Vertrautes minus

Was ist dran an diesen Fernseh-Krimis, die ich mir gelegentlich zur Entspannung anschaue?
In denen nicht ganz so viel Action und Ballerei vorkommt- eher deutsche und skandinavische Produktionen.

Es ist längst nicht mehr so, dass zu Beginn einer tot ist und dann eine Kommissarfigur allein, ok, manchmal mit Assistent (1) , seine Fragen an diverse Verdächtige stellt bis der Fall gelöst ist. Der Zuschauer rätselte mit und Omi wusste von Anfang an, dass es der X war, auch wenn ihre Äußerungen zum Film das nicht erkennen ließen…

Präsentiert wird in den Filmen neueren Datums wie gehabt zunächst eine Leiche.
Je nach Profil der Krimireihe darf man beim Töten zusehen oder nicht.
Meist nicht, muss ich auch nicht haben.

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Dann kommt das Team in‘ s Spiel.
Feste Besetzung, feste Rollenzuschreibungen.
Der Zuschauer erlebt, wie der Fall gelöst wird und mindestens genauso im Fokus steht das Miteinander der Teamplayer und deren Privatleben.
Ein Mix von Lindenstrasse und Sherlock Holmes.
Das Strickmuster ähnlich wie in Arztserien.
Im Grunde erhole ich mich nach einer anstrengenden Zeit im Arbeitsleben dadurch, dass ich mir das vermeintliche Arbeitsleben anderer Menschen anschaue.
Präsentiert jeweils mit einem kleinen “ Aufhänger“.
Ich bevorzuge die kriminalistische, andere halt die medizinische Rahmenhandlung.

Lonesome Hero

Fast jedes Team hat einen einsamen Wolf zu bieten, intelligent, eigen, unzugänglich.
Oft in Position des Chefs.
Manchmal in der Variante “ Rauhe Schale, weicher Kern“ oder so …
Verstärkt Platz findet der Freak / Kauz, der im Gegensatz zum wahren Leben wegen seiner speziellen Kenntnisse und Fähigkeiten, die auch schon mal im sensorischen Bereich liegen dürfen, geschätzt wird.
Es gibt den liebenswerten Trottel, den Schlendrian, zuweilen Streber, alleinerziehende Mütter und manchmal haben die Verbrechensbekämpfer sogar ein ( politisches) Vorleben, das so gar nicht zum Beruf des Ordnungshüters passen will.
Der Arbeitsalltag ist ein übergriffiger – Privatleben muss sich unterordnen.
Burn Out ist immer wieder Thema.

Man wohnt überwiegend in großräumigen, aufgeräumten (!) Wohnungen, was weniger zur aktuellen Beamtenbesoldung , dafür sehr gut zu den noblen Behausungen der meisten Opfer passt.
Aber auch Chaoten tauchen gelegentlich auf und wenn sie nicht in der Pension absteigen, dann leben sie in einer Junggesellenbude.
Ab und an ein passendes Opfer, auch für diese Kommissare.
Wer im Eigenheim mit Familie lebt, hat meistens Krise und der Zuschauer darf sich fragen, wie lange das noch gut geht mit der Ehe.
Interessant finde ich den Umgang, den die Protagonisten miteinander pflegen.

Tatort &Co

In deutschen Produktionen überwiegt der autoritäre Umgang: der Chef weist an, bestenfalls macht der Mitarbeiter heimlich, was er will.
Wenn das Team nicht gerade in allgemeiner Kumpelei versinkt, gibt es so etwas wie Kommunikation auf Augenhöhe nicht.
Junge Kollegen werden selten um ihre Meinung gefragt und in ihren Ideen unterstützt.
Die Botschaft lautet: beiß dich durch.
Überhaupt kümmern sich diese Chefs selten um das berufliche Fortkommen ihrer Mitarbeiter.
Wertschätzung des Gegenübers wird höchstens dezent angedeutet.
Nur wenn ein Mitarbeiter einmal hartnäckig richtig liegt, gibt es ein kleines Lob.
Das Verhältnis zur Staatsanwaltschaft ( und höher ) ist eher gespannt, das eint das Team dann wieder.
Auf Schwächere wird meist herabgesehen, manchmal sogar freundlich.
Exzentische Chefs erfinden putzige Spitznamen für qualifizierte Mitarbeiter – ist das wirklich lustig?
Selbstverständlich sind die Führungskräfte frei von Zweifeln über ihre Führungskompetenzen.
Der intelligente, aber fiese Chef genießt Akzeptanz nicht nur beim Zuschauer.
Schließlich muss der Mörder gefasst werden.

Wallander &Co

Anders läuft die Kommunikation in den skandinavischen Krimi-Reihen.
Hier werden nicht nur Weisungen erteilt und in Aussagesätzen gesprochen, sondern Vorgesetzte beherrschen die Frageform nicht nur Verdächtigen gegenüber. Der Tonfall der Dialoge ist weniger bestimmend, das mag an der Synchronisation liegen, fällt mir aber immer bei skandinavischen Filmproduktionen auf.
Viele Charaktere werden weniger taff dargestellt, eher leise, bedächtiger als die deutschen omnipotenten Ermittler.
Junge Kollegen machen Fehler und werden eher geleitet als diszipliniert.
Sind Chefs sind nicht in der Lage, auf Mitarbeiter einzugehen, werden sie von ihren eigenen Vorgesetzten dazu angehalten, ihrer Führungsverantwortung gerecht zu werden.
Chefs entschuldigen sich.
Die Vorstellung von „Führung“ und das Leitbild des Teams scheinen anders als hierzulande zu sein.

Zielstrebig defizitorientiert

Warum mache ich mir eigentlich darum einen Kopf wie man so schön sagt?
Berufsbedingt bin ich häufig mit Führungskräften der Marke „Egoistisch, selbstgerecht, ungerecht, beratungsresistent“ konfrontiert.
Entsprechende Führungskräftequalifikationen werden zähneknirschend angenommen, das “ gelernte“ eher nicht in die Praxis umgesetzt.
Der Blick der Führungskräfte ist gerichtet auf vermeintliche Defizite der Mitarbeiter statt auf deren Stärken.
Alleinerziehende können ein Lied davon singen, wie oft sie zu hören bekommen, wann und wie oft sie für die Arbeit nicht zur Verfügung stehen. Selten wird registriert, was sie alles in kurzer Arbeitszeit erledigen und wie oft sie doch da sind, obwohl sie dafür noch nicht einmal bezahlt werden. Nur um ein Beispiel zu nennen.

Da möchte ich abends im TV das bessere Leben sehen.
Bei deutschen Krimis heißt das: am Ende ist der Fall gelöst, man rauft sich zusammen und zum Schluss gibt es ein gemeinsames Bierchen oder eine Wurst im Stehen. Alle haben sich wieder lieb.
Bei den Schweden überdenkt der Chef sein Tun, man geht aufeinander zu, spricht miteinander, hört sich zu.
Der Mörder wird auch hier gefasst.

Die Wissenschaft hat festgestellt….

Umsichtige Chefs würden vieles verändern.
Wie die GLOBE-Studie zum kulturellen Vergleich des Führungsverhaltens festgestellt hat, wünschen sich einen wertschätzenden Führungsstil zunehmend mehr Menschen. In Deutschland und und Österreich bekommt man statt personenorientierter Führung aber eher die aufgabenorientierte Version geboten:

……., wo ein würdiger und respektvoller Umgang miteinander gepflegt wird, sind nun auch in Österreich und Deutschland humanere Verhaltensweisen am Arbeitsplatz gefragt. „Man wünscht sich Führungskräfte mit interpersonellem Geschick, die mit ihren Mitarbeitern fair und höflich umgehen, sie unterstützen und auf sie eingehen, die mehr Herz zeigen und weniger Kopf“, erklärt Brodbeck. Dennoch: Der Globe-Studie zufolge wird vor allem in Deutschland, aber auch in Österreich ein derartiges Verhalten noch nicht einmal von jenen Führungskräften erwartet, die als hervorragend eingestuft werden. „Das ist die Macht der kulturellen Muster“, so der Wissenschaftler weiter. Man akzeptiert jene Manager, die nicht humanorientiert handeln, und fördert sie auch noch, weil sie dem bisherigen kulturgeprägten Schema einer entpersönlichten, aufgabenorientierten Führungsauffassung entsprechen. Quelle

Dementsprechend fällt auch die Antwort auf die vom Geva- Institut gestellte Frage aus, ob sich Führungskräfte von den Mitarbeitern beurteilen ließen :

Die Bewertung des Führungsstils durch eine Mitarbeiterbefragung ist in deutschen wie auch in vielen Unternehmen weltweit noch nicht ausreichend etabliert. So glauben hierzulande lediglich 35 Prozent der Erwerbstätigen, dass ein Vorgesetzter sein Führungsverhalten im Rahmen einer Mitarbeiterbefragung beurteilen lassen würde. Dem gegenüber steht, dass
88 Prozent der Deutschen in einer anonymen Befragung ehrlich antworten und ihre Meinung offen sagen würden. Auf dieses wertvolle Feedback für die Arbeit ihrer Führungskräfte sollten Unternehmen nicht verzichten. Quelle, mit anschaulichem Ländervergleich

Führungsverhalten wirkt sich auch auf die Gesundheit aus.

Wirtschaftlich nimmt Deutschland im europäischen Vergleich eine Spitzenposition ein, gemessen an der Zahl der gesunden Lebensjahre schneidet es aber alarmierend schlecht ab. Während die beschwerdefreie Lebenserwartung für Männer in Schweden laut Eurostat 69,2 Jahre beträgt, liegt sie für Männer in Deutschland bei gerade 55,8 Jahren….. Bei Frauen beträgt die Differenz gut elf Jahre. Quelle

Zurück zum Krimi.
Entspannen beim Eintauchen in den stressigen Arbeitsalltag anderer.
Den Wunsch nach einer humaneren Arbeitswelt zulassen.
Vielleicht den eigenen Alltag ein wenig reflektieren.

Checken, wie es um die eigene Arbeitszufriedenheit bestellt ist: mit dem DGB -Gute- Arbeit-Index hier .

(1) ich bitte um Vergebung: nach anfänglichen Bemühungen einer geschlechtsneutralen Sprache habe ich angesichts der vielen, vielen
_ und / sowie zerstückelten Wörter aufgegeben und schreibe wie es der Duden vorsieht, von ungewollten Fehlern abgesehen. Sorry.

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