Naiv

Der Blick von außen

Solange man sich noch irgendwie in der Welt, die sich als normal versteht, bewegt, erkennt man oft gar nicht, wie groß die Kluft zwischen den diversen Parallelwelten in unserer Gesellschaft wirklich noch ist.

Ich erinnere mich an meine querschnittsgelähmte Klassenkameradin, mit der ich die Oberstufe einer Gesamtschule besuchte. Die einzige behinderte Klassenkameradin übrigens während meines insgesamt 15 Jahre andauernden Schulbesuches, die ich hatte. Obwohl ich mit ihr befreundet war, hatte ich kein Bewusstsein davon, was für eine Ausnahme ich hier vor mir hatte.

Mein Studium finanzierte ich zum Teil durch die Ferien-Begleitung von Jugendlichen, organsiert vom örtlichen Spastiker-Verein. Viele Jugendliche waren schwer mehrfachbehindert und hätten eine 1:1 Betreuung gebraucht, andere waren lediglich körperbehindert und waren dort irgendwie für mein Empfinden fehl am Platze. Ich bekam eine Ahnung davon, was es heißt, als Gruppe im Eiscafé unwillkommen zu sein. Oder in der Disco. Das angestarrt werden. Ich empfand eine diffuse Abneigung gegen  diese Separierung , sah gleichzeitig die Erschöpfung der Eltern, spürte die eigene Überlastung, wenn ich versuchte bei 16-Stunden Schichten dennoch freundlich und zugewandt zu bleiben. Die Dimension des Daseins in der Parallelwelt behinderter Menschen wurde mir dennoch nicht wirklich deutlich. Es fühlte sich falsch an aber ich hatte keine Idee, wie es anders sein könnte. „Inklusion“ hätte ich damals für einen mir entfallenen Begriff aus dem verhassten Chemieunterricht gehalten.

Selber dran

Eine kleine Ahnung von der Tiefe der Gräben, die durch unsere Gesellschaft verlaufen, bekam ich, als ich einen Lebensgefährten hatte, dessen Vorfahren den Sklavenhändlern vergangener Tage durch die Lappen gingen und der somit keine westliche Sozialisation  zu bieten hatte. Auch wenn viele Freunde aufgeschossen waren, wir waren dennoch eine Ausnahme in meinem Freundeskreis, denn niemand sonst  hatte eine binationale Partnerschaft mit jemandem außerhalb unseres Kulturkreises. Noch nicht mal einfach nur gute Freunde. Außer vllt. den einen oder anderen Wissenschaftler, aber niemals jemanden, der hier einen von den miesen Jobs, die wir für Migranten bereit halten, machen muss. Mehr und mehr wechselte mein Umfeld. Meine alten Freunde besuchte ich meist allein.

Der nächste Bruch kam mit der Elternschaft. Das erleben wohl alle Eltern: auf einmal passt der alte Freundeskreis nicht mehr, man schließt sich anderen Familien mit Kindern an. Nach einiger Zeit passte für mich dann die Untergruppe „Alleinerziehend“.
Erst die letzte Gruppe basierte nicht nur auf kulturellen Gewohnheiten, sondern vor allem auf den unterschiedlichen Ressourcen, die uns zur Verfügung standen.

Einen weitaus größeren break aber brachte die unterschiedliche Entwicklung meines Kindes im Vergleich zu anderen Kindern. Noch lange nicht war von Behinderung die Rede, aber es passte so vieles nicht, wir mussten so viele Sonderlocken fahren. Die Menschen in unserem Freundeskreis, die ein ähnliches Leben wie wir hatten, wurden immer weniger. Aber noch war Regelschule angesagt und auch ich schaffte noch immer meinen normalen Arbeitsalltag. Irgendwie zumindest. Nur langsam deutete sich an, dass mit Diagnosen auch ein bestimmter Status verbunden ist, welcher über deine  Möglichkeiten zur Entwicklung und deine materiellen Ressourcen entscheidet. Ungefähr so groß und festgefahren wie zwischen Beamten und prekär Beschäftigten.

Entweder oder

Das Ende der Schulzeit bedeutete endlich das Ende von Mobbing und tägliche Reglementierung zum Normmenschen und noch wussten wir nicht, dass ein weit größeres Monster auf uns wartete: die Bundesagentur für Arbeit nebst Handlanger, die Maßnahmen für Menschen mit Behinderungen bereit halten.
Entweder, du bringst dann dort den Beweis, dass du für den ersten Arbeitsmarkt taugst (und zwar egal ob dir der aufgestülpte Beruf auch liegt oder nicht), oder du bist raus. Aus der Statistik und aus der Unterstützung. Jeder, der sich da nicht problemlos einordnet, landet in der Werkstatt für Behinderte Menschen. Andere Behörde, anderes Budget. Mit never-come-back-Garantie.
Wenn du an diesem Graben stehst, kannst du dich nur noch entscheiden: keine Unterstützung und irgendwie allein klar kommen, auch wenn das im konkreten Fall bedeutet gar nichts zu machen oder als abeitnehmerähnlicher Beschäftigter für ein kleines Taschengeld langweilige Tätigkeiten unter Bevormundung auszuführen: zum Wohle der immer größer werdenden Wohlfahrtsunternehmen.

Unerwähnt soll hier nicht bleiben, dass einer der größten Gräben, der durch unsere Gesellschaft verläuft, die Spaltung zwischen Arm und Reich, sich auch hier niederschlägt. Mit einer vermögenden Familie im Rücken hat man auch als behinderter Mensch eher  Zugang zu guten Unterstützungsmöglichkeiten und wird vor allem nicht der demütigenden Behördenwillkür ausgesetzt.

Schön geredet

Ich dachte früher so wie die meisten Menschen: da muss es doch irgend etwas passendes geben. Im Sozialstaat. Mit den vielfältigen Anbietern sozialer Leistungen. Den vielen Konzepten. Und ja, auch engagierten Menschen, die wirklich unterstützen wollen. Ich kann es niemandem verübeln, wenn er denkt, wir hätten uns einfach nur nicht genug informiert, noch nicht genug ausprobiert. Auch wenn es nervt und manchmal auch verletzt.
Auch ich hätte niemals gedacht, wie einfach sich unser Staat das macht, das Aussortieren. Da hat sich nicht besonders viel getan in den letzten 40 Jahren. Nur, dass es jetzt netter verpackt daher kommt: es ist die Rede von Rechten statt Fürsorge, von Inklusion statt Aussonderung und von Selbst-statt Fremdbestimmung.  Auch wenn Heimeinweisung heute Wohnen im stationären Bereich heißt, die Krücke Gehhilfe, Menschen wie Autisten zu Personen mit besonderen Fähigkeiten werden, Gehörlose zu Experten für Gebärdensprache usw. Schaut man genau hin, halten diese angeblichen Veränderungen der Realität nicht stand. Noch immer wird für Menschen mit Behinderungen gegen ihren Willen entschieden, müssen sie ihre Rechte immer wieder in langwierigen Verfahren  mühselig  durchsetzen. Greenwashing im sozialen Bereich ist angesagt: verbale politisch korrekte Schönrednerei.

Sogar als Betroffene bin ich immer wieder erstaunt, wie undurchdringlich und gerade die Linie ist, die zwischen voll arbeitsfähig und nicht arbeitsfähig gezogen wird. Es nichts dazwischen gibt. Weiterbildung für nicht voll arbeitsfähige junge Menschen z:B. nicht angeboten wird. Wozu auch ? Raus ist raus. Egal ob jung oder alt.

Zweierlei Maß : Hilfsmittel Teil I

Man kann geteilter Meinung darüber sein, welche technischen Hilfsmittel in unserem Leben sinnvoll sind oder nicht. Wir nutzen sie alle mehr oder weniger, privat, beruflich und im öffentlichen Raum.

Auf den Kontext kommt es an

Die Nutzung des Navi beim Auto fahren, Apps für Fahrplan-Auskünfte und vieles mehr sind überwiegend akzeptiert und keiner kommt auf die Idee, Nutzer dieser Anwendungen für dumm zu halten. Bestenfalls für bequem.

Im unternehmerischen Kontext werden quasi alle Hilfsmittel positiv bewertet, welche die Produktivität steigern. Im gewerblichen Bereich haben sie vor allem für körperliche Entlastung gesorgt. Im Dienstleistungsbereich für Arbeitsverdichtung. Berufsbilder haben sich entsprechend verändert. Der Drang nach immer besseren technischen/digitalen Helfern entspricht der Gier nach immer mehr Profit. Nicht selten auf Kosten der Gesundheit der Beschäftigten und unserer Umwelt.

Wer sich z.B. in der Welt der Apps umschaut, kann auch sozial orientierte Entwicklungen entdecken. Zum Glück ist noch immer nicht ausschließlich Bereicherung Impuls und Ziel kreativen und innovativen Tuns. Dazu im Teil II mehr.

Sinnvoll hier…

Für die sogenannten „High-Performer“ , also Menschen (meist) mit akademischem Grad in (vermeintlich) verantwortungsvollen Positionen gibt es eine Vielzahl von digitalen Hilfsmitteln; sie alle dienen der Effizienzsteigerung und Optimierung der Arbeitsleistung. Selbstverständlich nicht nur im Büro, sondern  auch mobil und mit Reichweite in das Privatleben. Das Meeting dauert länger als geplant? Macht nichts, der Back Herd wird von unterwegs angeschaltet, ebenso die Heizung. Optimierungsziel ist nicht mehr nur die Teilleistung eines  Menschen, sondern sie erfolgt so umfassend wie möglich und durchzieht alle Lebensbereiche.
Jeder Herzschlag wird gezählt, gespeichert, ausgewertet. Zeit gespart, um mehr zu schaffen.
Wer on top sein will, macht mit.

Der Schriftsatz oder Arztbericht  muss noch fertig werden? Keine Panik. Auf der Heimfahrt vom Arbeitsplatz im Auto diktieren, danach das Diktat dank  Spracherkennungssoftware direkt vom PC in Text umwandeln lassen. Dann bleibt noch Zeit für Freizeit-Aktivitäten – damit die Work-Life-Balance stimmt.

Niemand würde auf die Idee kommen, dass beim Anwender dieser Hilfsmittel irgend ein  Defizit vorliegt, z.b. bei der Büro-Organisation oder gar eine Dyspraxie.
Es wird unterstellt, dass diese Menschen Wichtiges tun. Da ist es nur Recht und billig, dass sie digitale Hilfsmittel nutzen.

…unnötig da?

Es liegt auf der Hand, dass besonders Menschen mit einer behinderungsbedingten Einschränkung von der Entwicklung der digitalen Helfer profitieren können.

In den Bereichen Sehen, Hören und Körperbehinderung haben sich technische Hilfsmittel unterschiedliche Art etabliert. Sie bewilligt zu bekommen, ist dennoch nicht einfach.
Der Blindenführhund ist in Deutschland derzeit leider der einzige durch das SGB als Hilfsmittel anerkannte Assistenzhund. Eine begrüßenswerte Entschließung des Bundesrates will das ändern: hier

Aber zurück zur Technik: es gibt mittlerweile viele digitale Hilfsmittel, die Menschen mit Teilleistungsschwächen oder sensomotorischen Schwierigkeiten unterstützen könnten.

Nehmen wir mal die oben schon erwähnte Spracherkennung. Für Menschen, die nicht denken und tippen gleichzeitig können, die den Kopf so voller Ideen haben, dass sie ihre Gedanken nicht in die Tastatur hacken können, ehe der nächste Gedanke schon den Kopf füllt, die motorische Probleme haben, für Legastheniker oder die eine Lernbehinderung haben können damit Barrieren abgebaut werden. Und damit Teilhabe am gesellschaftlichen und beruflichen Leben ermöglicht werden. Sie sind auch für ADHSler und Autisten eine gute Hilfe bei entsprechendem Bedarf.

Weder reguläre Bildungsinstitutionen noch Bildungseinrichtungen für Menschen mit Behinderungen halten solche Software vor ( ausgenommen Spezialeinrichtungen für Sehbehinderte und Gehörlose). Es gibt dort kein Personal , dass ihre Teilnehmer entsprechend schulen kann. Volkshochschulen bieten Schulungen für diese Zielgruppe nicht an.
Dass Beratungsstellen oder gar Kostenträger einen  „Kunden“ auf unterstützende digitale Anwendungen hinweisen, habe ich noch nie gehört.
Ämter finanzieren das x-te Bewerbungs-oder Kommunikationstraining, obwohl die o.g. Einschränkungen möglicherweise besser durch technische/digitale Hilfsmittel kompensiert werden könnten.

Wer sich traut, diese Hilfsmittel zu beantragen, stößt zwar zum Teil auf wohlwollende Neugier ( aha, das ist ja interessant, dem gehen wir mal nach….und dann folgt: nichts),   viel häufiger aber wird darauf verwiesen, dass man doch lieber an der Überwindung der Defizite arbeiten soll. Also üben, trainieren, oder sich abfinden.
Oft wird vom pädagogischen Personal der Ausbildungseinrichtungen auch gar nicht verstanden, wo das Problem liegt:

Wer die Lösung einer Aufgabe nicht verschriftlichen kann, weiß die Lösung nicht ….!?

So die gängige und meist einzige – oft unzutreffende – Schlussfolgerung.

Eventuell ist die Kenntnis bei den Beratern der Integrationsfachdienste größer.
Aber wer den Status des arbeitnehmerähnlichen Beschäftigten hat ( oder noch nicht in einem Arbeitsverhältnis steht), fällt nicht unter dessen Zuständigkeit. Er darf sich mit den Sachbearbeitern der Sozialversicherungsträger herum ärgern.
Deren  Ahnungslosigkeit über die vielfältigen Möglichkeiten ist in Deutschland groß. Die Sinnhaftigkeit wird bestritten. Auf das Budget verwiesen. Investieren in Menschen, die dann doch nicht zu den Top-Leistern aufsteigen widerspricht dem hiesigen Verständnis von Wirtschaftlichkeit.
Wie so oft tragen betroffene Familien dann selbst die Kosten, wenn sie können.

Irgendwo habe ich neulich den Begriff „Leistungsrassismus“ aufgeschnappt.
Er ist polemisch, ungenau und  gefällt mir dennoch.
Es ist mittlerweile wieder zu selbstverständlich, dass Würde und Lebensqualität an Leistung  (im Sinne von Arbeitsleistung) gekoppelt wird. Das Ignorieren und Verweigern von Hilfsmitteln zur Kompensation behinderungsbedingter Einschränkungen ist ein bitteres Bespiel dafür.

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Fernweh

Um diese Jahreszeit träume ich immer vom großen Urlaub, fern von hier. Mal was ganz Neues sehen und erleben. Andere Kulturen, Sprache, Natur, Klima.
Ein fresh-up für Seele und Geist.

Ich besuche virtuell Länder, Städte und Regionen. Meine Neugier ist geweckt und da ich noch nicht allzu viel in der Welt herum gekommen bin, gibt es für mich noch viel Neues und Interessantes zu entdecken. Bei meiner/unserer Reiseplanung sind immer einige Besonderheiten zu berücksichtigen. Wir sind bei weitem nicht so flexibel wie Menschen ohne Einschränkungen. Das alles sind aber keine wirklichen Hürden.

Ein Besuch auf diversen Urlaubsportalen macht schnell klar, woran es wirklich hapert: ohne Moos nix los.

Selbst günstige  Angebote sind in der Summe noch immer nichts für Menschen, die gerade mal so mit ihrem Einkommen über die Runden kommen. Wenn dann noch Special Needs dazu kommen, erst recht nicht.

Natürlich können wir uns auch hier vor Ort eine schöne Zeit machen. Und Teenie hat in ihrem Leben schon mehr von der Welt gesehen, als ich in ihrem Alter ( etliches allerdings nur, weil ich sie auf Dienstreisen mitnehmen musste).

Es betrübt mich dennoch. Gerade gestern wurde mir Lust auf eine Ausstellung in Zürich gemacht, wegen der „unglaublich günstigen Flugpreise“ auch an 1 Tag von hier aus zu schaffen. Selbiges durchgeführt von einem guten Bekannten mit seinem Sohn.

Ein Blick auf die vermutlich wirklich günstigen Reisekosten entlockten mir heute morgen keinen Jubelschrei sondern eher ein „boah, die spinnen wohl“.

Träume für die Economy-Class

Bildung zum Anfassen ist in der Economy-Class nicht vorgesehen. So wie schon ich in meiner Kindheit und Jugend, erkundet nun Teenie die Welt von zu Hause aus. Immerhin, damit kann man auch Bildungsschranken überwinden, zumindest zum Teil.

Aber wirklich mitspielen, das tut man nicht.
Heute gehört es mehr und mehr dazu, sich in der Welt sicher bewegen zu können.
Einen Flug von A nach B buchen oder Alternativen finden, Kommunikation auf Englisch, sich einer neuen Umgebung schnell anpassen, Grenzen passieren, Visa beantragen… gemachte – nicht erlesene – Erfahrungen geben Sicherheit bei neuen Herausforderungen.

Da ich selbst bildungsmäßig den Sprung in höhere Sphären geschafft habe, höre ich von Freunden und Bekannten aus dieser Schicht häufig Berichte über erfolgreiche Nachkommen, die im Ausland studieren, mal eben work and travel in sonstwo machen,  zur Ausstellung X in Y jetten usw. Oder von gemeinsamen Familien-Unternehmungen fernab vom heimischen Herd.
Materiell und sozial eher in meinem Herkunftsmilieu verblieben, höre ich ebenso von jungen Menschen, für die diese Art der Horizonterweiterung schlicht und einfach nicht umsetzbar ist. Für die bestenfalls ein günstiger Last-Minute-all- inclusive Urlaub drin liegt. Auch weil sie Anderes nicht für sich organisieren können oder sich nicht zutrauen, weil nicht kennen. Und für so manche ist sogar ein Ausflug über die Stadtgrenze hinaus schon ein Abenteuer.

Auf einer Mutter-Kind-Kur  habe ich vor vielen Jahren einmal einen Vortrag über  die „Wunscherfüllung in der Phantasie“ gehört. Anwendbar, wenn Kinder sich Dinge wünschen, die man ihnen nicht geben kann.  Eine Phantasie-Reise, bei der wir die Kinder ermuntern, sich nach Herzenslust alles vorzustellen und auszumalen, was sie gerne hätten. Statt des mütterlichen : du weißt doch, das können wir uns nicht leisten. Danach ginge es den Kindern gleich besser, sie fühlten sich mit ihren Bedürfnissen gesehen, der Wunsch sei dadurch quasi halb befriedigt.
Mag sein, dass die Quengelei dann abnimmt.
Aber  ist damit das Bedürfnis weg?

Ich für meinen Teil versuche nun wie jedes Jahr meine Ansprüche herunter zu schrauben. Aber ganz ehrlich, der Wunsch, mal so richtig tschüs und weg zu sagen, der bleibt.
Da kann ich noch so viel träumen.

 

 

Daddeltach…

Wofür man alles so Zeit hat, wenn zwischen den Jahren/am Jahresanfang die Uhr langsamer tickt…
Ein spätes Frühstück und sich endlich einmal dabei all die Artikel, Blogs und anderes Ungelesenes zu Gemüte führen.

Es sind jetzt 1,5 Jahre her, dass Teenie die Schule verlassen hat. In dieser Vorweihnachtszeit habe ich das so richtig gemerkt. Es stehen zwar wichtige Entscheidungen an, aber diese haben haben Hand und Fuß, sind keine vermeintlich zukünftigen Katastrophenszenarien, wenn denn nicht mindestens 1-2 Adventswochendenen dem heiligen Altar Schule geopfert werden…..
Kein schlechtes Rabenelterngewissen mehr, weil wir uns verweigern.
Kein Jahresendstress.
Wir sind diesem von Dieter Schnaas in Tauchsieder – Bestnoten für Bildungswahnsinn in der Wirtschaftswoche beschriebenem Irrsinn entkommen.

Besinnliche Adventszeit? Von wegen. Bald stehen die Halbjahreszeugnisse ins Haus. Und an deutschen Küchentischen herrscht die nackte Notenpanik. Eine Abrechnung. mehr

Besonders gefällt mir auch die Aussicht auf die Abschaffung der Zettelwirtschaft in deutschen Klassenzimmern. Ich werde vermutlich Jahre brauchen, um dieses Trauma des ‚ Lehrperson nicht erreichbar, keine Jahresplanung , kaum Transparenz bei dem was in der Klasse abgeht bei gleichzeitiger Erwartung der Schule, dass Eltern gefälligst super Dienstleister für diesen Verein sind ‚ loszuwerden.

Eigentlich sollte man meinen, dass die digitale Kommunikation gut 20 Jahre nach der Kommerzialisierung des globalen Datennetzes längst Standard ist an Deutschlands rund 35.000 öffentlichen Schulen. Doch weit gefehlt. Noch immer sind Mitteilungen auf Papier vielerorts der meistgenutzte Informationsweg, werden Nachrichten wie im 19. Jahrhundert übermittelt.

….so Dieter Dürand in der Wirtschaftswoche über elektronische Klassenbücher.
Mehr dazu hier

Ich selbst habe leider nichts mehr davon. Aber zum einen bin ich etwas gehässig ( das, was in anderen Berufen längst Alltag ist, müssen nun auch die Lehrer lernen ) und zum anderen erfreue ich mich an vernünftigen Entwicklungen.

In der Zeit Online findet man ja alles: Artikel, die besagen, dass die heutigen Kinder es nicht gut haben, andere, die vom Gegenteil reden. Über Eltern, die zu viel erziehen und solche, die sich zu wenig engagieren.
Dort werden Erziehungsratgeber und dessen Vielzahl kritisiert und immer wieder Artikel, die genau diese anpreisen – oder deren Autoren als Experten.

Da kann sich wirklich jeder aussuchen, was er gerne hören möchte.

Gut gefallen hat mir der Artikel Wir sind keine Sorgenkinder von Martin Spiewak , in dem endlich einmal nicht nur über die völlig danebenen Kids und die dafür verantwortlichen Eltern gewettert wird. Und mein ‚ bestgehasster‘ Bestseller-Psycho-Autor bekommt auch sein Fett ab :

Alle großen Zeitungen und Magazine haben über ihn geschrieben oder ihn interviewt. Er ist der Thilo Sarrazin der Erziehung. Doch anders als Sarrazin trifft Winterhoff kaum auf Widerspruch. hier

Dagegen schreibt über die ‚ Ichlinge ‚ die es ja leider auch zu Hauf gibt, Heidi Keller in Me, Myself And I ebenso gut zutreffend, dass allein der persönliche Erfolg im Leben mehr und mehr Maßstab der jüngeren (deutschen) Mittelstands-Generation wird.

Offenbar verführt Wohlstand zu Egoismus. So sind Kinder aus bildungsfernen Familien – ob mit oder ohne Migrationshintergund – häufig sozial verbindlicher, respektvoller, höflicher. Denn wer von Hause aus weniger Ressourcen hat, muss kooperieren, damit das Familienleben funktionieren kann. Das Selbstwertgefühl speist sich aus dem Miteinander und der Verantwortung füreinander. Ein Bildungssystem aber, das auf individuelle Autonomie ausgerichtet ist, schließt Kinder aus sozial schwächeren Milieus aus, da es ihre Werte und Bedürfnisse ignoriert.
Quelle

Jau…es gibt wohl das Eine wie das Andere.

Familientherapeut Jasper Juul kann sich so oder so freuen :
Ich kämpfe täglich mit deutschen Müttern bringt ihm sicheres Geld und wenn er hier sagt, …

…. Seid nicht so perfektionistisch. Bis man wirklich gut ist im Erziehen, muss man mindestens vier Kinder haben. Aber glücklicherweise brauchen und wollen Kinder keine fix und fertigen Eltern. Kinder haben viel Verständnis für Fehler – sie machen ja selbst den ganzen Tag welche und lernen daraus. Eltern fragen mich ständig: Ist es erlaubt, Kindern gegenüber laut zu werden? Natürlich ist es das, man darf heulen, schreien, alles Mögliche. Kinder brauchen lebende Eltern. Sie brauchen keine Schaufensterpuppen.

… hat er sicherlich nicht ganz Unrecht.

Inklusion ist kein Thema

Bei all den Artikeln, die ich heute über Erziehung, Bildung, Entwicklungspsychologie oder Generation sonstwie gelesen habe, spielte Inklusion keine Rolle. Zugegeben, nicht alle Artikel waren neueren Datums, aber soooooo alt waren sie nun auch wieder nicht.

Vielen Menschen hier gefällt das nicht. Sie haben sich deshalb zu einem Bündnis zusammengeschlossen.
Zur Nachahmung empfohlen….Hamburger Bündnis für schulische Inklusion.

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Kekse für Alle!

Wenn ein junger Mensch in der Schule nicht klar kommt liegt es angeblich immer an problematischen Familienverhältnissen. Dazu gehören auch:

  • Eltern aus fernen Ländern ( Ausnahme: Länder in denen man so aussieht und sich kleidet wie wir, mit akademischem Titel oder Reichtum )
  • die immer mehr Menschen treffende Armut ( = ohne Liebe und Fürsorge ?)
  • ein ärztlich diagnostiziertes Handicap
  • sonstige „atypische“ Familienverhältnisse wie Einelternteil-Familie oder Berufstätigkeit beider Elternteile

Ach, wie ich sie liebe, diese Stereotypen!

In Hamburg gibt es das tolle Projekt JEA! von SchlauFox e.V. , hier schon einmal vorgestellt.
Dort werden Kids, die Gefahr laufen den Hauptschulabschluss nicht zu schaffen, 2 Schuljahre lang erfolgreich gecoacht.
Mit traditioneller Nachhilfe hat es kaum was zu tun, auch wenn dort die Fächer Mathe, Deutsch und Englisch geübt werden.

In der kurzen Reportage des NDR über diese Projekt muss leider wieder einmal zum Teil die eingangs erwähnte Begründung für Schulversagen herhalten. (1)

Aus eigener Erfahrung weiß ich:
was JEA leistet, ist 1000 mal mehr als in der Reportage dargestellt und hat vor allem damit zu tun: echtes Interesse am Jugendlichen, nicht nur die Sicht: der/die hält den ‚Klassenzug‘ ( mich, LehrerIn ) auf , Blick auf die Stärken, Geduld und Verständnis.
All das, was es im Schulalltag kaum gibt.

Und es ist bei weitem nicht so, dass dort nur SchülerInnen sitzen, deren Eltern nicht helfen können. Diese Aussage der Lehrperson ( Schulleitung? ) im Film ist kompletter Quatsch und eine Ausrede für LehrerInnen mit Schülerallergie.

Im JEA-Projekt sitzen die Kids, die aus welchem Grund auch immer, nicht in die Normpresse Schule passen. Davon viele, die nicht mit Erpressung, Demütigung und Bestechung zur Mitarbeit zu bewegen sind.
Weder von Lehrern noch Eltern.
Manche Eltern wollen das auch nicht, zu denen ich mich auch zähle.
Viele tolle Kids also!

Wer noch nicht weiß, wohin mit seiner Weihnachtsspende: SchlauFox macht was Gutes draus.

Und weil’s zum Thema passt, noch ein Link zu einem interessantem blogpost von Dr. Martin Winkler auf ADHS-Spektrum . Er macht sich Gedanken darüber, was Schule unseren Kids alles abverlangt und was das alles mit dem vermehrten Abtauchen in virtuelle Welten zu tun hat, vor allem für besonders reizoffene Kids.

Die Frustration beim Kind und seinen Eltern wächst. Die Kinder müssen eine enorme Kraftanstrengung aufbringen (bzw. von ihren Eltern bei den Hausaufgaben bzw. beim Lernen “gesponsert” werden), um überhaupt ein Begreifen und Vermitteln von Lernstoff und ein Spass am Lernen zu entwickeln. Viele Hausaufgaben meines Sohnes (6. Klasse) sind mir schon so unverständlich formuliert, dass ich Kopfschmerzen bekomme.
….. Bei Facebook habe ich sinngemäss den Spruch gelesen, dass Schule eben nicht eine Institution zum Nachweis der eigenen Unzulänglichkeiten und Abwertungen sein darf, sondern eben die Kinder in ihren Möglichkeiten und Entwicklungen fördern soll. Tut sie aber eben gerade nach dem subjektiven Erleben der Schüler und ihrer Eltern immer weniger.

mehr

Die Diskussion dort ist schon voll im Gange….

Leidenschaftlich Widersynnig wünscht allen Leserinnen und Lesern eine schöne Adventszeit. Und allen Kids und Eltern einen hausaufgabenfreien 1. Advent.

(1) leider habe ich den Beitrag  nur als in Facebook öffentlich eingebundenen Link – Anmeldung dort ist aber nicht nötig,  um ihn zu schauen

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(Un)geplant ?

Leben ist das was passiert, während du eifrig dabei ist, andere Pläne zu machen.
( John Lennon )

In den letzten Jahren gab es vieler Orts Diskussionen und Veränderungen über unser Bildungssystem.
Die Einführung des Bachelor/Master-Systems an den Unis.
PISA und Co.
Inklusion.
Zentralabitur.
Vergleichstests in der Sekundarstufe.
G8 statt G9.
Gesamt-und Stadtteilschulen bieten Abitur nach der 13. Klasse.
Verstärkte Integration von Förder- Haupt-und Realschule in die Gesamtschule/ Stadtteilschule ( ja, die Gymnasien bleiben weitgehend inklusionsfrei).
Kinder werden verstärkt mit 5 Jahren eingeschult und schon mit 4 Jahren in die Vorschule gesteckt.
In der Kita findet mehr vorschulisches Lernen in Kursen statt. Dafür ist die Spielzeit ist halt etwas knapper.

Ein Bürgerentscheid über die ‚Schule für Alle‘ fand keine Mehrheit in meiner Stadt.
Selbst die kleine Reform in Richtung gemeinsames Lernen von Klasse 1-6
( Primarschulen) wurde hier auf’s heftigste attackiert und scheiterte.

Die Hüter der konventionellen gymnasialen Ausbildung und sozialer Selektion behielten die Oberhand.

Und dann so etwas: da behauptet das CHE Centrum für Hochschulentwicklung in einem Artikel, dass Hochschulentwicklung zum Normalfall würde. Und zwar nicht nur für Absolventen des traditionellen Gymnasiums.

Zwischen 19 und 24 Jahre alt, kinderlos, aus Deutschland kommend und in einem Präsenzstudium in Vollzeit: Diesen »klassischen« Studierendentypus gibt es noch immer, aber er stellt nicht mehr die Mehrheit dar.
Die Bildungsbiografien werden bunter, die Vielfalt an den Hochschulen wird zum Normalfall. Es wird typisch, dass an einer Hochschule mehrheitlich (vermeintlich) atypische Studierende studieren.
Aktuell hat nahezu jeder vierte Studierende einen Migrationshintergrund, jeder zehnte kommt aus dem Ausland. Mehr als 20 Prozent derjenigen, die ein Studium beginnen, weisen bereits eine abgeschlossene Berufsausbildung vor.

Selbst ein Studium ohne Abitur ist mit der entsprechenden Berufs- erfahrung für eine noch geringe, aber stetig wachsende Studierendenzahl am Campus bereits Realität geworden.

Sei es der Handwerksmeister, der Austauschstudent oder die berufsbegleitend studierende Managerin – sie alle eint ihr Interesse an akademischer (Weiter-)Bildung.
Doch ihr jeweiliger Bildungshintergrund und ihre Vorkenntnisse sind so unterschiedlich wie noch nie. Auch das Zeitbudget, das in Hochschulbildung investiert werden kann, ist höchst unterschiedlich.

Der Bedarf nach Angeboten, die individuelle Stundenpläne zulassen, etwa im Rahmen eines Teilzeitstudiums, steigt: Die Bedürfnisse individualisieren sich. Dabei entsteht kein neuer dominierender Studierendentypus, sondern es bilden sich heterogene, einander teilweise überschneidende Gruppen mit ganz unterschiedlichen Bildungsbiografien und Bedürfnissen.Quelle

Mich wundert das ganz und gar nicht.
Meine eigene Biografie erlaubt mir Einblicke in die feinsäuberlich getrennten Welten der Dummen und der Schlauen.
Nur – wo traf ich wen?
Das Studium, welches ich absolvierte gilt allgemein als schwer. Und die Schule, die mich dafür vorbereitete als leicht.
Der Grad der versammelten kriminelle Energie in beiden Institutionen nimmt sich vermutlich nichts. Das höhere Ausmaß des Schadens für unsere Gesellschaft verorte ich allerdings bei denen, die in Kriminalitätsstatistiken kein großes Gewicht haben.
Hat doch der olle B. Brecht schon gesagt: was ist schon der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?

Übrigens: in der Stadt der Angst vor Schmuddelkindern auf der Schulbank neben dem eigenen herzallerliebsten Nachwuchs soll nun darüber abgestimmt werden, dass wieder G9 eingeführt wird auf den Gymnasien.

Denkste, Puppe.
Meine Stimme gibt es dafür nicht.
Erst mit irrem Leistungsdruck allen Kids die Grundschulzeit versauen ( von wegen “ Empfehlung fürs Gymmi ‚) , dann rum tönen, dass die Kids ja alle schon sooooo weit sind heutzutage, das eigene ganz besonders natürlich.
Die internationale berufliche Wettbewerbsfähigkeit halbgarer Erwachsener in spe wichtiger als deren Kindheit finden.
Und jetzt jammern.
Nicht, dass mir die zum Büffeln verdonnerten Kinder nicht leid täten.
Die Eltern, die geplagt daneben sitzen allerdings nicht.
Es war bekannt, dass eine  Entrümpelung des Lehrplanes trotz Kürzung der Schulzeit nicht stattfinden würde. Der Preis, für seine Immatrikulation an der Uni die Zustimmung der Erziehungsberechtigten einholen zu müssen, ist hoch.

Dabei haben Eltern die Wahl schon jetzt: Wer G 9 will, kann sein Kind auf die Stadtteilschule/Gesamtschule schicken.

Womit wir wieder beim Thema sind.
Da geben sich X Leute große Mühe, dass unser Bildungs-Kasten -System nicht verändert wird.

Und dann wird ( Bildungs)Geschichte einfach gemacht.

Die Autoren des Artikels Dr. Jörg Dräger und Prof. Dr. Frank Ziegeler sind zwar politisch eher den Konservativen, der Wirtschaftslobby zugeneigt, haben aber dennoch zutreffend folgende Aufgaben der Hochschulen für die Zukunft ausgemacht:

Unterschiedliche Bildungsbiografien berücksichtigen
Hochschulen können nicht mehr von einheitlichen Zugangs- voraussetzungen aller Studierenden ausgehen. Zukünftig sollten sich die Hochschulen in ihrem Angebot flexibel und konsequent auf unterschiedliche Anforderungen und Vor- kenntnisse der Studierenden einstellen. Besonders in der Anfangsphase eines Studiums muss auf die unterschied- lichen Bildungsbiografien der Erstsemester verstärkt Rück- sicht genommen werden. Mögliche Optionen sind u. a. Vorbereitungskurse für Fächer wie Mathematik oder Start- hilfen zum wissenschaftlichen Arbeiten sowie Modelle unter- schiedlicher Einstiegsgeschwindigkeiten. Denkbar ist auch eine Begleitung des individuellen Lernpfades durch soge- nannte Kompetenzportfolios oder ein fächerübergreifender bzw. projektorientierter Einstieg ins Studium…..

…..Exzellenz ist nicht nur in der Forschung möglich und wichtig, sondern auch in den Bereichen Lehre, Regionalentwicklung, Wissenstransfer, Internationalität, soziale Verantwortung oder Weiterbildung. Je vielfältiger die Bedürfnisse der Studierenden sind, desto vielfältiger müssen auch die Angebote des Hochschulsystems werden. Kaum eine Hochschule – egal, ob staatlich oder privat – kann gleichermaßen exzellent sein in puncto Forschungsstärke, Kooperationen mit der regionalen Wirtschaft oder berufsbegleitende Weiterbildung. Hier sind in Zukunft ein stärkerer Fokus auf spezifische Studierendenbedürfnisse und Mut zur gezielten Umsetzung individueller Hochschulprofile gefragt.

Transparenz der Vielfalt sichern
Viele Hochschulen setzen zu viele Vorkenntnisse voraus, was Studieren bedeutet. Gerade Bildungsaufsteiger, die einen höheren Unterstützungsbedarf bei Fragen der Studienfinanzierung, -wahl und -organisation haben, können nicht auf tradiertes Familienwissen bezüglich des Hochschulsystems und seiner Spielregeln zurückgreifen. Die richtige Studienwahl oder ein Hochschulwechsel dürfen nicht an fehlenden Informationen scheitern. Die Hochschulen sollten dabei den unterschiedlichen Informationsbedürfnissen aller Studierenden durch Transparenz entgegenkommen, sei es im Bezug auf die Verfügbarkeit, die Merkmale oder auch die Qualität der Studienangebote. mehr

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Modell Deutschland

Bei aller Kritik, die ich am heutigen Schulsystem habe, bin ich doch der generellen Auffassung, dass Bildung vorrangig eine staatliche Angelegenheit ist.
Wir zahlen Monat für Monat viel Geld dafür, dass unseren Kindern eine gute Bildung ermöglicht werden kann.
Das wir zZ nicht eingehalten.
Aber deshalb am System ‚Mmm‘ – Mutter macht’s möglich festhalten?
Never. Ich für meinen Teil bin froh, eine tolle Mutter gehabt zu haben, beruftstätig, mit beiden Beinen auf dem Boden stehend und Vorbild für drei Töchter, die alle ihren Weg in eine gute Ausbildung und ein vom Mann unabhängiges Leben gefunden haben.
Ich bin sicher, Teenie bleibt immer wieder und trotz vieler Hürden auch deshalb immer wieder dran an ihrem Wunsch nach einen selbstbestimmten Leben, mit Ausbildung und Job, versteht sich.

Was in diesem Artikel beschrieben wird, mutet für mich wie Überwachung und Einengung von Kindern an, mag sie noch so gut gemeint sein.
Und nebenbei erhärtet es die traditionellen Geschlechterrollen.

Annemette ist IT-Abteilungsleiterin in einer dänischen Firma. Dass sie täglich am frühen Nachmittag nach Hause geht, um ihre beiden Kinder zu betreuen, ist völlig normal. Der gemeinsame Nachmittag ist dänischen Familien heilig. Der französischen Ärztin Claudine hält ein zuverlässiges Schulsystem mit Unterricht bis zum späten Nachmittag den Rücken frei. Und wenn Nancy aus Scarborough in England erzählt, dass sie nur deshalb Vollzeit arbeitet, um ihrem Sohn das renommierte Internat finanzieren zu können, erntet sie anerkennende Blicke.

In Deutschland ist es Tradition, dass ein Großteil der Bildung von den Familien selbst geleistet wird, und das braucht Zeit. Doch die geben Arbeitgeber nur unbezahlt. Claudia Isenberg aus Iserlohn hat sich deshalb für die Halbierung ihrer Arbeitszeit entschieden, und zwar auf Dauer. Dabei gleicht es längst nicht mehr einem Lottogewinn, einen Betreuungsplatz bis zum Nachmittag zu ergattern. Der Kinderkrippen-Ausbau kommt voran, Tagesmütter werden staatlich gefördert, die meisten Grundschulen bieten ein Nachmittagsprogramm im offenen Ganztag. „Für meine Kinder kommt das nicht infrage“, sagt Claudia Isenberg (47) aus Iserlohn. mehr

‚Ich will am Schulstoff dran sein…. ‚ – Himmel, das hätte mir gerade noch gefehlt als Kind!

Und bevor hier der Sturm der Entrüstung losgeht: ich weiß selbst aus eigenem Erleben, dass es in Zeiten der Exklusion bzw. stümperhaften Integration / Inklusion bei einigen Kids nicht anders geht, was bitter genug ist.

Herzensbildung ist selbstredend Familiensache und Lebenskunst lehren möchte ich auch nicht an Menschen delegieren, die selbst niemals aus der Schule heraus gekommen sind.

Energie und Zeit in gute Bildung zu investieren ist eine tolle Sache.
Wo sind die Eltern – und leider auch die gut ausgebildeten halbtags arbeitenden Mütter – wenn mal ein handfester bildungspolitischer Protest angesagt wäre?
Wer engagiert sich über die eigene Familie hinaus?

Andererseits: Hamburg hat gezeigt, was passiert, wenn gerade die Eltern mit Geld und Zeit und gesellschaftlichem Status dieses tun: notwendige, gute Reformen werden verhindert.
Also Modell Deutschland for ever?

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Professor werden? Wohl jenen, die eine hohe soziale Herkunft haben. Die „feinen Unterschiede“, wie der französische Soziologe Pierre Bourdieu sie nannte, haben für die akademische Karriere in den vergangenen Jahren an Bedeutung deutlich zugenommen. Noch nie in 40 Jahren war der Anteil von Professoren aus der höchsten Schicht so hoch. Das geht aus einer neuen Studie hervor, die soeben in der Fachzeitschrift Soziale Welt erschienen ist. Ihre Autorin, die Soziologin Christina Möller, macht einen Trend zur „sozialen Schließung der Universitätsprofessur“ aus. Und ausgerechnet die Juniorprofessur, von einer sozialdemokratischen Regierung eingeführt, um verkrustete Strukturen aufzubrechen, verschärft die soziale Exklusivität dramatisch.Quelle

Ist doch beruhigend, zu wissen, von wem zukünftige Arichtekt_innen etwas über menschengerechtes Bauen und Wohnen , zukünftige Ärzt_innen über eine die Würde des Menschen respektierende Medizin, Jurist_innen in spe etwas über in Gesetz gegossene Machtverhältnisse, Lehrer_innen der Zukunft über inklusiven Unterricht lernen.

Vielleicht noch beruhigender zu wissen, dass sich nicht jeder Mensch diesem manipulativen Hochschulapparat aussetzt und es auch noch ‚ anständige ‚ Berufe mit Lehrmeister_innen gibt, denen an ihrer Berufung liegt und die ihr Können an die junge Generation weitergeben möchten. Unbeschadet deren sozialer Herkunft.

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