Unter(m) Strom von A nach W

Mein Job führt mich heute aus dem mir vertrauten Stadtteil A in die mir relativ unbekannte Gegend, die 1962 durch die große Stumflut bekannt wurde: W.
Mit einer kleinen Startverzögerung, resultierend aus der Notwendigkeit mütterlicher Assistenz starte ich per Velo in Richtung Hafen.
Hamburgs teuerste Baustelle, von weitem sichtbar trotz morgendlich-herbstlichem Dunst.
Ein Luxus-Anblick, in mehrfacher Hinsicht.

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Elbtunnel, der alte.
Runter geht’s mit dem Personenaufzug.
Die Frühschicht ist schon durch, nun radeln hier nur vereinzelte Büromenschen entlang.

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Der freundliche Liftführer nimmt uns mit dem Autoaufzug mit nach oben.
Ein selten gewordener Arbeitsplatz.

Ich habe keine Ahnung, wie ich genau zum Veranstaltungsort komme.
Ich nehme es gelassen, heute bin ich nur Teilnehmerin einer Tagung.
Mein Navi lässt mir die Wahl zwischen Auto und Fußgänger. Fahrräder kennt es nicht.
Erst Recht keine barrierefreien Wege.
Ich entscheide mich gegen die Hauptstrassen.

Industrieromantik.

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Die morgendliche Fahrt durch den Freihafen erinnert an frühere Ausfahrten mit meinem Motorrad, der Sonne entgegen. Ja damals…..

Gefühlt müsste ich abbiegen, aber das Navi sieht das anders. Mit der Folge, dass ich die vom Navi befohlene Strasse nicht finde und Bekanntschaft mit „Lands End“ mache.

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Retour.
Irgendwie schaffe ich es, aus dem Brücken-Kreuzungs-Gewirr heraus zu kommen und meinen Weg wie gewünscht auf dem Hauptdeich fortzusetzen.

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Die Zeit wird knapp.
Ich verliere noch 2 Mal den rechten Weg….und genehmige mir dennoch den einen oder anderen Klick.

Ich werde zu spät kommen.
Wie so manches Mal Menschen mit Orientierungsschwierigkeiten aufgrund einer Behinderung.
Wie wäre es, wenn ich häufig auf dem Weg zur Arbeit in dieser Weise ausgebremst würde?
Hätte ich die Gelassenheit, mich neu zu sortieren oder würde ich in die Nähe von Panik oder Lähmung kommen?
Ich spüre den Druck und versuche, ihm nicht nachzugeben.
Mir macht Zeitdruck nicht viel aus, ich gehöre eher zu den Menschen mit eingbautem Turbo.
Aber langfristig betrachtet tut auch mir das nicht gut, was ich schon einmal bitter zu spüren bekam.

Achtsamkeit.
Diese Tagung möchte ich nicht schon abgehetzt und genervt beginnen.
Ich bin da.

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Glück gehabt: die ersten 30 Minuten war Zeit für Kaffee und Stöbern an den Info-Ständen.
Ich fiel nicht unangenehm auf, musste mich nicht für meine Orientierungslosigkeit entschuldigen/rechtfertigen, konnte mich entspannt und guter Dinge zu den Pünktlichen gesellen und meinen Kopf auf „input“ einstellen.

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Mehr über diese Tagung gibt’s demnächst.

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Der Zerissenheit begegnen

ich gehöre irgendwie so nirgens hin… Arbeitertöchter an der Hochschule

Diese, als Buch veröffentlichte Dissertationsschrift von Prof. Dr. Hannelore Bublitz
hat mich in meiner Studienzeit begleitet und war mir immer wieder Hilfe bei der Orientierung in einer für mich fremden Welt.

“ Nicht dazu gehören“ ist ein zentrales Thema in meinem Leben.
ADHS, sozialer „Aufstieg“, binationale Familie, ein Kind, dass sich nicht normgerecht entwickelt.

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Ein neuer Text von Johannes Drischel hat das Thema wieder hoch geholt und mich daran erinnert, dass es noch längst nicht abgehakt für mich ist, wenn auch heute eher auf der “ Meta-Ebene“.

Ich habe hier beschrieben, dass emoflex eine Methode ist, die mir hilft mich innerlich aus zu balancieren.

Wie steht es um mein inneres kulturelles Orientierungssystem? Dem nach zu forschen ist noch immer spannend.

Oft schon habe ich mich gefragt, warum sich mein Freundes-und Bekanntenkreis fast ausschließlich aus in irgend einer Weise Entwurzelten, sei es durch Migration, Binationalität, Wechsel der sozialen Schicht oder einer ganz eigenen Wahrnehmungsweise zusammensetzt. Was wir gemeinsam haben. Und warum.

Menschen wie wir haben keine stabile (soziale) Orientierung durch gemeinsame Bezugsgrößen innerhalb einer homogenen Gruppe.
Wir müssen uns von Klein auf selbst unsere Maßstäbe basteln.
Daher hinterfragen wir eher alle möglichen Zustände, die andere, kulturell gefestigte Menschen als gesetzt und richtig wahrnehmen.

Das macht uns häufig zu Seelenverwandten.
Und lässt uns nicht selten als “ Querulanten“ erscheinen.

Ein solches Leben ist aufregend und gleichzeitig sehr anstrengend.

Gelingt jedoch die Orientierung, so ist dieses innere Multikulti ein ungeheurer Gewinn.

Nicht ungewöhnlich oder gar widersprüchlich für die Betreffenden.
Alltag eben. Normalität.

Wenn der Rest der Welt uns nur so sein ließe.
Was leider immer noch nicht üblich ist.

Ein tolles Thema.

Ein integrativer Ansatz, der über das “ wir feiern multikulturell und haben uns alle lieb “ weit hinaus geht.

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