Daddeltach…

Wofür man alles so Zeit hat, wenn zwischen den Jahren/am Jahresanfang die Uhr langsamer tickt…
Ein spätes Frühstück und sich endlich einmal dabei all die Artikel, Blogs und anderes Ungelesenes zu Gemüte führen.

Es sind jetzt 1,5 Jahre her, dass Teenie die Schule verlassen hat. In dieser Vorweihnachtszeit habe ich das so richtig gemerkt. Es stehen zwar wichtige Entscheidungen an, aber diese haben haben Hand und Fuß, sind keine vermeintlich zukünftigen Katastrophenszenarien, wenn denn nicht mindestens 1-2 Adventswochendenen dem heiligen Altar Schule geopfert werden…..
Kein schlechtes Rabenelterngewissen mehr, weil wir uns verweigern.
Kein Jahresendstress.
Wir sind diesem von Dieter Schnaas in Tauchsieder – Bestnoten für Bildungswahnsinn in der Wirtschaftswoche beschriebenem Irrsinn entkommen.

Besinnliche Adventszeit? Von wegen. Bald stehen die Halbjahreszeugnisse ins Haus. Und an deutschen Küchentischen herrscht die nackte Notenpanik. Eine Abrechnung. mehr

Besonders gefällt mir auch die Aussicht auf die Abschaffung der Zettelwirtschaft in deutschen Klassenzimmern. Ich werde vermutlich Jahre brauchen, um dieses Trauma des ‚ Lehrperson nicht erreichbar, keine Jahresplanung , kaum Transparenz bei dem was in der Klasse abgeht bei gleichzeitiger Erwartung der Schule, dass Eltern gefälligst super Dienstleister für diesen Verein sind ‚ loszuwerden.

Eigentlich sollte man meinen, dass die digitale Kommunikation gut 20 Jahre nach der Kommerzialisierung des globalen Datennetzes längst Standard ist an Deutschlands rund 35.000 öffentlichen Schulen. Doch weit gefehlt. Noch immer sind Mitteilungen auf Papier vielerorts der meistgenutzte Informationsweg, werden Nachrichten wie im 19. Jahrhundert übermittelt.

….so Dieter Dürand in der Wirtschaftswoche über elektronische Klassenbücher.
Mehr dazu hier

Ich selbst habe leider nichts mehr davon. Aber zum einen bin ich etwas gehässig ( das, was in anderen Berufen längst Alltag ist, müssen nun auch die Lehrer lernen ) und zum anderen erfreue ich mich an vernünftigen Entwicklungen.

In der Zeit Online findet man ja alles: Artikel, die besagen, dass die heutigen Kinder es nicht gut haben, andere, die vom Gegenteil reden. Über Eltern, die zu viel erziehen und solche, die sich zu wenig engagieren.
Dort werden Erziehungsratgeber und dessen Vielzahl kritisiert und immer wieder Artikel, die genau diese anpreisen – oder deren Autoren als Experten.

Da kann sich wirklich jeder aussuchen, was er gerne hören möchte.

Gut gefallen hat mir der Artikel Wir sind keine Sorgenkinder von Martin Spiewak , in dem endlich einmal nicht nur über die völlig danebenen Kids und die dafür verantwortlichen Eltern gewettert wird. Und mein ‚ bestgehasster‘ Bestseller-Psycho-Autor bekommt auch sein Fett ab :

Alle großen Zeitungen und Magazine haben über ihn geschrieben oder ihn interviewt. Er ist der Thilo Sarrazin der Erziehung. Doch anders als Sarrazin trifft Winterhoff kaum auf Widerspruch. hier

Dagegen schreibt über die ‚ Ichlinge ‚ die es ja leider auch zu Hauf gibt, Heidi Keller in Me, Myself And I ebenso gut zutreffend, dass allein der persönliche Erfolg im Leben mehr und mehr Maßstab der jüngeren (deutschen) Mittelstands-Generation wird.

Offenbar verführt Wohlstand zu Egoismus. So sind Kinder aus bildungsfernen Familien – ob mit oder ohne Migrationshintergund – häufig sozial verbindlicher, respektvoller, höflicher. Denn wer von Hause aus weniger Ressourcen hat, muss kooperieren, damit das Familienleben funktionieren kann. Das Selbstwertgefühl speist sich aus dem Miteinander und der Verantwortung füreinander. Ein Bildungssystem aber, das auf individuelle Autonomie ausgerichtet ist, schließt Kinder aus sozial schwächeren Milieus aus, da es ihre Werte und Bedürfnisse ignoriert.
Quelle

Jau…es gibt wohl das Eine wie das Andere.

Familientherapeut Jasper Juul kann sich so oder so freuen :
Ich kämpfe täglich mit deutschen Müttern bringt ihm sicheres Geld und wenn er hier sagt, …

…. Seid nicht so perfektionistisch. Bis man wirklich gut ist im Erziehen, muss man mindestens vier Kinder haben. Aber glücklicherweise brauchen und wollen Kinder keine fix und fertigen Eltern. Kinder haben viel Verständnis für Fehler – sie machen ja selbst den ganzen Tag welche und lernen daraus. Eltern fragen mich ständig: Ist es erlaubt, Kindern gegenüber laut zu werden? Natürlich ist es das, man darf heulen, schreien, alles Mögliche. Kinder brauchen lebende Eltern. Sie brauchen keine Schaufensterpuppen.

… hat er sicherlich nicht ganz Unrecht.

Inklusion ist kein Thema

Bei all den Artikeln, die ich heute über Erziehung, Bildung, Entwicklungspsychologie oder Generation sonstwie gelesen habe, spielte Inklusion keine Rolle. Zugegeben, nicht alle Artikel waren neueren Datums, aber soooooo alt waren sie nun auch wieder nicht.

Vielen Menschen hier gefällt das nicht. Sie haben sich deshalb zu einem Bündnis zusammengeschlossen.
Zur Nachahmung empfohlen….Hamburger Bündnis für schulische Inklusion.

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Un-Nötig

Teenie spielt seit 8 Jahren Geige.
In ihrem Geigenensemble haben Vivaldi, Bach und Mozart ebenso Platz wie Gershwin, ABBA, Fluch der Karibik und andere Filmmusik.

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Seit 8 Jahren kämpft sie gegen das Notenlernen.
Noten würden sie verwirren. Sie könne nicht in der Zeile bleiben, mit den Augen nicht so langsam über das Blatt gleiten und es lenke sie von den Dingen ab, auf die es ankäme.

Ausgestattet mit einer Synästhesie, welche sie Töne schmecken lässt, kann sie auch lange und komplizierte Stücke ruck-zuck auswendig.
Lieder, deren Melodie sie kennt, spielt sie auf Anhieb in der richtigen Tonart mit.
Was gibt es Entspannenderes, als sein Lieblingsstück immer und immer wieder auf der
Geige mitzuspielen?

Die Entspannung beim Musizieren hört jedoch hinter unserer Wohnungstür auf. Etliche Musiklehrer sind bereits daran gescheitert, sie zum Notenlesen zu zwingen. Bestenfalls erreichen sie, dass sie so tut als ob.
Zum Glück geben die Lehrer irgendwann auf.

Heute gab es dann mal wieder Theater mit dem neuen Lehrer. Der kann es einfach nicht fassen, macht Druck und in einer Woche soll sie das gefälligst können. Und nicht so verkrampft sein, und dies….und das…

Na ja, ich glaube ja auch, dass das Notenlernen nicht der Akt ist. Aber für sie längst zum Symbol geworden für die Frage:

darf ich so sein wie ich bin, darf ich so lernen wie es für mich passt?

Teenie hat sich mittlerweile gewappnet: Paul McCartney, Jimmy Hendrix, Phil Collins , Eric Clapton, Michael Jackson….. tolle Musiker, die keine Noten können würden/ gekonnt hätten.
Hendrix habe z.B. alles in Farben notiert, auch Collins hätte seine eigene Notation entwickelt.
Nach Noten spielen sei wie Malen nach Zahlen.
Uff.

Auf ihre Frage dann, wie ich das denn mache, muss ich gestehen, dass ich mir vorgenommen habe, nun auch endlich im Zusammenhang mit dem relativ neuen Cellospielen Noten zu lernen…..äh, ich kann nur mehr schlecht als recht vom Blatt spielen . Ich weiß mit welchem Finger ich wo auf welche Seite “ drücken “ muss, aber wenn meine Cello-Queen sagt : weiter beim „gis“ muss ich rechnen. Auch ich rutsche oft in die falsche Zeile und besonders bei längeren gleichförmigen Passagen verliere ich den “ Anschluss“.
Na ja, gemerkt hat man das noch nicht einmal in der Abi-Musikprüfung.
Wirklich brauche ich Noten nur um völlig unbekannte Stücke zu lesen und bei ungeübten Stücken im Quartett: damit dort die Pausen stimmen und ich die anderen Stimmen mitlesen kann.
Aber damit es mir richtig Spaß macht, sind Noten nicht erforderlich, sind sie eher hinderlich.

Hätte Teenie nicht auch den Orchester-Lehrer, der nach der Suzuki-Methode unterrichtet und bei dem Spielfreude an erster Stelle steht, eine kunterbunte Kinderschar gewöhnt ist und die Kids da abholt wo sie stehen, würde sie sich sicherlich nicht darüber sorgen, ob sie nicht bald zu alt für diese Gruppe ist.
Aber nur im Orchester geht halt nicht……und so müssen Kompromisse gefunden werden.

Pro Forma lernen wir nun also ( wieder einmal ) Noten…..bis nächste Woche.
Wir haben ja sonst nichts zu tun.

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Gut gemacht!

Nun sind es nur noch ein paar Wochen und das erste Bundesland spuckt Giftblätter aus.
In einer Bewertungsskala von 1-6 , bzw. hier auf den Stadtteilschulen von E1-G6 (1) werden die schulischen Leistungen komprimiert.
Nicht erwähnt: all die Mühe, all die Arbeit, alles, was im letzten Schuljahr eine ebenso wichtige Rolle in der Entwicklung spielte.

Der Focus vieler Eltern leider zu sehr parallel zu der Schulbewertung. Kollegen berichten mir zZ über ausgeklügelte Belohnungssysteme diverser Art: für jede Notenbesserung so und soviel Euro, für den Durchschnitt X dieses oder jenes, eine Kombination von beidem…..
Gerecht sei das, ein Antrieb und das Kind lerne, dass Anstrengung sich lohne.

Schon beim Beschreiben dieser Methoden schüttelt es mich.

Auch wir begehen den Tag des Zeugnisses in besonderer Weise. Gehen zusammen Essen.
Feiern, dass Ferien sind.
Es wächst auch mal ein 10ner rüber, von der Omi oder jemand anderer hat Spendierlaune.

Allerdings unabhängig vom Ergebnis.
Ein Schuljahr, ein Jahr voller Arbeit und Anforderungen – geschafft.
So oder so.
Oft gekämpft.
Dabei geblieben.

Ist das nicht das Wichtigste für alle Kids?
Und für Kids mit Entwicklungsschwierigkeiten in besonderem Maße.

Besonders gefordert sind diese noch durch das ganze nebenschulische Programm, das da heißt Therapien, Alltagsdinge üben usw.

Seit 3 Jahren gibt es hier eine persönliche Urkunde.
Weil soviel geleistet wurde, was im Zeugnis nicht erwähnt wird.
Parallel zum Selbigen, macht es weniger bitter, macht es ein wenig vollständiger.
Und ist der Mühe mehr als wert:
Als Teenie jetzt den Abschluss nicht bekam – was sich übrigens als Rechenfehler der Schule herausstellte, nach mehr als 1 Woche ! – kramte sie die alten Dinger wieder heraus.
Las, wie sie sich entwickelt hat, wo sie einmal stand und überlegte, wo sie heute steht.
Erkenntnis: Mum, ich kann eigentlich ganz viel, nur in der Schule zählt das nicht.

Und freut sich auf die diesjährige Urkunde.
Die ich gerne schreiben und gestalten werde. Immer auch eine Gelegenheit für mich, Abstand von der leider oft defizitären Sichtweise auf mein Kind zu bekommen.
Erwähnenswertes gibt es in Fülle.

Wie es geht, steht hier.

(1) Die E-Noten(Erweiterte Anforderungen) entsprechen gymnasialen Noten und sind am Ende des Jahrgangs 10 notwendig für den Zugang zu Studienstufe. Die Noten G3-G6 entsprechen einer gymnasialen 6. Die Noten G5 und G6 erfüllen nicht die Anforderung für den ersten Bildungsabschluss(o.A.)

E1 = Studienstufe ( Gym.) bis E4
E2=
E3=
E4= G1
E5= G2- MSA ( Realsch.)
E6= G3- ESA. (Hauptsch.)
E6= G4- ESA
E6= G5- o.A.
E6= G6- o.A.

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Perlen vor die Säue werfen? Ausnahmsweise: Ja!

Diskussion mit der Musiklehrerin.
Eine, die uns schon Jahre verfolgt, die Frau meine ich.

Und dabei hatten wir so gute Erfahrungen mit dem Schul-Musikunterricht: die ersten beiden Klassen Trommeln, dann 2 Schuljahre Keyboard, dann ab der 5 . Klasse kam Theorie dazu. Instrumentenkunde mit ausprobieren. Die verschiedenen Musikarten – mit ausprobieren.
Sinnlicher Unterricht.
Selbstverständlich Chor von Anfang an. Mit Bewegung, Spaß und Band.
Musikpädagogen zum Mögen.
Die Geige gerne mit zur Schule schleppen.
Lieblingsfach.

Dann kam SIE.
Übernahm den Chor.
Falsche Einsätze sogar bei Auftritten.
Unklare Ansagen….unsichereres Auftreten.

Übernahm den Klassenunterricht.
Frust statt Genuss.
Vorbei mit der kreativen Insel im Schulalltag. Die Geige blieb fortan zu Hause.

Das ist eine Notenspielerin, keine Musikerin.

Schüler sind ja oft ungerecht, aber in diesem Fall kann ich das bestätigen. Zu oft habe ich ihr Wirken bei Chorauftritten, die unterstützende Eltern backstage brauchten, erlebt. Brrrr….

Ausgerechnet dieser Lehrerin nun sagen wir nicht, dass Töne nicht nur klingen, sondern auch schmecken (1). Sie wird es nicht glauben. Sich noch nicht einmal vorstellen können. Die Absicht einer Bevorzugung vermuten.

Folge: eine überdurchschnittlich musikalische Schülerin wählt Musik ab. Das klappt 1 Jahr, dann findet die Schule , sie soll weiter machen: sie ist wieder drin, obwohl sie das Fach nur als zweite Wahl angegeben hat und der präferierte Kurs nicht überbelegt war.

Protesthaltung “ für diese unmusikalische, doofe Kuh strenge ich mich nicht an“.
Auch auf der anderen Seite: sie nutzt nicht ihr Potenzial, das ist unerhört!

Debatten zu Hause: das Ganze mal pragmatisch sehen. Locker ‚ ne gute Note absahnen.
Mühsam….aber nicht erfolglos.

Gemeinsam mit einem guten Gitarrenspieler, der ähnliche Probleme hat, wird der Unterricht nun mit gestaltet.

Der Deal:
1. die Lehrerin darf den Privatinstrumenten der Kids nicht zu nahe kommen, geschweige denn stimmen
2. die anderen Schulinstrumente werden von den beiden Kids gestimmt
3. die beiden Kids dürfen ihre Arrangements für die Stücke ( z.Z. ein Reggae) selber schreiben, mit ihrer Unterstützung, na klar 😉
3. mein Teenie tut so, als ob sie nach Noten spielt, damit die Frau selig ist
4. mein Teenie füllt in Zukunft die langweiligen Arbeitsblätter aus und schreibt die Tests nicht nur zur Hälfte

Es wird nicht die letzte Diskussion mit Frau Notenspielerin sein.
Nie wird sie verstehen, dass ein Kind, dessen Schulnoten sich im unteren Bereich finden, ein Instrument so gut beherrschen kann. Ich werde ihr nicht wieder sagen, dass mein Teenie selten Geige übt – weder die unüberhörbare Schnappatmung durchs Telefon noch die darauf folgende Gardinenpredigt von der Verschwendung des Talents muss ich noch einmal haben.
Das passt offensichtlich alles nicht in ihr Weltbild.

Aus irgend einem Grund ist sie der Ansicht, wir wären per „Du“, noch von der gemeinsamen Zeit backstage her.
Darauf würde ich mich grundsätzlich nicht bei LehrerInnen, die noch für mein Kind in Frage kommen, einlassen.
Nun ja, ich tu ihr den Gefallen. Ausnahmsweise.

Auch ich muss schließlich guten Willen zeigen.

(1) Synästhesie

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