Ausdauer wird früher oder später belohnt. Meist später.
(Wilhelm Busch)
Man glaubt es kaum.
Deutschland hat sich schon einmal getraut, eine von den oberen Schichten beliebte Schulform abzuschaffen. Dahinter verbarg sich die Idee, jedem Kind, unabhängig von der Herkunft, Bildung zu vermitteln – Chancengleichheit als erstrebenswertes Ziel.
Grundschule bis 1919
Bis 1919 gab es die Grundschule, wie wir sie kennen, noch nicht.
Damals waren die unteren vier Jahrgänge der achtjährigen Volksschule angegliedert.
Die Volksschule wurde meist von Kindern aus ärmeren Verhältnissen, bzw. Arbeiterfamilien besucht, da diese nicht die finanziellen Mittel besaßen eine besser ausgestattete Schule, bzw. eine höherbildende Schule, wie das Gymnasium zu besuchen. Kinder aus wohlhabenden Familien besuchten entweder eine private oder staatliche Vorschule, die explizit auf das Gymnasium vorbereitete oder sie hatten aus ständischen und hygienischen Gründen Privatunterricht.
Durch diese Selektion der Schüler unterschiedlichen Standes und Herkunft und damit verbundener Chancenungleichheit entstand die Idee einer Einheitsschulbewegung, die zunächst religiös, dann politisch-ethisch und anschließend national motiviert war und eine achtjährige Einheitsschule forderte.
Befürworter dieser Einheitsschulbewegung waren Pädagogische Fachleute, die eine vier- bis sechsjährige Einheitsschule forderten und die Gegner dieser Bewegung stammten meist aus den Reihen des höheren Schulwesens. Somit entstand aus dieser Diskussion der Begriff Grundschule.
Die Entstehung der Grundschule in der Weimarer Republik
Das Jahr 1920 bildet ein wichtiges Jahr für die Grundschulreform, denn die Grundschule, wie wir sie kennen, erhielt ihre rechtlichen Grundlagen 1919 durch die Weimarer Reichsverfassung, die auf Chancengleichheit plädierte und 1920 durch das Reichsgrundschulgesetz. In der Konferenz zur Einführung des Reichsgrundschulgesetzes einigten sich die Teilnehmer auf eine Grundschuldauer von vier Jahren und die weitestgehende Abschaffung der privaten und öffentlichen Vorschulen.
Im März 1921 wurden die preußischen „Richtlinien zur Aufstellung von Lehrplänen für die Grundschule“ veröffentlicht und forderten damit eine grundlegende Bildung im Sinne einer harmonischen Entfaltung von Anlagen und Begabungen. Von einer strengen Einteilung in Fächer wurde abgesehen. Die Bildungsinhalte sollten im Gesamtunterricht durch Anschauungsunterricht erlebt und selbstständig erworben werden. Die Lehrinhalte orientierten sich zum einen an der Fassungskraft der Kinder und zum anderen an ihrer Lebensbedeutsamkeit. Quelle
Davon ist man ab.
Politik will nicht oder traut sich nicht. Zu viele Wählerinnen könnten verschreckt werden. Zugehörige der unteren Schichten haben sich längst abgewöhnt, wählen zu gehen, auf die wird von den etablierten Parteien selbst im Wahlkampf nicht mehr geschielt.
Außerdem braucht man ja ( Bildungs) Verlierer damit sich jemand als Gewinner fühlen kann. Und Gewinner – wobei eigentlich – das will doch jeder sein, oder?
Dafür nimmt man auch ein wenig Qual in Kauf.
Ist doch egal, ob das Geld für das Auslandsjahr, den Nachhilfeunterrricht oder was es sonst so braucht, um dazugehörend zu erscheinen, nur gepumpt ist. Die verlorene Kindheit holt man dann eben beim “ Klettern für die Großen“ im örtlichen Indoor-Spielplatz , am Wellness-Weekend und mit der ‚for-ever -a-girl/boy‘ – Mode nach.
Wie nehmen Eltern der verschiedenen sozialen Milieus in Deutschland Schule wahr und wie beeinflussen sie den Bildungserfolg ihrer Kinder ?
Im Auftrag der Konrad- Adenauer- Stiftung e.V. und des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist eine qualitative empirische Studie u.a. diesen Fragen nachgegangen, hier die Ergebnisse zusammengefasst von Dr. Brigitte Schuhmann:
Milieuspezifische Reaktionen auf das Gymnasium
Die Studie stellt heraus, dass für Eltern aus den Milieus der „sozialen Mitte“ das Gymnasium alternativlos ist, auch wenn sie G8 heftig kritisieren. Die Hauptschule oder eine Schulform, die aus der Zusammenlegung von Haupt- und Realschule hervorgeht, werden grundsätzlich abgelehnt. Als Gründe werden das schlechte soziale Umfeld und die damit verbundenen schlechteren Bildungs- und Berufschancen der Kinder angegeben.
Bei Eltern der unteren sozialen Milieus spielt das Gymnasium keine Rolle. Schule soll aus ihrer Sicht Grundkenntnisse vermitteln und auf eine praktische Berufsausbildung vorbereiten. Als Eltern von Hauptschülern sind sie besorgt über den Wandel der Hauptschule zu einer „Verliererschule“. Eltern aus dem Milieu der Benachteiligten ist zudem die Abgrenzung von Randgruppen und Schülern nichtdeutscher Herkunft wichtig.
Eltern der Oberschicht und der oberen Mittelschicht bevorzugen für eine umfassende Bildung ihres Kindes die Privatschule. Sie reduzieren den Bildungserfolg ihrer Kinder nicht auf das bloße Erreichen guter Noten. Insbesondere bei den „Performern“, die sich selbst zum dynamischen Milieu der Leistungseliten rechnen, gehört zur Potentialentfaltung des Kindes die Aktivierung von Motivation, Leistungswillen, Leistungsbereitschaft und Eigenverantwortung. mehr
Ich bin froh, dass die Initiative zurück zu G9 an Gymnasien gescheitert ist. Sie würde letztlich eine inklusionsfördernde Schullandschaft verhindern und das jetzige Kasten-Schulsystem festigen.
Unser werter Schulsenator hat gerade verkündet, dass in Stadtteilschulen ( das sind hier diese in der Mittel- und Oberschicht so unbeliebten Lerneinrichtungen für das gemeine Volk ) verstärkt Mathe- und Deutschunterricht angeboten werden soll. hier
Das Niveau soll gehoben werden.
Allerdings wird das, was nun geplant ist, wieder kaum etwas bringen: Kids, die nur wegen ihres sozialen/ethnischen Hintergrundes nicht aufs Gymmi gekommen sind, werden möglicherweise den begehrten Anschluss an dieses Klientel ( und deren Jobs) etwas leichter schaffen. Das freut mich für sie.
Alle anderen werden erst recht die Loser sein.
Es geht ja wieder nur um die Angleichung der Schülerinnen und Schüler nach ‚oben‘ und nicht darum, die persönliche Entwicklung und Potenziale jedes Kindes zu fördern und Freude am Lernen zu wecken und erhalten.
Im Gegenteil: erhöhter Leistungsdruck für alle ist Programm.
Vermutlich sollen die Stadtteilschulen damit ‚aufgewertet‘ werden. Denn es sollen auch mehr Gymnasiallehrkräfte dort zum Einsatz kommen.
Sind das die besseren Pädagogen? Warum sollten sie.
Macht nichts. Die ‚Offensive zur Verbesserung von Mathematik und Deutsch an Stadtteilschulen‘ ist m.E. eine Alibi-Maßnahme , selbst wohlwollend unterstellt, auch Chancengleichheit und Inklusion wären Ziele.
Denn Elim, Furkan, Fatma, Mohammed, Kevin und Chantalle, der kleine autistische Karl, Chaosprinzessin Erna, die an Leukämie erkrankte Susi mit den vielen Fehlzeiten und der kleinwüchsige Otto werden auch zukünftig dort sein.
Und jedes Mittel-und Oberschichtkind, dass sich irgendwie als Gymmi-tauglich erweist, nicht.
Und so ist auch diese Initiative wieder nur ein Baustein zur Zementierung des alten selektiven Kasten-Schulsystems.
Ganz weit weg von einer echten Niveau-Anhebung unseres Bildungssystems. Und doch ist diese unvermeidlich, ihr werdet sehen.
Also lautet der Beschluß:
daß der Mensch was lernen muß.
Nicht allein das A-B-C
bringt den Menschen in die Höh‘.
( Wilhelm Busch)
Was sind schon hundert Jahre bei der Durchsetzung einer grundlegenden Idee?
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