Schau mal an

Hätte es dieses Buch schon vor zehn Jahren gegeben: ich hätte mindestens 10 davon gekauft und an Teenies Lehrer_innen, die Schulleitung, Musik-und Sportverein, und natürlich auch diversen lieben Familienmitgliedern geschenkt.

Nicht, dass ich diesen Personenkreis nicht informiert hätte.
Es gibt sehr gute Bücher zum Thema ( z.b. Tony Attwood, Christine Preißmann).
Es gibt Handreichungen von Autismus Deutschland, kleine Broschüren, nicht teuer und doch gut.

Es gibt Tante google.

Und es gibt leider Ignoranz.

Deshalb hätte ich es auch nicht den Ärzten gegeben, die mögen es nämlich nicht, wenn man ankommt und sagt: hier, da bin genau ich/ bzw. mein Kind beschrieben.

Die wollen ihren ICD-Katalog abarbeiten.
Ihre standardisierten Fragen und Tests loswerden.
Im Prinzip richtig, aber ….
Haben sie jemanden vor sich, der weiß, was NT’s (1) tun oder sagen würden und kann es gut nachahmen, dann denken sie: o.k., ein bisschen schräg, das eine oder andere Kriterium erfüllt, aber insgesamt bildet sich das

a) die Mutter ein ( meistens der Mensch, der mit dem Kind zum Arzt latscht)
b) ist das Kind manipuliert, verwöhnt oder sonst wie falsch erzogen
c) die Eltern wollen es sich mit einen Modediagnose einfach machen
d) bei der Mutter hätte ich auch ein Trauma
e) … und allerhand mehr aus der Psychokiste, meist tiefenpsychologisch orientiert

Oder so.
Das ist nicht erfunden, sondern so erlebt und einiges davon haben wir schwarz auf weiß.

Aber nun haben wir dieses Buch.
Es spult nicht die Diagnosekriterien ab, ergänzt mit ein paar Beispielen.
Leser_innen müssen keinen gedanklichen Transfer von abstrakten Formulierungen in ein Nachempfinden von Erlebtem leisten.
Man muss nicht in der Lage sein, komplizierte Texte zu lesen oder sich auf ausführliche Beschreibungen zu konzentrieren.
Es ist unwissenschaftlich.
Kurzweilig.
Ein Bilderbuch.
Nicht für Kinder, aber über ein Kind.
Ein autistisches, und wie es seine Kindheit erlebt hat.
Sehr schön anzuschauen und zu lesen mit älteren Kids und überhaupt nicht langweilig für Erwachsene.

Daniela Schreiter, bekannt im Netz als Fuchskind, hat mit ihrem Comic Schattenspringer ein wunderbares Buch vorgelegt, in dem anschaulich vom Alltag eines autistischen Kindes erzählt wird.

“ Ich begann ein Doppelleben zu führen. Draußen war ich der NT, der so gut wie möglich versuchte, normal zu wirken, was auch immer das hieß und bedeutete. ( ‚…..hoffentlich mache ich nichts falsch! Gehe ich normal oder wirkt mein Gang komisch? Und was………. ) “

“ Zu Hause war ich wieder ich ICH und lebte mein Leben, wie es mir gut tat.“

“ Ich war ein Superheld der besonderen Art und niemand wusste von meiner geheimen Identität“.(2)

Dazu gibt es wunderbare Zeichnungen, zusammen mit den sorgfältig ausgewählten problematischen Situationen eine treffender als das andere. Leseprobe hier

Obwohl die einzelnen Kapitel von den Schwierigkeiten autistischer Menschen im Alltag handeln, kam bei keinem ein beklemmendes Gefühl auf.
Nur ein : ja, so ungefähr hat mir Teenie das auch beschrieben.

Das Dilemma mit sozialen Kontakten, mit dem Sport- und erst Recht Schwimmunterricht, die heilige Ordnung persönlicher Dinge, das Unbehagen in Menschenmengen und die vielen Bemühungen, sich genau wie die anderen zu verhalten und doch so anders gestrickt zu sein.

Daniela Schreiter berichtet aus ihrem eigenen Leben.
Sie beschreibt ohne zu bewerten.
Das macht das Buch so lesenswert.
Sie hilft ein wenig die Augen zu öffnen für Dinge, die NT’s nicht sehen (können).

Teenie, sonst eher abgeneigt diesem Thema gegenüber, weil sie SIE sein will und keine Diagnostische Bezeichnung, wurde neugierig durch meine Bemerkung:
‚ich wusste gar nicht, dass du heimlich ein Buch mit herausgegeben hast‘ ,
schnappte das Buch und las und las und las.

„Wie kann jemand so genau mein Leben beschreiben? “

Ja, wie wohl ? 😉

Ein Buch, das in jedem Lehrerzimmer, in betroffenen Familien oder wo auch immer unsere special heroes sich regelmäßig aufhalten, herumliegen sollte.

Ich wette, da kann kaum einer die Finger von lassen!

(1) Neuro Typisch
(2) Schattenspringer S. 142