Maul halten und dankbar sein

Auf den Punkt gebracht, liebe beste Freundin.
Das hätte ich mich gar nicht so zu denken getraut, als Teenie sich im Praktikum den Allerwertesten aufgerissen hat, um alles richtig zu machen:

  • die Arbeit gut und schnell zu erledigen ( obwohl gesagt wurde, lass dir Zeit- und hinterher gedrängelt wurde)
  • nachzufragen wenn etwas unklar ist ( worauf harsch geantwortet wurde)
  • es direkt anzusprechen, wenn es nicht klappt oder behinderungsbedingte Veränderung erforderlich ist  ( worauf man dann doch genervt reagierte)
  • darauf vertraut hat, dass die dann vereinbarte Anpassung auch so erfolgen würde ( und erleben musste, dass alles nur Gelaber war)
  • sich noch einmal aufraffte und das Gespräch suchte  ( und dann  all das an ihr kritisiert wurde, was ihr als Vorgehen im Eingangsgespräch empfohlen wurde).

Und zum Schluss gab es auch noch persönliche Kritik oben drauf bis hin zur Infragestellung von Bewertungen vergangener Praktika.

Wertschätzung Fehlanzeige

In einem Integrationsbetrieb ist klar, dass die Arbeitsplätze dem Leistungsvermögen der Beschäftigten angepasst sein müssen. Steht auch dick und fett auf der Homepage.
Sicher, man kann nicht alles möglich machen.

Ich frage Teenie, wie es den anderen Beschäftigten dort ergangen ist.
Bei sichtbaren Behinderungen sei man wohl irgendwie darauf eingegangen. Der Umgangston sei aber generell rau gewesen. Bei Kritik hätten die anderen geschluckt und weiter gemacht.

Wohl so ähnlich wie Teenie früher in der Schule.

Was ist heute anders?

Ist Teenie heute empfindlicher als früher?
Mir fällt auf, dass  sie wegen sensorischer Überreizung häufiger die Notbremse zieht.

Klare Aussage ihrerseits: als Kind hast du keine Wahl. Du bist ausgeliefert. Es war schon immer genauso wie jetzt. Aber nun bestimme ich, wann es genug für mich ist.

Bei aller Ratlosigkeit hinsichtlich ihrer beruflichen Perspektive:
diese Haltung stimmt mich zuversichtlich.

 

Ich freue mich über Feedback. Wie immer ohne Registrierung möglich.

 

 

 

 

 

 

 

Luftblase Fachkonzept

Wenn es um die  Eingliederung junger Menschen mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt geht, ist die Bundesagentur für Arbeit das erste Nadelör, durch das man sich durchzwängen muss um an eine Berufsausbildung zu kommen.

Die Reha-Berater*innen haben keine Ahnung über die verschiedenen Behinderungen. Dafür sind sie auch nicht da. Das macht der medizinische Dienst. Der zwar seinen Senf dazu geben (oftmals gar nicht so schlecht), aber keine Entscheidungen treffen darf.
Die Reha-Berater*innen passen auf das Geld der BA auf.
Das machen sie gut.
Sie kennen vor allem das Fachkonzept Berufsvorbereitende Maßnahmen.
Damit wird ein Rahmen für die Durchführung einer Maßnahme für die Teilnehmer*innen und die Träger der Maßnahme vorgegeben. Darauf beziehen sich  BA und  Träger gleichermaßen.
Und da es ein Fachkonzept ist, hat man sich ja wohl was dabei gedacht, als man es entwickelt hat.
Waren da Experten*innen am Werk?

Teilhabe auf Probe

Nur selten folgt einem Schulabschluss direkt eine Ausbildung in einem Berufsbildungswerk, nur um mal einen der größten Anbieter zu nennen.
Damit keine Gelder verschleudert werden, muss der junge Mensch erst einmal beweisen, dass er eine von der BA gesponserte Maßnahme durchhalten kann.
Aber das kann die BA nicht so deutlich sagen und so werden Antragsteller*innen schnell zu jemandem gemacht, der/die  sich erst einmal beruflich orientieren muss.
Das ist nicht besonders schwer.
Dazu könnte  man nahezu alle Schulabgänger*innen machen … wer ist sich in diesem Alter schon wirklich sicher, was er/sie über viele Jahre arbeiten möchte. So sagte  mir neulich eine junge Frau, sie schwanke zwischen einem Psychologie Studium und Flugzeugbau. Bei mir war das auch nicht so anders…nur dass ich mir noch mehr Berufe für mich vorstellen konnte.

Wer nicht auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben angewiesen ist, probiert sich einfach aus. Und wechselt, wenn er/sie völlig daneben liegt.
Menschen mit Behinderung mutet man eine 11monatige Berufsorientierung zu, selbst wenn eine berufliche Orientierung vorhanden ist.
Wie anders als Probezeit soll man das nennen?
Im allgemeinen Arbeitsrecht wäre eine so lange Probezeit übrigens unzulässig.

Die BA nennt es deshalb lieber Berufsvorbereitende Maßnahme.

Für alle gleich

Selbstverständlich ist das alles gut durchdacht.
Das Fachkonzept Berufsvorbereitende Maßnahmen bestimmt genau, wie diese 11 Monate zu gestalten sind. Es beginnt mit der Eignungsanalyse, es gibt eine Grund-und Förderstufe,  eine Übergangsqualifizierung und noch einiges mehr.
Vorausgesetzt, dieses Konzept passt auf den jungen Menschen, weil er noch nicht reif genug für eine Ausbildung ist, weil er wirklich noch keinen Plan hat, was er werden will oder weil er nicht einschätzen kann, welchen Beruf er mit seiner Einschränkung machen kann – kurz: wenn er sich noch in vielen Berufsfeldern ausprobieren muss, dann mag das Konzept nicht schlecht sein. Wenn es denn mehr als beschriebenen Papier ist.

Und: wenn die Art der Behinderung dem Konzept nicht zuwider läuft.
Was aber, wenn nicht?

Heute hier, morgen da….

Das Konzept sieht in erster Linie praktische Erprobung in verschieden Berufsfeldern vor.
Ein Praktikum nach dem anderen.
Häufig ist das aber gar nicht gewünscht oder möglich. Wer im Autismus Spektrum ist, hat genau damit Probleme: ständiger Wechsel des Arbeitsortes, ständig neue Kolleg*innen, immer wieder die für Dritte meist unsichtbaren Barrieren neu erklären.

Wir  erleben leider zur Zeit, dass die Berufsvorbereitung eine ziemlich unstrukturierte Sache ist. Das bbw hat keine betrieblichen Partner, in die zuverlässig ins Praktikum vermittelt werden kann. Die Teilnehmer*innen verbringen  einen erheblichen Teil ihrer  dortigen Anwesenheitszeit auf berufenet.de der Arbeitsagentur, suchen dann Betriebe für Praktika, schreiben Bewerbungen. Das war´s.

Praktikumsstellen werden häufig nur mit Hilfe der Eltern gefunden.
Die Teilnehmer*innen sind eine extrem heterogene Gruppe was das Alter, Vorbildung, Behinderung angeht. Das macht es schwer, eine stabile Gruppe zu werden.

Da kommt dann schon die Frage auf, wozu das Ganze gut sein soll.

Probleme mit dem Fachkonzept Berufsvorbereitung der BA für Menschen aus dem autistischen Spektrum

Für Autisten*innen ist z.B. besonders wichtig:

  1. stabile Rahmenbedingungen:
    kontinuierliche Ansprechpartner*innen
    feste Gruppen
    vorhersehbare Ausbildungsabschnitte
    verlässliche Stundenpläne
    planbare Arbeitsabläufe
    konkrete Aufgabenstellung
    konkrete Rückmeldung.Häufig wechselnde Gruppenzusammensetzungen irritieren und binden Energie, die für die Arbeit fehlt.
    Konstante Arbeitsumgebung. Autist*innen brauchen mehr Zeit, um sich an fremde Orte und Personen zu gewöhnen.
  2. Die Behinderung ist zum Teil unsichtbar:
    oft erscheint es, als könnten Autisten*innen sich relativ sicher in sozialen Zusammenhängen bewegen. Niemand sieht, welche Anstrengung es jedoch bedeuten kann, sich in einer Gruppe zu bewegen, wenn man die nonverbale Kommunikation und unausgesprochene soziale Regeln nicht klar erkennen kann. Dies trifft besonders auf autistische Mädchen und Frauen zu, die oft sozial unauffälliger als männliche Autisten sind.
  3. Orientierung an autistischen Stärken:
    Viele Autisten*innen haben Kenntnisse und Fähigkeiten, die sich nicht im regulären Lehrplan des Schulunterrichts wieder spiegeln. Ihre Schulnoten erfassen diese dementsprechend nicht. Es ist sinnvoll, an den Spezialinteressen und Fähigkeiten anzuknüpfen, viele Autist*innen können selbst gut ihre Interessen beschreiben und auch Eltern können meist gute Hinweise geben.
  4. Berücksichtigung der erhöhten Stressanfälligkeit auf sensorische Reize durch:
    räumlich abgetrennten Arbeitsplatz
    Rückzugmöglichkeit Tragen von Geräuschschutz
    Arbeit in kleinen Gruppen
    Kein Zwang zu Gruppenaktivitäten wie Feiern etc.
    Klare Gruppenregeln bei Diskussionen

Was tun?

Natürlich gibt es keine Zahlen in unserer Stadt darüber, ob und wie viele  Teilnehmer*innen aus dem autistischen Spektrum erfolgreich und mit Perspektive einer Ausbildung und Job (auch) auf dem ersten Arbeitsmarkt diese Maßnahmen durchlaufen.
Unser Eindruck: eher weniger.
Die Arbeitsmarktsituation von Autist*innen ist sehr schlecht.
Noch immer arbeitet die Mehrheit  in einer WfBM oder ist ohne jede Erwerbsarbeit. hier

Der finanzielle Kuchen ist schon längst zwischen den Trägern der Teilhabe -Maßnahmen verteilt. Die Träger orientieren sich an der klassischen Aufteilung von körperlich, geistig oder psychisch behindert .
Eigentlich leben alle gut damit: die Träger, die BA – nur die Betroffenen und ihre Familien nicht.
Denn wo bitte passen da die Autist*innen rein?

Eure Unterstützung

Autismus-Initiativen vor Ort haben sich zusammen getan, um zunächst eine Datenlage herzustellen und dann mit entsprechenden Forderungen an die Politik und BA heran zu treten.

Wenn ihr selbst oder eure autistischen Kinder Erfahrungen mit einer bvb gemacht habt, interessiert uns, wie es euch damit ergangen ist. Was war für euch wichtig? Was hättet ihr gebraucht? Wie seid ihr mit Problemen umgegangen und vor allem: hat es beruflich etwas gebracht?

Unser Fragebogen ist lokal begrenzt. Aber jede Anregung ist hilfreich, wir werden auch viele Gespräche führen müssen.

Wir wissen, dass wir ein dickes Brett bohren wollen. Ihr könnt uns dabei helfen.
Danke.

Euer Feedback und Kommentare sind wie immer ohne Registrierung möglich.

 

 

Black is beautiful!

Eine Kategoerie Rassismus gibt es in meinem Blog nicht. Ich hatte mich für Multikulti entschieden, weil das eher unserem familiären Verständnis von der Vielfältigkeit der Menschen entspricht, auch wenn es nicht immer vorurteilsfrei ist. Alltäglicher Rassismus begegnet uns auch. Aber ich wollte hier eher mal das Positive heraus stellen.

Nun denke ich darüber nach, ob das nicht voreilig war.

Anlass meiner Überlegung ist ein ganz banaler. Der mich aufbringt und absolut konträr ist zu allem, was mir lieb und heilig ist.

9. Klasse Stadtteilschule. Die Kids suchen gerade Stellen für das 2. Praktikum. Für manche wird es das letzte Schulpraktikum sein. Endlich wird auch mal durch genommen, wie man eine Bewerbung schreibt. Letztes Schuljahr mussten die Eltern noch fleißig sein.

Die Kids interessiert das nicht wirklich. Die Lehrer, die sich im zarten Alter von 14/15 überwiegend noch im Gymnasialtiefschlaf befanden, um sich dann mit 18/19 – häufig wie Mama oder Papa – ins Lehramtsstudium zu begeben und dann wieder die Schule unsicher zu machen, sind fern von jeder Vorstellung, was die Kids bewegt und was wichtig ist für ihren Weg ins Leben ohne Uni.

Dafür halten sie mit Ratschlägen nicht hinterm Berg.

Der neueste Renner ist die anonyme Bewerbung.

Es mag etwas dran sein, dass nicht arisch – diesen Begriff habe ich bewusst gewählt – aussehende Menschen auch heute noch keine Arbeit oder Ausbildungsplatz bekommen oder es schwerer haben.

Auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes des Bundesfamilienministeriums macht sich deshalb für solche Pilotprojekte stark.

Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund und Alte ( ab 40 ? ) sollen bessere Chancen auf eine Ausbildung und Einstellung haben.

Die Empfehlung unserer Lehrer lautete: alle, die nicht deutsch aussehen oder deren Name Migrationshintergrund vermuten lässt, sollten sich lieber anonym bewerben. Und vor allem kein Bild bei fügen.

Ein Zufall, dass dieses in dieser Klasse nur Afro-Deutsche Kinder trifft? Binationale Kinder gibt es dort viele: deutsch/ schwedisch, deutsch /spanisch, deutsch/ englisch…….aber die sehen nicht so anders aus.

Eine Schule, die Integration und jetzt Inklusion ganz groß auf ihre Fahne schreibt. Und dann z.B. Zeit-Artikel , zu finden hier unreflektiert nach betet.

Meine Tochter ist entsetzt. Ich auch.

Wir haben ihr beigebracht, zu sich zu stehen so wie sie ist. Egal ob es um die Hautfarbe oder um andere Besonderheiten geht. Damit ist sie bis jetzt gut gefahren. Ist eben keine Nummer, präsentiert in Schulnoten. Auch wenn das Zeugnis nicht immer prickelnd ist, so gibt es doch vieles, was einen Arbeitgeber dazu bewegen kann, sie zum Gespräch ein zu laden und ein zu stellen.

We`ll get it!

Viele große Unternehmen haben längst nicht mehr solche Scheuklappen. Sie wollen nicht nur Einsen-Schreiber, die ansonsten farblos in ihrer Persönlichkeit sind. Die wissen, dass Vielfalt auch Gewinn ist. Und gut für‘ s Image noch dazu.

Hätte ich mich jemals anonym beworben, wäre ich Hilfsarbeiterin geworden.

Mit meiner Herkunft und Geschlecht bin ich immer offensiv umgegangen – und gerade das hat mir mit dem, was ich dann doch alles geschafft habe, Respekt eingebracht. Und Jobs. Gute Jobs.

Ich kann verstehen, dass man nach Wegen sucht, bestehende Diskriminierungen ab zu bauen. Aber doch nicht um den Preis der Verleugnung der eigenen Person. Wie mögen sich die Schüler wohl fühlen, wenn die Lehrer sagen: ey, besser du schickst kein Foto und sag nicht, dass deine Mutter Fatma heißt…

Anonyme Bewerbungen sind gar nicht so verkehrt: wenn es denn alle machen.

So ist es einfach nur rassistisch.

Trotzdem: den intelligenten und kreativen (aber unangepassten) Schüler oder Mitarbeiter findet man damit nicht. Wieder ein wenig Gleichförmigkeit mehr.


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