Luft nach oben….

Gastbeitrag von Rheumi, der Laborratte

Ich bin im Dienste der Forschung unterwegs…. denke ich mir und quäle mich, noch Prinzessin Morgensteif, aus dem  Bett. Dauert ja alles länger als sonst.

Die Dokumentationsunterlagen und  Medikamente schon am Abend zuvor zurecht gelegt. Wieder etwas Neues. Das verstößt schon fast gegen meine Chaos-Queen-Ehre.  Wie war das noch mal mit konkurrierenden Hoheiten, trachten die sich nicht nach dem Leben oder heiraten? Noch dominiert das Chaos, wie ein Blick auf den wüsten Papierstapel verrät.

Als noch nicht klar war, ob ich zur Laborratte tauge, musste ich so einige Untersuchungen mit machen. Schließlich soll das Medikament auf dem deutschen Markt zugelassen werden und da will man nur Versuchsobjekte ohne Risikofaktoren.
Natürlich wirft so ein großes Pharmaunternehmen auch Köder aus: eine quasi-privatärztliche Betreuung, engmaschige Begleitung, Aufwandsentschädigung und natürlich das neue Medikament, ein Biologika.

Exkurs: Die medikamentöse Standardbehandlung bei Rheumatoider Arthritis sind Schmerz-und Entzündungs-Hemmer wie z.B. Ibuprofen, Diclofenac oder Kortison plus der sogenannten Basistherapie Methotrexat (MTX). Nur wenn das nach etlichen Monaten nichts bringt, bekommt man teure Biologika verschrieben. Genauer hier

Im Rahmen der Voruntersuchungen durfte ich erleben, womit man gut betuchten Kranken das Leben versüßt: das ist doch mal ein Wartezimmer!

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Aber eigentlich eine Attrappe, denn die Wartezeit betrug nur 1 Minute. Aber schön in Ruhe konnte ich den Fragebogen ausfüllen, nicht im Stehen, nicht auf den Knien schreibend. Da fühlt man sich gleich ganz anders. Wertvoller irgendwie.

Aber heute ist nur ein normaler Studientermin angesagt. Auch dabei läuft alles ganz geschmeidig: ich sage an der Rezeption des Rheumatologischen Versorgungszentrums, dass ich Studienteilnehmerin bin und schon darf ich zu einem speziellen Wartebereich durchgehen um dann sofort dort begrüßt zu werden und los geht’s mit dem jeweiligen Prozedere. Eigentlich eine reine Datenerhebung. Fragebogen, Labor und Gelenkstatus. Dann noch ein „Gespräch“ mit der Prüfärztin (leider wieder nur eine Vertretung, nun schon das zweite Mal und wieder eine andere als letztes Mal).
Frau Doktor ist kurz angebunden  will nur das wissen, was für das Pharmaunternehmen interessant ist.

Das ist aber nicht zwingend identisch mit dem was ich wissen will. Mir geht es hier immer noch um meine Gesundheit, mein Wohlbefinden. Und dass die im Vordergrund auch dieser Studie stehen, ist mir vertraglich zugesichert.
Also fange ich mit den Fragen meinerseits an und muss leider erleben, dass darauf nicht mit Begeisterung reagiert wird.
Dass ich meine Untersuchungsergebnisse ausgehändigt bekomme, ist doch wohl ein Selbstgänger …..ähem, ja natürlich.
Und die Aufwandsentschädigung möchte ich dem Unternehmen auch nicht spenden….ähem, natürlich nicht…da haben wir gar nicht dran gedacht.
Und nun würde ich gerne noch darüber reden, wie es aussieht mit nicht medikamentöser Unterstützung. z.B. Physio-oder Ergotherapie, Hilfsmittelberatung usw. ….ähem, da machen Sie  doch besser  noch einen Termin bei ihrer Rheumatologin.
Ups.
Ich dachte, die säße gerade vor mir. Steht nicht im meinem Vertrag, dass der Prüfarzt alles weitere veranlasst, nur dann eben ganz normal zu Lasten der Krankenkasse?

Noch bin ich milde gestimmt, denn das Medikament, dass ich seit 2 Wochen nehme, wirkt gut und Nebenwirkungen halten sich in Grenzen. Ich bekomme problemlos einen Termin bei der von der Krankenkasse bezahlten Rheumatologin  am Tag des nächsten Studientermins. Soweit alles gut. Meine Fragen können noch 2 Wochen warten.

Dennoch schleicht sich schon jetzt so ein Gefühl ein: Das Pharmaunternehmen bezahlt die Praxen, die die Studien durchführen. Ob diese dann die den Probanden vom Unternehmen zugesicherte komfortable medizinische Behandlung wirklich bieten, wird vielleicht gar nicht überprüft?

Ich bin ja mal gespannt, was meine – gut ausgebuchte- Rheumatologin nächstes Mal zu der Doppelarbeit sagt. Für mich sah das so aus, als hätte sie mich an ihre Kollegin abgegeben.
Na ja, nicht mein Problem.

Dennoch verlasse ich etwas gefrustet das Forschungszentrum. Die in Aussicht gestellte, viel bessere Gesamtversorgung lässt zu wünschen übrig.

Da liegt es doch nah, sich ein wenig zu trösten.
Eine wirklich gute Medizin sind Handtaschen und Schuhe, oder ein Eyecatcher in Form eines Ringes ….ach , letzteres ist ja nicht mehr so toll bei geschwollenen Fingern, also was dann?
Da nicht damit zu rechnen ist, dass mein Kopf rheumabedingt anschwillt versuche ich mein Glück mit einer neuen Brille, die ist sowieso fällig.
Schließlich will ich auch weiterhin das Kleingedruckte lesen können.