal eben weg organisiert werden kann, erst Recht.
Da bleibt nur: funktionieren, irgendwie.
Wir sind eben kein notleidendes Bankhaus. Da hätte unser Staat sicherlich fix ein Hilfspaket zusammengeschnürt.

Unser Haus schwankt, aber das Fundament ist fest.

Aber sogar jetzt gibt es einen Grund zum Staunen und zur Zuversicht.
Wieder einmal erlebe ich, wie treffend, klar und weitsichtig Teenie die Situation erfasst, ihre Bedürfnisse messerscharf artikuliert und gute Entscheidungen für die kommenden Tage trifft.

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Hochsensible,  Synästhetiker_innen,  ADHSler_innen und Autist_innen haben in erster Linie ein ‚Mehr‘, nicht ein ‚Weniger‘.

Wenn man sie lässt und ihnen hilft, finden sie ihren Weg.
DAS ist die große Lösung.
Nicht nur für mich.
Fast alle Eltern werden das ( in Ansätzen) verstehen.

(1) John Lennon

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Füürtoorn, allennig

Ich weiß nicht, ob Menschen, die in Partnerschaft ein Kind in‘ s Leben begleiten, eine Vorstellung davon haben, wie es auf Dauer ist, eine Multipersona zu sein.
Nicht nur 2-3 Wochen, sondern immer und immer und immer.

Da ist zuerst die liebevolle Mutter/ Vater in unterschiedlicher Ausprägung:
Verständnisvoll, fordernd, albern, ruhig, unternehmungslustig, häuslich, diskutierend, nähend und bastelnd, vorlesend, Fahrrad schraubend, backend, musizierend, Carrera-Bahn spielend, Spiderman- und Hunderassen – interessiert, nachsichtig und streng.

Vor allem aber: der Leuchtturm, der immer blinkt. Auch wenn die Kids schon so tun, als bräuchten sie das nicht mehr. Kommt Stress bei den Kids auf, meist durch Schule oder Wachstumsschmerzen nicht nur physischer Art, muss das Signal verstärkt werden, aber bitte unauffällig. Wenn nichts mehr sicher scheint – dass Signal ist da.

Sicherheit heißt auch materielle Sicherheit.
Nun ist es aber nicht so, dass der eigene Arbeitsplatz unbedingt ein Hort der Beständigkeit ist.
O.k. , das Gehalt ist am Ersten da. Von Zeit zu Zeit aber müsste man noch Schmerzensgeld oben drauf bekommen. Turbolenzen im Job nehmen keine Rücksicht darauf, dass man ja auch noch ein sicher blinkender Leuchtturm ist.

Das eigene Leben gestalten.
Ja, das geben wir lieber nicht auf. Was bliebe denn dann noch….und doch weiß ich, dass gerade das oftmals nicht mehr möglich ist, neben den anderen Anforderungen. Keine Kraft. So einfach ist das.
Wissend um die negativen Auswirkungen der eigenen Vernachlässigung wird Weiterbildung betrieben und auch Hobbys wieder gepflegt.
Und immer schön weiterblinken dabei…

Haushalt, Reparaturen, Steuer und der ganze Kram, für den nie Zeit ist – und die wenigsten von uns Geld genug haben, um sich Erleichterung dabei zu erkaufen.
Mit Anlauf wird auch das gelegentlich angegangen. Ansonsten gilt: nobody is perfekt.

Und trotzdem kann es passieren: das Leuchtsignal wird schwach….fällt vielleicht für einen Tag fast ganz aus. Bei Teenies nicht sooooo dramatisch, aber wenn die Kinder klein sind, eigentlich unmöglich.

Mutter und Kind-Kuren – manche scheuen sich davor, diese in Anspruch zu nehmen. Da muss man sich einordnen, da sind viele, die ihr Leben nicht auf die Reihe kriegen, da sind „doofe“ Problemkinder und das Essen ist nicht so gut wie zu Hause.
Manches mag zutreffen.
Aber: da sind auch nette Menschen, da ist Zeit für dich selbst, da wird gefragt, ob DU was brauchst.
Eigentlich sollte jede/r Alleinerziehende/r so etwas alle 3 Jahre angeboten bekommen. Starke Eltern – starke Kinder.
Die Kliniken dieses Trägers kann ich uneingeschränkt empfehlen : hier

Von Zeit zu Zeit denke ich an mein Leben als kinderlose Single zurück.
Immer viel um die Ohren. Ständig auf Achse. Mittendrin im Leben.
Pünktlich im 9 Uhr im Büro zu erscheinen, eine Herausforderung.
Ist mir völlig unverständlich, wie ich bei der unheimlich vielen Zeit für mich gestresst sein konnte.
Ich muss eine Andere gewesen sein.

Aber ob’s besser war?
Eher nicht.
Ist ja auch schön zu sehen, dass man alles doch ganz gut hinbekommt. Nur ab und an ein kleines Schlückchen von Asterix Zaubertrank….das wär nicht schlecht 🙂

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