Inklusive Arbeitswelt – mit Handicap voran lautete der Titel einer Fachtagung für betriebliche Interessenvertretungen Ende August zum Thema Inklusion in der Arbeitswelt.
Mit ca. 200 TeilnehmerInnen war die Tagung gut besucht.
Erfreulicher Weise neben den Schwerbehindertenvertretungen auch von etlichen Betriebs-und Personalräten.
Eröffnet wurde die Tagung mit markigen Worten: Inklusion sei ein Menschenrecht. Die Vorenthaltung der gesellschaftlichen Teilhabe Verfassungsbruch. Sie forderten zum Sturm gegen die Barrikaden in den Köpfen vieler Menschen, die Inklusion mit Illusion verwechseln, auf.
Wer noch nicht so im Thema war, wurde durch einen einführenden Vortrag über die UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen ( UN-BRK ), einer entsprechenden Konkretisierung der Menschenrechte, schlau gemacht.
Inklusion über den Tellerrand gedacht.
Das Highligt des Tages aber kam aus einer Ecke, die ich eher nicht erwartet hatte:
Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl, Professor für Theologische Ethik an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin überzeugte nicht nur durch seine außergewöhnlich eloquente Vortragsart, sondern vor allem mit guten Argumenten.
Das kleine Wörtchen „normal“ war ohne entsprechende Gestik von Lob-Hüdepohl nicht zu hören.
In seinem Beitrag Von “ auch-“ zu “ nur- “ Kompetenzen stellte Prof. Lob-Hüdepohl dar, wie wichtig es ist, von der „Normalisierung“ von Menschen mit Behinderungen weg zu einer Haltung und eines Prozesses der Zulassung und Förderung von Vielfalt zu kommen.
Normalisierung sei letztlich nichts anderes als eine heimliche Defizitorientierung.
Er wies mehrfach darauf hin, dass es in diesem Prozess durchaus Interessenkonflikte geben könne. Personal-, Betriebsräte und Schwerbehindertenvertretungen wissen, was er meint.
Diese zur verharmlosen oder zu vertuschen, nütze niemandem.
Gleiches gelte für den Umgang am Arbeitsplatz untereinander. Mit dem Begriff „fürsorgliche Belagerung“ (1) beschrieb er, wie gut gemeinte Hilfestellungen ins Gegenteil verkehrt werden.
„Ein Wegweiser soll nicht im Weg stehen“ – ein deutlicher Appell an alle, Menschen mit Behinderungen ernst zu nehmen, nicht zu bevormunden und echte, zufriedenstellende Lösungen zuzulassen/ zu suchen.
Inklusion ist kein Nischenthema
Inklusion geht nur gemeinsam.
Unsere Überlegung darf nicht sein: was geht nicht, wenn du so oder so bist, sondern: was geht und wie?
Nicht Menschen mit Behinderungen müssen sich anpassen. Gemeinsam müssen wir schauen, wie wir Dinge möglich machen, die wir uns kaum vorstellen können. Die Mauern in den Köpfen einreißen. Menschen mit Behinderungen sind nur eine von vielen Gruppen, die durch Inklusion zu gesellschaftlicher Teilhabe und Teilgabe kommen können.
Es geht eben nicht um „Normalisierung“ des Anders- ,sondern um Akzeptanz des Verschiedenartigen.
Diese Haltung kam ebenfalls in der Abschlussdiskussion zum Ausdruck, in der erfolgreiche Beispiele aus Hamburger Betrieben/Behörden geschildert wurden.
Alles in allem eine gelungene Tagung, wenn auch noch ein weiter Weg vor uns liegt.
Schön, dass Inklusion nicht immer nur im Zusammenhang mit Schule gesehen wird.
Wer die Vorträge von Ingrid Körner zur UN-Konvention und Prof.Dr. Lob-Hüdepohl nachlesen möchte, wird auf der Homepage der Beratungsstelle Handicap bei Arbeit und Leben DGB/VHS e. V. fündig.
(1) dieser Begriff gefällt mir wirklich gut. Lange Zeit haben wir ( leider erfolglos) versucht, Lehrern und Sozialpädagogen, die eigentlich ganz nett waren und meinem Kind helfen wollten, klar zu machen, dass ihre Art zu helfen eher störend war – weil sie letztlich nur Hilfe zur Anpassung war, mitleidsvoll und aufdringlich. Dementsprechend hat mein Kind diese Art von “ Hilfe“ auch nicht angenommen. Was wiederum zu Rat- und Hilflosigkeit der Pädagogen führte.
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Zitat:
„Gleiches gelte für den Umgang am Arbeitsplatz untereinander. Mit dem Begriff „fürsorgliche Belagerung“ (1) beschrieb er, wie gut gemeinte Hilfestellungen ins Gegenteil verkehrt werden.“
Es geht darum, difuse Ängste abzubauen!
Damit dieses Szenario nicht mehr entsteht!
Das ist das Eine.
Aber es gibt da auch die falsche Hilfe aus Ahnungslosigkeit.
Das können ganz kleine Sachen sein wie jemandem beim Anfangen helfen wollen, obwohl dieser gedanklich schon längst angefangen hat und die Aufgabe zügig erledigen wird, wenn er auch das letzte Detail „im Geiste“ durch hat. Wird oft mit langsam verwechselt, ist aber oft schneller. Helfen heißt in so einem Fall ansprechen und unterbrechen. Mit der Folge, dass es dann manchmal aufgrund der Irritation gar nicht mehr geht.
Da muss der Ungeduldige mal an sich arbeiten.
Oder Dinge tun, die der/ die Betreffende selbst kann. Aufmerksame Kollegen wissen, was geht und was nicht oder fragen, lassen sich erklären und merken sich das.
Es wird viel zu schnell von sich auf andere geschlossen….oder man hat mal „was“ über diese Art Behinderung/ ArbeitnehmerInnen Ü 55 / Menschen mit Migrationshintergrund/ usw. gelesen bzw. im TV gesehen….
Dazu lernen- Angst abbauen – offener Umgang- sich beizeiten dran erinnern . Damit wär schon viel gewonnen.
Du beschreibst, was mein Großer zum Teil noch immer erlebt.
Es resultiert aus Ängsten und gelesenem. (ohne Nachfragen oder mit Beratungsresistenz)
Weil es für mich „so klar“ war, hatte ich die Beschreibung „glatt vergessen“. 😉
Wir sind schon längst nicht mehr der Maßstab…..
Inklusion als nicht „normalisieren“ als schauen was die stärken sind, spricht mich aus die Seele! Defizitorientierte Hilfe kenne ich zu genügen und probiere immer wieder etwas anders zu bekommen. Es braucht schon in mein Kopf ein umdenken, dann gute Kommunikation und auch im andere Köpfen ein umdenken.
Ja, es braucht viel Kraft, selbst umzudenken.
Es wäre so viel einfacher, wenn auch andere nicht immer nur die „Defizite“ sähen.
Ich muss sagen, ich bin auch nicht allein auf die Idee gekommen, ich habe auch nicht allein die Kraft gehabt: Es gibt immer wieder Menschen, eine Minderheit, die meine Talenten gesehen haben und sogar schade gefunden haben dass ich manchmal auf meine Defizit fixiert war. So mit der Zeit und auch eine Menge eigene Arbeit, kann ich mich immer besser abgrenzen. Aber anstregend finde ich es immer mehr, wenn noch viele Menschen, die mich helfen wollen, sogar sehr gut meinen noch an die Defizit zuerst denken.
So als beispiel an der letzte Mitarbeitengespräch wo es wieder darum geht mich zu sagen, ich sollte mich mehr konzentrieren und mich weniger ablenken lassen und dann sage ich dass ich doch dazwischen Pausen brauche zu träumen oder aus der Fenster zu schauen da mich konzentrieren anstregend ist, da es nicht mein Naturel ist… Da wird doch meine cheffin mich dabei erwischt und hat nicht so Freude… Aber sonst, leiste ich eine gute Arbeit, weil es mich auch meistens bewusst ist wenn ich eben nicht dabei bin, was will sie mehr? Mehr Raum für meine Kreativität bekomme ich leider nicht ;(. Vielleicht sollte ich es wieder mal ansprechen und damit allgemein dass thema „Stärken fördern, statt Defizit aufbügeln“ Ich arbeite da an eine geschützte Werkstatt, also, es geht auch um Förderung. Aber eben wie die Meistens es meinen, manchmal… Nun, anfang 40 kenne ich mich doch gut genug um zu wissen was mich gut tut.
Ja, sprich es doch mal wieder an! LG
Ende Jahr, etwa November-Dezember ist es so weit, ich habe Zeit mich Gedanken zu machen und mich es zu überlegen.