Wenn ein Kind sich 9 Jahre durch die Schule quält und dann im ersten abschlussgebenden Match rausfliegt, ist das der finale Tiefschlag in der regulären Schulkarriere. Dann ist amtlich, was es täglich erfuhr und spürte.
Coole Teenies – solche, die man oft im TV sieht und Eltern hoffen lässt, das ihr Schätzchen niemals auch nur in die Nähe dieser Spezies kommt, tönen “ Scheiß egal“ und „die können mich mal“ . Letzteres war eh‘ schon länger ihre vor sich her getragene Devise. Gut, dass keiner in ihr Herz schauen kann.
Andere verkrümeln sich, werden krank und noch unsichtbarer. Auch ihr Herz: verschlossen.
Dieser Veranstaltung, die sich Unterricht nennt, haben sie sich meist schon länger entzogen. Die einen körperlich, die anderen haben Tag für Tag nur ihre körperliche Hülle da hin gesetzt.
Die innere Haltung von Eltern dieser Kids verläuft irgendwie parallel. Fast allen bricht es das Herz, ihr Kind scheitern zu sehen. Ja, auch denen, die nicht danach aussehen. Dort sind allenfalls schon so viele Scherben im Herzen aus eigenem Erleben, dass diese neuen kaum auffallen. Schon gar nicht Dritten.
Auf der Suche nach Fakten zu diesem Thema, auf der Suche nach sinnvollen Angeboten mit Perspektive für diese schulpflichtigen jungen Leute stolperte ich mich durchs Internet. Seiten voller Worte wie Peitschenhiebe:
Betreuung schwierigster Schüler
chancen-geminderte Jugendliche,
Bildungsverlierer
Stigma
Aussortiert
Problemschüler
Unter anderem entnommen HP’s von Einrichtungen, die es sich zur Aufgaben gemacht haben, diesen Kids zu helfen.(1)
Ich bin der festen Überzeugung, dass Worte nicht nur Worte sind, sondern immer auch eine Bedeutungsebene haben und eine Haltung ausdrücken.
Eine Haltung, welche diese so früh immer wieder mit Scheitern konfrontierten Kids spüren.
Nun gut, sicherlich preisen manche Seiten die enormen Schwierigkeiten ( ist jemand, der Schwierigkeiten hat = schwierig?) nur, um eine halbwegs ausreichende staatliche Zuwendung oder Spenden zu bekommen.
“ Eigentlich kann es doch gar nicht sein, dass…….“ diese Worte habe ich in den letzten Tagen immer wieder gehört und auch selbst gedacht.
Doch es kann.
Und es bringt mich dazu, nicht mehr nach der Perspektive zu fragen.
Ich bin entsetzt und es trifft mich so wie jemanden , der auch einmal all diese Zuschreibungen auf sich beziehen konnte. Beschrieben in einem alten blog hier.
Ungewöhnlich ruhig ist es geworden : kein Austausch zwischen den Eltern, auch nicht mit den enger befreundeten. Keine Nachfragen.
“ Und du bist raus “ – trifft auch mich, kränkt , weckt Zorn, berührt alte Wunden.
Unsere Schulbehörde hat ein schönes Paper gemacht, da werden Maßnahmen für diese Jugendlichen unter der Headline
Schulpflichtige ohne Alternative
angeführt.
Die da sind: 10. Klasse durchhalten oder Produktionsschule.
Durchhalten: geringe Aussichten auf Erfolg, große Aussichten auf endgültigen Absturz.
Produktionsschule: Warnung durch einige Lehrer : da sind nur die na ja, sie wissen schon…ob ihr Kind da hin passt?
Wir denken an den Schrecken ohne Ende im Dunstkreis genau dieser LehrerInnen und ihrer lediglich harmlos aussehenden Schülerschar.
Break
Jetzt gehen wir den Weg des geordneten Abstiegs. Back to the roots, sozusagen.
Keine Abschlussfeier, keine Reden, keine Abschlussfahrt.
Unterwegs abhanden gekommen.
Diese Entscheidung fiel uns nicht leicht und gleicht einem Sprung ins Ungewisse.
Aber sie birgt Chancen, wie ich – dank meiner beherzten Mutter, die allen Vorurteilen zum Trotz seinerzeit den Sprung über die Teufelsschlucht wagte – an mir selbst erlebt und an vielen anderen gesehen habe.
The line it is drawn
The curse it is cast
The slow one now
Will later be fast
As the present now
Will later be past
The order is
Rapidly fadin‘.
And the first one now
Will later be last
For the times they are a-changin‘. (2)
Vorerst jedoch schöne Grüße aus dem “ OFF „.
(1) meine liebe Leserschaft möge mir verzeihen, dass ich ausnahmsweise auf Quellenangaben verzichte. Mir ist nicht danach, sie noch einmal aufzurufen.
(2) Bob Dylan, The Times They Are A Changin‘
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