Gestern abend beim Einschlafen dachte ich noch : und wenn du dir etwas von dem leckeren Sauerkrauteintopf in einer Dose mit auf die Reise nimmst……?
Sowas mache ich natürlich nicht. Außerdem habe ich für Teenie gekocht, die ein paar Tage allein klar kommen muss. Das mit dem Hunger ist bei ihr ja so eine Sache: manchmal merkt sie ihn stundenlang nicht und dann ganz plötzlich in so einer Heftigkeit, dass es sich fast wie Magenkrämpfe anfühlt. Dann ist es gut, sie muss nur schnell etwas warm machen, anstatt in einen “ Hunger-Overload“ zu schlittern.
Ich verdrücke mich für ein paar Tage aufs Land… mir fällt hier die Bude auf den Kopf. So richtig nach Reisen ist mir dennoch nicht, unfit, wie ich gerade bin.
Nun sitze ich hier im Zug, wie es nicht anders sein kann mit 2 reizenden kleinen Mädchen samt Mutter an einem Tisch. Der Zug ist voll, ein Entkommen gibt es nicht. Muttern ist bestens gerüstet: während die beiden auf Geheiß von Muttern ihren Lernspielen nachgehen, werden sie mit Selbstgeschmiertem – und geschnippeltem versorgt. Gurkenduft. Geht ja noch.
Reisezeit ist Nachdenkzeit. Aus dem Fenster schauen und sinnieren…ich liebe das. Die kleinere Madame plappert in einer Tour, dabei zeigt sie mir nun, wie schön sie ihr intensiv duftendes Leberwurstbrot zerkauen kann. Ab und an tritt sie mir auf mein entzündetes Fussgelenk. Autsch. Muttern hat derweil auf Durchzug gestellt.
Umbaupause: Lernhefte und Brote weg, Uno raus. Uno auf dem Boden, die Kinder auch, meine Füsse nicht mehr. Muttern bleibt tiefenentspannt. Wozu habe ich einen Platz mit Tisch gebucht? Das Tablet belastet meine Handgelenke mehr als schön ist.
Meine Ohr-Verkabelung sorgt dafür, dass ich mich nicht auf mein Buch konzentrieren kann. Musik hören und lesen kann ich nicht gleichzeitig. Ich bezweifele, dass die kleine Lady unterm Tisch sich auf “ Schnüpperle“ ( Ostergeschichten) konzentriert , vorgelesen von der nun auch mental anwesenden Mutter. Das nervt Muttern und mit einem halben Amerikaner wird die Süße nach oben gelockt. Warum muss ich nur immer auf den kauenden, offenen Mund schauen?
Muttern liest nun engagiert und laut. Schließlich sollen die Kids zuhören. Ich kann mich nicht erinnern, Teenie jemals eine Geschichte so entgegen geschrien zu haben. Die Größere hat sich mittlerweile mit einem eigenen Buch abgesetzt und die Welt akustisch auf ihre eigene Musik reduziert. Wenn Muttern doch wenigstens aus Sternentänzer“ vorlesen würde. „Schnüpperle“ scheint nicht nur mich zu langweilen.
Immerhin: die mitleidigen Blicke meiner Mitreisenden sind mir sicher. Es reisen auch andere Kids in diesem Wagon. Soweit ich sehen kann, müssen die nicht dauernd essen, ihre Eltern reden ab und an mit ihnen, sie malen , lesen, hören Musik/ Hörspiel oder gamen. Manche schlafen an ihre Eltern gelehnt und auch diese dösen vor sich hin. Was für ein schöner Anblick.
2,5 Stunden habe ich schon geschafft, 2 Stunden hab ich noch vor mir. Bestimmt fährt Famile Schnüpperle weiter als ich.
Und dann bekomme ich eine kleine Chance : Osnabrück muss was ganz besonderes sein, so viele Leute steigen hier aus. 3 Reihen weiter wird ein Platz frei. Ich ignoriere meine schmerzenden Gelenke, schnappe meine Sachen und hechte da hin. Geschafft. Nicht, dass ich “ Schnüpperle“ nicht mehr hören würde, aber ich habe meinen eigenen kleinen Klapptisch , werde nicht mehr getreten und muss den Blick auf diverse Kauvorgänge nebst weitere sensorische Irritationen nicht mehr ertragen.
Das verschafft mir Luft für das, was ich an langen Zug-Reisen so liebe. Von A nach B gebracht werden mit der nötigen Umschaltzeit fürs Oberstübchen.
Ein wenig gemein komme ich mir ja schon vor, so unnahbar wie ich mich gegenüber Familie Schnüpperle gegeben hab. Ich hätte ja auch die nette ältere Dame geben können, die den Mädels die Reisezeit “ verkürzt“ und Muttern etwas Pause verschafft. Wäre mir Mutter Schnüpperle sympatischer gewesen…vielleicht schon eher. Weiß ich doch selbst, wie unterstützend solche Reisebekanntschaften sein können, wenn man mit Kind unterwegs ist.
Andererseits habe ich heute frei. Von allem. Kein Service für niemanden.
Und deshalb tut mir nur leid, dass ich das verdammte, gut und kräftig duftende Sauerkraut nicht doch mit genommen habe. Da hätten die Schnüpperles aber geschnuppert 🙂