Dass einem der Atem stehen bleibt

Nebel im August – eine ganz persönliche Filmkritik

Dieser Film läuft nicht in den großen Kinos. Und auch in den Programm-Kinos nicht zu gewöhnlichen Kino-Besuchs-Zeiten am Abend. Nein, anscheinend kein Film fürs Hauptprogramm.

Auch ich habe ihn Sonntag zur Mittagszeit angesehen. Das Kino war gut besucht. Danach bestand die Möglichkeit, mit dem Regisseur Kai Wessels ins Gespräch zu kommen. Und  dann passierte das, was mir eher selten geschieht: mir fehlten die Worte. Um Fragen zu stellen. Um meine Eindrücke zu schildern.

Ernst Lossa, ermordet weil er anders war

Dem Film liegt eine reale Begebenheit zugrunde:

Im Alter von 14 Jahren wurde Ernst Lossa in der  Zweiganstalt Irsee der Heil-und Pflegeanstalt Kaufbeuren-Irsee  durch Injektion eines tödlichen Mittels von den Nazis ermordet. Weil er ein Jenischer war. Das waren  fahrende Händler und Handwerker, die von den Nazis wie sogen. Zigeuner verfolgt wurden. Für die Nazis war Ernst ein „asozialer Psychopath“ und fiel damit in die Gruppe, die mit dem Euthanasie-Programm Aktion T4 , der dann die „wilde Euthanasie“ folgte, vernichtet werden sollte:

Im Oktober  1939  verfasste Hitler ein Schreiben, das er auf den 1. September 1939 zurückdatierte und das folgenden Wortlaut besaß:
»Reichsleiter Bouhler und Dr. med. Brandt sind unter Verantwortung beauftragt, die Befugnisse namentlich zu bestimmender Ärzte so zu erweitern, daß nach menschlichem Ermessen unheilbar Kranken bei kritischster Beurteilung ihres Krankheitszustandes der Gnadentod gewährt werden kann.«
Indem das Schreiben auf den Kriegsbeginn datiert wurde, unterstrichen Hitler, Bouhler und Brandt, dass es fortan nicht nur Krieg gegen einen äußeren, sondern auch Krieg gegen einen inneren Feind geben würde: gegen Kranke und Menschen mit Behinderungen. Der rassepolitische und auch kriegswirtschaftliche Aspekt dieses Mordbefehls wurde durch den Begriff des »Gnadentodes« verschleiert, tatsächlich aber ging es um nichts anderes als um die Ermordung von »rasssisch Minderwertigen« oder »Ballastexistenzen«.
Allerdings kam es zu keiner offenen Legalisierung etwa in Form einer im Reichsgesetzblatt publizierten Verordnung oder eines Gesetzes. Quelle

Aufgrund dieses persönlichen Erlasses haben Ärzte und ihre Mithelfer_innen zwischen 1939 und 1945 ungefähr 200000 psychisch kranke Menschen  ( und solche, die man qua Definition krank gemacht hat ) getötet. Sie wurden für „lebensunwert“ erklärt, was es wohl leichter machte, sie zu entwürdigen, zu quälen und zu ermorden.
Es waren nicht einige wenige Täter, sondern die Elite der deutschen Psychiater. Klinikleiter.

Bis 1941 wurden in insgesamt 6 Anstalten ( im Film Hadamar ) ausgewählte Patienten vergast, danach bis 1945 vermehr durch eine Kombination aus drastischer Unterernährung und schleichender Vergiftung z.B. mit Luminal ( Phenobarbital), Skopolamin oder Morphin in den 15 Sonder-Heilanstalten direkt umgebracht.

Wie auch in dem Film gezeigt, konnten sich Mediziner mit Entwicklungen von besonders perfiden Tötungsmethoden einen Namen machen. Sei es die Entwicklung der im Film gezeigten E-Kost ( Entzugskost, Suppe ohne jede Nährwerte) oder wie mit dem durch 3 Ärzte der Heilanstalt Leipzig-Dösen entwickeltem Luminal-Schema.

Das letzte Kind wurde in Kaufbeuren am 29. Mai 1945 , 33  Tage nachdem die Amerikaner die Stadt befreit hatten, getötet. Die Anstalt selbst betraten die Amerikaner erst Ende Juni.

Den Tätern und Täterinnen ist nicht viel passiert. Nachkriegsdeutschland war nachsichtig.

1949 erklärte  Valentin Faltlhauser ( Klinikleiter Kaufbeuren) vor Gericht, er sei als »Staatsdiener dazu erzogen gewesen, den Anordnungen Gefolge zu leisten, also auch den als Gesetz zu betrachtenden Erlass betr. Euthanasie.« Wegen Beihilfe zum Totschlag wurde er zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, aber als haftunfähig erklärt. In den 1950er-Jahren bekam er seine zuvor gestrichene Pension vom Innenministerium doch noch bewilligt.

1961 starb der Psychiater in einem Münchner Altersheim. Seine damaligen Schüler wurden nach dem Krieg fast alle Direktoren von Pflegeanstalten. »Nach 1945 gab es in Deutschland in der Psychiatrie keine Zäsur, stattdessen wurde die Geschichte geleugnet und verdrängt.

Wie wäre es uns ergangen?

Der Film ist gut gemacht. Natürlich ist er in gewisser Weise auch fiktiv. Es gibt Szenen, die sind fast schon romantisch. Andere, wie ein nicht dokumentierter Fluchtversuch  oder Miniaufstand im Essensaal sicherlich frei erfunden, schaden aber der Geschichte nicht. Die handelnden Personen sind nicht schwarz-weiß gezeichnet.
Der brutale, tötende Anstaltsleiter ist durchaus freundlich zu seinen Schützlingen, auch die den tödlichen Trank bringende  Schwester eher schön und dumm als kalt und berechnend. Niemand wird geschlagen oder beschimpft. Auch Widerwillen gegen die Tötungen wird gezeigt, in seiner ganzen Widersprüchlichkeit zwischen Ohnmacht und helfen wollen ( verkörpert durch die pflegende Ordensschwester, die immerhin den Gang zu ihrem Vorgesetzen wagt und – erfolglos – moralische Bedenken anmeldet).
Aber das wissen wir ja: das Böse kann alltäglich sein, es zeigt sich nicht unbedingt als Gesicht eines Monsters.

Der Film überbrückt eine persönliche Distanz, die bei diesem Thema ansonsten vorhanden ist. Wer kann schon sagen: das hätte mir nicht passieren können? Allein in meinem sozialen Umfeld gibt es so viele Menschen, die  nicht im Sinne von voll funktionstauglich, angepasst und wirtschaftlich (aus)nutzbar sind, dass wir eine ganze Station füllen könnten. Für die Nazis hat eine Lernbehinderung schon gereicht, um zu töten. hier
Luminal ist ein Medikament, das einer lieben Freundin seit vielen Jahren ein weitgehend anfallsfreies Leben beschert – damals wäre sie damit getötet worden. Mein familiäres  Umfeld  selbst hätte die Euthanasie-Gesetze in vieler Hinsicht fürchten müssen: Autismus, ADHS, MS , Alkoholismus, Arbeitslosigkeit …. und ich persönlich sicherlich auch wegen meiner nicht so angepassten Art in jungen Jahren.

Aber auch die zeitliche Distanz, die ansonsten da ist, scheint mir mit einem Mal  nicht ganz so sicher zu sein. Ich erinnere gut eine Kita-Bekannte, die  sich nach Geburt ihres behinderten Kindes nicht mehr auf den Spielplatz traute. Aus Scham. „So was muss doch heutzutage nicht mehr sein“- diesen Satz hört man leider viel zu oft. An meine Frauenärztin, die mich verantwortungslos nannte, weil ich keine pränatale Diagnostik machen wollte, wegen 35 plus. An die Diskussionen um die Präimplantationsdiagnostik PID, mit der ermöglicht wird, Geschlecht und Gesundheit des Embryos ausfindig zu machen – und bei Bedarf zu selektieren. Die Sterbehilfedebatte.

Die Nazis haben dem Denken in Kategorien wie: wer darf leben und wer nicht einen pseudowissenschaftlichen Touch gegeben, systematisiert und grausam umgesetzt.

Heute finden wir uns selbst in dieser Verantwortung, weil die Medizin-Technik uns diese Entscheidungen scheinbar leicht ermöglicht.  Eine breite ethische Auseinandersetzung mit dieser Frage und der sich daraus ergebenden Verantwortung findet aber kaum statt.
Das ist es, was mich sprachlos gemacht hat jenseits des schrecklichen Vergangenen, das auf der Leinwand zu sehen war.

Im Anschluss läuft im Kino  “ 24 Wochen“, ein Film, in dem sich ein werdendes Elternpaar mit der Frage auseinandersetzen muss, wie es mit dem Wissen um die Trisomie 21 ihres ungeborenen  Kindes umgehen will und kann.

Bis ich mir diesen Film ansehen kann, brauche ich erst einmal Abstand.
Zu sehr bin ich noch von Ernst Lossa und den für diesen blog  erfolgten Recherchen beeindruckt.

 

Nebel im August,  ein Film  von Kai Wessel und Holger Karsten Schmidt nach dem gleichnamigen Buch von Robert Domes , 9/2016

 

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Ansehen?

Uneins

Teenie und ich sind uneins: soll man sich Spielfilme (und Theaterstücke), in denen Autisten oder ADHSler vorkommen ansehen oder nicht?

Also ich mache das schon allein deshalb, weil ich wissen will, wie  diese in den Medien dargestellt werden.  Aber auch, weil in dem einen oder anderen Film wenigstens mal ein Protagonist im  Bildschirm erscheint, der sich halbwegs  normal benimmt. Wenn man Glück  hat, zeigt der Film sogar annnähernd realistisch die Problemfelder des Alltags und bei noch mehr Glück, Ressourcen /Stärken in nicht verklärter Form auf.

Teenie findet die meisten Filme unrealistsch, diskriminierend und überwiegend langweilig.
Was ich leider oft unterschätzt habe: viele Filme haben für Teenie nicht nur diesen  Ärger-Faktor, sondern auch einen Verwirrungs- und einen Trigger-Faktor. Letzteres trifft besonders auf Theatervorstellungen zu.

Ganz nett

Das sind so die Filme, die in der letzten Zeit im Kino und TV zu sehen waren.
Meist Geschichten um einen Asperger-Autisten_in, der irgendwie kauzig, aber liebenswert ist. Nicht selten hilft er den NTs mit seinem analytischen Handeln aus der Klemme und  weil er nicht so durch die Welt hetzt wie die NTs, wirkt er entschleunigend auf die – ihm im Verlauf des Films wohlgesonnen- Menschen in seinem Umfeld. Selbstverständlich gibt es auch kritische/gefährliche Situationen, aber die gehen immer gut aus.

Dazu gehören z.B.: Birnenkuchen und Lavendel, Ein Sommer in Masuren, Adam.

Am Ende haben Zuschauer, die überhaupt nichts von Autismus wissen, immerhin ein anderes Bild davon bekommen, als Rain Man es vermittelt.

Verwirrungs -und Trigger-Faktor relativ gering, Ärger-Faktor wegen der stereotypen Darstellung der Autist_inn_en groß: keine Mimik, keine Emphatie, Mathe-Vorliebe, Wissen verbal abspulen in Stress-Situationen etc.
Nicht so wie im wahren Leben eben. Langweilig ( Teenie).

Immer wieder gerne

Dies sind Filme, in denen Autismus oder ADHS nicht im Vordergrund stehen, sondern in einem ganz gewöhnlichen cineastischen Handlungsrahmen ( Krimi etc.) eine der Hauptrollen neurodivers agiert. Da freut man sich, wenn die Darstellung nicht zu stereotyp ist, wenn dieser Mensch irgendwie im Team akzeptiert ist und empört sich, wenn Vorurteile, Ausgrenzung und Mobbing gezeigt werden.Häufig ist auch keine Diagnose genannt, was wir gut finden.

Selbstverständlich verfügt  der  „Held_in “ über besondere Talente, aber dass ist ja bei allen spannenden Filmen so.

In diese Kategorie für uns : Die Brücke ( Serie), Criminal Minds, Larssons Triologie Verblendung usw. ( ohne Teenie). Eigentlich schade, dass es meist Detective und Co sind, die  diese Rolle innehaben. Immerhin gibt es eine vergleichsweise positive Sicht  auf Autismus.

Verwirrungs-und Triggerfaktor mittel, Ärgerfaktor gering.

Schulfunk

In diese Kategorie fallen für uns Filme, in denen es in erster Linie um die Themen Autismus oder ADHS geht. Die Geschichten ranken sich meist um die Entwicklung eines Betrofffenen. Manchmal sind sie gut gemacht und sehr informativ und eine gute Alternative zu Dokumentarfilmen, die sich eh´ nur  besonders Interessierte ansehen.

Der Kalte Himmel ( Autismus) oder Keine Zeit für Träume ( ADHS) gehören hier her.

Hier scheiden sich unsere Geister am meisten: Trigger-, Ärger-, Langweil,- Verwirrungsfaktoren allesamt für Teenie hoch. Aus Elternperspektive ist der Trigger-Faktor hoch, geht es doch oft auch gerade um die Stigmatisierung der ganzen Familie, bzw. die Anstrengung der Eltern, für ihr Kind gute Entwicklungs- und  Lernbedingungen zu organisieren.

Hard stuff

Wenn gezeigt wird, wie brutal die Gesellschaft mit Autisten umgeht. Übles Mobbing in Großaufnahme. Verweigerung von Lebensraum durch die Bürokratie mit lebensbedrohlicher Konsequenz. Wenn Depression kein Tabu ist. Verzeiflung sichtbar.

Als Spielfim z.B. in Ben X zu sehen, als Dokumentation in Matthijs Regeln.

Trigger-Faktor hoch.
Kein Unterhaltungsfaktor. Dafür Wut-Faktor auf diese Zustände.

Teenie kann hier nicht mitreden- man muss sich ja nicht alles antun.

Und die Schmuddelkinder?

ADHS ist wohl nicht so gut zu vermarkten. Die meisten Filme handeln von  schwierigen Kindern, die vermeintlich statt mit Erziehung mit Drogen versorgt werden. Daran sieht man, das ADHS  nicht in gleicher Weise als neurodivers wahrgenommen wird wie Autismus. Während Filme über Autisten auch als ganz nette Unterhaltung gedacht sind, haben ADHS-Filme meist etwas dramatisches und verurteilendes.
Angenehme Ausnahme: Rico und Oskar, die beiden Helden aus der gleichnamigen Triologie von Andreas Steinhhöfel. Wobei man da gar nicht weiß, was die eigentlich haben, nur speziell sind sie beide. mehr ( zur Buchvorlage)
Dennoch sind sie häufig zu sehen, die ADHSler in den Medien. Ob als Entertainer_innen oder in den Rollen des Familenchaoten, Halodri oder Klassenclown, unbändigem Halbstarken. In Allerwelts-Filmen, täglichen im TV. Michel von Lönneberga muss man einfach lieben.

ADHS als Thema kommt eher in Dokumentationen oder Talkrunden vor. Da kann halt jeder mitreden, kennt sich vermeintlich aus, hat eine Meinung, selbst ohne die leiseste Ahnung. Einschaltquoten garantiert.

Ärger-Faktor häufig hoch, Trigger selten, Spaß-Faktor bei Filmen wie Findet Nemo mit der sympathischen Dory gibt es  zuweilen aber auch.

Zu echt

Ein  besonderes Erlebnis sind Theateraufführungen. Hier zählt nicht nur die Geschichte.
Gute Schauspieler transportieren echtes Gefühl. Sie schreien, toben, weinen, flüstern. Miteinander, gegeneinander, ins Publikum hinein.  Meint der mich?
Der Ton kann nicht leise gedreht werden. Szenen nicht wiederholt oder vorgespult werden.
Geräuschkulisse Bahnhof – hier ist der Zuschauer mittendrin. Ganz nah dran. Wie schon 100o mal selbst erlebt.

Eine sehr gute Inszenierung von Supergute Tage  hat das junge Schauspielhaus hier geboten. Der Schauspieler hatte sich wirklich gut vorbereitet, sich mit jungen Asperger-Autisten getroffen, Kontakt zur Eltern-Initiative aufgenommen. Und so kamen viele sehr lebensnahe Szenen zusammen. (für Schulklassen gibt es viel Material zum Stück hier )

Das, was Theater ausmacht, dieses unmittelbare, zum Anfassen nahe, erhöht den Trigger-Faktor enorm.

Mir bescherte die Aufführung eine lange nächtliche Diskussion, in der ich lernte,  Filme und Theater über Autisten und ADHSler auch unter diesem Gesichtspunkt zu beurteilen.

Mehr und viel detaillliertes zu diesem Thema nachzulesen in N#mmer , Heft 01/2015.
Listen mit noch mehr Filmen zu den Themen Autismus und ADHS findet man leicht im Netz.

 

Ich freue mich über feedback. Wie immer ohne Registrierung möglich.

 

 

Alles Große bildet…..

Fack Ju Göthe.
Man könnte sich über diesen Film aufregen.
Schüler_innen einer Gesamtschule werden wie die dümmsten Chaot_innen, lernunwillig und respektlos dargestellt.
Nerds wie Nerds.
Lehrer_innen sind in ihrer Unfähigkeit kaum noch zu überbieten.
Sämtliche Vorurteile bildungsnaher Schichten werden bedient.
Gesamtschule? Never!

Niveauloser Klamauk?
Selbstverständlich wird die schlimmste aller schlimmen Klassen von einem Menschen ( Elyas M‘ Barek), der noch nicht einmal Lehrer, sondern Krimineller ( was für viele Schüler_innen in der realen Bildungslandschaft keinen Unterschied macht, nur dass die Schüler ‚lebenslänglich‘ für die Taten oder das Unterlassen ihrer ‚Lernbegleiter_innen‘ bekommen ) zu Solidarität und Interesse an ihrer eigenen Zukunft gebracht.
Auch die äußerst pragmatische Rektorin ( Katja Riemann ), gebeutelt nicht nur von der mageren Schulausstattung seitens der Behörde und der Zusammensetzung der Schülerschaft, sondern auch von den Befindlichkeiten ihrer werten Kolleg_innen, findet in dem neuen Kollegen endlich jemandem, den die Vorschriften nur begrenzt interessieren.

Politisch unkorrekt ist er, der Film.
Und dennoch.
In seiner überspitzen Form trifft er oft den Nagel auf den Kopf: veraltete Lehrpläne, unqualifizierte Lehrkräfte, Verwaltung des Mangels an allen Enden aber vor allem : Unverständnis und Ignoranz einer Schülerschaft gegenüber, deren Papi beim Frühstück nicht im Feuilleton angesehener Zeitschriften liest.

Teenie hat so Einiges wieder erkannt, ich ebenso.
Gar nicht so erstaunlich, dass uns der Geschäftsführer der Produktionsschule, unserer Bildungseinrichtung, in der die Uhren anders gehen und in der Jugendliche, gestrauchelt im regulären Schulwahnsinn wieder Zuversicht gewinnen können, im Kino begegnet. Auch er sichtlich amüsiert.
Ihm wird es wie Teenie ergangen sein.

Absolutes Novum allerdings: Teenie war hocherfreut, ihn zu sehen.

„Wir sind eben alle Kollegen, wir die Azubis und er der Chef“ .

….. sobald wir es gewahr werden (Goethe)

Bleibt nur noch zu sagen, dass weitere tolle Schauspieler_innen dabei sind, viele nur ganz kurz, aber was macht’s?

Anm.: Freigegeben ab 12 Jahren – junge Teenies werden nichts von dem Film haben, außer ein paar F-Wörter ( wie sie im Film so schön heissen ) mehr im Vokabular.

Landeanflug

An seinen Kindern und Eltern merkt man, dass man nicht mehr so ganz frisch ist, wie man sich meist vorkommt.
Deutlich wird es, wenn alle mal zusammen kommen.
Bei uns eine eher eine größere Veranstaltung, gehörten wir doch zu den Kindern, die mit dem Würmeling, im Volksmund „Karnickelkarte“ genannt, Deutschland mit der Bahn erkunden konnten. Gibt’s heute nicht mehr, wie so vieles.
Sozialgedöns.

Nun war es wieder soweit.
Eine agile 85jährige lud zur Feier ein.
Den Reisewegen geschuldet, fanden wir uns mehrheitlich schon einen Tag vorher ein.
Die Nacht im Motel passte. Ich liebe solche Orte. Sie sind verloren und gleichzeitig haben sie etwas von Aufbruch, Ferne, Ungewissheit und Schutz.

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Irgendwas war diesmal anders, ruhiger.
Die Rollen in Familien sind ja sehr unterschiedlich.
Zwischen den Kindern, im Verhältnis zu den Eltern, zwischen den Enkeln, welche sich leider nur selten sehen können.
Alte Konkurrenzen und Kämpfe sind heute nicht mehr so präsent, die Kontrolle über Themen, die eh‘ nix bringen größer. Nur selten flackert ein alter Zorn leise auf. Tretminen werden umgangen und keiner misst sie.
Es ist entspannter. Mit der Zeit hat man sich ausgesöhnt/abgefunden mit so manchen Fehltritten diverser Familienmitglieder.
Vielleicht sieht man auch daran, ohne Spiegelung in den ganz Alten oder Jungen, dass die Reise in’s Unbekannte, oft in Abgrenzung zum „Nest“ ohne „Gefahr“ wieder zum Ausgangspunkt zurück führen kann. Das es sogar gut tut.

Die nächste Generation sitzt schon am Nestrand, bzw. hat die ersten Rundflüge hinter sich.
Ihre eigenen Familienfeiern werden mehr oder weniger turbulent in anderer personeller Zusammensetzung stattfinden.

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Im Zug auf dem Heimweg begleitet mich ein müder Teenie und die außergewöhnliche Musik von Bruno Coulais, unterstützt von Nick Cave und Robert Wyatt. Der Soundtrack des Films

Nomaden der Lüfte.

Noch nicht gesehen, diesen wunderbaren Film?
Bald werden sie wieder starten, die Zugvögel.
Der Film und seine Musik dazu sind grandios.

Spannend ebenso das „Making of“ .
Ein außergewöhnliches Filmprojekt voller unkonventioneller Wege und Menschen.

Rundet dieses Wochenende irgendwie ab.

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Wort-gleich

Quasselstrippe, Plaudertasche, Sabbeltante.
Das war schon immer so.
Es macht mir Spaß, mit Worten zu jonglieren.
Beobachtungen, Erkenntnisse, Gefühle zu Buchstabenfolgen werden zu lassen.
Eine gelungene Redewendung, ein auf den Punkt gebrachtes Argument, der im Streitgespräch losgelassene Wortpfeil, der in’s Rote trifft – all das bereitet mir Freude.
Mit einem ähnlich veranlagten Gegenüber wird das Ergebnis des Austausches zuweilen zur angenehmen Nebensache.

Verständigung.
Diese spielt in der Welt der Sprache oft eine viel kleinere Rolle, als allgemein angenommen.
Nehmen wir nur mal die Statements der Politiker.
Oder der Experten dieser oder jener Fachrichtung, die mit tollen Präsentationen versuchen zu
glänzen und die uns doch nur wieder ein Stück Lebens(arbeits)zeit klauen.

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Bestenfalls bekommt man hier Informationen.
Wie oft reden Paare, Freunde, Kollegen immer wieder aneinander vorbei?
Lehrer texten ihre Schüler zu, Eltern ihre Kinder.

Verstehen und verstanden werden

Wer möchte das nicht?
Fühlen, was das Baby braucht.
Der Mama ein Küsschen geben, weil sie traurig guckt.
Dieses entgegen nehmen.
Gemeinsam etwas herstellen, bearbeiten.
Zusammen Musik hören oder machen.
Für all das braucht es kaum Worte.
Dort, wo es richtig gut klappt, wird schnell das draus, was wir Liebe, Freundschaft und Gemeinschaft nennen.
Spricht man unterschiedliche Sprachen, steht einem nur ein begrenzter Wortschatz zur Verfügung, wird Kommunikation nicht zwingend sparsamer. Vielleicht sogar im Gegenteil.
Das Ohr hat weniger zu tun, die Achtsamkeit aller anderen Sinne wird vermehrt gefordert.
Eine geteilte gemeinsame Leidenschaft, Interessen, Hobbys, und die Intensität des „sich im anderen erkennen“ nimmt zu.
Es funkt, wörtlich genommen.
Was für ein schönes Gefühl.

Wer sehr engen Kontakt zu Menschen mit speziellem oder eingeschränktem Sprachvermögen hat weiß, dass es Worte oft nicht braucht, sie sogar Barrieren sein können.
Es gibt so viele Sprachen…..nimmt man die ohne Worte hinzu.

Alt, weiblich, Standard versus jung, männlich, Latin.

Charlotte Götze, eine junge Filmkünstlerin, zeigt in ihrer Dokumentation O Mundo Dá Voltas auf einfühlsame Weise zwei Menschen, die eine gemeinsame Leidenschaft auf unterschiedliche Weise teilen. (1)

What if there was a language everybody, regardless of origin, age or gender, could understand?
The maker’s very personal answer to that question is – dance.

Die Lebenssituation der beiden Protagonisten ist kaum vergleichbar und dennoch….aber seht selbst:

O Mundo Dá Voltas – Die Erde Dreht Sich

Wunderbar, wie sich hier Neugier, gegenseitige Akzeptanz, Respekt und Verständnis der Portraitierten am jeweils anderen entwickeln.
Zu verfolgen im ganzen Film : hier

Genug der Worte- anschauen.

(1) so und so
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Kollektive Arbeitssucht ?

Wer Arbeit hat, rackert sich dumm und dämlich.
Wer keine hat, fühlt sich meist schlecht, wertlos … irgendwie.
Ohne Moos nix los. Klar.

Aber was soll eigentlich los sein?

Was und wieviel wollen wir dafür tun?
Macht uns unsere Arbeit glücklich?
Wofür ruinieren wir unsere Gesundheit?
Haben wir schon immer so viel gearbeitet?
Welchen Stellenwert hat Arbeit in unserem Leben?
Muss das so sein?
Ist Arbeit unsere Religion?
Kann das immer so weiter gehen?

Dieser durchaus unterhaltsame Film stellt Fragen, die wir allzu oft nicht mehr fragen:

Die essayistisch-satirische Doku-Fiktion FROHES SCHAFFEN zeigt: Der moderne aufgeklärte Mensch ist nicht frei von Irrglauben und geistigem Zwang. Er hat längst einen anderen Gott erwählt – Die Arbeit.

Arbeit ist Sicherheit, Selbstbestätigung, Existenzberechtigung. Sie ist eine Sucht, ein Fetisch, ein Mantra, das uns tagtäglich umgibt. In Zeiten von Wirtschaftskrise und rasantem Arbeitsplatzabbau hinterfragt FROHES SCHAFFEN diesen „heiligen“ Lebenssinn der Arbeit.
Regisseur Konstantin Faigle begibt sich auf eine Reise zu den Wurzeln unseres Arbeitsbegriffs. Er besucht die Stätten des Arbeitsglaubens und dessen Niedergangs. Er fährt ins Ruhrgebiet zu den letzen „heiligen“ Bergarbeitern und zum geschlossenen Nokia-Werk.
Er begutachtet in Hamburg ein virtuelles Übungskaufhaus, eine Aktivierungsmaßnahme für Langzeitarbeitslose …..

( Clip von mir eingefügt, diesen Irrsinn kannte ich noch nicht):

…. Und in den USA besucht er unter anderem einen kalifornischen Ein-Mann-Fernsehsender, der seine Beiträge komplett via Internet auf den Philippinen schneiden lässt.
Zu Wort kommen zahlreiche Experten wie der amerikanische Sozialhistoriker Prof. Benjamin Hunnicutt, der US-Ökonomen Jeremy Rifkin, der Philosoph und Religionskritiker Michael Schmidt-Salomon, Soziologin und Buchautorin Marianne Gronemeyer sowie Tom Hodgkinson, britischer Experte für Muße, Genuss und Gelassenheit. Quelle

Wenn ihr nicht gerade arbeitet….schaut euch den Film an.
Es lohnt sich!

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