Von wegen Teilhabe

Ich habe hier des Öfteren über den Irrsinn, eine Diagnose als Voraussetzung für Hilfemaßnahmen für ADHSler, Autisten und andere Menschen, die kein reibungsloses Rädchen im kapitalistischen Getriebe sind, geblogt. hier , hier und hier 

Oft habe ich auch schon darüber geschrieben, dass wir mit viel Mühe, Verständnis, Kreativität und Forschergeist immer wieder Lösungen gefunden haben, die zumindest eine gewisse Lebensqualität ermöglichen und uns den Spaß am Leben grundsätzlich nicht verderben. Dazu hier und hier

Stimmen die Rahmenbedingungen, erleben wir immer wieder Zeiten, in denen alles einigermaßen reibungslos läuft. Vor allem von außen betrachtet. Diese Rahmenbedingungen sind aber meistens starr, wachsen nicht mit.
Beispiel gefällig?
Eine zunächst äußerst stärkende und motivierende Tätigkeit unterfordert auf lange Sicht, überfordert aber zugleich durch äußere Störfaktoren wie Instabilität des Gruppengefüges und damit Tagesablaufs/Arbeitsalltags.
Oder der nächste Entwicklungsschritt raus ins Erwachsenenleben war eine Nummer zu groß und es muss wieder einen Gang runter geschaltet werden.
Aber wohin?

Sollte eigentlich kein großes Problem sein.
Passgenaue Unterstützung kann helfen und weiter gehts.

Träum weiter, liebe LeidenschaftlichWidersynnig.

Nein, nun geht der ganze Spaß wieder von vorn los.
Grundsätzlich sieht sogar die Bundesanstalt für Arbeit ( BA ) , dass Unterstützungsbedarf besteht.
Selbstverständlich müssen dafür Diagnosen her, dazu habe ich mich hier schon ausgelassen.
Klar, der ärztliche Dienst der BA wird dann auch noch einmal bemüht, die Diagnose könnte ja unzutreffend sein.
Macht doch nichts, wenn ein junger Mensch, der sich gerade damit abfinden muss, es nicht allein zu schaffen, jetzt auch noch mal hier und da vorgeführt wird, inklusive Demonstration seiner Defizite in Großformat.
Macht doch nichts, wenn die Mutter, die versucht, trotzdem Mut zu machen obwohl sie darum ringt, den eigenen nicht zu verlieren, zum wiederholten Mal durch die Bürokratie turnen muss.
Macht auch nichts, dass das alles ewig dauert und in dieser Zeit ein junger und im Prinzip motivierter Mensch ohne sichtbare Perspektive gelassen wird.

Was kostet die Welt?

Teenie will flügge werden.
Will raus in die Welt.
Möchte dabei Unterstützung.
Ist bereit, die Kröte “ ich bin behindert“ zu schlucken.
Hauptsache, es geht endlich los.

Niemand der professionellen Unterstützer fragt: was ist deine Idee?
Was brauchst du dazu?

Statt dessen darf Teenie X mal schildern , was sie alles nicht kann, was alles Probleme macht, wird vorgeführt und durchleuchtet und die ganze Familie gleich mit.
Weil die Teilhabe möglichst wenig kosten soll.
Weil eine schlechte, kostengünstige Unterstützung wie Berufsorientierungs-Warteschleifen Alibi genug sind, den sogenannten Anspruch auf Teilhabe an der Arbeitswelt abzufrühstücken.

Denkste Puppe.
Widersynnig wäre nicht Leidenschaftlich wenn sie das hinnähme.
Und Teenie nicht mein Ableger, wenn sie da nicht eigene Vorstellungen zu hätte.

Zu gerne hätte ich weiter über unser Leben mit neurologischer Sonderformatierung geplaudert, ohne diese ständig zum Thema zu machen.
Weil sie NICHT unser Dauerthema ist.

Daraus wird wohl nichts.
Die nächste Runde ist eröffnet.

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Wer hat, der hat

Ein kleiner Nachlass beschert uns ein paar Tage in einer angenehm ruhigen Welt.
Unser weihnachtliches Domizil, fast schon in Polen, ganz dicht am Meer und noch dichter an den Tieren, deren Rücken das Glück der Erde verheißt, ist alles andere als grau.

Der Parkplatz überwiegend gefüllt mit SUV‘ s und Kraftfahrzeugen gehobener Klasse.
Niemand außer uns reist mit der Bahn an.
Neben nicht mehr ganz jungen Paaren sind auch viele Familien hier.
Solche, die mindestens einen Vierertisch benötigen.

Im Restaurant bahnt sich zu Beginn ein kleiner Konflikt an: die Platzierung der Zweiertische gefällt mir nicht, ich möchte ans Fenster mit Blick auf die Weiden….aber da sollen wir nicht hin.
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Hmm…. freundlich setzte ich mich durch.
Dieser Platz eröffnet mir neben dem weiten Blick die Möglichkeit des Verhaltens-und Sozialstudiums der anderen Gäste. Sowas mach ich gerne, besonders wenn ich ohne Gesellschaft reise ( Teenie zählt hier nicht, denn bei den Mahlzeiten glänzt sie weitgehend durch Abwesenheit, wenn nicht körperlich, dann gedanklich…).

Nicht zu übersehen der Pascha vor Ort.
In Begleitung einer Dame in passendem Alter nebst 10-jähriger Tochter.
Was so eigentlich nicht stimmt, denn ich sehe überwiegend D: sie deckt jeden morgen fleißig den Tisch, nicht das Geschirr, das steht schon immer da, aber sie bringt den Brötchenkorb, Wurst-und Obstteller, Saft und überwacht die Zubereitung von P’s morgendlichem Tee. Dann kommt die kleine Madame und darf schon mal Platz nehmen.

Und dann ER.
Nimmt Platz, speist, verkündet den Tagesplan.
D und M nicken.

Am zweiten morgen hatte ich ja noch gehofft, D würde nun verwöhnt werden…. leider Fehlanzeige.
Wie ich dank indiskreter M erfahren habe, handelte es sich um ein selbstständiges Arztehepaar, P sei der Chef von D und diese Chefin der Arzthelferinnen.
M, einst ebenso wie ihre Eltern Besitzerin eines eigenen Pferdes, traut sich nicht mehr so Recht hinauf aufs Roß und muss nun im Hotel allein rumhängen, da D und P jetzt ohne sie auf ihren mitgebrachten Tieren spazieren reiten.
Ein wenig erstaunt mich M schon: sie wäre schon gern öfter beim reiten, sagt sie, so 2x in der Woche, aber das ginge alles nicht mehr seit sie in der 5. Klasse sei, wegen Mathe.
Wie einsichtig.
Wo ist nur das : ‚meine Eltern sind ja soooo gemein!‘ ?

Mein Tagesablauf erschöpft sich in wechselnden Wald-und Strandspaziergängen, Sauna, lesen, essen und trinken.
Die Leute/ Familien hier bleiben unter sich.

Nett anzusehen die beiden alten Brüder. Der eine bestimmt schon über 70 aber noch immer im coolen schwarzen Kapuzen-Shirt und Nikes.
Sie reden miteinander, lachen, sitzen einfach nur da.

Man kommt hier nur begrenzt in ’s www.
Zu erst bin ich etwas genervt, aber dann genieße ich es. Erwachsene wie Kids treiben sich für’s daddeln im Foyer herum… so etwas sieht man sonst nur bei den Kids mit Gameboys, dass alle auf einem Haufen hocken.
Allerdings wird die Frauenquote Ü25 nicht eingehalten….vermutlich müssen die Zimmer aufgeräumt werden?

Familie Perfekt ist eigentlich auch ganz nett.
Papa Perfekt ist ein geduldiger. Er daddelt die ganze Zeit am Tablet, nimmt ab und an den Baby-Hund, der noch nicht ganz so perfekt ist, weil gerade erst vom Weihnachtsmann gebracht, und lässt Frau Perfekt die Dinge mit den perfekten Töchtern regeln. Die da sind : Tochter 1 (12 J.) , hat keinen Bedarf an nichts, aber Tochter 2 (10 J.) muss unbedingt ein ganz großes Pferd reiten. Weil sie ja mit ihren 10 Jahren die jüngste in der 6. Klasse ist und auch immer so behandelt wird.
Die Reitlehrerin findet das gar nicht so gut und ich versuche meinen Mund zu halten. T 2 bekommt also ein Riesenpferd und kommt damit nur begrenzt klar.
Am nächsten Tag kommt Mutter Perfekt auf mich zu und erzählt mir, dass ihre Mädels hier nicht mehr reiten wollen, weil der Unterricht so demotivierend sei.
Aha …sag ich da.

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Meinem Sprössling geht es derweil richtig gut.
Ihr machen die Reitstunden Spaß. Das ihr zugeteilte Pferd ist genau nach ihrem Geschmack und die Chemie stimmt vom ersten Augenblick an.
Da sie nicht besonders groß und schwer ist bekommt sie ein Kleinpferd, auf dem man schon was können muss, da es etwas schwieriger zu reiten ist.
Sie weiß schon längst, dass das Stockmass eines Pferdes nichts über dessen Qualität aussagt und freut sich auf die Herausforderung.
Die Reitlehrerin macht Unterricht im besten Sinne. Wertschätzende, hilfreiche Kritik, Lob bei gelungener Umsetzung. Abwechslung bei den Lektionen. Es reicht ihr nicht, dass die Reiterinnen sich herum tragen lassen. Den Pferden übrigens auch nicht. Teenie berichtet erfreut, wie sensibel und gut ausgebildet ihr ( immerhin ) Schulpferd ist.

Ich schaue zu und erfreue mich an ihrer Entwicklung.
Keine Mathenote dieser Welt hätte mich davon abgehalten, meiner Tochter den geliebten Umgang mit Pferden/Tieren oder das Musizieren zu verbieten/ reduzieren.
Und nun sitzt sie da wie angeklebt auf dem galoppierenden Pferd.
Mit aufmerksam-entspanntem Gesicht und Körper.
Strahlende Augen, wenn sie das Pferd nach dem Reiten in die Box stellt. Beim Misten und Füttern hilft. Sich mit Stallbewohnern wie Katzen, Nager und Ziegen anfreundet. Absolutes Highlight: mit den Reitlehreinnen abends die Jungpferde freispringen lassen. Stolz auf das entgegengebrachte Vertrauen von Mensch und Tier.
Mit sich und seiner Umgebung im Einklang sein können, ist etwas ganz Besonderes. Sich am Dasein erfreuen.
Ein Können, das in der Schule irrelevant ist.

Nicht so im Leben.
Unsere Wellness-Tempel, Adventure-Agenturen, therapeutische Einrichtungen diverser Art haben Hochkonjunktur. Aber die muss man sich erst mal leisten können.
Hätte ich mich in der Schule bloß mehr angestrengt…..ein gängiger Selbstvorwurf.
Wird nicht anderes herum ein Schuh draus: hätte ich bloß Mathe Mathe sein lassen können, hätte ich doch nur vor der Ausbildung/ Studium 1 Jahr Erlebnisse gesammelt…..
Wie kann ich lernen, mit Anforderungen so umzugehen, dass sie mir nicht schaden?
NEIN zu übersteigerter Anforderung zu sagen?
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Wer ein hochsensibles Kind mit sensorischen Integrationsstörungen hat, weiß um dem den ungeheuren Wert des oben beschriebenen gelassenen Zustands.
Kein Alarm mehr in den Momenten, in denen all die verschiedenen Sinnesreize in Bewegung übersetzt werden müssen.
Immer seltener auch in anderen Situationen.

Noch ein ungewöhnliches Paar verbringt seine Weihnachtstage hier. Sie genießen gemeinsame Zeit in unaufgeregter Weise. Dennoch ziehen sie viele Blicke auf sich. Simply Vater mit kleinem  Sohn. Geht doch😊

Das Schwimmbad ist der einzige kleine Stachel unserer Reise.
Teenie wäre schon gern rein gegangen, im Gegensatz zu mir mag sie warmes, nicht allzu tiefes Wasser. Aber immer, wenn sie Zeit hatte, waren Tobe-Lena, Arschbombe-Karl, Kreisch-Otto und Was-Ich-Alles-Kann-Maja darin.
Keine Chance, sich nur vom Wasser tragen zu lassen, zu entspannen.
Gut : kein Gruppenzwang hier.

Wir segeln diese Tage eher allein zwischen all den Menschen, was durchaus nicht unangenehm ist.

In der Zwischenzeit hat sich P für mich zum Ekel E entwickelt.
Mehrmals musste ich mit anschauen, wie er seiner kleinen M auf den Hintern klapste, so wie Chefs es im Kino bei wasserstoffblonden Sekretärinnen tun.
Dieser Gestus von ‚ gehört mir ‚!
D hat das gesehen, ist aber wohl selbst nichts anderes gewöhnt.
Protest weder von ihr noch von M.
Ist das der Preis für’s luxuriöse Leben?

Die Tage plätschern so dahin.
Mich lockt nur das Meer weg vom Hotel, Teenie der Stall.
2 x leiste ich ihr Gesellschaft beim Reiten, mittlerweile mag sie das wieder.
Soviel zum ‚in Ruhe altern‘ …
Man sagt ja, ADHSler hätten einen Reifungsrückstand, sicherlich gilt das auch für das Erreichen des Verfallsdatums.
Nach anfänglichen kleinen Unsicherheiten erinnert sich mein muskuläres Gedächnis, ich habe Spaß an der Bewegung in 1,80 m Höhe und mir meinen Saunagang redlich verdient.
Das bisschen Muskelkater nehme ich gerne hin.
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Lebensmotto

Hatte meine Oma also doch Recht: was du einmal gelernt hast, das kann dir niemand nehmen.
Niemals hat sie dies auf Schulwissen beschränkt.
Sie musste es ja wissen, nach 2 überlebten Weltkriegen war das nicht nur ein Spruch für sie – mich hat sie damit durch und durch geprägt.
Selten habe ich das so deutlich gespürt wie hier.
Unser Reichtum liegt im Tun, nicht im Haben.
Diesen unendlich beruhigenden Gedanken im Kopf, lassen wir uns vom Hausmeister zum Bahnhof fahren.
Gelegentlich habe ich mich wie eine Besucherin im Zoo gefühlt.
In erster Linie aber nehmen wir schöne Erlebnisse und einige neue Erkenntnisse mit nach Haus.
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Her mit dem Stigma!

„Situationsanalyse und sozialpädagogische Diagnose ergeben ein klares Bild, das Frau X die Jugendliche Y bisher hervorragend unterstützt hat. Es ist nun an der Zeit, Y , die sich im Abnabelungsprozess von der Familie befindet, externe Unterstützung anzubieten, damit gleichzeitig Frau X zu entlasten und ihr wieder Freiraum für die eigene Weiterentwicklung zu schaffen. Die Unterstützung der Y erfolgt im Hinblick auf die von ihr zu erbringenden besonderen Leistungen beim Übergang in das Erwachsenen-Leben. Es besteht ein Anspruch auf Unterstützung gemäß §§ …….“

Ja!
Nach jahrelangem, kräftezehrendem Begleiten eines Kindes mit speziellem Betreuungsbedarf im familiären Miteinander,  bei der Erlangung von Alltagsfertigkeiten, Schule, Freizeit und gleichzeitiger Stärkung besonderer Fähigkeiten und Begabungen wären diese Worte Ausdruck der Anerkennung und Wertschätzung elterlicher ( hier alleinerziehender, berufstätiger ) Höchstleistung und gleichzeitig ein Signal an den jungen Menschen, dass es sich lohnt, ihm, der seinen Weg in die ‚Normalo-Welt‘ so mühsam finden muss, individuelle Orientierungshilfe anzubieten. image

Wären?
Unser Jugendamt ist wirklich o.k. Verständige und engagierte Mitarbeiter. Schnelle Bearbeitung. Eine für alle akzeptable und vorwärts weisende Maßnahme.

Aber….
Um den Anspruch auf Unterstützung zu begründen, müssen die Voraussetzungen des Gesetzes erfüllt sein. Und dieses spricht von hilfebegründenden Defiziten. Bei den Eltern und Kindern. Worte wie Überforderung, Probleme usw. im amtlichen Bescheid brennen wie Feuer. Da kühlt auch der Gedanke, dass die beteiligten Sozialpädagogen das gar nicht so sehen, sondern eher Respekt vor dem, was wir geschafft haben, ausdrücken und eifrig dabei sind, sich auf unseren Kenntnisstand bzgl. Synästhesie, Hochsensibilität & Co zu bringen, nicht wirklich.

Schwarz auf weiß.
‚Ihr kriegt es nicht hin‘.
Der Preis, den Familien wie wir immer wieder zahlen müssen.

Da wundert es nicht, dass viele Familien den Gang zum Jugendamt scheuen.

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Nicht dabei

Wisst ihr was?
Teilhabe reicht mir nicht.
Sie kann nur der Anfang sein.

Neulich erlebte ich ein mir seit meiner Kindheit bekanntes Gefühl wieder und habe es geschafft, es endlich, ebenso wie eine immer wieder von meiner Tochter seit ihrer frühen Kindheit wiederholte Äußerung, zu verstehen.

Aufgewachsen in einer nicht begüterten Familie, in der zudem neurologische Besonderheiten, die Wahrnehmung und Reizverarbeitung betreffend, nichts Besonderes sind, fühlte ich mich bis zur Schulzeit völlig dazugehörig und in der gesellschaftlichen Teilhabe nicht eingeschränkt. Es gab oft schwierige Zeiten in der Familie – aber das war unsere Normalität.
Zusammenhalt, Anerkennung, viel Musik und Spaß prägen meine Erinnerung.

In der Grundschule kam ich dann in Berührung mit ordentlichen Familien, in denen alles so war, wie auch im schulischen Lesebuch und anderen Büchern beschrieben. TV spielte noch keine große Rolle damals, aber als Leseratte hatte ich immer gedacht, das sind nur ausgedachte Geschichten mit Menschen, die ein ausgedachtes Zusammenleben haben, mit ausgedachten Problemen, jenseits der Realität.
Nun lernte ich sie also kennen: Familien, in denen jeder ein eigenes Zimmer hatte, in denen die Mutter nicht arbeiten ging, die in Urlaub fuhren und die nie stritten. In denen man lange beleidigt war. Konflikte nicht nach außen dringen durften.
Die Familie meiner besten Freundin hatte sogar Teppichboden in der ganzen Wohnung- das fand ich sehr beeindruckend und gleichzeitig unheimlich: alles dort war gedämpft, sogar die Schritte, die man machte. Aber so schön weich, WOW…

Auf der weiterführenden Schule ( nein, ins Gymnasium wollte ich nicht ) gab es noch mehr dieser sonderbaren Familien. Wir lasen noch mehr unrealistische Geschichten. Meine Klassenkameradinnen sprachen über Hanni und Nanni, Nesthäkchen ( meine Güte…. das Zeug hatte ich Jahre zuvor gelesen ) und ich las ‚Coming of age ‚ – Autobiographien z.B. von Anne Moody, einer afroamerikanischen Aktivistin der Bürgerrechtsbewegung, was meine Mitschülerinnen nicht so interessierte.
Alles, was ich über das ( bürgerliche) Normalo-Leben wusste, hatte ich aus Büchern.
Natürlich kamen darin spezielle Charaktere vor, aber die wurden dann irgendwie als schwierig, nicht ’normal‘ dargestellt.
In Schulaufsätzen gab ich das zum Besten, kassierte Lob für Geschwurbel, das ich für völlig plemmplemm hielt, denn schnell hatte ich ein taktisches Verhältnis zu den LehrerInnen und dem, wofür man gute Noten bekam, entwickelt.
Ich schrieb mit ‚ verstellter Stimme‘. (1)
Die Inhalte aber ließen mich kalt. Ich wurde bewertet mit Maßstäben, die nicht meine waren. Zog mich zurück und irgendwann ging ich nicht mehr hin in diese Veranstaltung, in der ich für das Leben lernen sollte und die so gar nichts mit mir und meinem Leben zu tun hatte.

Hauptschule. Fachlich einfach für mich, sozial anregend.
Emotional sicherer Boden, von dem aus ich meine Flügel wachsen lassen konnte und einen weiteren Ausflug in‘ s Normaloland unternehmen konnte.
Die Zeit dort hat mir Mut gemacht, mir zu holen, was mir zu steht.
Teilhabe…..

Die Oberstufe auf einer Gesamtschule und noch mehr die anschließende Studienzeit waren begleitet von einer inneren Distanz zum inhaltlichen und sozialen Treiben dort.
Ich wusste, dass ich nicht dazu gehörte. Dass ich mir etwas nahm, das andere für sich gepachtet hatten. Und bin bis heute stolz darauf.
Ich habe teil.

Mutterschaft, und alles fängt von vorne an.
Sehen, wie mein Kind in vergleichbarer Weise seinen Platz sucht.
Dafür kämpfen, dass es ihn formal bekommt.
Immer wieder erleben, dass Teilhabe nicht automatisch dort eingelöst ist, wo die unterschiedlichsten Menschen sich lediglich in einer Institution, einem Raum, einer Gruppe aufhalten.

Ich werde nicht gesehen…….

Stimmt mein Kind. Du hattest Recht. Es tut mir leid, dass ich das früher nur wörtlich genommen habe.

In der letzten Woche war Abschiedsfeier in deiner früheren Schule. Du warst nicht dabei und hast es gedauert. Auch mir versetzt es einen Stich ins Herz.
Wieder einmal musste ich dir sagen, dass es ohnehin nur eine Veranstaltung für die gewesen ist, die schon immer gesehen wurden.
Du wärest empört darüber gewesen, wenn schöne Worte in den Abschiedsreden à la ‚ es gab auch mal Probleme, aber die haben wir gemeistert‘ das Leid und die noch immer nicht verheilten Wunden derer, die am Rande der Klassengemeinschaft standen, übertünchten.
Wenn so getan wird, als sei alles im Großen und Ganzen gut gewesen und jede/r hätte einen guten Platz in der Gemeinschaft gehabt.

Eigentlich solltest du eingeladen werden. Fehlanzeige.
Und eigentlich wolltest du nur hin, um wenigstens jetzt, zum Schluss wahrgenommen zu werden. Um zu zeigen, wie du deinen Weg gehst, Raum einnimmst, dich entfaltet hast, sichtbar gemacht hast.
Aber bis dahin musst du noch Geduld haben – in einigen Jahren erst wird für Menschen, die jetzt noch denken ‚ ach, die funktioniert nicht richtig‘ deutlich werden, dass auch ein anderer Weg als der ihre zum guten Leben führen kann.
Deine Zeit wird kommen….

Einzelne, Familien mit einem behinderten oder Neuro-atypischen Familienmitglied, mit Migrationshintergrund, Alleinerziehende, aus armen Verhältnissen Kommende und alle anderen, die nicht aus dem bürgerlichen bzw. vermeintlichen Normalo – Bilderbuch entsprungen sind – für die meisten Menschen sind wir noch immer unsichtbar, selbst wenn wir mitten unter ihnen sind.
Immerhin, in Literatur und Film gibt es zarte Pflänzchen des Wahrgenommen werdens.
Und nicht zu vergessen die vielen Blogs Betroffener, in denen jeder, der sich schlau machen möchte, dies auch tun kann.

Teilhabe ist so viel mehr als dabei sein dürfen.

Anerkennung und Aufgreifen der unterschiedlichen Erfahrungs- und Erlebenswelten aller Menschen. Wird Zeit, dass wir wirklich gesehen werden, und zwar im Alltag.
Im Schulunterricht, den Schulbüchern, an der Uni, in der Arbeitswelt, in Vereinen und der Politik.
Wie weit sind wir davon noch entfernt?

Unsere Diskussionen um Inklusion empfinde ich manchmal als pipifax, auch wenn sie wichtig sind.
Ein paar weitergehende Gedanken als gewohnt hat sich Christian Schneider in seinem Blog jawl.net gemacht.
Lesenswert.

(1) eine Technik, die ich noch heute mit Erfolg gelegentlich im Berufsleben praktiziere 😉

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Exklusive Hilfe- ein kleiner Überblick

Berufstätig sein mit einem behinderten Kind- Wegweiser für Mütter mit besonderen Herausforderungen

Eine neue Broschüre des Bundesverbandes für körper- und mehrfachbehinderte Menschen (bvkm) stellt sehr ausführlich, übersichtlich und anhand von Fallbeispielen die bestehenden Hilfs-und Unterstützungsmöglichkeiten für Familien mit behinderten Kindern dar und geht auf die spezielle Situation berufstätiger Mütter ein.
Ein solche Übersicht hat bisher in der Broschürenwelt gefehlt.

Auffallend

Sämtliche Möglichkeiten der Unterstützung durch Dritte haben einen exklusiven Ansatz.
Was, wenn das Kind z.B. keine Lust hat, seine Ferien in einer Gruppe von Behinderten zu verbringen? Es möchte vllt. lieber einen Englischkurs in England machen, wie seine Freunde auch. Darf der Integrationshelfer mit?

Deutlich auch, dass Kinder, die nur Sonderpädagogischen Förderbedarf haben ohne jedoch eine Schwerbehinderung beantragt/ anerkannt zu haben, i.d. R. nicht erfasst sind.

Was, wenn gesunde Geschwisterkinder über 12 sind und noch nicht selbstständig genug, um mehrere Tage allein zu bleiben?
Leistungen durch die Krankenkasse wie Kinderkrankengeld , Mutter- Kind-Maßnahmen, Haushaltshilfe für gesunde Kids hören abrupt nach dem 12 LJ auf.

Immerhin werden auch Beispiele von Alleinerziehenden Müttern herangezogen – eine Realität, die bei behinderten Kindern ja so selten nicht ist.

Die Broschüre ist hilfreich – zeigt aber auch die traurigen exklusive Sichtweise auf Unterstützungsmaßnahmen in Deutschland auf.

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Es funktioniert !

In meinem vielfältigen Job habe ich des Öfteren die Gelegenheit, in der Erwachsenenbildung tätig zu sein. Ich darf zu schönen Seminarorten fahren, habe eine Gruppe interessierter Menschen um mich und bin in der Gestaltung und Durchführung der Veranstaltung weitgehend unabhängig ( abgesehen von den Absprachen mit der “ Gruppenleitung“ ).

Auf diese Weise hat mein Ableger schon früh die eine oder andere Konferenz/ Seminar/ Sitzung miterlebt; je älter sie wurde, eher ‚überlebt‘.

Nun aber haben wir unser erstes gemeinsames Seminar “ geteamt“ .

Stolze Mama, ich!

Ein Menschlein, sonst immer ringend um soziale Kontakte, immer unsicher darin, was die anderen meinen, wenn sie etwas sagen, deren Handlungen sich oft nicht wirklich für sie erschließen, und das ständig darüber nachdenkt, was ihrerseits eine angemessene Reaktion ist, schwamm einfach wie ein Fisch im Wasser mit.

Eine kurze Einweisung, worum es geht.
Ein kleines Merkblatt, was evtl. zu tun ist und worauf es ankommt.
Mehr bauchte es nicht.

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Inmitten gestandener Erwachsener hat sie nach anfänglicher Scheu diese ganz schnell abgelegt und die Rolle der umsichtigen Assistentin übernommen.
Selbst kleinste Zeichen (jemand hatte keinen Stift zur Hand, ich brauchte Nachschub mit Moderationskarten etc.) wurden registriert und Abhilfe nahte.
Im Rahmen ihrer Aufgaben kamen wie routiniert ‚Ansagen‘ an die Teilnehmer.

Was eigentlich aus der Not geboren war ( Dienstreisen sind für Alleinerziehende nicht immer ein Segen) erwies sich nun als echte Unterstützung für mich.

Erstaunt hat mich das nicht wirklich.
Menschen aus dem autistischen Spektrum schaffen es oft richtig gut, anhand von Sachthemen oder Funktionen Kontakte zu knüpfen und zu halten.
Die Spielregeln sind offensichtlich, die Rolle erfordert ein bestimmtes Verhalten.
Läuft alles in diesem Rahmen ( der für viele Betroffene noch nicht einmal eng sein muss), können auch autistische Menschen sich relativ sicher im Umgang mit anderen fühlen.

Das Schlimmste an der Schule sind die Pausen

Wie oft habe ich das schon gehört?
Alles geht dort drunter und drüber. Was für die meisten Menschen Ungezwungenheit bedeutet, ist für Autisten purer Stress.

Selbst im Urlaub findet mein Teenie den Weg zu funktionalen Kontakten.
In der Küche helfen. Als Quasi-Praktikantin im Ferienheim gemeinsam mit den FSJ’lern. Dann klappt es mit der Anbindung an Gleichaltrige irgendwie.
Klar, wenn es dann um Teenie -Themen geht, ist die Rolle wieder eher passiv.
Aber immerhin.

Sich innerhalb eines Gerüstes von festgelegten Regeln sicher bewegen zu können, ist durchaus nicht jedermanns Sache.
Wie oft musste ich schon unstrukturierte Teamleiter ertragen?
Die nicht wussten, was der nächste Schritt ist, weil eine Störung im Gruppenprozess einen Plan B erfordert hätte?
Noch schlimmer: die von Anfang an gar keinen Plan hatten?
Oder unflexibel ‚ dozierten‘ ?

Hier hat mein Teenie zweifelsfrei eine Stärke, wie ich in den vergangen Tagen erleben durfte.
In der Schule aber durfte sie das nicht zeigen – Moderation, Gruppenleitung, das trauten die Lehrer eher den als “ sozial kompetent“ angesehenen Schülern zu ( die dann nicht selten ein einziges Chaos produzierten).

Ich gebe meinem Teenie eine glatte 1 für diesen Einsatz.

Und habe mich meinerseits sehr über ihr Lob gefreut:

„Mum, ich wußte gar nicht, dass du das so gut und locker kannst.
Unsere Lehrerin hätte uns x – mal zusammengefaltet, aber du hast alle freundlich immer wieder zum Thema geführt“.

Und ganz ehrlich : auch die Anerkennung ihrer Leistung durch die Teilnehmer tat uns beiden gut.

Bleibt nur noch festzustellen, dass Teenie erstaunt war, wie anstrengend diese Arbeit ist, sie ein richtiges Praktikum im Bereich Bildungsveranstaltungen machen möchte, mir selbstverständlich öfter assistieren will und es nicht 1 Mal Pubertäts-Stress gab.

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Bereitschaftsdienst, immer

Auch wenn Erziehung im engeren Sinne nicht mehr von Eltern von Teenies
gefordert wird, Verantwortung tragen wir immer noch.
Viele von uns allein und meistens sind wir Mütter.

Brauchen unsere Kids mehr Unterstützung als Gleichaltrige, zieht sich zwar nicht die Zeit der Erziehungstätigkeit, aber die der Rufbereitschaft hin.
Aus guten Grund sieht unser Arbeitszeitgesetz Ruhezeiten zwischen den Arbeitstagen vor und es ist längst gerichtlich geklärt, dass Bereitschaftsdienst Arbeitszeit ist.
Humane Arbeitwelt – und was ist mit der Familienwelt?

Der Mut der Mücke

Ein Feature von Marie von Guck im Deutschlandfunk beschreibt sehr treffend, wie es in unserem reichen Land zugeht für die Menschen, die bereit sind, sich auf Kinderkram, notfalls auch allein, einzulassen.

Alleinerziehend zu sein, ist in Deutschland Armutsrisiko Nummer eins. Trotz der sich verschärfenden sozialen Lage wächst keine andere Bevölkerungsgruppe so rasant wie diese, und die Zahl ihrer von Armut betroffenen Kinder nimmt stetig zu.

Sind Frauen, die sich entscheiden, Kinder allein großzuziehen, verantwortungslos? Naiv? Fatalistisch? Blind für die Folgen? Oder trotzig?mehr

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Wunderbares Schaumbad

Schluss mit muttitasking!

Wenigstens für 2 Tage.
Von dort, wohin meine Reise mich heute führt, sind Fernrettungen jeder Art kaum möglich, noch ( von mir ) erwünscht.
Die ‚private-task-force‘ ist in Rufbereitschaft.
Das muss langen.
Jeder Kilometer, der mich von zu Hause entfernt, nimmt mir Last.

Ich fahre nicht etwa zum Vergnügen. Und doch mutet es so an.
Dienstlich bin ich unterwegs und früher, als alles noch anders war, haben mich diese Reisen eher genervt. Großer Zeitaufwand für relativ wenig Ergebnis.
Heute nur als Ersatzspielerin im Einsatz, wird an diesen beiden Tagen nicht allzu viel von mir verlangt.
Meist würde mich das langweiligen, aktuell ist es ein willkommener Schritt zurück in die zweite Reihe.

Der Ort: nur bekannt durch gelegentliche Durchfahrten in den Süden unserer Republik. Wenn man diesen Ort erreicht, hat man den Norden endgültig hinter sich und das Ziel rückt in‘ s Visier.
Noch nie habe ich das Bedürfnis verspürt, dort anzuhalten, auch wenn lange Strecken auf dem Moped kleine Sight-Seeing-Pausen erträglicher machen.

Ich frage Freunde, ob es da was zu sehen gibt.
‚Hmm….da hält der ICE, oder ?‘
Immerhin fällt allen ein: katholisch, es gibt Kirchen, vllt. sogar ein Kloster (?) und einen Fluss, der irgendwo die Werra küsst.
Ich gönne mir einen hotspot und erfahre, dass ich in eine Barockstadt fahre.
Einen Dom gibt es, eine schöne Altstadt.
Lese, dass diese Stadt 3326 Betten für Menschen wie mich bereit hãlt. Zum Vergleich : die große Stadt der Pfeffersäcke teilt Neugierigen nur mit, um wieviel Prozent sich der Umsatz für Beherbergungen gesteigert hat.
Ich habe die Anzahl der Betten doch heraus bekommen: 15 x so viele.
Einen Ortsvergleich bezüglich der Auslastung dieser Kapazitäten nehme ich lieber nicht vor.
Nun positiv eingestellt bleiben: mein Hotel, laut Homepage Ort vielfältiger Kongresse, präsentiert sich luxuriöser als mein Zuhause.

Soll ich mir Wellness gönnen?
Ähem…..was ist ein Solebad? Ist günstiger als Massage, hört sich aber auch, na ja, ‚rentnermäßiger‘ an. Ich will mich ja nicht noch älter fühlen als ohnehin zur Zeit.
Für die aktiven Anwendungen fehlen mir Equipment, Energie, Zeit und Mittel.
Aber durch die Straßen streunen geht immer.

Wie die brüchig mit Schnee bedeckte Landschaft vor meinen Augen, eilen die Ereignisse der letzten Tage durch meine Gedanken.
Nur in diesem ersten Monat des neuen Jahres gab es mehr ‚Action‘ als ich in einem ganzen Jahr brauche. Ereignisse, die ich allesamt lieber missen würde.

Ich schaue aus dem Fenster und spüre den Schritt aus der ‚Anderswelt‘ in die NT (1) – Welt, in der ich mich entspannt während des Meetings dem Multitasking hingeben werde.

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Stunden später.
Es hat sich wieder einmal gezeigt, dass:

  • 4 Sterne nicht gleich 4 Sterne sind
  • angemessene Bekleidung nicht unterschätzt werden sollte – ich sag nur Solebad und Badeanzug
  • Reizfilterschwäche in Kombination mit außerordentlichen Turbolenzen zu Fehlplanungen führt
  • ahnungsloses Zuspätkommen nicht belastet
  • die NT-Welt ihre Regeln viel zu wichtig nimmt
  • und in der ‚Anderswelt‘ auch ohne mich überlebt wird
  • (1) NT= Neuro Typisch

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    L-W-o-mat

    Kurz-pro-gramm-40 °.
    Un-sor-tiert.
    Mehr-gibt-es-heu-te-nicht.
    Es-gibt-auch-kein-Lieb-lings-ess-en.
    Ja-ich-kümm-e-re-mich-um-das-Not-wen-dig-ste.
    Nein-mehr-geht-nicht.

    Wenn-du-zor-nig-bist-dreh-die-Mu-sik-auf.
    Bei-Angst-komm-zu-mir-a-ber-ru-hig.
    Sprich-mit-mir-wenn-du-trau-rig-bist.
    Bei all-en-an-de-ren-Be-find-lich-kei-ten-sieh-zu-wie-du-klar-kommst.
    Zan-ke-heu-te-nicht.
    Bi-tte.

    Ak-ku-leer – – – Ak-ku-le- – – – Ak-ku-l- – – – – –

    Man muss kein hochsensibles Kind haben, um zu wissen, wie wichtig es für Kinder / Jugendliche ist, dass wir Eltern in Krisenzeiten verlässlich funktionieren.
    Denen aber, die über eine besonders geschärfte Wahrnehmung verfügen, kann man noch weniger als anderen vorgaukeln, dass der Fels in der Brandung unerschütterlich steht, wenn er dabei ist, von den Wassermassen davon gerissen zu werden.
    Da hilft kein sich Zusammennehmen.

    (Hoch)Sensible Kinder reagieren häufig extrem mit Wut, Zorn, ziehen sich zurück.
    Physisch und psychisch.
    Nicht selten führen diese Stresssituationen zu psychsomatischen Erkrankungen.
    Jugendliche, welche aufgrund ihrer Besonderheit einsam sind, und das sind insbesondere die aus dem autistischen Spektrum, haben keine Möglichkeit, ihre Angst und Verunsicherung mit anderen gemeinsam zu verarbeiten.
    Kein gemeinsames Lümmeln auf dem Sofa und Gerede wie:
    Oh Mann, wenn ich 18 bin ziehe ich aus, das nervt alles, stell dir vor, du würdest auf dem Mars leben, ich skype lieber von da aus, meinst du, man wird wiedergeboren, ist doch voll unlogisch, dieses Spektakel, und dann allen Menschen die Hände schütteln, sogar Fremden, lass‘ mal das Stück von xxx hören, aber laut!

    Leben ist das, was passiert, während du eifrig dabei bist, andere Pläne zu machen.(1)

    Diese Jugendlichen ängstigen sich auch um den Bestand der täglichen Routinen.
    In dieser Gefühlslage sind sie kaum in der Lage, Rücksicht auf den Garanten des sicheren Alltags zu nehmen.

    Ich bin sicher, im Kleinen kennen alle Eltern das.
    Ist die Mutter krank, quaken die Kids umso mehr.

    Hat jemand eine Vorstellung davon, wie das im Großen ist?
    Diese Tage höre ich immer wieder den gut gemeinten Rat: pass auch auf dich selbst auf.
    Ja, sag ich dann, wie soll das konkret aussehen?
    Nicht eine brauchbare Antwort habe ich auf diese Frage bekommen.

    Ich bin kein Typ für Ruhe.
    Bewegung ist mein Wasser, in dem ich mich wohl fühle wie ein Fisch.
    Denken beim Gehen . Beim Reden. Schreiben.
    Schon in guten Zeiten schaffe ich es nicht, ein Hörbuch durchzuhalten.
    Wenn ich mich konzentrieren will, gehe ich ins Café.
    Arbeiten in der Stille: nur wenn ich direkt aus dem Schlaf komme, dann aber richtig produktiv. Die einzige Tätigkeit, die zwischengeschaltet werden darf ist Kaffee kochen. Schon duschen zerstört die Konzentration auf das Arbeitsergebnis der Nacht.
    Ich brauch‘ so etwas wie eine Fotolinse, um langsam ( achtsam ? ) durch die Welt zu gehen.
    Teenie bevorzugt das Gegenteil.
    Das macht es nicht einfacher.

    Antworten, die ich für mich geben kann:
    1. kleine Ich-Inseln im Chaos ( z.B. Cello, Chor , Uni, schreiben )
    2. Teenie gut versorgt wissen
    3. die kleinen entspannten Momente mit Teenie genießen
    4. um Hilfe in kleinen Dingen bitten und annehmen, was mir schwer fällt
    5. nichtexistenzielle Pflichten aussitzen

    Nach dem großen Wurf suche ich seit Jahren.
    Warum soll er gerade jetzt gelingen?

    Unser Sozialwesen sieht niedrig-schwellige, schnelle Unterstützung für Familien in Krisen nicht vor.
    Keine Familie oder Freunde vor Ort?
    Pech gehabt.
    Wer ein Kind hat, das wegen seiner Eigenheiten nicht mal eben weg organisiert werden kann, erst Recht.
    Da bleibt nur: funktionieren, irgendwie.
    Wir sind eben kein notleidendes Bankhaus. Da hätte unser Staat sicherlich fix ein Hilfspaket zusammengeschnürt.

    Unser Haus schwankt, aber das Fundament ist fest.

    Aber sogar jetzt gibt es einen Grund zum Staunen und zur Zuversicht.
    Wieder einmal erlebe ich, wie treffend, klar und weitsichtig Teenie die Situation erfasst, ihre Bedürfnisse messerscharf artikuliert und gute Entscheidungen für die kommenden Tage trifft.

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    Hochsensible,  Synästhetiker_innen,  ADHSler_innen und Autist_innen haben in erster Linie ein ‚Mehr‘, nicht ein ‚Weniger‘.

    Wenn man sie lässt und ihnen hilft, finden sie ihren Weg.
    DAS ist die große Lösung.
    Nicht nur für mich.
    Fast alle Eltern werden das ( in Ansätzen) verstehen.

    (1) John Lennon

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    Hilf dir selbst….

    ….dann hilft dir Gott.

    Die zentrale Lebensweisheit meiner Großmutter.
    Nach 2 Weltkriegen und anderen schwierigen Lebenslagen war das ihr Überlebensmotto, welches sie an mich weitergab.
    Nicht das Schlechteste, wie ich finde.

    Hat aber auch eine Kehrseite.
    Unser Sozialstaat ( oder das, was davon übrig ist) , hilft denen, die es nicht mit eigener Kraft schaffen.
    Ein Prinzip, das ich unterstütze.

    Aber dann fängt die Krux schon an.
    Wieviel Kraft muss der/die Einzelne haben, bevor er/sie Unterstützung bekommt?
    Ich schaue mich mal um:

    Elternini.
    Hier treffen sich Eltern ( meist Mütter) die autistische Kinder haben. Die meisten leben in Partnerschaft und der weibliche Elternteil hat seine Berufstätigkeit an den Nagel gehängt , drastisch runter gefahren oder sich dahingehend umorientiert, dass die Tätigkeit dennoch bei gleichzeitiger Betreuung ( die oft Anwesenheit bedeutet) möglich ist.
    Alleinerziehende schaffen es kaum, regelmäßig dabei zu sein.
    Hilfe von außen steht und fällt mit einer Diagnose des Kindes.
    Rechtsstreitigkeiten um Schulbegleiter und Familienhilfe sind an der Tagesordnung.
    Muss ich erwähnen, dass sich hier eher gut situierte, informierte und organisierte Menschen treffen?
    Depressionen/ Burn Out sind diesen Familien nicht fremd.

    Ärzte.
    Ihnen fällt schon mal auf, dass die Eltern ( Mütter ) Entlastung bräuchten. Vielleicht verschreiben sie eine Mutter- und Kind Kur.
    Sie geben Tips wie: machen sie mal was schönes für sich usw.
    Manche schreiben wenigstens mal für eine Woche krank.
    Ansonsten: die meisten haben einfach keine Ahnung, wo und wie die Betroffenen Hilfe bekommen können.
    Über Vernetzung viel wird gesprochen….aber vielleicht sind damit nur Twitter & Co gemeint.

    Beratungsstellen.
    Die erste Frage lautet: gibt es einen Schwerbehindertenausweis?
    Wenn nein, dann Pech.
    Hat man sein Kind unter Aufbietung aller Kräfte , oft unter Missachtung der eigenen Ressourcen, dahin gebracht, dass es ohne Schulbegleiter auskommt, einen Schulabschluss hat, sich relativ selbstständig und sicher in der Welt bewegt, hat man selber Schuld.
    Dass eben diese Funktionsfähigkeit nach wie vor davon abhängt, dass es eine immer noch intensive Unterstützung aus der Familie gibt, ist egal.
    Was ist das denn: Ein Schwerbehindertenausweis für das Kind, wenn die Mutter/Familie Unterstützung/Entlastung braucht?
    Davon ganz abgesehen, dass man den nicht hinterher geschmissen bekommt. Bei nicht sichtbaren “ Behinderungen“ kann es einem durchaus passieren, dass 3 Ärzte 4 Diagnosen stellen oder dem Sozialträger später dennoch gar nichts auffällt.
    So ähnlich wie bei Opi, bei dem auch immer alles klappt, wenn der medizinische Dienst eine Pflegestufe feststellen soll.
    Die Rechnung ohne den/ die Jugendliche_n sollte man schon gar nicht machen.
    Es ist ihr/sein Leben.

    Stiftungen, und Vereine.
    Versuchen oft, diese Lücke zu füllen. Aber in Zeiten knapper Kassen kann da eher mal ein Laptop spendiert, als ein Mensch organisiert werden, der sich regelmäßig mit dem/ der Jugendlichen trifft und die Dinge macht, die andere Jugendliche in einer Peergroup erleben: Gespräche übers Leben, Perspektiven, Wünsche und Träume, Hobbys nachgehen oder einfach nur mal rumhängen und quatschen.
    Rar sind die Möglichkeiten für Jugendliche über 14; das hängt wohl davon ab, aus welchem Topf die Zuwendungen für diese Vereine gespeist werden.
    So werden ältere Jugendliche dann in dieser besonders wichtigen Zeit der Orientierung/ Weichenstellung im Übergang von Schule und Beruf auf sich allein zurück geworfen.
    Oder auf Lehrer ( wie unspannend ) und Eltern ( wie nervig ).
    Ältere Geschwister sind ebenfalls kein Segen…häufig viel zu nah dran.

    Jugendzentren, offene Jugendarbeit.
    Existiert kaum noch. Wenn, dann eingebunden in die Ganztagsschulen.
    Wenn die Kids frei haben, haben sie oft geschlossen .
    Jugendliche Steppenwölfe verirren sich dort eher selten hin.

    Vergiss alles, was du über Prävention weißt.

    Nüchterne Erkenntnis ( nicht neu, sondern wieder einmal bestätigt):
    Solange du nicht (wieder) ernsthaft krank bist, dein Kind nicht offensichtlich an fast allem scheitert, du nicht arbeitslos bist oder Hartz 4 beziehst, und sei es nur als Aufstocker, mach weiter wie bisher.
    Belästige unsere Gesellschaft nicht.
    Die ist für dich da, wenn du verarmt bist, nicht mehr Arbeiten kannst und auch dein Kind gar nicht mehr auffangen kannst.
    Sie zahlt dann deine langwierigen Behandlungskosten, übernimmt Transferleistungen und für dein Kind die Kosten in einer Jugendwohnung.
    Bitte, komme uniformiert in die Beratungsstelle / Arzt/ Jugendamt.
    Oder stell dich doof.
    Gebe dich ohnmächtig.
    Geh‘ in Jogginghose hin.
    Bringe „um Himmels willen“ unser Bild von hilfsbedürftigen Menschen nicht durcheinander.

    Vielleicht wirst du dann geholfen.

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    Alternativen:
    1. gewinne im Lotto
    2. such dir einen alten, reichen Mann
    3. Banküberfall ….ach nee, das klappt nicht.
    4. Gesellschaftspolitisches Engagement: hilft nicht sofort aber wenigstens bist du nicht nur Opfer

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