Wenn niemand Beine hätte, gäbe es keine Treppen …

Inklusive Arbeitswelt – mit Handicap voran lautete der Titel einer Fachtagung für betriebliche Interessenvertretungen Ende August zum Thema Inklusion in der Arbeitswelt.

Mit ca. 200 TeilnehmerInnen war die Tagung gut besucht.
Erfreulicher Weise neben den Schwerbehindertenvertretungen auch von etlichen Betriebs-und Personalräten.

Eröffnet wurde die Tagung mit markigen Worten: Inklusion sei ein Menschenrecht. Die Vorenthaltung der gesellschaftlichen Teilhabe Verfassungsbruch. Sie forderten zum Sturm gegen die Barrikaden in den Köpfen vieler Menschen, die Inklusion mit Illusion verwechseln, auf.

Wer noch nicht so im Thema war, wurde durch einen einführenden Vortrag über die UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen ( UN-BRK ), einer entsprechenden Konkretisierung der Menschenrechte, schlau gemacht.

Inklusion über den Tellerrand gedacht.

Das Highligt des Tages aber kam aus einer Ecke, die ich eher nicht erwartet hatte:

Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl, Professor für Theologische Ethik an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin überzeugte nicht nur durch seine außergewöhnlich eloquente Vortragsart, sondern vor allem mit guten Argumenten.

20130915-005339.jpg
Das kleine Wörtchen „normal“ war ohne entsprechende Gestik von Lob-Hüdepohl nicht zu hören.

20130915-011607.jpg
Im Einklang mit dem Gebärdendolmetscher ….

In seinem Beitrag Von “ auch-“ zu “ nur- “ Kompetenzen stellte Prof. Lob-Hüdepohl dar, wie wichtig es ist, von der „Normalisierung“ von Menschen mit Behinderungen weg zu einer Haltung und eines Prozesses der Zulassung und Förderung von Vielfalt zu kommen.
Normalisierung sei letztlich nichts anderes als eine heimliche Defizitorientierung.

Er wies mehrfach darauf hin, dass es in diesem Prozess durchaus Interessenkonflikte geben könne. Personal-, Betriebsräte und Schwerbehindertenvertretungen wissen, was er meint.

Diese zur verharmlosen oder zu vertuschen, nütze niemandem.

Gleiches gelte für den Umgang am Arbeitsplatz untereinander. Mit dem Begriff „fürsorgliche Belagerung“ (1) beschrieb er, wie gut gemeinte Hilfestellungen ins Gegenteil verkehrt werden.

„Ein Wegweiser soll nicht im Weg stehen“ – ein deutlicher Appell an alle, Menschen mit Behinderungen ernst zu nehmen, nicht zu bevormunden und echte, zufriedenstellende Lösungen zuzulassen/ zu suchen.

Inklusion ist kein Nischenthema

Inklusion geht nur gemeinsam.
Unsere Überlegung darf nicht sein: was geht nicht, wenn du so oder so bist, sondern: was geht und wie?

Nicht Menschen mit Behinderungen müssen sich anpassen. Gemeinsam müssen wir schauen, wie wir Dinge möglich machen, die wir uns kaum vorstellen können. Die Mauern in den Köpfen einreißen. Menschen mit Behinderungen sind nur eine von vielen Gruppen, die durch Inklusion zu gesellschaftlicher Teilhabe und Teilgabe kommen können.
Es geht eben nicht um „Normalisierung“ des Anders- ,sondern um Akzeptanz des Verschiedenartigen.
Diese Haltung kam ebenfalls in der Abschlussdiskussion zum Ausdruck, in der erfolgreiche Beispiele aus Hamburger Betrieben/Behörden geschildert wurden.

Alles in allem eine gelungene Tagung, wenn auch noch ein weiter Weg vor uns liegt.
Schön, dass Inklusion nicht immer nur im Zusammenhang mit Schule gesehen wird.

Wer die Vorträge von Ingrid Körner zur UN-Konvention und Prof.Dr. Lob-Hüdepohl nachlesen möchte, wird auf der Homepage der Beratungsstelle Handicap bei Arbeit und Leben DGB/VHS e. V. fündig.

(1) dieser Begriff gefällt mir wirklich gut. Lange Zeit haben wir ( leider erfolglos) versucht, Lehrern und Sozialpädagogen, die eigentlich ganz nett waren und meinem Kind helfen wollten, klar zu machen, dass ihre Art zu helfen eher störend war – weil sie letztlich nur Hilfe zur Anpassung war, mitleidsvoll und aufdringlich. Dementsprechend hat mein Kind diese Art von “ Hilfe“ auch nicht angenommen. Was wiederum zu Rat- und Hilflosigkeit der Pädagogen führte.

Ich freue mich über Feedback. Um einen Kommentar zuschreiben, muss man nicht registriert sein.

Wort-gleich

Quasselstrippe, Plaudertasche, Sabbeltante.
Das war schon immer so.
Es macht mir Spaß, mit Worten zu jonglieren.
Beobachtungen, Erkenntnisse, Gefühle zu Buchstabenfolgen werden zu lassen.
Eine gelungene Redewendung, ein auf den Punkt gebrachtes Argument, der im Streitgespräch losgelassene Wortpfeil, der in’s Rote trifft – all das bereitet mir Freude.
Mit einem ähnlich veranlagten Gegenüber wird das Ergebnis des Austausches zuweilen zur angenehmen Nebensache.

Verständigung.
Diese spielt in der Welt der Sprache oft eine viel kleinere Rolle, als allgemein angenommen.
Nehmen wir nur mal die Statements der Politiker.
Oder der Experten dieser oder jener Fachrichtung, die mit tollen Präsentationen versuchen zu
glänzen und die uns doch nur wieder ein Stück Lebens(arbeits)zeit klauen.

20130810-162401.jpg

Bestenfalls bekommt man hier Informationen.
Wie oft reden Paare, Freunde, Kollegen immer wieder aneinander vorbei?
Lehrer texten ihre Schüler zu, Eltern ihre Kinder.

Verstehen und verstanden werden

Wer möchte das nicht?
Fühlen, was das Baby braucht.
Der Mama ein Küsschen geben, weil sie traurig guckt.
Dieses entgegen nehmen.
Gemeinsam etwas herstellen, bearbeiten.
Zusammen Musik hören oder machen.
Für all das braucht es kaum Worte.
Dort, wo es richtig gut klappt, wird schnell das draus, was wir Liebe, Freundschaft und Gemeinschaft nennen.
Spricht man unterschiedliche Sprachen, steht einem nur ein begrenzter Wortschatz zur Verfügung, wird Kommunikation nicht zwingend sparsamer. Vielleicht sogar im Gegenteil.
Das Ohr hat weniger zu tun, die Achtsamkeit aller anderen Sinne wird vermehrt gefordert.
Eine geteilte gemeinsame Leidenschaft, Interessen, Hobbys, und die Intensität des „sich im anderen erkennen“ nimmt zu.
Es funkt, wörtlich genommen.
Was für ein schönes Gefühl.

Wer sehr engen Kontakt zu Menschen mit speziellem oder eingeschränktem Sprachvermögen hat weiß, dass es Worte oft nicht braucht, sie sogar Barrieren sein können.
Es gibt so viele Sprachen…..nimmt man die ohne Worte hinzu.

Alt, weiblich, Standard versus jung, männlich, Latin.

Charlotte Götze, eine junge Filmkünstlerin, zeigt in ihrer Dokumentation O Mundo Dá Voltas auf einfühlsame Weise zwei Menschen, die eine gemeinsame Leidenschaft auf unterschiedliche Weise teilen. (1)

What if there was a language everybody, regardless of origin, age or gender, could understand?
The maker’s very personal answer to that question is – dance.

Die Lebenssituation der beiden Protagonisten ist kaum vergleichbar und dennoch….aber seht selbst:

O Mundo Dá Voltas – Die Erde Dreht Sich

Wunderbar, wie sich hier Neugier, gegenseitige Akzeptanz, Respekt und Verständnis der Portraitierten am jeweils anderen entwickeln.
Zu verfolgen im ganzen Film : hier

Genug der Worte- anschauen.

(1) so und so
Ich freue mich über Feedback. Um einen Kommentar zu schreiben, muss man nicht registriert sein.