Profis

Schon lange hatte ich mich auf diesen Abend gefreut. Sogar Teenie wollte, nach ausführlichem yt-studium, mit.
Was mich freute. Immer seltener werden die gemeinsamen Aktivitäten…

Perfekte Koordinaten

Meine andere Begleiterin, welche die Idee dieses Ausflugs hatte, bürgte durch ihre intensive Beziehung zu Musik und Rhythmus zudem für ein feines kulturelles Erlebnis.
Der Veranstaltungsort vertraut durch diverse Konzert-und Theater -Besuche sowie Teenies besten Darbietungen ‚on stage‘.
Erholt vom Weihnachtsstress und noch nicht geschafft vom Jahreswechselrausch(en).

Hatten wir zunächst noch geplant, uns vor dem musikalischen Ereignis kulinarischen Genüssen hinzugeben, mussten wir kurzfristig zugestehen, dass Ketten-Termine Teenies Sache nicht sind und konzentrierten uns lieber auf die abendliche Veranstaltung.
Relativ glatt gestaltete sich die Anreise und wir waren guter Dinge ( jugendliches Genöle fällt unter die Kategorie Grundrauschen).

Künstler_innen wollen auch leben

Ausverkauft – super.
Der Saal. Eng bestuhlt – oh je.
Teenie beanstandet den Altersdurchschnitt, sucht fast vergeblich nach dunkler Haut, vielleicht sogar Dreadz, wenigstens einer?
Dunkle Haut wurde dann auf der Bühne gezeigt, umhüllt von farbigen Boubous.
Erster visueller Eindruck: schöne Frauen, mit Rundungen, mal mehr mal weniger, aber niemals weg gehungert. Und alle in ihrer Körperlichkeit präsent.
Dahinter die Männer, nicht ganz so bewandet.

Backflash: ich erinnere meine Zeit in Westafrika. Nur morgens hatte ich einen Spiegel. Den Rest des Tages war ich wie ich bin. Fühlte mich wohl, wurde von Tag zu Tag sicherer meiner selbst, weil ich nicht abgelenkt von meinem Äußeren war. Umgeben von Frauen, die denen auf der Bühne glichen, nur meist im Alltags – Boubou.

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Oben, von der Bühne aus, ist es nicht so schlimm.

Die ersten Töne.
Wir sind sofort dabei.
Schon beim ersten Applaus zuckt Teenie zusammen: wie konnte ich DAS vergessen? Dieses plötzlich einsetzende Geräusch, in ihren Ohren wie scharfes Glas. Bin hin und her gerissen. Möchte so gerne, dass sie genießen und entspannen kann und weiß doch, dass es nicht geht und dass ich gar nichts für sie tun kann. Ich weiß, dass sie aushalten wird.

Die Begrüßung auf stark akzentuiertem Englisch, Teenie und ich verstehen es gut, weil wir es öfter als britisches oder amerikanisches hören.
Die Show nimmt Fahrt auf.
Powervoller Gesang, tolle Choreografie.
Begleitet nur von 2 Djemben, gelegentlich ein Keyboard. Weniger ist mehr, hier.
Die Künstler_innen geben alles.
Das Publikum sitzt still und starr…..wie halten die Leute das nur aus? Juckt es nicht in den Beinen? Zuckt vielleicht wenigstens der große Zeh?

Backflash: So oft zusammengesessen, kaum spielt die Musik, schon fängt jemand an zu tanzen. Bei meinen chilenischen Freunden in früher Jugend, meinen afrikanischen später dann.

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Selbst als es so eine Art ‚ Wettbewerb der Tänzer_innen ‚ , umgeben von den anfeuernden Sänger_innen gibt, bleibt die Reaktion im Publikum kühl.
Fast, als säßen wir vor dem TV.

Backflash: auf einer der vielen Tanzgelegenheiten in Afrika fand auch ich mich inmitten eines anfeuernden Kreises der Verwandtschaft wieder. Nach anfänglichen Hemmungen hab ich einfach mitgemacht, es tat nicht weh und keiner hat gelacht. Jede_r wie er/sie kann. Und wie jede/r im Kreis tanzende, hab auch ich mehr mehr gegeben, als sonst auf der Tanzfläche.
Jung, alt, dünn, dick, weiß, schwarz – egal.

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Beifall gab’s für jede/n.

Clap your hands

Musik ohne sichtbare Freude und Bewegung kennen anscheinend nur wir Deutschen. Dafür sind wir groß im Musik Analysieren, im Kritisieren, im Gefühle zurück halten. Außer auf Malle oder mit Alk.
Immerhin wird bei einigen Stücken geklatscht. Zwei Plätze weiter zielsicher neben dem Takt, das muss wirklich schwer sein. Teenie fast vor der Explosion, meine Begleiterin auch sichtlich verspannt. Da hilft auch drüber lachen nicht.

Und dann das Highlight des Grauens:

This –clap– little light of mine –clap….

Kennt jeder. Wie bei Gospel so üblich, wird nicht die erste und dritte, sondern 2. und 4. Note betont.
Man sieht das schon an den Bewegungen der Sänger_innen.

Wir drei geben unser Bestes, von oben bekommen wir Unterstützung, ganz deutlich wird vorgeklatscht.
Es hilft alles nichts : das Klatschen des Publikums macht ein Wanderlied aus dem Song.

Später wird das Publikum aufgefordert, aufzustehen, mitzusingen und zu klatschen. Deutlicher können die Anweisungen nicht sein.
Es klappt: für eine Weile ist es erlaubt, locker zu sein, mit zu gehen mit der Musik. Es funktioniert sogar ganz gut.
Schade, das hätte am Anfang kommen müssen. Aber hätten sich dann die Sänger_innen auf ihren Gesang und Tanz konzentrieren können?
Dies war das 10. Jahr, indem der Soweto Gospel Choir hier aufgetreten ist.
Ich denke, die Künstler_innen wissen, was lohnt und was Energieverschwendung ist.

Nach einigen Zugaben – ja, das Publikum zeigte sich am Ende sehr begeistert- dann die Nationalhymne Südafrikas, anlässlich des kürzlichen Todes von Nelson Mandela.
Ich steh‘ nicht so auf Nationalhymnen, aber diesen Abschluss des Konzertes kann ich nachvollziehen.
Gerade hier in Deutschland :

Apartheid wurde als Verbrechen erstmals in der Internationalen Konvention über die Unterdrückung und Bestrafung des Verbrechens der Apartheid[2] definiert, die von der UNO-Vollversammlung am 30. November 1973 beschlossen wurde und 1976 in Kraft trat, nachdem ihr 76 Staaten beigetreten waren. Eine Reihe von Staaten sind der Konvention bis 2010 nicht beigetreten: Australien, Deutschland, Frankreich, Israel, Italien, Kanada, Neuseeland, die Niederlande, das Vereinigte Königreich sowie die Vereinigten Staaten. Quelle

Es hat uns gefallen .
Teenie brauchte eine Weile, um zur Ruhe zu kommen.
Ich frage mich wieder einmal mehr, was die Menschen hier so erstarrt sein lässt.

Musik im Blut?
Davon halte ich nix.
Es ist die Kultur, die es ausmacht.

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