Neurodivers durch die NoG20 -Tage

Ganz von allein wache ich heute morgen auf. Irgend etwas ist anders. Ich horche. Ein Bus fährt an. Ein PKW rollt vorbei. Es dauert eine Weile, bis ich kapiere, dass es das Ratta-ratta-ratta-ratta der Militärhubschrauber ist, das fehlt. Kein einziges Lalülala zu hören.
Ein Blick auf die Uhr: schon fast 09:00 h – ungewöhnlich für die letzten Wochen. Teenie erscheint kurz danach auf der Bildfläche, findet diese Ruhe richtig unheimlich.

Grundsätzliches, auch wenn alle nur über Krawall reden

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Kulisse in der leeren Innenstadt – 1 Woche vor dem Gipfel

Ihr werdet es mehr oder weniger in den Medien verfolgt haben: meine Stadt war Gastgeberin des G20, zu dessen politischer Bedeutung sich Gerhard Mersmann in form7 Gedanken  gemacht hat:

Diese Länder haben sich bereits seit 1999 das Recht herausgenommen, außerhalb der Vereinten Nationen über die Probleme dieser Welt zu reden und sie zu lösen. Die Differenzierung wurde vorgenommen, weil dieser G 20, in dem die leidende Seite dieser Welt keine Stimme hat, trefflich über alles redet, aber Probleme gelöst hat er bislang nicht. mehr

Eine Nachbetrachtung mit Blick auf unsere demokratischen Grundrechte nimmt Günter Urabanczyk vor:

Es ist jedenfalls ein Unding, dass wir im Fernsehen Bilder der Mächtigen dieser Welt sehen, ohne dass man zugleich Sprechchöre im Hintergrund hört und Demonstranten und Demonstrantinnen sieht. So kann das in Moskau, Ankara und Riad aussehen, aber nicht in Deutschland. mehr

Dass von Beginn an Deeskalation nicht auf der Agenda stand, wird sehr anschaulich  von Markus Reuter auf netzpolitk.org dargestellt:

Schon vor dem eigentlichen Start des G20-Gipfels zeichnen sich massive Einschränkungen von Grundrechten wie der Versammlungsfreiheit ab. Das Verhalten von Polizei und Behörden verletzt nicht nur Bürgerrechte, sondern läuft einer Deeskalation bei den erwarteten Großprotesten zuwider. Ein Überblick. mehr

Neurodiverses Mitten-Drin-Sein

Wir leben nur einen Straßenzug entfernt des 38 qm großen Gebietes, in dem Hamburger Bürger*innen Grundrechtseinschränkungen zugunsten der G20 Teilnehmer*innen hinnehmen mussten. Unsere Teilnahme war nicht erwünscht, stille Zaungäste sollten wir sein und vor allem nicht zu dicht dran.

Schon Tage vor Beginn des G20 gab es hier kaum eine ruhige Minute. Helikopter, zunächst nur von der Polizei, dann auch die die vom Militär, schwebten über uns.  Leben hinter geschlossenen Fenstern. Durchschlafen war gestern.

Das Straßenbild wechselte von normal zu Polizei-Auto-Korso zu leergefegt.

Kein Treffen mit Freunden, in denen die Frage: „bleiben oder die Stadt verlassen?“  nicht thematisiert wurde.

Je näher der Gipfel rückte, desto präsenter die Staatsmacht. Rund um die Uhr. Beim Einkaufen auf schwerbewaffnete Beamt*innen treffen. Immer wieder diese Helikopter. Das Eintrudeln der Hundertschaften aus anderen Bundesländern in Reisebussen der Polizei, die Ausfahrten der Wasserwerfer und Räumfahrzeuge auf den Straßen der Innenstadt, Sperrgitter -Vorrat am Rande des Fußweges. Unser schwer bewachtes Straßenfest, von dem aus immer wieder mehrere Mannschaftswagen mit Sirene los fuhren um nach 10 Minuten wieder am selben Platz zu parken.
S-Bahn-Fahrten in die Innenstadt, Stacheldraht umzäunt. Bahnhöfe mit herumstehenden, bewaffneten, jungen Polizist*innen.

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Nervosität macht sich breit. Sicherheit strahlt das alles nicht aus. Auch nicht für NTs. Wer aber um ein leichter zu alarmierendes Nervensystem, das Reize nicht mal so eben weg filtern kann, verfügt, ist um etliches angespannter, spürt, hört, sieht und –   nach den Krawallen in unserem Stadtteil-  riecht das  alles viel intensiver. Und keine Ruhe zum

verarbeiten, die Show geht weiter und weiter und weiter.

Obwohl wir gut mit Spannungszuständen und Overload umgehen können: in der Nacht zum Samstag brauchten wir die Unterstützung der ohnehin schon schwer beschäftigten Rettungssanitäter.

Da zieht es mich hin – ich will davon weg

Teenies und mein persönlicher Umgang mit dieser Reizflut kann unterschiedlicher nicht sein.

Obwohl Rheumi mit mir geschimpft hat, lasse ich mir mein Recht auf Protest nicht nehmen. Ich freue mich über die vielen jungen Leute, die sich fantasievoll mit ihrer Zukunft auseinander setzten und ihre Vorstellungen einen gerechten globalen Welt auf die Straße bringen. IMG_0185 (2)Ich staune über die tollen Ideen, die da zusammen gekommen sind, ob getanzt wird, sich mit Lehn beschmiert und durch die Stadt geschlichen, Sitzblockaden errichtet, Joga und was noch alles gemacht wird.

 

Geht ins Netz Leute, da werdet ihr so viel mehr finden als Krawall und Unvernunft.

Ich bin beschämt darüber, dass jungen Menschen das Schlafen im Zelt verwehrt wird und freue mich, wie gut sie damit umgehen. Sehe auch die Hilfsbereitschaft vieler Menschen und Institutionen wie Gemeinden und Theater.

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Soweit es gesundheitlich geht, bin ich dabei. Eine spontane Demo nach einer Lesung in der Musikhalle, selbstverständlich bei der Protestwelle im Vorfeld der Anreise der G20 Teilnehmer und gestern auf der Groß-Demo “ Grenzenlose Solidarität statt G20 „. Immer wieder Polit-Festival – Stimmung, gestört durch die martialisch auftretende Staatsmacht. IMG_2128Warum muss eine Hundertschaft im Gleichschritt quer durch sommerlich gekleidete und sich auf der Straße ausruhende Demonstrant*innen joggen und sich mittendrin positionieren? Dort 10 Minuten drohend  stehen, bevor es „Abmarsch“ heißt, ohne dass eine Gefahrenlage erkennbar war oder eingetreten wäre? So wiederholt geschehen. Das verunsichert und heizt die Stimmung auf.
Das ist das Gegenteil von Deeskalation.
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Etwas in mir schreit nach Ruhe und abschalten, aber es zieht mich dennoch hin zu allem, was aktiv ist. Letzteres  ist meiner politischen Einstellung geschuldet, aber auch meiner neurologischen Formatierung. Ich bin innerlich aufgeputscht.

Bei Teenie zu Hause das Gegenteil.
Hohe Anspannung aufgrund der extremen Lärmverschmutzung durch Helikopter und Sirenen und der sicht-und spürbaren Veränderung unseres Alltags. Busse werden umgeleitet, das Stadtbild ist verfremdet. Die Folge sind Gereiztheit, Appetitlosigkeit und Schlafstörungen; insgesamt ein Gefühl von Orientierungslosigkeit.
Nur zu Hause scheint es relativ sicher.
Vom Fenstersims aus Action Film und friedlichen Protest schauen.

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Blick aus Fenster G20

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Und so baut sich nach und nach der erste Overload auf, dank Entspannungs-und Selbststeuerungstechniken können wir immer wieder den großen Ausbruch verhindern.
Allein zu Hause sein ist kein gutes Gefühl mehr und so arrangieren wir uns mit meinem Wunsch, dabei zu sein und Teenies Schutzbedürfnis.

Als wir dann Freitag vom Lärm mehrerer Militärhelikopter, Leuchtkugeln, Polizeisirenen und aufsteigendem Rauch aus den Nachbarstrassen geweckt werden, steigt die Anspannung mehr und mehr. Und entlädt sich immer wieder in schockartigen Zusammenbrüchen.

Bittere Bilanz

Es sind anstrengende Tage und Nächte.
Wir erleben, dass es völlig egal ist, ob und wie Menschen von einem solchen Polizei-Aufgebot eingeschränkt und belastet werden, mal abgesehen von der politischen Bewertung der ganzen Veranstaltung.
Viele unserer Freund*innen waren immer wieder bei den unterschiedlichsten Protesten dabei und wir bekamen von zu Hause aus mit, was die Medien nicht zeigten.  Eine Freundin schrieb von der (seit Monaten herbeigeredet) berüchtigten Demo „welcome to hell“:
„Ich  bin erschüttert, wie diese fröhliche Veranstaltung kriminalisiert wurde. Die Polizei hat einfach die Straße blockiert. Später ist sie mit Wasserwerfern in die Demomenge, dort wo keine Vermummten waren. Die Demo wurde verarscht. Ich fahre jetzt nach Hause.“
Wie ich sie kenne, im Sommerkleid.

Politisch war dieser G20 eine Null-Nummer, was zu erwarten war.
Er hat nicht zu einer gerechteren Welt beigetragen.
Die Rechnung zahlen wir (wie immer).

Er  kostete uns Nerven und fügte unserer Demokratie Schaden zu.
Man darf sich fragen, ob hier nicht nur eine Exklusive-Polit-Show vor wem auch immer gesichert wurde, sondern ob es sich nicht gleichwohl um eine Real-Life-Übung der Sicherheitskräfte für Auseinandersetzungen ganz anderer Größenordnung gehandelt hat. Bei den Krawallen  Freitag Nacht hat die Polizei so lange mit dem Einschreiten gewartet, bis Anwohner*innen sich gegen Randalierer*innen gewehrt haben. Erst dann wurde geräumt. Auch in unserem Land geht die Schere zwischen Arm und Reich mehr und mehr auseinander.
Nachdenken.
Nicht nur für Teenie politische Bildung konkret.

Dank und Wünsche

Bedanken möchte ich mich bei allen Freund*innen und Bekannten, die uns in diesen heftigen Tagen unterstützt haben. Ihr habt uns mit Infos versorgt, weil wir selbst nicht dabei sein konnten und ward hier, damit ich draußen sein konnte. Ganz besonders geholfen hat Teenie der Tag auf dem Land – weitab von all dem Getöse. Mir hat er zudem die Gelegenheit verschafft, mich mit meiner angereisten Familie dem Protest gegen G20 auf der Straße anzuschließen.

Den jungen Menschen, die noch immer politische Ansprüche haben und deren Ziel eine bessere Welt ist, aber keine andere Möglichkeit sehen, als Randale zu machen, wünsche  ich Entwicklung und Einsicht.
Denjenigen, die sich vorschnell von allem distanzierten, das der Obrigkeit nicht gefällt  und lieber auf deren Demo (Hamburg zeigt Haltung)  mitliefen – und dann noch die Krawalle und nicht die Zukunft unseres Planeten in den Fokus rückten- mehr Mumm und Durchblick.

Menschen, die uns in den Rücken fallen, nur um ihre Aggressionen  loszuwerden, wünsche ich nix.

Wir, die Eltern dieser Generation mit unklarer Zukunft, sollten uns mal fragen, was Teile dieser dazu bringt, rücksichtslos Stadtteile zu zerstören.  Letzte Nacht in Hamburg – die im Bündnis organisierten politischen Aktionen waren alle vorbei – mischte sich der unpolitische Demo-Mob mit abenteuerlustigen Party-Touristen. Eine Saturday-Night der besonderen Art.  Wie viele davon fahren jetzt nach Hause in ihre wohlbehüteten Vororte zurück in ihr bürgerliches, leistungsorientiertes Leben?

Teenie und ich ruhen uns heute aus, jede auf ihre Weise.
Rheumi darf jammern.
Dieses Mal fand das elitäre Treiben bei uns statt. Die Politiker*innen bei euch sind sicherlich nicht weniger rücksichtlos als hier. Im Zweifel werden unsere Interessen untergeordnet.
Passt auf euch auf.
Und mischt euch ein, so lange es noch geht und so wie es für euch geht.
Nicht jede/r hält eine Demo aus. Aber jede/r kann irgend etwas zur Veränderung beitragen.

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Banner des Thalia Theaters

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adventsdogmatisch

Ich bin adventsdogmatisch.
Sagt meine Freundin.
Dabei gibt einfach Dinge, die müssen so sein und nicht anders.
Und Dinge, die gehen gar nicht.
Zumindest nicht für mich.
Advent – eine Zeit des timings. Wer mitmacht, muss sich dran halten. Finde ich.

In diesem Jahr tue ich mich schwer mit Adventsgedöns. Teenie legt keinen gesteigerten Wert mehr drauf. In Prä-Teenie-Zeiten habe ich nichts Besonderes gemacht, außer mich über das verrückte Treiben anderer zu wundern und ein wenig abgelästert habe ich auch, ich gestehe.

Nun habe mich aber irgendwie dran gewöhnt.
An das Plätzchen backen, den Kranz, Adventskalender, Lichter.
Ist doch schön, wenn´s draußen ungemütlich ist.

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Die Entscheidung steht: ich mach´s

Dann aber richtig.
Vorgestern dank meines Weitblickes schon mal den Kranz erstanden. Kerzen dazu.  Alles andere besitze ich bereits –  so´ne Art immer währende Adventskalender- Deko.
Aufgrund diverser sonstiger Einkäufe – das Wochenende naht- leicht gestresst und ganz und gar nicht im Blick, dass ich nicht mit dem Rad unterwegs bin und nur 2 Hände habe.
Zu Hause ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich die Zeit verdödelt habe. Dachte, es sei Spätnachmittag….na gut, der Rest wird morgen erledigt.

Reiz-Alarm

In meinem Viertel ist es nie wirklich ruhig. Aber zur Adventszeit wird noch mal aufgedreht. Will ich den Weihnachtsmarkt der einen großen Einkaufsstraße meiden, lande ich auf dem Weihnachtsmarkt vor dem Einkaufszentrum. Überhaupt, werden das eigentlich jährlich mehr Weihnachtsmärkte, beginnen früher und bleiben länger?

Auch Menschen mit ganz durchschnittlich eingestellten Reizfiltern klagen bekanntlich nach einer Weile über den Trubel. Ich  werde den Verdacht nicht los, dass dieses remmi-demmi  allenfalls die für mich und meinesgleichen ganzjährig gewöhnliche Reizflut beim Wochenendeinkauf, im Kaufhaus, Straßenfest usw. ist.

Mich macht der Weihnachtszirkus kirre. Überall glitzer-flitzer, Geräusche, Düfte, Menschen…ich bin ja schon froh, wenn ich zu normalen Zeiten  im Supermarkt unter vielen anderen auch die  Regale heimsuche, in dem die Dinge von der Einkaufsliste stehen.  Aber jetzt herrscht für mich purer Reiz-Alarm: erst über´n Weihnachtsmarkt drängeln, dabei von netten Lockvögeln mit Super-Rabatt-Verheißungen des Laden X und Y angesprochen werden – na ja, schauen kann ich ja mal – dann nach gefühlten Stunden endlich auch die Einkäufe, die erforderlich sind, erledigen.

Wenn schon, denn schon

Ab nach Hause, wieder viel zu spät. Noch immer nichts richtiges gegessen…aber morgen ist schon 1. Advent. Also noch schnell auf den Dachboden, Deko aussuchen, runterschleppen, Kaffee aufsetzen, rumliegenden Krimkrams unsichtbar machen, Adventskranz dekorieren, Kerzen drauf, gerade richten, Lichterkette anbamseln, mit dem Hintern den DVD- Turm  umstoßen, genau auf den Adventskranz, dann selbst noch mal gegen kommen, Adventskranz landet auf dem Boden, Kerzen kullern durchs Zimmer.

Und was ist das? Die Dinger haben keinen Docht?
Oh doch, nur die sind noch aufgespiesst auf dem Kranz.
Fu** !

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Es folgt Gefluche und Kerzen-Reparier-Gefummele. Nur eine Kerze bleibt auf der Strecke, immerhin.
Nun noch Teig für Weihnachtsplätzchen vorbereiten, gebacken wird morgen.
Geht nicht gibt´s nicht. Nicht in dieser Sache.
Stunden später ist auch das erledigt, so wie auch ich.
Der Advent kann kommen.
Die 1. Kerze wurde heute planmäßig ohne  Verspätung angezündet. Nur wenige Plätzchen sind etwas dunkel, uns ist nur ein ganz bisschen schlecht vom Naschen und der leicht klebrige Küchenfußboden  wartet gnädig auf spätere Reinigung.

So muss dass sein.

 

Kannitverstaan

Mitten in der Nacht mit der S-Bahn unterwegs und ich finde mich zwischen überwiegend jungen Menschen wieder.
Gestern hatte ich Gesellschaft von jungen Lehrer*innen / Lehramtsstudenten , die sich mittels Facebook über wirklich dumme und schreckliche Schüler*innen austauschten.
Da antworten doch Schüler auf die Frage“ was hast du nicht verstanden?“ mit “ alles.“
Also wirklich. Die müssen richtig dumm sein oder trotzig, faul…..

Mir geht das Schülerbashing schon eine Weile auf den Geist und ich kann meinen Mund nicht mehr halten.

Ich: mir ist das auch immer so gegangen und nun bin ich eine Studierte. Diese Antwort deutet nicht auf Dummheit hin. Es stimmt oft und es geht vielen Schüler*innen so.

Er: aber er muss doch wenigstens einen Punkt bestimmen können, von dem an es nicht weiter ging.

Ich: nicht zwingend. Wenn er das könnte, würde er vielleicht selbst den Weg zur Lösung finden.

Es geht noch eine Weile hin- und her.
Der junge Mathelehrer, wie ich nun weiß, hält 80% der Lehrer für unfähig, aber so eine Antwort des Schülers sei provokativ und zeuge von einer Null-Bock-Haltung.
Noch einmal versuche ich es. Es sei doch die Aufgabe des Lehrers, herauszufinden, an welchem Punkt der Schüler ‚ ausgestiegen ‚ ist und da zu unterstützen.
Das sieht der junge Mann ganz und gar nicht so.
Schüler*innen müssten aufpassen und qualifizierte Fragen stellen, mit denen der Lehrer etwas anfangen könne.

Bevor ich patzig werden kann, erreiche ich meinen Zielbahnhof.

Schüler*innen sind nicht in der Schule, um Ihnen den Job leicht zu machen und Sie sollten sich was schämen, so mit den Ihnen anvertrauten – oder soll ich sagen ausgelieferten- Kindern und Jugendlichen umzugehen.

Mit diesem unausgesprochem letzten Wort verlasse ich die frustrierende Szene und fühle mich ziemlich alt.
Die ‚ Sie sollten sich schämen- Nummer‘ ist zwar ausbaufähig und hat durchaus etwas Vergnügliches …. aber die Frage, wie sich mit einer solchen Lehrergeneration etwas in unseren Schulen verbessern und sogar in Richtig Inklusion ändern soll, brennt mir auf der Seele und stimmt mich wenig zuversichtlich.

Zu Hause angekommen treffe ich auf eine vergnügte Teenie.
Wie gut, dass sie nicht mehr täglich denen, die NICHTS verstanden haben, ausgesetzt ist.

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Station Orwell VII

Eigenartig ist es mit neuen Erfahrungen.
Sie kommen und man nimmt sie hin, denkt ein wenig drüber nach und hakt sie ab.
Nur manchmal klappt das nicht so Recht, auch wenn es zuerst danach aussieht.

Bei meiner kleinen ‚Reise ins All‘ wollte ich mich darauf konzentrieren, wie ich mich im Wissen um die Totalüberwachung fühle und verhalte.
Und nun erlebe ich, dass mir die Überwachung im Verhältnis zu deren Anlass piep egal ist. Also verdaue ich zunächst das Eine und bin nun erst, drei Tage nach Verlassen der Raumstation in der Lage, ein Fazit zu ziehen.
Was gar nicht so schwer ist :
Für mich macht einen riesigen Unterschied, ob ich die Überwachung bestellt habe und ob sie in meinem persönlichen Interesse ist oder nicht.

Kaum draußen aus der Station entdecke ich eine Kamera an der Häuserwand, auf den Parkplatz gerichtet.
Um den Kühlschrank wieder füllen zu können, nehme ich heute den Weg zur Bank in Kauf, um nicht mit Karte zahlen zu müssen.
Im Einkaufszentrum folgt eine unfreiwilligen Video-Aufnahme der nächsten. Jeder Laden macht sein eigenes Kunden-Casting.
Wie unangenehm.

Nein, ich habe nichts zu verbergen.
Aber ich will auch nicht alles zeigen.
Wie viel Geld ich ausgebe, wo ich einkaufe, parke, Eis esse, Kaffee trinke oder einfach nur rumstehe geht niemanden etwas an.
Wenn ich dann noch die Datenspur dazu rechne, die ich so im Laufe des Tages hinterlasse, und die ich längst nicht mehr übersehen kann, schüttelt es mich.

Was hatte ich es gut in meiner kleiner Orwell ’schen Welt!

Die Tage dort haben mich sensibilisiert, immerhin.
In den Wald ziehen werde ich aber trotzdem nicht.
Sowieso könnte man dort mein Handy orten, oder?

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Zusammen kommen

Nachdem die schönen Altbauten eines traditionellen Arbeiterviertels meiner Heimatstadt Anfang der 70er Jahre platt saniert wurden, landete ich als Jugendliche samt Familie in einem noch fast unerschlossenen Hochhausgebiet am Ar*** der Welt.
Bezahlbaren Wohnraum, in dem eine Großfamilie erwünscht war, fanden wir in den beliebten Gegenden unserer Stadt nicht.
Für uns bedeutete das: sehr langer Schulweg, Schwierigkeiten, sich mit Schulfreunden zu treffen, keine Einkaufsmöglichkeiten und ja: Vorurteile, wenn man sagte wo man wohnt.
Aber auch: Natur, Zusammenhalt und Freundschaften, Schulwechsel und Umorientierung, Selbstbewusstsein.

Ein Elternteil konfrontierte uns später 1 mal mit der Frage , ob wir nicht doch in so ein hübsches Reihenhäuschen am Rande des Neubauviertels umziehen wollten und hatte auch schon was Feines ausgesucht….. unser Protest hätte nicht größer sein können.
Wir hatten ‚ unser ‚ neues Viertel gefunden und wollten dort bleiben, was sollten wir in so einem ‚ Spießerhäuschen‘ ?
Zum Glück hatten wir Eltern, die sich nicht als alleinige Bestimmer sahen.

Meine Mutter lebt noch immer dort.
Sie möchte nicht weg.
Dort sind ihre langjährigen Nachbarn und Freunde, oft Eltern unserer Freunde, es gibt eine Infrastruktur, die Anbindung an den Rest der Welt per U-Bahn, Vereine und Kultur.

Sie nimmt aktiv teil am kulturellen Geschehen des Viertels.
Hat viele neue Freunde dort gefunden, manche deutlich jünger und selbst jetzt, schwer erkrankt, wird sie von eben diesen rührend umsorgt.
Wer auch immer behauptet, in diesen Stadtvierteln gäbe es nur Anonymität, Kriminalität und Hoffnungslosigkeit hat, gelinde gesagt, keine Ahnung.

Da gibt es z.B. das Café Carré.
Ein Treffpunkt für Senior_innen.
Schachspiel, Tanz, Gymnastik, Musik, Literatur und mehr wird von überwiegend ehrenamtlich engagierten Menschen organisiert und durchgeführt.

Meiner Mum liegt das Literaturcafé am Herzen.
1 Mal im Monat wird ein deutscher Dichter vorgestellt.
Liebevoll werden Zitate des jeweiligen Dichters herausgesucht, auf Kärtchen zum Mitnehmen gedruckt, Texte gesichtet und ausgewählt.

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Ich war schon lange neugierig darauf , stellte mir aber im Prinzip so etwas wie eine Vorlesestunde von und für alte Leute vor.

Aktuell war Bertold Brecht angesagt.
Mit Skepsis ging ich hin, begeistert wieder weg.
Für 4 € Eintritt wurde ein wirklich schöner und anspruchsvoller Nachmittag geboten.

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Wein und Käse, absolut keine Altenheim-Atmosphäre.

Es wurde fundiert ein Überblick über Brechts Leben und seine Werke gegeben.

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Die Auswahl der Texte war repräsentativ für sein Schaffen und auch die politischen Dimensionen seiner Werke wurden nicht klein geredet.
Es war keine one-woman- show, sondern ein gutes Team arbeitete Hand in Hand, egal ob Küche, Deko, Musik, Lesung .

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Selbstgestrickt, nicht kommerziell

Das ist es, was unser Leben in diesem unfertigen
Stadtteil ausmachte: sollte etwas statt finden, so musste man es organisieren, sich mit anderen zusammentun, vllt. seine Räumlichkeiten zur Verfügung stellen usw.

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Es freut mich, dass davon noch etwas übrig ist.
Ebenso, wenn Gemeinden und Kommunen dieses Engagement durch Kulturzentren etc. erleichtern.
Was immer seltener wird….

Schon als Kind habe ich Gedichte geliebt und bis heute bewundere ich meine Oma, die uns oft und gerne frei aus dem Kopf heraus Balladen und Gedichte vortrug.

Nächstes Mal ist deine Lieblingsdichterin dran…., der spitze Unterton meiner Mum ist nicht zu überhören.
Schaurig – schöne Worte, oft unverständlich, die mich in ihren Bann zogen und mir eine Gänsehaut bescherten…..hat sie als Kind als nervtötend empfunden, und damit zieht sie mich bis heute auf.

Unruhe
Laß uns hier ein wenig ruhn am Strande.
Foibos Strahlen spielen auf dem Meere,
siehst du dort der Wimpel weiße Heere
Ries’ge Schiffe ziehn zum fernen Lande?

Ach! Wie ists erhebend sich zu freuen
An des Ozeans Unendlichkeit,
Kein Gedanke mehr an Maß und Räume
Ist, ein Ziel, gesteckt für unsre Träume
Ihn zu wähnen dürfen wir nicht scheuen.

Unermeßlich, wie die Ewigkeit.

Wer hat ergründet
Des Meeres Grenzen
Wie fern die schäumende Woge es treibt?
Wer seine Tiefe?
Wenn muthlos kehret
Des Senkbley’s Schwere
Im wilden Meere,
Des Ankers Rettung vergeblich bleibt.

Möchtest Du nicht mit den wagenden Seglern
Kreisen auf dem unendlichen Plan?
O! Ich möchte wie ein Vogel fliehen,
Mit den hellen Wimpeln möcht ich ziehen,
Weit, o weit, wo noch kein Fußtritt schallte.
Keines Menschen Stimme wiederhallte
Noch kein Schiff durchschnitt die flüchtge Bahn.

Und noch weiter, endlos ewig neu
Mich durch fremde Schöpfungen, voll Lust
Hinzuschwingen fessellos und frey,
O! das pocht, das glüht in meiner Brust.

Rastlos treibts mich um im engen Leben
Und zu Boden drücken Raum und Zeit,
Freyheit heißt der Seele banges Streben
Und im Busen tönts Unendlichkeit!

Stille, stille, mein thörichtes Herz
Willst du denn ewig vergebens dich sehnen?
Mit der der Unmöglichkeit hadernde Thränen
Ewig vergießen in fruchtlosem Schmerz?

So manche Lust kann ja die Erde geben
So liebe Freuden jeder Augenblick.
Dort stille, Herz, dein glühendheißes Beben
es giebt des Holden ja so viel im Leben,
So süße Lust und, ach! so seltnes Glück!

Denn selten nur genießt der Mensch die Freuden,
Die ihn umnglühn, sie schwinden ungefühlt.
Sey ruhig, Herz und lerne dich bescheiden.
Giebt Foibos heller Strahl dir keine Freuden,
Der freundlich schimmernd auf der Welle spielt?

Laß uns heim vom feuchten Strande kehren,
Hier zu weilen, Freund, es tut nicht wohl,
Meine Träume drücken schwer mich nieder,
Aus der Ferne klingt’s wie Heimatlieder
Und die alte Unruh kehret wieder.
Laß uns heim vom feuchten Strande kehren,
Wandrer, auf den Wogen, fahret wohl!

Fesseln will man uns am eignen Herde!
Unsre Sehnsucht nennt man Wahn und Traum
Und das Herz, das kleine Klümpchen Erde,
Hat doch für die ganze Schöpfung Raum.

Annette von Droste-Hülshoff , 1816 als 17jährige verfasst

Ich wollt, ich könnte hingehen.

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Unikate

Das Wochenende mit einem leckeren Frühstück mit Kulturbeilage einleuten hat was.
Ohne große Anfahrtszeit gelange ich zum Genießermarkt in einem unserer urigsten Veranstaltungsorte.
Die Sommerpause ist vorbei, für den Start wurde ordentlich Werbung gemacht.

Schon vor dem Gebäude gibt es Bio- Burger, fangfrische Krabben und Fisch, Prossecco, Blumen im Eingang und dann geht es richtig los.
Im Moment mixt man anscheinend alles mit jedem.
Frucht mit Chili & Co.
Früchte untereinander.
Schoko mit ….ich weiß nicht mehr.
Dann diese lütten Kekslollis, die sind auch ganz in. Schön bunt und 2 € pro Stück ist doch nun wirklich kein Preis.
Handgemachte Kekse, Törtchen, Schnittchen, Bonbons, Fruchtschnitten ( ebenfalls gemixt ….), Cupcakes , französische Tartes.
Zum hier essen oder mitnehmen, dann originell und liebevoll von Hand, versteht sich, eingepackt.

Käse, lecker und sauteuer.
Brot mit Seranoschinken .
Der Nudel-Biobäcker-und Obststand sind auch da.
Immerhin etwas “ reelles“ .
Es gibt einen Frühstückskorb, der gut und teuer ist.
Kann man sich mal gönnen. Dafür sind wir ja hier.

Musik gibt es life.
Bonny Ferrer macht ihre Sache gut.

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Gestärkt schauen wir uns noch die anderen Stände an.
Es ist ein wenig wie in der Abteilung „textiles Gestalten“.
Mützen sind in. Gestrickt, gehäkelt, genäht. Natürlich mit Designer-Label drauf.
Nein, Fotos darf man davon nicht machen, das habe ich schon vor Monaten gelernt.
Tücher und Schals, Taschen und Täschchen, Kissenbezüge und mehr Dekoratives.
Lederarmbänder und Silberschmuck, ebenfalls mit besonderem “ Etwas “ .
Der Mann mit den künstlerisch bearbeiteten Fotos unserer Stadt ist auch da. Sein Stand ist ganz interessant, aber er mag mich und meine Kamera nicht – ein Foto von seinem Stand musste ich mal löschen. Meine Güte, ich kam mir vor wie jemand, der Spionage betreibt.
Dabei war es nur ein MorgenKlick, nichts besonderes und ohne Hinterhalt.

Neu dabei heute ein Obstlikör-Stand.
Schicke Flaschen, gefüllt mit edlen hochprozentigen Tropfen aus Eigenherstellung, Bio und besonders schonend verarbeitet.
0,7 l für 42 € (nein, ich habe keinen Dreher beim Zahlenlesen oder -schreiben).

Resumee:

Draussen stehen wir dann noch am Prossecco- Stand. Der ist nicht selbstgebraut und bezahlbar.
Was und woher ist das Publikum hier?
Wir sind in einem Stadtteil, in dem überdurchschnittlich viele Hartz4 -Empfänger und Menschen aus fernen Ländern leben, aber anscheinend auch einige vom anderen Ende der Wurst.
Der werbeträchtige Mulit-Kulti-Flair dieses Stadtteils schimmert noch nicht einmal ansatzweise durch.

Was hat das zu bedeuten, dieses ganze handgemachte Zeug?
Hat der auf vorindustrielle Zeit gemachte Trend etwas mit Sehnsucht nach Ruhe, Langsamkeit, Kindheit und Geborgenheit zu tun? Danach, dass alles gut ist oder wird?
Wer steht da hinter den handmade-Ständen? Überwiegend Frauen. Haben die wirklich Lust, den ganzen Tag Mützen zu stricken?
Oder die Schnauze voll vom Dauer-Praktikantinnen-sein in ihrer Fachdisziplin?
Wird man einfach nur von cleveren Geschäftemacherinnen verarscht ( so nach dem Motto: komm, lass uns eine verrückte Marktlücke finden….)?
Wer kauft das?
Ist es das Nahrungmittel Marmelade – sorry: “ von Hand gefertigter Fruchtaufstrich, tropische Früchte und erfrischende Limette“ -, für das da so viel Geld hingelegt wird, das “ jemand hat liebevoll und mühselig etwas für mich ganz persönlich gemacht- Gefühl“ oder der “ Geld spielt keine Rolle – Kick“?
Fällt mir das nur heute so krass auf? Liegt es auch daran, dass ich mit meinem eigentlich gar nicht so schlechten Verdienst schon längst nicht mehr locker über die Runden komme?
Immer häufiger keimt das Gefühl von “ verkehrte Welt“ auf, besonders wenn Kultur im Spiel ist.
Leider hat die MARKTZEIT mittlerweile etwas von “ Zoo“ .
So gesehen, kann man ab und an hier auftauchen, seinen Cappuccino trinken und sehen und staunen.
Wenn wir das nächste Mal herkommen, frühstücken wir vorher zu Hause.
Heute jedoch leiste ich mir noch Krabben zum Selberpulen, hat Teenie was zu tun.

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Auf dem Rückweg geht es vorbei an einem uralt-Wollladen. Er gehört einem alten Ehepaar und ist schon immer hier.
Wir gehen hinein.
Alles ist vollgestopft mit Wolle und Strickutensilien.
Nichts ist deko-mäßig, alles praktisch verstaut.
Die Preise sind o.k. Die Ware auch.
Die beiden Alten freundlich.

Abends dann TV -Time.
Heute ist hier alles gut. Muttern strickt ( ??? ) . Teenie hockt daneben und daddelt parallel mit dem Phone.
Wäre doch gelacht, wenn ich so ein „Designer-Teil“ nicht selbst hinbekäme.
Gleich morgen lasse ich mir Label machen, gibt hier einen textil-print-Laden.
LeidenschaftlichWidersynnig unübersehbar dezent an der Seite aufgenäht – macht sich bestimmt gut auf diesem Hut:

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Material : ca.16 € im alteingesessenen Fachhandel
Arbeitszeit : 4 Stunden.
Umweltschonend, da ohne Verpackung
Energie: Bio + Strom für’s TV
Modell: Improvisation

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Reset

Es war ein wenig still hier bei Leidenschaftlichwidersynnig.
Dabei waren die letzten beiden Wochen das glatte Gegenteil davon.
Ein abwechslungsreicher Job ist nicht immer ein Segen.
Zu viele Eisen im Feuer. Alle am glühen halten.
Teilzeit in dem Sinne : von meiner unbezahlten privaten Zeit verbleibt mir ein Teil…..

Macht nichts. Neben Dingen, von denen man froh ist, sie erledigt zu haben, gibt es auch solche, die Freude machen. Nur schade, dass hohe Arbeitsdichte die Atempausen eher gering ausfallen lässt und damit auch das „sacken lassen“ der verschiedenen Eindrücke.

Meine beiden 6-Tage-Wochen inklusive Dienstreise endeten mit einem Samstagsseminar, auf das ich mich schon lange gefreut habe.
Eine Premiere in dieser Konzeption.
Früh morgens eine kleine Radtour durch wochenend-verschlafene Strassen, ein sonniger Herbsttag deutet sich an.
Ich könnte in der Strassenmitte fahren, so ungewohnt leer ist es.
Zeit für den MorgenKlick.

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Unerwarteter Trubel am Arbeitsort.
Die Einzelhändler_innen streiken und treffen sich auf dem Parkdeck. Ein buntes Treiben. Multikulti in jeder Hinsicht. Das Standard-Vollzeit-Arbeitsverhältnis ist hier Ausnahme. Jung mischt sich mit alt, ausgeflippt mit bieder, hell- mit dunkelhäutig, Männlein und Weiblein.
Die Kolleg_innen sind sauer: ein Niedriglohnsektor mit vielen prekären Arbeitsplätzen. Der Arbeitgeberverband mauert, sagt einfach Verhandlungstermine ab.
Der Einzelhandel steht nicht für “ sich glücklich arbeiten“.
Das Glück ist bei den anderen.

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Meine Seminarteilnehmer_innen haben gemeinsam:
stressige, aber sichere Arbeitsplätze und sie wollen sich engagieren.
Selbst im öffentlichen Dienst ist es nicht mehr „kuschelig“ .
Sparprogramme werden umgesetzt, ein Veränderungsprozess jagt den nächsten.
Gemeinsam auch ihre Erwartung, wie in der Schule frontal beglückt zu werden …..nein, diese wird nicht bedient von uns Teamern.
Im Laufe des Tages haben sich alle daran gewöhnt und sind zufrieden.
Bis auf einer vielleicht. Ich weiß nicht. Ein Kollege, der nicht so Recht in die Gruppe rein kommt, sehr zurückhaltend. In den Pausen zieht er sich raus….will/ braucht er es so? Ich kann es nicht einschätzen und beschließe, ihn nicht zu drängen.
Später werde ich mich fragen, ob das richtig war.

Noch eine Premiere: ich betrete den Store eines erfolgreichen Apfelherstellers.
Was für eine Welt!
Ich brauche einige Zeit, um mich zu orientieren.
Junge Männer in blau, ein pseudo-Handy am Hals baumelnd. Mit der Aufschrift “ ich mache ein phone zu ihrem phone“ oder so.
Einer springt mir hilfreich zur Seite, unaufgefordert.
Der Laden ist knallevoll.
Ich bin mir nicht sicher, ob diese Kollegen überhaupt wissen, dass in ihrer Branche Arbeitskampf angesagt ist…..
Freundlich werde ich an einen großen Tisch geführt, an dem für 8 Kunden Platz ist. Ein ebenso freundlicher Kollege begrüßt mich mit Handschlag und “ ich bin der xyz, ich freue mich“ …..schon höre ich mich ebenfalls meinen Vornamen sagen. Ups.
Er sei gleich bei mir, unterbricht unseren Dialog, um kurz in fließendem Englisch meinem Sitznachbarn einige Fragen zu stellen und auf einer Tastatur zu tippen.
Dann ist er da.
Zugewandt, sehr zugewandt.
Ich sage mein Verslein auf. Keine Spur von Arroganz des personal-Set-up-Fachmannes ob meines kleinen technischen Problems, nein, ich werde sogar gelobt, dass ich an das USB – Kabel gedacht habe. Auch ich bekomme eine kleine Aufgabe, mein Nachbar eine kurze Frage und weiter geht es an der gegenüberliegenden Tischseite, an der gerade ein älteres Ehepaar Platz nimmt und der wandelnde Wegweiser , der auch mich geleitet hat, für eine Vorstellung und Begrüßung sorgt.
Mit einer Aufgabe versehen, beschäftigt sich die ältere Dame nun mit ihrem Rechner und es kommt der nächste Kunde dran, zwischendurch immer wieder mein Nachbar und ich. Natürlich bedient der blaue Tischguru zwischendurch für uns die kleine elektronische Box, die unser Problem lösen soll.
Meine Güte.
Was für ein Arbeitsplatz.
Für Studis oder für’s Leben?
Cool oder unterirdisch?

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Die Jungs ( sag mir wo die Mädchen sind ? ) sind gut geschult.
Sollten sie genervt sein, so merkt man es nicht.
Sie retten sich mit standardisierten Satz-Nuggets durch das Beratungs“gespräch“ . Wirklich gut gemacht. Da waren bestimmt clevere Kommunikationspsycholog_innen am Werk.
Es fühlt sich gut an. Ich fühle mich gesehen und geschätzt. Obwohl mir letztlich nicht geholfen wird.
Dennoch bleibt ein Nachgeschmack. Angesichts des Trubels und der Anforderungen an diese Beschäftigten wirkt das alles befremdlich.
Unecht.
Ein leicht angestrengtes “ sonst noch was ? “ hätte mich weniger nachdenklich nach Hause entlassen.

Durch die ebenso menschengefüllte Innenstadt radele ich Richtung Heimat. Bis ich gestoppt werde.
Ganze Strassenzüge sind abgesperrt. Unser Freund und Helfer ist im Einsatz. Mit dem Rad kann ich mich trotzdem die gewohnte Strecke durchmogeln. In den Einfahrten halten sich schwarz gekleidete Einsatzkräfte auf, in den Nebenstrassen Wasserwerfer und anderes schweres Gefährt.
Ach ja, heute ist ja eine Demo. Aber so ein Aufwand?
Nun rollen mir etliche „6-Packs“ entgegen , gefolgt von berittener Polizei. Dann die Krads. Dann die Infanterie, bestimmt 2 Hundertschaften.
Mit Abstand folgen die Demonstrant_innen, überwiegend junge Menschen.
Keine Profite mit der Miete, bundesweit wird heute gegen Mietenwahnsinn auf die Strasse gegangen.
Zahlreich, scheint es mir.
Irgendwie beruhigend.

Endlich zu Hause ist erst mal Schluss mit input oder output. Gedanken und Eindrücke, unsortiert. Nichts ist verdaut.
Nun daddeln, Zeit vertreiben, sich gehen lassen.
Slow motion den ganzen Sonntag.
Abends im TV ein alter Film mit Johnny Cash. Passt.

Es winken ein paar freie Tage.
Kühl ist es auf dem Balkon, aber das kleine, von dort sichtbare Stück Himmel ist noch immer blau.

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Unbedingt

Langfristige Planung in Sachen Kultur ist nicht so mein Ding.
Wer weiß, ob mir nicht, wenn es endlich soweit ist, nach was ganz Anderem ist?
Teurer Spaß dann.

Diesen Besuch in unserer Stadt aber lasse ich mir nicht entgehen : Apocalyptica.

Also, ich bin dann kurz mal wech, im nächsten März ….
Ich kann ja sagen, ich begleite meinen Enkel 😉

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Wohin mit dem Delphin?

Quergedachtes hat sich in seinem blogpost Wenn Delphine wiehern, bellen schnurren interssante Gedanken über die Delphintherapie gemacht.

Wenn man über Autisten und eine geeignete Therapie nachliest kommt man immer wieder mal auf das Thema Delfintherapie. Viele versprechen sich von dem Kontakt des Autisten mit Delfinen einen Erfolg. Es gibt sicher auch viele Beispiele wo dieser Fortschritt wirklich festzustellen ist und war. Nachteil bei der ganzen Sache: So eine Therapie kostet unheimlich viel Geld. Und sie ist, aus Sicht des Autisten gesprochen, mit vielen Anstrengungen und Belastungen verbunden. Da ist zum einen der Wechsel des täglichen Rhythmus. Viele Routinen können, zumindest während des Anreisetages, nicht durchgehalten werden. Dann der Kontakt zu den Tieren an sich. In den meisten Fällen wird er Autist wohl nicht wissen was da auf ihn zukommt. Demzufolge können solche Delfine, auch wenn sie für andere Menschen gänzlich ungefährlich sind, einem Autisten Angst einjagen. Sie sind eben nicht berechenbar in ihrem Verhalten. Dazu kommen dann noch die Therapeuten, die Umgebung und die ganze Aufregung in der begleitenden Familie. Eine Frage die sich mir immer gestellt hat: Müssen es Delfine sein?

Diese Gedanken animieren mich, ebenfalls eine kleine Tiergeschichte beizusteuern:
Mein Teenie mochte als Kleinkind nur Insekten. Alles was Fell hatte und zappelte wollte sie nicht berühren und schon gar nicht auf den Arm nehmen. Nur anschauen und damit reden. Aber das sehr gern.
Mit 4 lernte sie das Pferd einer Freundin kennen. Und siehe da- bereits am Abend saß sie hoch oben mit im Sattel und schmetterte in in der Sommerhitze vergnügt Weihnachtslieder.
Was war passiert?
Das Pferd hatte nicht wirklich Interesse an ihr gehabt, hatte es doch seinen Futtereimer vor sich.
Sie hatte die Gelegenheit, das Tempo des Kennenlernens und den Grad der Nähe oder Distanz selbst zu bestimmen.

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Und dann hat es gefunkt.
Anders kann man es nicht nennen. Von Anfang an hat sie sich im doppelten Sinne getragen gefühlt.
Klar, dass sie Kindheit und Jugend mit Pferden verbracht hat. Eine Mum mit (etwas eingestaubtem ) Pferdefimmel war da ganz praktisch 🙂
Reiten fand sie super, solange sie das Gefühl behielt, das Tier nicht zu zwingen.
Schrecklich noch heute die Erinnerung an einen schweren Reitunfall, der dadurch zustande kam, dass die Reitlehrerin mein Kind zwang “ setz dich durch! “ ihrerseits das Tier zu zwingen….und damit beide, Kind und Pony in die Panik trieb.
Sanfte Reitweise sieht anders aus.

Vor allem der Umgang mit dem Tier, das Putzen, Schmusen, Reden und sich kümmern hat ihr etwas gegeben, das ihr die meisten Menschen nicht geben konnten oder wollten.

Nie ist sie eine von den forschen Mädels im Stall geworden, die eher mit den Tieren „ringen“.
Das Pony legt die Ohren an?
O.k. dann mag es etwas nicht, was mag das sein?
Oft kam es vor, dass sie die Erste war, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Ponys feststellte. Natürlich war sie längst Expertin, wozu gibt es Spezialinteressen?
Ihr wurde oft nicht geglaubt, aber IMMER behielt sie Recht.
Sie hat oft gespürt, was wir noch nicht sehen konnten.
Ich habe mir mittlerweile komplett abgewöhnt, ihre Äußerungen in Richtung Gesundheitsbeeinträchtigung, egal ob bei Mensch oder Tier, nicht ernst zu nehmen.

Hunden und sogenannten „Kuscheltieren“ gegenüber blieb sie weiterhin ängstlich gegenüber, obwohl sie gerne ihre Nähe suchte ( mit Zaun drum oder Herrchen dabei). Stundenlang hat sie das Verhalten der Tiere studiert. Das wollte sie.
Viele „Kuscheltiere „sind ja auch gar keine…Meerschweinchen zB sind Fluchttiere, Häschen auch, hat sie das vielleicht gemerkt?

Dass ich ihr irgendwann den Wunsch nach Meerschweinchen erfüllte, obwohl sie diese noch nicht einmal alleine auf den Schoß nahm , wurde oft kritisiert. Und ja, es hat 4 Jahre gedauert, bis ich ihr so ein Tier auf den Schoß setzen konnte. Heute, weitere 3 Jahre später hat sie keinerlei Ängste mehr. Aber ganz so zahm wie die Artgenossen anderer Kids müssen ihre Tiere nicht sein.
Wenn ich von anderen Eltern höre : „dieses Thema ist bei uns durch“ so frage ich mich, warum eigentlich? Ist Tierliebe eine Phase die irgendwann vorbeisein muss?

Gerne hätte sie einen Hund. Diesen Wunsch kann ich LEIDER nicht erfüllen, in der Stadt, tagsüber bei der Arbeit. Alle ihre Schlachtpläne in diese Richtung gingen nicht auf: meine Chefin fragen ob ich das Tier mit zu Arbeit nehmen darf, meiner Freundin die tolle Idee unterjubeln, sie bräuchte einen Kita- Hund….jede verlorene Runde in Sachen Hund endete allerdings mit ihren Worten: irgendwann werde ich doch einen haben!
Teenies Angst vor Hunden ist komplett weg. Sie hat vor einiger Zeit sogar einer Welpengeburt zusehen dürfen und war eine der ersten, die die Hündin zu sich gelassen hat. Dabei kannte sie die Hündin noch gar nicht lange.

Gerne würde sie einen Beruf mit Tieren ergreifen. Aber dort wird in der Regel ein eher forsches, oft rücksichtsloses Vorgehen den Tieren gegenüber erwartet. “ Da muss man zupacken können“ – etwas, dass sie selbst für sich am meisten hasst.

Nein, dafür ist sie nicht zu haben.
Obwohl sie es durchaus kann, und zwar dann, wenn es für das Tier notwendig ist, nicht weil ein Arbeitsablauf das erfordert. Tieren ist unsere Zeit egal ….und ihr oft auch.

Im Moment diskutieren wir über Ratten.
Die will ich aber nicht. Lebten wir auf dem Land….ich finde Hühner und Ziegen klasse und dann meinetwegen noch Hund, Katz, Maus, Pony und was weiß ich noch alles. Auch die Rattenfrage wäre damit erledigt.

Auf einen Delphin ist sie zum Glück noch nicht gekommen. Der passt ja auch gar nicht in ihr Aquarium.

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Luft

Jeden Morgen komme ich daran vorbei.
Besonders jetzt in der warmen Jahreszeit sichtbar, nicht so versteckt, unterwegs.
Ich ändere meine Route immer mal wieder, lasse mir Zeit für die Suche nach Motiven für mein morgendliches Foto.

Egal, welchen Weg ich nehme, mindestens drei „Outdoor-Wohnzimmer“ kreuzen meinen Weg.

Es sind regelrecht eingerichtete Ecken – unter einer Fußgänger- Überführung am Hafenrand, in der abgelegenen Hauswand-Biegung einer Hochgarage und natürlich unter den Brücken und in Parks, die diese Stadt hat.

Es sind keine gewöhnlichen Wohnstellen. Es leben dort jeweils mehrere Menschen. In ihnen gibt es Kleinmöbilar, Gaskocher, ja sogar Deko und Kuscheltiere.

An der Hafen“-wohnung“ komme ich oft vorbei, nicht nur morgens. Sie ist anders.
Dort sehe ich häufig junge Menschen, die auf einen Plausch zu Besuch sind, Sachen bringen, sich kümmern. Im letzten Advent gab es sogar einen kleinen Tannenbaum.

Anders an der Garagenwand. Dort fahren die Menschen einfach nur vorbei. Aber auch hier: neben den Matratzenlagern, die wenn ich mal spät dran bin schon ordentlich zugedeckt sind, ein kleines Tischchen mit Tischdecke, darunter verstaut der andere Besitz.
Hier gibt es oft Übernachtungsgäste – der Bahnhofsnähe geschuldet.

Und wenn ich noch so oft daran vorbei komme – ein Blickkontakt, ein Lächeln scheint unmöglich.
Von beiden Seiten.

Niemals würde ich es wagen, meinen MorgenKlick von diesen Plätzen zu machen.
Dieses andere Leben, eigentlich prädestiniert dafür.
Tolle Motive, die mir täglich in’s Auge springen.
Meiner Idee vom MorgenKlick entsprechen.
Ich mache ja nicht nur Fotos, die man liken kann.

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Tabu.
Nicht nur, weil es „Hausfriedensbruch“ und eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte wäre.

Und dennoch nicht ungeklickt.
Der Klick passiert in meinem Kopf.
Er löst ein Gefühl der Beklemmung, Hilflosigkeit, Angst und Scham aus.
Erleichterung, wenn ein kurzer Blick feststellt, dass die Schlafplätze nicht zerstört oder behördlich geräumt wurden.
In dieser Stadt der Wohlhabenden.

Das private Vermögen in Hamburg liegt bei 210 Milliarden Euro und ist damit mehr als acht Mal so hoch wie die Verschuldung der Stadt, die bei 25 Milliarden Euro liegt. Quelle

Weitere Infos dazu siehe hier

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