Ausgerüstet mit Freikarten mache ich mich auf zum Internationalen Sommerfestival auf Kampnagel. Das ist da, wo in meiner Stadt moderne Kunst auf der Bühne geboten wird. Ein toller Ort für Kreative und Menschen, die offen für Neues sind.
Allerdings immer etwas riskant …. Was kommt auf mich zu?
Meine liebe Freundin, mit der ich schon einige skurile Kulturevents besucht habe, steht mir zur Seite. Falls es richtig blöd wird gehen wir früher, beehren die Gastronomie und beäugen die Kulturschickeria, die sich unter’s Volk gemischt hat- oder ist’s umgekehrt?
Und wenn ich die Kunst mal wieder nicht ‚verstanden‘ habe, muss ich mich nicht alleine blöd fühlen.
Monument 0: Haunted by Wars (1913-2013)
von Ezter Salamon ( ich glaub, die ist berühmt in der ‚ Szene‘)
….Das Sommerfestival präsentiert nun die Uraufführung ihres neuen Gruppenstücks MONUMENT O: HAUNTED BY WARS (1913-2013), den ersten Teil einer Serie über das Verhältnis von Choreografie und Geschichte. Salamon blickt auf die vergangenen 100 Jahre als globale Kriegsgeschichte und recherchiert davon ausgehend Stammes- und Volkstänze, sowie populäre Tanzformen aus fünf Kontinenten. Gemeinsam mit ihren sechs Performern studiert sie unterschiedlichste Tänze, die in Konflikt-Regionen und von Krieg geprägten Kulturen praktiziert wurden oder werden. Vom Ersten Weltkrieg bis in die jüngste Vergangenheit ergibt dieser »Totentanz« aus 100 Jahren Kriegsgeschichte ein beeindruckend düsteres und zugleich surreales Szenario aus Tanz, Licht und Sound. mehr
Es ist so gut wie ausverkauft.
Nach einer kleiner Vorbereitungszeit im Café gehts rein: heiß, dunkel, enge Sitze.
Dann: nichts. Gefühlte 10 Minuten. Nach einiger Zeit gestampfte Rhytmen im Dustern.
Eine detaillierte Schilderung der 150 Min. ohne Pause erspare ich euch und
fasse zusammen:
Ein sparsames, düsteres Bühnenbild. Jeweils drei dunkelhäutige Frauen und Männer – mit Totenmasken im schwarz- grau- gebatikten Tanzsuit.
Sehr dezenter Licht- Einsatz.
Rhytmus ( stampfen) , Bodypercussion, gelegentlich Vocals ( meist Geräusche).
Keine Instrumental-Sounds.
Schlacht, Totentanz, Erschöpfung in vielen, kaum bemerkbaren Variationen.
In der Reihe vor mir eine Dame, die sich Luft zufächelt.
Immer wieder.
Mein Auge wandert von der wenig neue Reize aussendenden Bühne immer wieder zur Fächeltante hin, das Papier blinkt mich geradezu an.
Stimmen, monoton.
Mehr und mehr wird der Bühnenrand vollgestellt mit Aufstellschildern, beschrieben mit den Jahreszahlen der aufgezeigten Kriege.
Allein deren Vielzahl war erschlagend.
Ich versuche, die Jahreszahlen den mir bekannten Kriegen zuzuordnen – und schaffe es nicht.
Es gibt Orte und Kriege, die bemerken wir Europäer kaum….
Hin und wieder gefühlte unendliche Minuten nichts.
Madame fächelt.
Ich schaue mir die Umgebung an, um vom Fächer weg zu kommen.
Jeder Versuch, mich in dieser Spannung auf die Bühne zu konzentrieren, ist zwecklos.
Die tänzerische Leistung ist super.
Wie können die Performer sich bloß die Reihenfolge dieser vielen kaum voneinander abweichenden Bewegungen merken?
Deren synchrone Ausführung beweist, dass keine davon dem Zufall überlassen ist.
Totentanz reiht sich an Totentanz.
Immer deutlicher wird mein Impuls einzugreifen.
Soll ich klatschen? Irgend etwas rufen?
Ich trau mich nicht.
Um mich herum kunstgefestigte Menschen die kaum zu atmen scheinen.
Nur meine Freundin schaut gelegentlich aufs Handy, scharrt ein wenig mit den Füßen, wir tuscheln, müssen uns Luft machen…. fallen unangenehm auf.
Vor mir: es fächelt und fächelt und fächelt und….
Bevor ich der Fächlerin das Ding weg nehme, dränge ich mich nach 120 Min. durch die Reihe.
Raus!
Durchatmen.
Denke: was für eine eintönige Umsetzung des Themas.
Eine Zumutung für die Zuschauer.
Das Stück lässt mich dennoch nicht los.
Einen Tag später beurteile ich die Darbietung anders.
So ist Krieg
Immer wieder gleich vernichtend, eine Zumutung, verstörend, brutal.
Schockierend. Egal wo, egal wann, egal wie.
Und welche Handlungsoptionen haben/nutzen wir?
Fazit: es hat sich gelohnt.
Es war Stress.
Für ADHSler nur bedingt geeignet.
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🙂