Anders

Mein Vater gibt sich Mühe. Meine Mutter nennt mich weiter Felix. Sie erträgt es schlecht, wenn Dinge sich ändern. Man muss dafür Verständnis haben, oder?

Anders‚  von Andreas Steinhöfel – eine Buchbesprechung

Felix ist ein eher unscheinbarer, gut behüteter 10jähriger Junge.

Bis er einen Unfall hat, der ihm eine Kopfverletzung,  eine Zeit im Koma und  eine partielle Amnesie beschert. Zwar beherrscht er noch immer unsere Kulturtechniken, aber an die Menschen aus der Zeit vor dem Unfall kann er sich nicht mehr erinnern. Auch nicht an sich selbst.

Nicht nur er muss seine Eltern und Freunde neu kennenlernen, sondern auch umgekehrt. Felix benimmt sich völlig anders, hat andere Vorlieben, Stärken und vor allem: er nimmt die Welt auf eine besondere Weise war und verhält sich entsprechend.
So ist es nur konsequent von ihm, dass er nicht mehr Felix heißen möchte.
Anders, diesen Namen hat er sich ausgesucht, denn so fühlt er sich auch.

Die Mutter, gewohnt, ihrem Sohn den Alltag vorzugeben, zu bestimmen was wichtig ist und was nicht und damit seine Entwicklung akribisch zu lenken, sieht sich nun mit der Unmöglichkeit der Fortsetzung ihres Konzeptes konfrontiert.
Aus dem formbaren Sohnemann ist ein eigenwilliger Mensch, der seinen Weg auf seine Weise geht, geworden.
Plötzlich ist sie eine Mutter, dessen Kind nicht mehr funktioniert, wie es in ihrem sozialen Umfeld sonst üblich ist. Kein Kind zum Vorzeigen.

Nicht ganz so schwer tut sich der Vater.
Auch er nimmt sich vor, seinen Sohn neu kennen zu lernen. Und merkt, dass er ihn auch vorher nicht besonders gut kannte. Er schafft es, sein verändertes Kind anzunehmen, vielleicht sogar mehr als das Kind vor dem Unfall.
Konflikte zwischen den Eltern sind vorprogrammiert.

Bleibt noch die Sicht der Kinder, denn  Anders/Felix  hat Freunde, geht zur Schule und wie es sich für ein Jugendbuch gehört, liegt der Focus der Geschichte nicht bei den Befindlichkeiten der Eltern sondern dem Treiben der Kinder in Form einer spannenden Geschichte. Denn eigentlich ist es aus deren Sicht gar nicht so wünschenswert, wenn Anders sich an früher erinnert….

Gekauft habe ich Andreas Steinhöfels Buch ‚Anders‘ nicht für mich, sondern für Teenie. Nach ein paar Seiten hab ich es nicht mehr her gegeben.
Mir gefiel, wie Anders Eigenheiten die Mutter mit ihrem Perfektionismus ausbremste.
Der Wandel von Felix zu Anders eröffnet dem Vater hingegen eine Beziehung zu seinem Kind, wie er sie vorher nicht haben konnte und setzt zudem einen ganz persönlichen Emanzipationsprozess bei ihm in Gang.

Im Vergleich zwischen Felix und Anders schnitt Letzterer mit seiner inneren Autonomie gesellschaftlichen Normen gegenüber deutlich besser auf meiner Sympathie-Skala ab.
Sicher auch, weil ich in Anders neuer Sensibilität, Reizoffenheit und ungewöhnlichen Fähigkeiten häufig mein eigenes Kind wieder erkannte.

Ohne sich medizinischer Diagnosen zu bedienen, beschreibt Steinhöfel ein Kind, für das unsere Gesellschaft die Schubladen des DSM 5 bereit hält.
Er beschreibt es mit Sicht auf seine Stärken. Wie schon bei den Büchern über Rico und Oscar, schafft er es, stigmatisierende Wahrnehmungs- und Verhaltensweisen wie z.B. ADHS, Autismus, Synästhesie als ganz gewöhnlich und überhaupt nicht bedrohlich darzustellen.

Steinhöfels neues Buch geht über die Beschreibung der Welt der Kinder weit hinaus. Es zeigt auch auf, in welchen gesellschaftlichen Mustern die Erwachsenen verhangen sind. Wie sie den Schein der perfekten Familie wahren. In der Leistungsgesellschaft dabei sein wollen. Ihren Kindern um den Preis der Kindheit versuchen, einen guten Platz darin zu verschaffen. Zur Reflexion ihres Tuns nicht in der Lage sind.

Sie holt mich immer ab. Überall…..Man ist dauernd überwacht. Man kann nichts alleine machen. Mein ganzes Leben ist ein Scheiß-Überwachungsstaat. (S. 116)

Sich selber, auch wenn sie spüren, dass das alles nicht gut und richtig ist, dennoch den Gepflogenheiten und deren Hütern unterordnen.

Einen Menschen wie Anders brauchen, um endlich zu sehen, was falsch läuft in ihrem Leben.
Aber auch, dass ein Wandel dieser gesellschaftlichen Werte nebst Veränderung der Lebensgewohnheiten derzeit den Preis des Nicht-Mehr-Dazu-Gehörens hat.

Weitere Protagonisten wie eine Nachbarin, ein ex-Nachhilfelehrer, das pädagogische Personal und die Kinder nebst ihren Eltern in der Schule verdeutlich die möglichen Reaktionen auf Menschen wie Anders: Abgrenzung, Angst, Bewunderung, Respekt, Verunsicherung.

Ich bin gespannt, was Teenie zu dieser Geschichte sagt.

Ihre erste Ablehnung gegen das Buch ( lass mich mit dem anders-Scheiß in Ruhe, ich bin Teenie, mich interessiert das nicht, nicht ich hab Probleme sondern der Rest der Welt ) ist der Neugier gewichen, schließlich geht es um ihr bekannte Wahrnehmungsweisen und es ist von einem ihrer Lieblingsautoren.

Außerdem reizt sie der Diskurs darüber mit mir.
Ein willkommener Anlass, wieder einmal über unser Zusammenleben und die uns leitenden Werte zu reden. Ich bekomme da manchmal mein Fett ab… aber dennoch:
Ich freu mich drauf.

Mit Anhieb schafft dieses Buch den highscore auf meiner Lieblingsbuch-Liste.
Steinhöfel ist ein tolles, unaufdringliches Plädoyer für Inklusion gelungen.

Unbegingt lesenswert.

Leise Zweifel bleiben lediglich bei der Altersangabe des Verlages. Für 12jährige scheint es mir noch etwas früh.

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Von wegen Teilhabe

Ich habe hier des Öfteren über den Irrsinn, eine Diagnose als Voraussetzung für Hilfemaßnahmen für ADHSler, Autisten und andere Menschen, die kein reibungsloses Rädchen im kapitalistischen Getriebe sind, geblogt. hier , hier und hier 

Oft habe ich auch schon darüber geschrieben, dass wir mit viel Mühe, Verständnis, Kreativität und Forschergeist immer wieder Lösungen gefunden haben, die zumindest eine gewisse Lebensqualität ermöglichen und uns den Spaß am Leben grundsätzlich nicht verderben. Dazu hier und hier

Stimmen die Rahmenbedingungen, erleben wir immer wieder Zeiten, in denen alles einigermaßen reibungslos läuft. Vor allem von außen betrachtet. Diese Rahmenbedingungen sind aber meistens starr, wachsen nicht mit.
Beispiel gefällig?
Eine zunächst äußerst stärkende und motivierende Tätigkeit unterfordert auf lange Sicht, überfordert aber zugleich durch äußere Störfaktoren wie Instabilität des Gruppengefüges und damit Tagesablaufs/Arbeitsalltags.
Oder der nächste Entwicklungsschritt raus ins Erwachsenenleben war eine Nummer zu groß und es muss wieder einen Gang runter geschaltet werden.
Aber wohin?

Sollte eigentlich kein großes Problem sein.
Passgenaue Unterstützung kann helfen und weiter gehts.

Träum weiter, liebe LeidenschaftlichWidersynnig.

Nein, nun geht der ganze Spaß wieder von vorn los.
Grundsätzlich sieht sogar die Bundesanstalt für Arbeit ( BA ) , dass Unterstützungsbedarf besteht.
Selbstverständlich müssen dafür Diagnosen her, dazu habe ich mich hier schon ausgelassen.
Klar, der ärztliche Dienst der BA wird dann auch noch einmal bemüht, die Diagnose könnte ja unzutreffend sein.
Macht doch nichts, wenn ein junger Mensch, der sich gerade damit abfinden muss, es nicht allein zu schaffen, jetzt auch noch mal hier und da vorgeführt wird, inklusive Demonstration seiner Defizite in Großformat.
Macht doch nichts, wenn die Mutter, die versucht, trotzdem Mut zu machen obwohl sie darum ringt, den eigenen nicht zu verlieren, zum wiederholten Mal durch die Bürokratie turnen muss.
Macht auch nichts, dass das alles ewig dauert und in dieser Zeit ein junger und im Prinzip motivierter Mensch ohne sichtbare Perspektive gelassen wird.

Was kostet die Welt?

Teenie will flügge werden.
Will raus in die Welt.
Möchte dabei Unterstützung.
Ist bereit, die Kröte “ ich bin behindert“ zu schlucken.
Hauptsache, es geht endlich los.

Niemand der professionellen Unterstützer fragt: was ist deine Idee?
Was brauchst du dazu?

Statt dessen darf Teenie X mal schildern , was sie alles nicht kann, was alles Probleme macht, wird vorgeführt und durchleuchtet und die ganze Familie gleich mit.
Weil die Teilhabe möglichst wenig kosten soll.
Weil eine schlechte, kostengünstige Unterstützung wie Berufsorientierungs-Warteschleifen Alibi genug sind, den sogenannten Anspruch auf Teilhabe an der Arbeitswelt abzufrühstücken.

Denkste Puppe.
Widersynnig wäre nicht Leidenschaftlich wenn sie das hinnähme.
Und Teenie nicht mein Ableger, wenn sie da nicht eigene Vorstellungen zu hätte.

Zu gerne hätte ich weiter über unser Leben mit neurologischer Sonderformatierung geplaudert, ohne diese ständig zum Thema zu machen.
Weil sie NICHT unser Dauerthema ist.

Daraus wird wohl nichts.
Die nächste Runde ist eröffnet.

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Unbekannter Lehrplan…

…oder die Crux mit der Inklusion

in der ZEIT ONLINE ist kürzlich ein langer Artikel zum Thema Inklusion erschienen. Dorit Kowitz hat sich in “ Wie viel anders ist normal? „ die Mühe gemacht, einmal genauer hinzuschauen. Auf die unterschiedlichen Kinder mit ihren entsprechenden Bedürfnissen und Bedarfen. Auf die Lehrerschaft, die Finanzen und die Politik. Darauf, was viele erträumen und das, was Realität ist.

Allein das scheint schon Grund genug, diesen Artikel gut zu finden und zu teilen….in FB, in Elterninis usw. Nimmt sich ja auch positiv zwischen dem vielen dummen Geschreibe und oft auch Gehetze zum Thema aus.
Dennoch: es fehlt was, bleibt ein schaler Geschmack.
Nur ein Zustandsbericht, noch nicht einmal ein realistischer.

Ich weiß von Kindern, die jahrelang gar nicht mehr zur Schule gehen. Nicht möglich bei uns? Oh doch. Keine Schule nimmt sie. Das geht nicht? Aber sicher. Dazugehörige Eltern, meist Mütter, die nicht mehr arbeiten gehen, weil jemand zu Hause sein muss. Handelt es sich um Schwerstbehinderte? Weit gefehlt, oft sogar sehr talentiert, manchmal hochbegabt (mag ich gar nicht, diesen Testauswertungsbegriff), aber zu sensibel, um z.B. den Krach in einer Klasse aushalten zu können. Die Sinne so geschärft, dass es nicht geht und zu Abwehrreaktionen führt.
Alarmstufe rot – fast den ganzen Tag. Weil der Rahmen nicht stimmt. Oft Autismus genannt.

Die Eltern froh, wenn diese Kinder dann auf der Sehbehindertenschule genommen werden. Da ist andere Wahrnehmung nicht ungewöhnlich und die Schullaufbahn endet nicht zwangsläufig mit Förderabschluss.
Die Verzweiflung der Eltern ist ebenfalls nicht weit: ausgesondert ist nicht nur ihr Kind, sondern auch sie. Eine eigene Welt für die ganze Familie. Auch in der Sehbehindertengemeinschaft haben sie nur Gaststatus, wenn überhaupt.

Mir sind Kinder bekannt, denen sieht man gar nichts an. Deren Eltern jahrelang hinter einer Diagnose her rennen, um nur ein wenig Anspruch auf Rücksichtnahme für ihr Kind in der Schule zu bekommen. Mit viel Förderung, Verständnis und manchmal Medikamenten schaffen diese Kinder es, ihre Handicaps so gut zu kompensieren, dass sie keiner merkt, sie nur manchmal „komisch“ wirken. Das kostet ungeheure Kraft, die des Kindes und der Eltern. Auf Dauer nicht zu leisten. Depressionen und andere psychische Erkrankungen winken. Was prägt ist der Abdruck auf der Seele von Eltern und Kind, nicht gesehen und verstanden zu werden, nichts richtig zu machen. Sonderstempel für Erziehende: das Kind nicht zum Erfolg zu führen, versagen.

Körperbehinderte, die Schulen besuchen, in denen sie weit unter ihren intellektuellen Möglichkeiten gehalten werden. Mit der Perspektive, in einer Werkstatt zu arbeiten. Ausbruch wird mit endlosen Anfahrtswegen bestraft oder wenn man ganz hartnäckig ist, mit Gerichtsverfahren um den Platz in der gewünschten Schule, um das persönliche Budget, um persönliche Assistenz.

Schwer erkrankte Kinder, die im Krankenhaus gerade mal 2 Stunden Schule bekommen, über lange Zeit. Welchen Abschluss werden sie einmal machen, wenn sie nicht sterben, sondern mit einer chronischen Krankheit werden leben müssen?

Selbst gesunde Kinder aus fremden Ländern sind für unsere Schulen oft nicht normal genug, um einen guten Abschluss zu bekommen.

Das Risiko für alle diese Menschlein: nicht in der Familie aufwachsen können, wenn eine angemessene Schulbildung realisiert wird.

Fast alle finden „Beste Freunde“ toll.
Ein Film, der erfolgreich im Kino lief, in keinem guten Heimkino fehlt.
Das ist es, was wir wünschen.
Akzeptanz statt Mitleid.

Die Idee der Inklusion ist eine gemeinsame Lern-und Lebenswelt für alle.
Das braucht Geld, viel, viel Geld. Und unseren Enthusiasmus und beinharten Willen, es zu schaffen.
Ohne wird es nicht gehen, das Brett, das zu bohren ist, ist zu dick.

Mut für neue Wege.
Es ist nicht richtig, von Menschen mit besonderen Bedarfen, die oft von der Sparversion der pädagogischen Betreuung, der auch nicht behinderte Menschen ausgesetzt sind, erheblich mehr benötigen, zu verlangen, dass sie es nur mit einem bisschen mehr schaffen.
Schließlich leisten sie auch nicht nur ein bisschen mehr.
Neben dem regulären Schulstoff muss jedes Kind auch die eigene körperlich-geistige-emotionale Entwicklung meistern. Gute Schulen versuchen, dem gerecht zu werden. Unser Schulsystem insgesamt nicht.

Kinder mit Integrationsbedarf, sei er gesundheitlich oder sozial begründet, haben einen viel umfassenderen Lehrplan. Die meisten Lehrer erahnen das Ausmaß dessen nicht einmal. Was andere im Vorbeigehen mit lernen, wird oft mühsam geübt. Auch sogenannte „Kleinigkeiten“.

….you’re goin‘ blind, you ain’t stupid!

Ein Lehrer, der sagt: „das muss in diesem Alter jetzt aber mal klappen“ gehört in eine Schulung, mindestens.
Diese Kids besuchen Therapien, müssen im Alltag klar kommen, Hilfsmittel – technische, soziale oder sogar eigene innere – benutzen lernen, um unsere Kulturtechniken beherrschen zu können.
Oft müssen sie erst einmal heraus finden, was sie in welcher Weise überhaupt brauchen und wie es ihnen helfen kann. Mit dem Lesen von Testberichten, ärztlichen, pädagogischen und freundschaftlichen Ratschlägen ist es nicht getan. Die Maßnahme, die für den einen gut ist, muss dem anderen nicht helfen. Ausprobieren, viele Male, viele Dinge.
Muss ich noch sagen, was das für die Eltern bedeutet?

Bedenkt doch endlich mal: auch dieses Lernen braucht Zeit!

Zeit, die keine aktuelle Schulform diesen Kindern bietet. In der Regelschule 9, 10, 12 oder 13 Schuljahre.
Die Förderschulen sind da flexibler, aber dafür gibt es meist keine höheren Abschlüsse. Wer da mit dem Hauptschulabschluss raus kommt, auch wenn es nach der 12. Klasse ist, ist ein Champion. Eine Alternative? Wohl kaum.

Inklusion heute leben heißt:
so tun, als würde es diesen erweiterten persönlichen Lehrplan nicht geben und in gleicher Zeit ein Vielfaches als die Klassenkameraden leisten, allerdings ohne den netten Zusatz im Zeugnis:

XY hat immer alle Zusatzaufgaben zuverlässig erledigt.

Und, wenn die Behinderung offensichtlich ist: nicht in der Masse abtauchen können, wie man das als Schüler gerne tut und zuweilen braucht. Präsentierteller.

Wer macht sich eigentlich darüber Gedanken?
Und darf man auch mal denken, dass es vielen „normalen“ Kindern auch gut täte, mehr Zeit zum Sich-Entwickeln zu bekommen? Ich sage da nur Pubertät, aber es gibt noch vieles mehr.
Es ist müßig, über individuelles Lernen, Integration und Inklusion zu reden, wenn nicht endlich einmal über die dafür vorhandene bzw. benötigte Zeit gesprochen wird. Wer sagt, jedes Kind hat sein eigenes Lerntempo aber am Tag X muss es dies und das und jenes definitiv können sonst – „Tschüs “ – der ist bei bei diesem Thema nicht ernst zu nehmen. Was, außer Geld , spricht gegen einen Hauptschulabschluss nach der 12. Klasse, ein Abitur nach der 15. – wenn es denn die individuelle Entwicklung erfordert?
Oder: muss es immer der heute standardisierte formale Schulabschluss sein, der den Zugang zu qualifizierten Berufen ermöglicht? Unbeschadet der persönlichen Eignung?
Empathielose Ärzte, talentfreie Journalisten, weltfremde Richter…das alles darf sein. Aber ein Diplom ohne stundenlanges Zeit-Absitzen in der Uni und niemanden interessierende Abschlussarbeit? Ein begnadeter Instrumentenbauer ohne Hauptschulabschluss? Dolmetscher ohne Matheprüfung? Darf man überhaupt etwas sein, wenn man in Prüfungen blockiert ist?
Wofür oder besser: wonach wird man später bezahlt….für das bloße geduldige Ausharren in unseren Bildungsinstitutionen mit Finale?
O.k. , so ein paar kleine Sonderwege à la “ Studium ohne Abitur “ haben wir ja. Nichts Weltbewegendes…..darauf kann man sich nicht ausruhen.

Unsere Gesellschaft denkt in die andere Richtung: mit 5 rein in die Schule, nach möglichst wenig Schuljahren wieder raus, schnelle kurze Ausbildungen und dann rein ins Arbeitsleben (haha). Arbeiten bis ins hohe Alter (haha) oder Frühverrentung mit Mitte 30 ( zu oft: jaja).
Für alles braucht man einen Zentral-Abschluss, Zentral-Abi, Zentral – Certifikat, Zentral- pi-pa-po.
Wegen der Vergleichbarkeit….Pech für die Unvergleichlichen.
Dafür ist Geld da.

Und weil ich ja immer so gerne vom Hölzchen auf’s Stöckchen komme:
in meiner Schulzeit war weder von Integration noch Inklusion die Rede. Trotzdem hatten wir eine Mitschülerin in der Oberstufe, die wegen ihrer Spastik auf den Rollstuhl angewiesen war. Sie musste sich böse Sprüche von manchen Lehrern anhören, so im Bio-Leistungskurs. Genetik: Frauen sind noch dümmer als Nigger als Behinderte . Da gab es aber Stimmung, meine Güte!

Wir Schüler hatten keinerlei Probleme mit ihr, außer die üblichen, die man so untereinander hat als junger Mensch. Die Sache mit dem Rollstuhl haben wir locker gehändelt. Fast alles konnte sie selbst und wenn nicht, haben wir geholfen. Berührungsängste gab es nicht. In unserer Familie wurde ein alter Mensch gepflegt, da kannte man so Einiges. In anderen Familien gab es das auch. Ob die heutige Abwesenheit von Gebrechlichkeit in den Familien eine Rolle in der aufgeregten Diskussion um das Miteinander spielt, besonders bei besorgten Eltern der angeblich sich in allen Bereichen schnell entwickelnden Kinder? Angst essen Seele auf?

Absolut cool war: unsere Mitschülerin war älter als wir und wohnte schon alleine. Herrliche Freistunden!
Allein im Badezimmer konnte man zu acht sitzen und gemütlich chillen und so, um den nächsten Kurs zu überleben 😉

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m2, privat

Ich mag Sachen, die mir bei meiner Orientierung helfen.
Das können schlaue Bücher sein, Landkarten, anregende Gespräche.
Äußere Orientierung finde ich eher einfach. Ich bin ein guter Scout.
Inneren Durchblick bekomme ich manchmal erst zeitlich verzögert….muss erst mal anecken, um zu schnallen, was los ist.

Distanz und Nähe, ein spannendes Thema.
In Beziehungen, am Arbeitsplatz.
Keine Team-Maßnahme, in der es nicht irgendwie darum geht, wenn die Zusammenarbeit auf der Tagesordnung steht.
Meistens denkt man ja gar nicht darüber nach, was die richtige Entfernung zu den Mitmenschen für sich ist.

In Johannes Drischels emoflex® -Adventskalender wird eine praktische Methode beschrieben, wie man jeden Tag checken kann, ob man heute mehr oder weniger privaten Raum braucht ( gestern ) und wie man den privaten Raum seines Gegenübers berücksichtigt (heute).

Bis 2008 arbeitete ich in einer Jugendhilfeeinrichtung. Dort hatten wir ein sehr großes Wohnzimmer. Für bis zu 4 Personen bot es so viel Platz, dass es sich jeder Neuankömmling noch gemütlich machen konnte. Es gab dort 10 Sitzplätze auf Sofas und noch einen Tisch mit 6 Stühlen. – Die jungen Leute kannten alle mein Werkzeug für die Wahrnehmung des „privaten Quadratmeters“ und machten es sich zum Spass, an manchen Tagen auch schon ab 2 Personen das Wohnzimmer für „voll“ zu erklären, oder sie fragten sich gegenseitig danach und verglichen ihre gegenseitige Wahrnehmung des jeweils anderen.

Mir macht das Spass. Erstaunlich, wie unterschiedlich mein Raum aussieht. Und die Größe erst. Darauf eingestellt, was ich brauche, vermeide ich den einen oder anderen zwischenmenschlichen Zusammenpraller.
Den privaten Hektar meines allerliebsten heimischen Teenies kann ich irgendwie dadurch leichter
akzeptieren, wenn ich mich auch manchmal todesmutig rein wagen muss.

Sicherlich sehr praktisch im Umgang mit unseren Kindern / Partnern mit besonderer Disposition.
Und uns selbst.
Schon ausprobiert?

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Reality-Show Bewerbung

Gut gemeint ist nicht gut gemacht.
Das weiß ich schon längst und staune doch immer wieder, wie sehr man gute Ideen versauen kann.

Berufsorientierungstage in der Schule für den 9. Jahrgang.
Die Idee: 1 Betriebsbesichtigung und 2 simulierte Bewerbungen einschließlich Vorstellungsgespräch. Mit echten Arbeitgebern, die in die Schule kommen.
Eine Einheit “ online- Bewerbung “ im PC-Raum, da sitzt ein Profi, der zeigt wie es geht.

Bummelige 15 Betriebe mit teilweise identischen Berufsbildern machen mit. Keiner aus dem handwerklichen Bereich, kein klassischer Einzelhandel, keiner aus dem Verlags/ Bibliothekswesen.

Die Kids brennen noch nicht wirklich für das Thema Berufswahl.
Jugendliche mit Inklusions/Integrationsstatus werden nicht gesondert unterstützt.
Auch nicht die Kids, die es “ nur“ leistungs- und motivationsmäßig bräuchten.

Es gilt die Ansage: perfekte Bewerbungsunterlagen erstellen, zum
Gespräch geschniegelt erscheinen.

Eine entsprechende schriftliche Info, was genau erwartet wird, gibt es nicht. Pech für die Träumer und Zappler.
Die Frage, was da passiert und was das soll erschließt sich meinem heimischen Teenie nicht wirklich. Hat auch nur die Hälfte der Vorabinfos.

Ihre Talente im handwerklichen/ künstlerischen Bereich liegend, soll sie nun überzeugend so tun, als ob sie in‘ s Büro oder Hotel will.
Na Prima.

Jeder kann sich ausmalen, wie das wird.
Geschniegelte Klamotten haben wir nicht. Warum soll ich mein Geld für uncoole Kleidung ausgeben?
Also wird sich ordentlich angezogen mit dem, was da ist.

Die Veranstaltung selbst ist ein Desaster. Es wird nur kritisiert: falsche Klamotten, zu wenig Infos über die “ Traumberufe „. Warum sind die Unterlagen nicht perfekt? Was, du hast keine Freunde, die du fragen konntest? Kümmer dich drum.
So nimmt dich niemand.

Na toll.

Zwei super laufende Bewerbungsgespräche für Praktika hat mein Kind schon absolviert. Da muss man auch perfekte Unterlagen vorweisen.
Sich gegen Mitbewerber durchgesetzt.
In Bereichen, die ihm entsprechen.

Mühsam, das wieder in Erinnerung zu rufen.

Bleibt die Frage, wozu die Schule so einen Aufwand betreibt.
Reichen die täglichen Gardinenpredigten der Lehrer nicht mehr?
Ist das Ziel Motivation oder Druck?

Sicher gab es wie immer Kids, die sich entsprechend der Ansage vorbereitet haben ( war schließlich Unterricht und Hausaufgabe), egal ob sie dahinter standen oder nicht. Für die Lehrer/ Noten “ so tun als ob“ – tägliche Schulübung, von diesen Kids gut beherrscht.
Die dennoch noch keinen Plan haben was sie eigentlich werden wollen.
Leidenschaften wecken steht nicht im Rahmenplan.

Da bin ich doch glücklich mit meinem Teenie.
Trotz verkorkster Bewerbungsshow.

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Abba for ever….

Musik soll Spaß machen.
Ist nicht nur was für Profis.
Ist auch was für Menschen, die oft nur defizitär gesehen werden.
Ist was für stolze Mamis.

Die froh wäre, wenn sie mit ihrem neuen Instrument schon halb so gut wäre wie der Nachwuchs.

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Abba for ever und wer durchhält darf noch den Western Fidler für schnelle Finger hören.

Musik für alle kann klappen.
Wer‘ s nicht glaubt, schaue sich 20 Geigen auf St. Pauli an.

Läuft ab und an in Programm-Kinos und gibt es auf DVD hier

Ich bin sicher, auch Mathelehrer können da was ab schauen.

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